OGH 1Ob158/23a

OGH1Ob158/23a16.11.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely‑Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. H*, und 2. M*, beide vertreten durch die Auer Bodingbauer Leitner Stöglehner Rechtsanwälte OG in Linz, gegen die beklagte Partei M*, Rauchfangkehrer, *, vertreten durch Dr. Haymo Modelhart ua, Rechtsanwälte in Linz, wegen 16.931 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 29. Juni 2023, GZ 3 R 61/23w‑29, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wels vom 7. April 2023, GZ 43 Cg 59/23i‑21, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0010OB00158.23A.1116.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Amtshaftung inkl. StEG

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 1.551,68 EUR (darin enthalten 258,61 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzten.

 

Begründung:

[1] Die Kläger begehren vom Beklagten Schadenersatz von insgesamt 16.931 EUR sA. Er habe als für ihre Liegenschaft zuständiger Rauchfangkehrer die ihm vertraglich übertragenen Aufgaben, nämlich das Reinigen und Kehren der Schornsteine, derart mangelhaft durchgeführt, dass es im Objekt der Kläger zu massiven Verrußungen gekommen sei. Er habe es zugelassen, dass jener Kamin, der vom Ölofen zum Schornstein führe, so stark verlegt gewesen sei, dass ein Abzug der Abgase nicht mehr möglich gewesen sei. Bereits Ende des Jahres 2021 und dann noch einmal wenige Tage später hätten die Kläger dem Beklagten telefonisch mitgeteilt, dass ihrer Meinung nach mit der Heizung etwas nicht stimmen würde. Der Beklagte habe es jedoch zwei Mal abgelehnt, vor Ort zu erscheinen, insbesondere weil allfällige Verrußungen angeblich auf ein Teelicht zurückzuführen seien. Als der Beklagte im März 2022 (statt der bisherigen Öl-) eine neu installierte Pelletsheizung abgenommen habe, habe sich im Zuge von Überprüfungen am Dachboden eine Scheibtruhe voll verrußtem Material aus dem Schornstein gelöst, obwohl der Beklagte noch am 25. 11. 2021die Rauchfänge gekehrt habe. Bei fachgerechter Durchführung der Reinigungsarbeiten wäre es nicht zu einer derart starken Verrußung gekommen.

[2] Der Beklagte bestritt und wandte unter anderem die Unzulässigkeit des Rechtswegs gemäß § 9 Abs 5 AHG ein. Er habe die Überprüfung von Heizungsanlagen sowie Überprüfung und Reinigung der Fänge gemäß §§ 25, 27 Abs 2 und 32 Oö Luftreinhalte‑ und Energietechnikgesetz 2002 (Oö LuftREnTG) ausgeführt. Diese Tätigkeiten würden ihm infolge gesetzlichen Auftrags als behördlich konzessioniertem Rauchfangkehrer obliegen. Er handle im Rahmen dieser regelmäßigen Überprüfungen hoheitlich.

[3] Das Erstgericht verwarf die Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs. Nach der Klageerzählung werde der Anspruch gegen den Beklagten auf mangelhaft durchgeführte Kehrarbeiten und nicht auf eine fehlerhafte Überprüfungstätigkeit nach § 25 Abs 1 Oö LuftREnTG gestützt, sodass von klägerischer Seite auf eine nicht ordnungsgemäße Erfüllung von vertraglichen Pflichten zwischen den Klägern und dem Beklagten zurückgegriffen werde. Dies ändere sich auch dadurch nicht, dass der Beklagte auch die Überprüfungen nach dem Oö LuftREnTG durchgeführt habe.

[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Beklagten Folge, erklärte das Verfahren einschließlich der Klagezustellung für nichtig und wies die Klage zurück.

