OGH 6Ob205/22y

OGH6Ob205/22y23.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber, Mag. Pertmayr und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. J*, vertreten durch DDr. Heinz‑Dietmar Schimanko, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Dr. R*, vertreten durch Dr. Andreas Frauenberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Herausgabe/Beseitigung und Auskunft/Rechnungslegung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. Juli 2022, GZ 13 R 108/22f‑61, mit dem das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 29. März 2022, GZ 25 Cg 39/19t‑53, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00205.22Y.1023.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiete: Datenschutzrecht, Grundrechte, Persönlichkeitsschutzrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

 

I. Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

II. Die Urteile der Vorinstanzen werden in folgendem Umfang aufgehoben:

1. im Umfang der Abweisung des Begehrens auf Herausgabe,

2. im Umfang der Abweisung des Eventualbegehrens auf Vernichtung und

3. im Umfang der Abweisung des Begehrens auf Auskunft darüber, wem gegenüber der Beklagte die in den Urteilen der Vorinstanzen näher bezeichnete Filmaufnahme ganz oder teilweise offenlegt, verbreitet, überlassen, zugänglich gemacht oder veröffentlicht habe.

Die darauf entfallenden Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

III. Im Übrigen, also im Umfang der Abweisung des Begehrens, der Beklagte sei schuldig, dem Kläger über die Einnahmen Rechnung zu legen, die er dadurch erlangt habe, dass er die in den Urteilen der Vorinstanzen näher bezeichnete Filmaufnahme ganz oder teilweise offenlegt, verbreitet, überlassen, zugänglich gemacht oder veröffentlicht habe, wird das Urteil des Berufungsgerichts als Teilurteil bestätigt.

Die Entscheidung über die darauf entfallenden Kosten des Verfahrens wird bis zur rechtskräftigen Erledigung der Streitsache vorbehalten.

 

BegründungundEntscheidungsgründe:

[1] Der Kläger war Politiker der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ), zuletzt unter anderem stellvertretender Bundesparteiobmann der FPÖ, geschäftsführender Landesparteiobmann in Wien, geschäftsführender Klubobmann der FPÖ im Parlament und Vizebürgermeister und Landes-hauptmann‑Stellvertreter in Wien.

[2] Der Beklagte ist ein selbständiger Rechtsanwalt in Wien und hält Unternehmensbeteiligungen.

[3] Im Mai 2019 wurde das als „Ibiza‑Video“ bekannt gewordene Video öffentlich. In diesem sind der Kläger und H* in einem Gespräch mit einer vermeintlichen „russischen Oligarchin“ zu sehen. Vom mehrstündigen Video wurden zunächst nur einige Minuten öffentlich bekannt. Weitere Sequenzen des Videos wurden später als Transkript veröffentlicht. Der Kläger trat in der Folge als Obmann des Klubs der Abgeordneten der FPÖ zum Nationalrat und zum Bundesrat zurück.

[4] Die Filmaufnahmen wurden geplant und nur dadurch möglich, dass eine Schauspielerin sich als reiche Nichte eines „russischen Oligarchen“ mit einem falschen Namen ausgab. Der Beklagte hat für diese Schauspielerin eine Legende aufgebaut, welche auf den Kläger ausgerichtet war.

[5] Auf Ibiza fand am 24. 7. 2017 abseits der Öffentlichkeit in einem privaten Umfeld ein mehrstündiges Gespräch zwischen dem Kläger, H*, der Schauspielerin und deren Begleiter statt. Der Kläger und H* nahmen wegen der vom Beklagten initiierten Täuschung an, dass sie an einem vertraulichen Gespräch mit einer reichen Russin und deren Begleiter teilnahmen, bei dem es keine Beobachter gäbe und keine Film- oder Tonaufnahmen hergestellt würden, die dann von anderen Personen oder der Öffentlichkeit gesehen und gehört würden.

[6] Der Beklagte ließ das gesamte Gespräch vom Begleiter der Schauspielerin heimlich mit Bild und Ton filmen.

[7] Er bot das Video mehrfach entgeltlich verschiedenen Interessenten, unter anderem, aber nicht ausschließlich Medien an. Schließlich haben die Medieninhaber der „Süddeutschen Zeitung“ und des „Der Spiegel“ die Aufnahmen bekommen und Teile des Videos sowie in Artikeln auch Inhalte der Gespräche veröffentlicht.

