European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00033.20I.0416.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Die beklagte Partei hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Die Klägerin ist Feuerversicherer eines in Kärnten gelegenen Einfamilienhauses. In diesem brach im Jahr 2017 ein Brand aus. Sie begehrt vom Beklagten den Ersatz der erbrachten Versicherungsleistung mit dem Vorwurf, er (oder sein Gehilfe) sei als Rauchfangkehrer seiner Verpflichtung zur „Sichtprüfung“ nach § 24 der Kärntner Gefahrenpolizei- und Feuerpolizeiordnung (K‑GFPO) nicht nachgekommen und habe den Eigentümer auf die gefährliche Situierung des Etagenherds nicht hingewiesen.
Das Erstgericht wies die Klage gemäß § 9 Abs 5 AHG mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurück.
Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen erhobene Revisionsrekurs ist nicht zulässig:
1. Wird der Anspruch gegen das Organ selbst gerichtet, obwohl dieses den behaupteten Schaden in Vollziehung des Gesetzes zugefügt hat, ist der Rechtsweg gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig (RIS‑Justiz RS0103737 ua; zuletzt 1 Ob 98/19x). Eine Geltendmachung von Ansprüchen nach allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts kommt dann nicht in Betracht (RS0022989).
2. Die Revisionsrekurswerberin räumt zwar ein, dass der Rauchfangkehrer „mit dem § 24 K‑FGPO“ einen gesetzlichen Auftrag zu erfüllen hat, verneint aber dann trotzdem hoheitliche Tätigkeit, weil diese Verpflichtung „letztlich jedermann bzw auch de[n] jeweiligen Grundeigentümer“ treffe; der Rauchfangkehrer gehe dabei „de facto völlig ohne behördlichen Rahmen bzw. ohne jeglichen Auftrag jener Behörde, die das Gesetz zu vollziehen“ habe, vor. Sie setzt offenbar – wie sich ihren weiteren Ausführungen entnehmen lässt – für eine Qualifikation von dessen Tätigkeit im Rahmen der „Sichtprüfung“ als hoheitliches Handeln zwingend einen ihm konkret von einer Behörde erteilten Auftrag zum Tätigwerden voraus (so beispielsweise aufgezählt ein Auftrag des Bürgermeisters nach einer „Meldungslegung“ durch den Rauchfangkehrer zu einer dann erfolgenden „Nachbeschau“). Auch steht sie auf dem – schon nach bisheriger Rechtsprechung nicht zutreffenden – Standpunkt, ein Rauchfangkehrer werde nur bei der „Feuerbeschau“ hoheitlich tätig (vgl nur zu der einer „Sichtüberprüfung“ nach § 24 K‑GFPO entsprechenden „Hauptüberprüfung“ nach § 13 Abs 1 Tiroler Feuerpolizeiordnung 1998: 3 Ob 110/18z).
3. Das Rekursgericht hat der Klägerin bereits die Judikatur zur Beurteilung einer Tätigkeit als hoheitlich danach, ob eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist, erläutert. Ist dies der Fall, dann sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RS0049948; RS0049930; RS0049897). Für die Begründung einer Organstellung kommt es damit wesentlich darauf an, ob eine Person hoheitliche Aufgaben zu besorgen hat. Dann ist sie gemäß § 1 Abs 2 AHG Organ, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt, gewählt, ernannt oder sonst herangezogen wurde und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist (RS0087679). Dass der hoheitlichen Tätigkeit ein (privatrechtlicher) Auftrag einer Person des Privatrechts vorangeht und für die Leistung ein Entgelt zu entrichten ist, schließt die Anwendung des AHG nicht aus (1 Ob 15/11d [Veröffentlichung iSd § 277 Abs 2 UGB]; 1 Ob 4/20z [Transportbegleitung] je mwN). Darauf, dass der Beklagte „im Februar 2015 nicht im Rahmen einer behördlichen Anordnung bzw eines Auftrages im streitgegenständlichen Objekt war“ kommt es damit ebensowenig an, wie darauf, ob die Kosten für hoheitliches Handeln „gesondert“ und auch „behördlich vorgeschrieben“ worden sind.