[5] Die Kläger würden dem Beklagten vorwerfen, eine erforderliche Reinigung des Rauchfangs unterlassen bzw mangelhaft durchgeführt zu haben und sie nicht auf bestehende Verschmutzungen hingewiesen zu haben. Dies enthalte zwingend auch den Vorwurf eines Verstoßes gegen die den Beklagten gemäß § 32 Abs 2 Oö LuftREnTG treffende Verpflichtung, alle die Brand‑ oder die Betriebssicherheit der Fänge betreffenden Mängel, soweit ihm diese bei Erfüllung seiner Aufgaben erkennbar seien, der verfügungsberechtigten Person schriftlich bekanntzugeben. Diese Verpflichtungen würden den Rauchfangkehrer auch treffen, wenn er derartige Mängel im Zuge seiner Kehrtätigkeit (und nicht etwa im Zuge einer behördlichen Überprüfung) feststelle. Insofern könne die Kehrtätigkeit des Beklagten nicht isoliert und unabhängig von den ihm per Gesetz übertragenen hoheitlichen Aufgaben betrachtet werden. Der Beklagte sei daher in Vollziehung der Gesetze tätig geworden und damit Organ im Sinn des § 1 Abs 2 AHG.

[6] Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nachträglich zu, weil es (allenfalls) einer Klarstellung durch den Obersten Gerichtshof dazu bedürfe, unter welchen Voraussetzungen eine Haftung des Rauchfangkehrers außerhalb von Amtshaftungsansprüchen aus dem Kehrvertrag zum Tragen kommen könne.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der vom Beklagten beantwortete Revisionsrekurs der Kläger ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grundzulässig. Er ist jedoch nicht berechtigt.

[8] 1. Wird der Ersatzanspruch gegen das Organ eines Rechtsträgers gerichtet, obwohl dieses den behaupteten Schaden in Vollziehung des Gesetzes zugefügt hat, ist gemäß § 9 Abs 5 AHG der Rechtsweg unzulässig (RS0103737 ua).  Liegt Hoheitshandeln vor, kommt eine Geltendmachung von Ansprüchen nach allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts im Allgemeinen nicht in Betracht (RS0022989). Dass der hoheitlichen Tätigkeit ein (privatrechtlicher) Auftrag einer Person des Privatrechts vorangeht und für die Leistung ein Entgelt zu entrichten ist, schließt die Anwendung des AHG nicht aus (RS0022989 [T3]). Ganz grundsätzlich geht das auf Art 23 B‑VG beruhende AHG den schadenersatzrechtlichen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts in seiner Gesamtheit vor (RS0082339). Darauf gestützte Ansprüche scheiden aus, es sei denn, es läge eine spezielle gesetzliche Haftungsbestimmung oder eine Haftung aufgrund einer weitergehenden vertraglichen Verpflichtung vor (RS0082339 [T3]). Die immunisierende Wirkung des § 9 Abs 5 AHG bezieht sich nämlich nicht auf neben der hoheitlichen Aufgabenerfüllung bestehende vertragliche Pflichten (1 Ob 224/10p).

[9] 2. In diesem Sinn hat der Oberste Gerichtshof außerhalb des Amtshaftungsrechts die Haftung des Rauchfangkehrers aus privatrechtlichem Kehrvertrag anerkannt (1 Ob 224/10p mwN [Verletzung einer Aufklärungspflicht aus dem Kehrvertrag]; 3 Ob 110/18z; 7 Ob 64/19s).

[10] Dagegen werden Tätigkeiten eines Rauchfangkehrers, die er im Rahmen der ihm von den landesrechtlichen Feuerpolizeivorschriften übertragenen sicherheitsrelevanten Aufgaben erfüllt, die sonst von Gemeindeorganen zu bewerkstelligen wären, in ständiger Rechtsprechung dem Hoheitsbereich zugeordnet (1 Ob 27/20g [zur Sichtprüfung nach § 24 und Feuerbeschau nach § 27 der Kärntner Gefahrenpolizei- und Feuerpolizeiordnung]). Dazu zählen etwa die Mitwirkung an der feuerpolizeilichen Beschau nach dem Nö FGG ([nunmehr Nö FG 2015]; 1 Ob 52/00d), die Durchführung der Hauptüberpüfung nach § 13 Abs 1 der Tiroler Feuerpolizeiverordnung 1998 (3 Ob 110/18z) oder die (Unterlassung der) Sichtprüfung nach § 24 der Kärntner Gefahrenpolizei‑ und Feuerpolizeiordnung (1 Ob 33/20i). Zuletzt hat der Senat etwa die wiederkehrende Überprüfung nach § 25 Oö LuftREntG als hoheitliche Tätigkeit qualifiziert (1 Ob 214/22k).