[8] Das „Ibiza‑Video“ ist mittlerweile im Internet in voller Länge für jedermann frei zugänglich. Es gibt mittlerweile weltweit unzählige Kopien dieser Aufnahme. Eine Kopie des Videos wurde im vorliegenden Verfahren vom Kläger selbst vorgelegt.

[9] Der Kläger begehrte,

1. dem Beklagten zu verbieten,

a. ohne Einverständnis des Klägers von Äußerungen des Klägers Tonaufnahmen herzustellen oder herstellen zu lassen, oder Gespräche des Klägers abzuhören oder aufzuzeichnen oder abhören oder aufzeichnen zu lassen, wenn Äußerungen oder Gespräche des Klägers nicht öffentlich erfolgten, und es zu unterlassen, solche Tonaufnahmen oder Transkripte davon ganz oder teilweise zu veröffentlichen, zu verbreiten oder anderen Personen vorzuspielen, zugänglich zu machen oder zu überlassen,

b. ohne Einverständnis des Klägers vom Kläger Bildaufnahmen (Lichtbilder) oder Filmaufnahmen anzufertigen oder anfertigen zu lassen, oder Bildaufnahmen (Lichtbilder) oder Filmaufnahmen, in denen der Kläger erkennbar sei, oder Transkripte von solchen Filmaufnahmen ganz oder teilweise zu veröffentlichen, zu verbreiten oder anderen Personen vorzuspielen, zugänglich zu machen oder zu überlassen, wenn der Kläger darauf zu sehen sei, wenn er sich nicht in der Öffentlichkeit befinde,

c. die in seinem Auftrag hergestellte, in der Öffentlichkeit mit der Bezeichnung „Ibiza‑Video“ bezeichnete Filmaufnahme von einem am 24. 7. 2017 erfolgten Treffen des Klägers, dessen Ehefrau und des H* mit zwei Personen auf der Mittelmeerinsel Ibiza, von der Teile am 17. 5. 2019 von den Medieninhabern der „Süddeutsche Zeitung“ und des Magazins „Der Spiegel“ im Internet veröffentlicht worden seien, wie sie in dem angeschlossenen Artikel der „Wiener Zeitung“ vom 22. 5. 2019 (Beilage ./D), der einen integrierten Bestandteil des Urteils bilde, beschrieben seien, oder Teile dieser Filmaufnahme oder ein Transkript dieser Filmaufnahme oder Teile eines solchen Transkripts zu veröffentlichen, zu verbreiten oder anderen Personen vorzuspielen, zugänglich zu machen oder zu überlassen,

2. (zusammengefasst) die Ermächtigung zur Veröffentlichung des klagsstattgebenden Urteilsspruchs in näher bezeichneten Medien,

3. den Beklagten zu verpflichten, die bezeichnete Filmaufnahme samt sämtlichen analogen und digitalen Vervielfältigungsstücken und Transkripten dieser Filmaufnahme zur Gänze dem Kläger herauszugeben,

hilfsweise dazu,

den Beklagten zu verpflichten, die bezeichnete Filmaufnahme samt sämtlichen analogen und digitalen Vervielfältigungsstücken und Transkripten dieser Filmaufnahme, die sich in seinem Besitz oder Eigentum befänden, zu vernichten,

4. den Beklagten zur Auskunft gegenüber dem Kläger zu verpflichten, wem gegenüber er die bezeichnete Filmaufnahme ganz oder teilweise offengelegt, verbreitet, überlassen, zugänglich gemacht oder veröffentlicht habe und über dabei erlangte Einnahmen Rechnung zu legen, wobei die ziffernmäßige Festsetzung des aus dem Verwendungsanspruch resultierenden Zahlungsbegehrens bis zur erfolgten Rechnungslegung vorbehalten bleibe,

5. die Zahlung von ideellem Schadenersatz von 20.000 EUR und

6. (zusammengefasst) die Feststellung der Haftung des Beklagten für sämtliche Schäden des Klägers aus dem Herstellen, Zur-Verfügung-Stellen, Überlassen, Weitergeben, Verbreitens und Veröffentlichens der bezeichneten Filmaufnahme.

[10] Weiters beantragte er die Erlassung einer dem Punkt 1. des Urteilsbegehrens inhaltsgleichen einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Unterlassungsanspruchs.

