OGH 1Ob27/20g

OGH1Ob27/20g16.4.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei *****versicherung *****, vertreten durch die Dr. Bernhard Hundegger Rechtsanwalt GmbH, Villach, gegen die beklagte Partei A*****, Rauchfangkehrermeister, *****, vertreten durch Dr. Karlheinz de Cillia und Mag. Michael Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, wegen 230.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 8. Jänner 2020, GZ 5 R 178/19i-7, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 14. November 2019, GZ 69 Cg 69/19p-3, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0010OB00027.20G.0416.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen die Kostenentscheidung des Rekursgerichts richtet, als jedenfalls unzulässig und im Übrigen gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Klägerin ist Feuerversicherer eines im Februar 2019 abgebrannten Wirtschaftsgebäudes. Sie begehrt vom beklagten Rauchfangkehrer den Ersatz der ihrem Versicherungsnehmer erbrachten Versicherungsleistung und wirft ihm vor, er habe die im Jahr 2017 durchgeführte Feuerbeschau und die davor und danach erfolgten jährlichen Sichtprüfungen „sorglos“ vorgenommen. So habe er die „offenbar“ fehlende baurechtliche Genehmigung des Kamins nicht beanstandet, den Betrieb des Kamins (bis zur Nachholung der Genehmigung) nicht untersagt und die erkennbare Ursache des Brandes (nicht allseitig verputzter und nicht mit brandbeständigen Platten verkleideter Kamin) nicht gerügt.

Das Erstgericht wies die Klage gemäß § 9 Abs 5 AHG mangels Zulässigkeit des Rechtswegs zurück.

Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss.

Rechtliche Beurteilung

1. Die Klägerin bekämpft in ihrem Revisionsrekurs ausdrücklich auch die Kostenentscheidung des Rekursgerichts. Insoweit ist das Rechtsmittel aber gemäß § 528 Abs 2 Z 3 ZPO absolut unzulässig.

2. Im Übrigen kann sie in ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigen:

2.1. Wird der Anspruch gegen ein Organ selbst gerichtet, obwohl dieses den behaupteten Schaden in Vollziehung des Gesetzes zugefügt hat, ist der Rechtsweg gemäß § 9 Abs 5 AHG unzulässig (RIS-Justiz RS0103737 ua; zuletzt 1 Ob 98/19x). Eine Geltendmachung von Ansprüchen nach allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts kommt dann nicht in Betracht (RS0022989), auch wenn der hoheitlichen Tätigkeit ein (privatrechtlicher) Auftrag einer Person des Privatrechts vorangeht und für die Leistung ein Entgelt zu entrichten ist (1 Ob 15/11d [Veröffentlichung iSd § 277 Abs 2 UGB]; 1 Ob 4/20z [Transportbegleitung] je mwN).

2.2. Nach den für die Beurteilung der Zulässigkeit des Rechtswegs maßgeblichen Angaben in der Klage (s RS0045584; RS0045718) relevierte die Klägerin allein Pflichtverstöße durch Unterlassungen bei Feuerbeschau und Sichtprüfungen. Sie meint, es komme dem Rauchfangkehrer im Rahmen dieser Tätigkeiten keine Befehls- und Zwangsgewalt zu, woraus sie wiederum schließt, dass er kein Organ sein könne. Die vom Rekursgericht zitierte Judikatur (1 Ob 52/00d und 1 Ob 224/10p) kritisiert sie dahin, dass sie auf einem „Missverständnis“ der Entscheidung zu 1 Ob 103/99z aufbaue. Aus letzterer leitet sie (insoweit noch zutreffend) ab, dass nicht jeder, der zur Erfüllung einer hoheitlichen Aufgabe beitrage, Organ im Sinn des AHG sei, und schlussfolgert (auch unter Berufung auf die Entscheidung zu 1 Ob 140/98i, insoweit aber unzutreffend), dass die Beurteilung eines Handelns als Organ in Vollziehung der Gesetze (iSd § 1 Abs 1 AHG) immer eine „Beleihung in Ausübung einer hoheitlichen Funktion gegenüber dem Normunterworfenen“, die (offenbar in jedem Fall) „durch die Ausstattung mit Befehls- und Zwangsgewalt nach außen zum Ausdruck kommen“ müsse, voraussetze. Die „Möglichkeit, einen Auftrag zur Mängelbehebung“ an den Normunterworfenen zu erteilen, reiche dafür nicht aus.

Dieser Schluss lässt sich aber weder aus der Entscheidung zu 1 Ob 103/99z noch aus jener zu 1 Ob 140/98i ziehen. Ebensowenig ist von ausschlaggebender Bedeutung, dass – anders als etwa nach den für Wien geltenden landesgesetzlichen Bestimmungen – der Rauchfangkehrer in Kärnten kein unmittelbar wirkendes „Heizverbot aussprechen“ (richtigerweise: den Benützer vom Bestehen eines gesetzlichen Heizverbots in Kenntnis setzen [RS0122858]) dürfe.