[11] Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, so sind es nach ständiger Rechtsprechung auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Handlungen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RS0049948).

[12] 3. Bei der Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs gegen ein Organ kommt es nicht darauf an, ob die Klage ausdrücklich auf das Amtshaftungsgesetz oder auf die allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts gestützt wird (RS0087676), weil jedenfalls nicht eine solche Rechtsbehauptung der klagenden Partei, sondern der geltend gemachte und allein durch das Gericht zu beurteilende Streitgegenstand maßgeblich ist. Es ist somit jeweils zu untersuchen, ob die klagende Partei die beklagte Partei inhaltlich aus einem Hoheitsakt in Anspruch nimmt (RS0050139 [T2, T3, T5, T8]). Entscheidend ist, ob sie in Wahrheit die beklagte Partei als Organ wegen deren hoheitlichen Handelns in Anspruch nimmt (1 Ob 15/11d mwN).

[13] Sollte es an den erforderlichen Klagebehauptungen fehlen, um den gegen eine physische oder juristische Person geltend gemachten Anspruch seinem Klagegrund nach bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtswegs abschließend beurteilen zu können, wäre der Kläger zu einer entsprechenden Ergänzung seines Vorbringens anzuleiten (vgl 1 Ob 49/95).

[14] 4. Gemäß § 32 Abs 2 Oö LuftREnTG sind Fänge vom Rauchfangkehrer auf Brandsicherheit zu überprüfen und erforderlichenfalls zu reinigen und zwar (1.) in der Heizperiode (1. Oktober bis 31. Mai) nach Maßgabe der Anlage 6 und (2.) ohne Bindung an die Heizperiode nach Maßgabe der Anlage 7. In den genannten Anlagen sind die Überprüfungsfristen geregelt.

[15] Nach § 35 Abs 1 Z 2 Oö LuftREnTG hat der Rauchfangkehrer insbesondere die ihm gemäß diesem Landesgesetz übertragenen Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen. Nach Abs 2 leg cit ist er verpflichtet, alle die Brand‑ oder die Betriebssicherheit der Fänge betreffenden Mängel, soweit ihm diese bei Erfüllung seiner Aufgaben erkennbar sind, der verfügungsberechtigten Person schriftlich bekannt zu geben; § 28 [Mängelbehebung] ist sinngemäß anzuwenden.

[16] Gemäß § 36 Abs 1 Oö LuftREnTG hat die verfügungsberechtigte Person unbeschadet privatrechtlicher Ersatzansprüche auf ihre Kosten einen zuständigen Rauchfangkehrer mit der Durchführung der dem Rauchfangkehrer vorbehaltenen Überprüfungen und Reinigungen (einschließlich des Ausbrennens) zu beauftragen. Die verfügungsberechtigte Person hat jede erstmalige Beauftragung und jeden Wechsel des Rauchfangkehrers unverzüglich der Behörde bekannt zu geben.

[17] 5. Daraus ergibt sich, dass die nach den Anlagen 6 und 7 vorgesehene regelmäßige Überprüfung der Rauchfänge auf Brandsicherheit und die in diesem Zusammenhangerforderliche Reinigung in Vollziehung des Oö LuftREnTG erfolgt und (als sicherheitsrelevante Tätigkeit) vom Rauchfangkehrer als Organ im Sinn des § 1 Abs 2 AHG vorgenommen wird.