[11] Er brachte vor, nachdem der Beklagte die Anbahnung und Herstellung des Videos geleitet gehabt habe, hätten er selbst und H* Strafanzeige gegen ihn erstattet.

[12] Er sei in seinen Persönlichkeitsrechten – konkret seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung, Recht am eigenen Bild und der eigenen Stimme und seiner Privatsphäre – verletzt. Gemäß § 77 UrhG habe der Kläger ein Recht darauf, dass Transkripte vertraulicher Besprechungen nicht weitergegeben würden. Die erfolgte Veröffentlichung von Passagen außerhalb ihres Zusammenhangs sei irreführend unvollständig. Darüber hinaus habe der Beklagte zu Lasten des Klägers gegen §§ 108, 120 StGB verstoßen; er habe auch seinen Anwaltsstatus missbraucht. Die Rechtfertigung des Klägers, es handle sich um „ein zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt“, ändere nichts an der Rechtswidrigkeit seines Handelns. Es bestehe die Gefahr, dass der Beklagte (neuerlich) das Video oder Passagen desselben Dritten zugänglich mache. Aus diesen Verstößen resultierten die geltend gemachten Ansprüche.

[13] Zum Begehren auf Herausgabe und Löschung brachte der Kläger vor, die Ansprüche ergäben sich aus der Verletzung seines Rechts an der eigenen Stimme und am gesprochenen Wort. Der Löschungsanspruch sei zudem nach Art 17 Abs 1 lit d DSGVO berechtigt.

[14] Der Rechnungslegungsanspruch über den Verkauf und die Weitergabe des Videos an Dritte bestehe nach Art XLII EGZPO, weil der Kläger gegen den Beklagten einen Verwendungsanspruch aus der Ausnutzung seines geldwerten Bekanntheitsgrades habe. Der Anspruch ergebe sich zudem aus dem umfassenden Auskunftsanspruch nach Art 15 DSGVO.

[15] Soweit der Beklagte vorbringe, in seinen Verteidigungsrechten eingeschränkt zu sein, treffe das nicht zu.

[16] Der Beklagte brachte vor, Aussagen von politisch tätigen Personen wie dem Kläger über seine politischen Vorhaben seien niemals privat, es bestehe stets ein berechtigtes Interesse der Öffentlichkeit an ihrer Kenntnis. Dies gelte umso mehr, als wegen der mittels des Videos dokumentierten Aufnahmen ein Ermittlungsverfahren wegen schwerer strafbarer Handlungen anhängig sei.

[17] Der Beklagte habe keine Ingerenz auf die Verbreitung des Videos gehabt. Er besitze weder das Originalvideo noch eine Kopie davon. Jegliche Verbreitung sei zudem durch das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung gerechtfertigt. Diese Rechtfertigung gelte auch für die Herstellung der Aufnahmen, die nach dem anzuwendenden spanischen Sachrecht ohnehin zulässig gewesen sei, und erfasse auch die Herstellung des Videos.

[18] Ein Herausgabeanspruch bestehe nicht und werde nicht schlüssig dargetan. Dieser Anspruch sowie der Anspruch auf Vernichtung scheitere zudem daran, dass der Beklagte über keine Vervielfältigungsstücke oder Transkripte des Videos verfüge, die nicht ohnedies für die Öffentlichkeit über das Internet zugänglich seien. Der behauptete Verwendungsanspruch bestehe nicht, weil der Beklagte keine vom Kläger am Markt angebotene Leistung verwendet habe. Die Brisanz des Videos liege nicht in der Werbewirksamkeit der Stimme oder der Person des Klägers, sondern ausschließlich in seiner politischen Funktion. Da der Verwendungsanspruch dem Grunde nach nicht bestehe, habe der Rechnungslegungsanspruch keine Grundlage.