4. Die Pflicht nach § 24 K‑FGPO (in der im Jahr 2015 geltenden Fassung LGBl 2012/4), jeweils einmal innerhalb von drei Jahren unter anderem die Feuerstätten einer Sichtprüfung auf ihren ordnungsgemäßen Zustand zu unterziehen, allfällige Mängel dem Gebäudeeigentümer nachweislich mitzuteilen und sie dem Bürgermeister bei Unterbleiben einer Behebung innerhalb der nächsten Reinigungsfrist bzw bei unmittelbar drohender Gefahr eines Brandes sofort anzuzeigen, wird – entgegen den Behauptungen der Klägerin – nicht „jedermann“, sondern (nur) dem behördlich konzessionierten Rauchfangkehrer auferlegt („Die Rauchfangkehrer sind verpflichtet…“). Der (in den Gesetzesmaterialien zu einer Novelle der Gewerbeordnung als „beliehener Unternehmer“ bezeichnete [ErläutRV 780 BlgNR 24. GP 4]) Rauchfangkehrer führt dabei sicherheitsrelevante Tätigkeiten durch (nach § 120 Abs 1 GewO ua „Überprüfungen“), die sonst von Gemeindeorganen zu bewerkstelligen wären (Art 118 Abs 3 Z 9 B‑VG; zur regelmäßigen Überprüfung von Feuerungs- und Abgasanlagen als Erfüllung einer Aufgabe von wesentlichem öffentlichen Interesse, ErläutRV aaO 2 f u 4; ebenso ErläutRV 481 BlgNR 25 GP 1; auch heute noch geht der Landesgesetzgeber von „sicherheitsrelevante[n] Tätigkeiten“ „in Vollziehung dieses Gesetzes“ aus: ErläutRV zur Änderung der K‑GFPO Zl.01‑VD‑LG‑1597/12-2019, 1). Deswegen (und auch nur für die Erfüllung dieser sicherheitsrelevanten Tätigkeiten) wird konzessionierten Rauchfangkehrern (immer noch) ein Gebietsschutz in Form der Kehrgebiete zugestanden (§ 123 GewO 1994 iVm den jeweiligen Verordnungen des Landeshauptmanns); andererseits sind sie verpflichtet, diese Tätigkeiten innerhalb ihres Kehrgebiets auszuführen (§ 123 Abs 3 GewO 1994).
5. Anders als die Revisionswerberin behauptet, vollzieht sich ein Wechsel des Rauchfangkehrers auch nicht in der Weise, dass er „offensichtlich“ „der Gemeinde nicht bekanntzugeben ist“. Auf ihren daran geknüpften Schluss, es könne die Gemeinde doch nicht für „einen ihr gar nicht bekannten Rauchfangkehrer“ haften, muss damit schon deswegen nicht mehr eingegangen werden. Es hat nämlich bei einem (ohnehin nicht jederzeit möglichen) Wechsel der bisher beauftragte Rauchfangkehrer unverzüglich einen schriftlichen Bericht über die zuletzt erfolgte Kehrung und über den Zustand des Kehrobjekts an den für die Zukunft beauftragten Rauchfangkehrer, an die Gemeinde und an die Inhaber des Kehrobjekts zu übermitteln (§ 124 GewO 1994). Damit ist auch gesetzlich dafür vorgesorgt, dass die Behörde in Kenntnis darüber ist, wer die sicherheitsrelevante Tätigkeit der regelmäßigen Überprüfung (samt Beanstandung von Mängel, der Überprüfung ihrer Behebung innerhalb der nächsten Kehrfrist und allenfalls einer Anzeige an den Bürgermeister) nach dem jeweiligen Kehrvertrag wahrnimmt bzw wahrzunehmen hat.
6. Die Revisionsrekurswerberin kann daher insgesamt keine Bedenken gegen die in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Höchstgerichts zur Einordnung der Tätigkeit im Rahmen einer solchen regelmäßigen Überprüfung als hoheitlich (1 Ob 52/00d; 1 Ob 114/07g; 1 Ob 224/10p; 3 Ob 110/18z) stehende Entscheidung des Rekursgerichts wecken.
7. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO).
Da dem Beklagten die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung nicht freigestellt wurde, steht ihm für die dennoch eingebrachte Rechtsmittelbeantwortung gemäß der analog anzuwendenden Bestimmung des § 508a Abs 2 letzter Satz ZPO kein Kostenersatz zu (RS0124792).
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