[18] Allein die (nicht weiter substantiierte) Rechtsbehauptung der Kläger (vgl RS0050139 [T8]), sie hätten mit dem Beklagten einen privatrechtlichen Kehrvertrag, ändert nichts daran, dass der Rechtsweg in Bezug auf Haftungsansprüche, die aus der in einem hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der Überprüfung nach § 32 Oö LuftREnTG stehenden (mangelhaften) Kehrung der Rauchfänge abgeleitet werden, unzulässig ist (RS0022989; 1 Ob 4/20z). Insoweit hat die verfügungsberechtigte Person einen zuständigen Rauchfangkehrer mit den Überprüfungen und Reinigungen (einschließlich des Ausbrennens) zu betrauen (§ 36 Abs 1 Oö LuftREnTG). Nicht richtig ist, dass – wie die Kläger meinen – damit zwingend jede Kehrtätigkeit eines Rauchfangkehrers hoheitlicher Natur ist, weil Leistungen des Rauchfangkehrers auch außerhalb der periodischen Überprüfungen nach § 32 Oö LuftREnTG denkbar sind. In dem Zusammenhang unterscheidet auch § 120 GewO zwischen den sicherheitsrelevanten Tätigkeiten (Überprüfung und Maßnahmen zur Gefahrenabwehr, insbesondere unmittelbar notwendige Kehrungen im Zuge der Überprüfung) und den weiteren im Gewerbe enthaltenen Tätigkeiten (wartungsbedingtes Kehren, Reinigen, Tätigkeiten im Sinn des § 120 Abs 2 bis 5 GewO) des Rauchfangkehrers (Gruber/Paliege-Barfuß, GewO7 § 120 Anm 2 [unter Hinweis auf die EB zur GewONov 2015]). So ist die Kehrung von Rauch‑ und Abgasfängen ein weitgehend unabdingbarer Teil der Überprüfung von Feuerungsanlagen oder Teilen davon und von Störungsbehebungen an Kehrobjekten und dient somit insbesondere der unmittelbaren Gefahrenabwehr (sog „sicherheitstechnische“ bzw „störungsbehebende“ Kehrungen). Wartungsbedingte Reinigungen von Kehrobjekten unter Anwendung von Kehrgeräten sind hingegen als bloß „störungsvermeidende“ Maßnahmen einzustufen (Wallner in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO § 120 Rz 2 [zum Begriff Kehrung]).

[19] 6. Die Kläger bringen im konkreten Fall nicht vor, dass sie ihre Ansprüche aus (bloßen) Wartungsleistungen des Beklagten ableiten würden, die über die nach § 32 leg cit vorgeschriebene – explizit der Brandsicherheit dienende, also sicherheitsrelevante – Reinigung hinaus gingen, obgleich der Beklagte einen entsprechenden Einwand erhoben hat.

[20] § 182a ZPO hat nichts daran geändert, dass es keiner richterlichen Anleitung zu einem Vorbringen bedarf, gegen das der Prozessgegner bereits Einwendungen erhoben hat. Angesichts solcher Einwendungen hat die andere Partei ihren Prozessstandpunkt selbst zu überprüfen und die erforderlichen Konsequenzen zu ziehen (RS0122365 [T4]).

[21] Es besteht daher keine Notwendigkeit, das Klagevorbringen noch einmal mit den Klägern erörtern zu lassen.

[22] 7. Mangels Behauptung der Verletzung von Pflichten aus einem weitergehenden Kehrvertrag, der nicht nur die hoheitliche Tätigkeit des Beklagten umfasst, erweist sich die Beurteilung des Rekursgerichts, der Rechtsweg gegen das Organ sei unzulässig, im Ergebnis als richtig. Dem Revisionsrekurs ist daher nicht Folge zu geben.

[23] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Für die Revisionsrekursbeantwortung steht nur ein Streitgenossenzuschlag von 10 % zu, weil die Nebenintervention des Landes Oberösterreich auf Seiten der Kläger bereits in erster Instanz rechtskräftig zurückgewiesen wurde.

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