[19] Mit dem im Provisorialverfahren ergangenem Beschluss vom 23. 1. 2020 (6 Ob 236/19b MR 2020, 72 [Frauenberger] = ZIIR 2020, 223 [Thiele] = ecolex 2020/273, 617 [Hofmarcher]; vgl Wittmann, MR 2020, 63; Soyer/Marsch, Heiligt der Zweck die Mittel? JST 2020, 210) untersagte der Oberste Gerichtshof dem Beklagten bis zur rechtskräftigen Beendigung des Rechtsstreits,

a. ohne Einverständnis des Klägers von Äußerungen des Klägers Tonaufnahmen herzustellen oder herstellen zu lassen oder Gespräche des Klägers aufzuzeichnen oder aufzeichnen zu lassen, wenn Äußerungen oder Gespräche des Klägers nicht öffentlich erfolgen, und

b. ohne Einverständnis des Klägers vom Kläger Bildaufnahmen (Lichtbilder) oder Filmaufnahmen anzufertigen oder anfertigen zu lassen, wenn er sich nicht in der Öffentlichkeit befindet.

[20] Das darüber hinausgehende Sicherungsbegehren wurde abgewiesen.

[21] Zur Begründung der Provisorialentscheidung im Einzelnen wird auf den Beschluss des Obersten Gerichtshofs zu 6 Ob 236/19b verwiesen.

[22] Der im Provisorialverfahren zu beurteilende Sachverhalt unterscheidet sich von den im Hauptverfahren getroffenen Feststellungen im Wesentlichen dadurch, dass die Vorinstanzen es im Provisorialverfahren als bescheinigt ansahen, der Beklagte habe das Video herstellen lassen, um es gewinnbringend zu verkaufen; sie sahen es weiters als bescheinigt an, dass er noch Zugriff auf eine digitale Kopie der Aufnahme habe. Zu beiden – vom Beklagten bestrittenen – Punkten trafen die Vorinstanzen im Hauptverfahren ausdrücklich keine Feststellungen, weil die Entscheidung über die Punkte 3. und 4. des Klagebegehrens unabhängig davon, welche Tatsachen sich zu diesen Punkten erweisen ließen, möglich sei.

[23] Nach Vorliegen der Provisorialentscheidung brachte der Beklagte ergänzend vor, aus einer Gesamtabwägung ergebe sich auch die Rechtmäßigkeit der Videoaufnahme, weil er ein konkretes Vorwissen zu in den Schriftsätzen vom 27. 7. 2020 und vom 28. 7. 2021 näher ausgeführten Umständen gehabt habe, das Zweifel hinsichtlich der Eignung des Klägers und H* zur Bekleidung öffentlicher Ämter geweckt habe. Die an dem Abend der Aufnahme getätigten Aussagen der beiden Politiker seien erwartbar gewesen. Der Beklagte habe nicht aus Gewinnstreben gehandelt. Der – erfolglose – Versuch der Weitergabe gegen Geld an politische Gegner und Medien habe dazu gedient, die Veröffentlichung sicherzustellen und die involvierten Personen gegen Nachteile, Schäden und Kosten aus dem erwartbaren „typischen Whisteblower‑Schicksal“ abzusichern.

[24] Der Kläger trat diesem Vorbringen entgegen. Der Beklagte habe durch vorsätzliche Täuschung kompromittierende Äußerungen des Klägers und H* provozieren wollen, ohne dass ein legitimes Aufklärungsinteresse bestanden habe.

[25] Das Herausgabebegehren werde ungeachtet dessen, dass der Kläger während des Verfahrens in den Besitz des gesamten Videos gelangt sei, aufrecht erhalten. Es beziehe sich auf sämtliche Vervielfältigungsstücke derart, dass der Beklagte danach keine Kopie mehr zur Verfügung habe. Kopien auf digitalen Speichermedien seien zu löschen.

[26] Im vorliegenden Hauptverfahren wies das Erstgericht mit in die Urteilsausfertigung aufgenommenem Beschluss den vom Beklagten mit Schriftsatz vom 28. 7. 2021 gestellten Unterbrechungsantrag ab.

[27] In der Sache entschied es mit Teilurteil über die Punkte 3. (Herausgabe, hilfsweise Vernichtung) und 4. (Auskunft und Rechnungslegung) des Klagebegehrens und behielt die Entscheidung über die übrigen Punkte des Klagebegehrens der Endentscheidung vor.