2.3. Mit ihren Ausführungen lässt die Klägerin die – vom Rekursgericht bereits zitierte – ständige Rechtsprechung dazu, dass es für die Begründung einer Organstellung wesentlich darauf ankommt, ob eine (auch juristische) Person hoheitliche Aufgaben zu besorgen hat, außer Acht. Hat eine Person hoheitliche Aufgaben zu besorgen, dann ist sie gemäß § 1 Abs 2 AHG Organ, gleichviel, ob sie dauernd oder vorübergehend oder für den einzelnen Fall bestellt, gewählt, ernannt oder sonst herangezogen wurde und ob ihr Verhältnis zum Rechtsträger nach öffentlichem oder privatem Recht zu beurteilen ist (RS0087679). Auf den zugewiesenen Verantwortungsgrad, eine Entscheidungs- oder Leitungsbefugnis oder gar auf den hierarchischen Rang, den eine Person in der Organisation des Rechtsträgers oder bei Besorgung einer hoheitlichen Aufgabe einnimmt, kommt es nicht an (RS0087675 [T2]). Ist eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur, sind auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen als in Vollziehung der Gesetze erfolgt anzusehen, wenn sie nur einen hinreichend engen inneren und äußeren Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe aufweisen (RS0049948; vgl auch RS0049897). „Private“ handeln daher auch dann als Organe, wenn sie selbst keine Hoheitsakte zu setzen haben, sondern ihre Tätigkeit nur in der unterstützenden Mitwirkung bei der Besorgung hoheitlicher Aufgaben und Zielsetzungen besteht und sie in die Erfüllung hoheitlicher Aufgaben eingebunden werden, um andere Organe bei Besorgung hoheitlicher Aufgaben zu unterstützen oder zu entlasten (RS0104351; siehe zur „Inpflichtnahme“ auch VwGH Ro 2016/04/0002; 1 Ob 87/19d). Entscheidend für das Vorliegen einer Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs 1 AHG ist damit, dass eine Aufgabe ihrem Wesen nach hoheitlicher Natur ist. In einem solchen Fall erfolgen auch alle mit ihrer Erfüllung verbundenen Verhaltensweisen – dies können auch pflichtwidrige, den Schaden herbeiführende Unterlassungen sein (RS0081378 [T3]) – bei ausreichendem Zusammenhang mit der hoheitlichen Aufgabe in Vollziehung der Gesetze (s weiters auch RS0049930).

2.4. Die Feuerpolizeivorschriften der Bundesländer übertragen den behördlich konzessionierten Rauchfangkehrern (die in den Gesetzesmaterialien zu einer Novelle der Gewerbeordnung als „beliehene Unternehmer“ bezeichnet werden [ErläutRV 780 BlgNR 24. GP  4]) sicherheitsrelevante Aufgaben, die ansonsten von Gemeindeorganen zu bewerkstelligen wären (ErläutRV aaO, ErläutRV 481 BlgNR 25. GP  1 unter Hinweis auf Art 118 Abs 3 Z 9 B-VG). Sie dienen bei der Durchführung dieser „sicherheitsrelevanten Tätigkeiten“ (nach § 120 Abs 1 GewO 1994 ua „Überprüfungen“) wesentlichen öffentlichen Interessen (ErläutRV 481 aaO 2 f, 4; auch heute noch geht der Landesgesetzgeber von „sicherheitsrelevante[n] Tätigkeiten“ „in Vollziehung dieses Gesetzes“ aus: ErläutRV zur Änderung der Kärntner Gefahrenpolizei- und Feuerpolizeiordnung [K‑GFPO] Zl.01-VD-LG-1597/12-2019, 1). Zu diesen sicherheitsrelevanten Tätigkeiten zählen die regelmäßige Überprüfung von Feuerungs- und Abgasanlagen, also die Sichtprüfung, und die Feuerbeschau nach §§ 24 und 27 K‑GFPO.

2.5. Für die Erfüllung dieser besonders sicherheitsrelevanten Tätigkeiten ist dem Rauchfangkehrer in der GewO 1994 (immer noch) ein Gebietsschutz (Kehrgebiete) eingeräumt (§ 123 GewO 1994 iVm den jeweiligen Verordnungen des Landeshauptmanns); andererseits ist er zur Ausübung dieser Tätigkeiten innerhalb seines Kehrgebiets auch verpflichtet (§ 123 Abs 3 GewO 1994). Der „öffentlich zugelassene“ (Kärntner) Rauchfangkehrer soll auch nicht „bloß“ Mängel (bei der Sichtprüfung nach § 24 Abs 3 und bei der Feuerbeschau nach § 27 Abs 8 K-GFPO) anzeigen, sondern – soweit nicht unmittelbar die Gefahr eines Brandes besteht – zuerst selbst auf die Behebung der Mängel dringen (vgl den dazu von ihm unter Fristsetzung zu erteilenden Auftrag gemäß § 27 Abs 8 K-GFPO; siehe auch die anzustrebende Behebung der Mängel binnen der nächsten Reinigungsfrist nach § 24 Abs 4 K-GFPO). Er hat die Behebung der von ihm festgestellten Mängel auch zu kontrollieren. Dass der Rauchfangkehrer, insoweit er Aufträge zur Mängelbehebung zu erteilen hat, die Befugnis hat, selbst Hoheitsakte zu setzen, hat der Oberste Gerichtshof bereits zu 1 Ob 52/00d (zur – vom Rekursgericht auch zutreffend als vergleichbar beurteilten – Bestimmung des § 20 Abs 1 nö FGG; mittlerweile § 15 Abs 2 Nö FG 2015) dargelegt.

3. Die Entscheidung des Rekursgerichts, die in Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Höchstgerichts zur Einordnung der Tätigkeit des Rauchfangkehrers im Rahmen solcher regelmäßigen Überprüfungen als hoheitlich steht (1 Ob 52/00d; 1 Ob 114/07g; 1 Ob 224/10p; 3 Ob 110/18z), begegnet daher keinen Bedenken.

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO).

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