[28] Es wies das Herausgabebegehren sowie das hilfsweise gestellte Begehren auf Vernichtung der Filmaufnahme samt Vervielfältigungsstücken und Transkripten ab (Punkt 1. des Spruchs des erstgerichtlichen Urteils). Dem Auskunftsbegehren gab es teilweise statt und verpflichtete den Beklagten zur Auskunft, wem gegenüber er die bezeichnete Filmaufnahme

- vor dem 25. 5. 2018 (Geltungsbeginn der DSGVO) entgeltlich und

- ab dem 25. 5. 2018 entgeltlich oder unentgeltlich

ganz oder teilweise offengelegt, verbreitet, überlassen, zugänglich gemacht oder veröffentlicht habe (Punkt 2.a. des Spruchs des erstgerichtlichen Urteils).

[29] Weiters verpflichtete es den Beklagten zur Rechnungslegung über die dabei erlangten Einnahmen (Punkt 2.b. des Spruchs des erstgerichtlichen Urteils).

[30] Das darüber hinausgehende Mehrbegehren betreffend das unentgeltliche Zugänglichmachen vor dem 25. 5. 2018 wies es ab.

[31] Es ging rechtlich davon aus, dass zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Filmaufnahme im fortzusetzenden Verfahren noch Feststellungen dazu getroffen werden müssten, ob der Beklagte in Verfolgung eines berechtigten Interesses gehandelt habe und ob die Herstellung und Weitergabe der Aufnahme zur Zweckerreichung geeignet gewesen seien. Die Punkte 3. und 4. des Klagebegehrens seien aber bereits spruchreif.

[32] Zum Herausgabeanspruch führte es aus, die Herstellung einer Bild- und Tonaufnahme ohne Zustimmung des Abgebildeten löse die grundsätzliche und von der Rechtmäßigkeit der Herstellung unabhängige Verpflichtung aus, dem Abgebildeten den vollständigen Inhalt der Aufnahme zur Kenntnis zu bringen. Dies sei auch hier erforderlich, damit der Kläger seine Rechte im vorliegenden Verfahren wahrnehmen könne. Da das Video aber mittlerweile vollständig verfügbar und vom Kläger selbst auf USB‑Stick vorgelegt worden sei, sei der Anspruch nicht berechtigt.

[33] Das Eventualbegehren auf Löschung sei gemäß Art 17 Abs 3 lit a DSGVO nicht berechtigt. Der Beklagte könne sich das Video zudem jederzeit wieder legal über das Internet besorgen.

[34] Das auf Art XLII EGZPO gestützte Manifestationsbegehren sei zwecks Geltendmachung von Verwendungsansprüchen insofern berechtigt, als es sich auf die entgeltliche Weitergabe der Aufnahme beziehe.

[35] Darüber hinaus habe der Kläger gemäß Art 15 Abs 1 lit c DSGVO ab deren Geltungsbeginn, also seit dem 25. 5. 2018, hinsichtlich entgeltlicher und unentgeltlicher Weitergaben der Filmaufnahme das Recht auf Bekanntgabe der Empfänger.

[36] Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht, der Berufung des Beklagten hingegen Folge. Es änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es das Klagebegehren in seinen Punkten 3. und 4. zur Gänze abwies.

[37] Es ließ die Revision zu den Voraussetzungen der Herausgabe eines in Persönlichkeitsrechte eingreifenden, allgemein verfügbaren Videos sowie zu den Voraussetzungen eines Rechnungslegungsanspruchs zu, der aus einem Verwendungsanspruch nach § 1041 ABGB infolge des nach Art 10 EMRK gerechtfertigten Vertriebs eines Videos abgeleitet werde.

[38] Rechtlich erörterte es, im Fall der unzulässigen Anfertigung von Videoaufnahmen komme ein im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehener Herausgabeanspruch zu zwei Zweckrichtungen in Betracht: einerseits um dem Verletzten eine wirksame Gegendarstellung zu ermöglichen, andererseits um die weitere Verwendung und Verbreitung der Aufnahme zu verhindern. Beides komme im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil die Herausgabe der Aufnahme für das „Rechtsschutzbedürfnis“ des Klägers nicht mehr erforderlich und die Verbreitung des Videos nicht rechtswidrig sei.

[39] Ein Löschungsanspruch nach Art 17 Abs 1 DSGVO bestehe nicht, weil die Datenverarbeitung zur Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung und Information nach Art 17 Abs 3 lit a DSGVO erforderlich seiund der Beklagte die Aufnahme zulässiger Weise verbreitet habe.

[40] Dem Auskunftsbegehren liege zugrunde, dass der Abbildung, dem Namen, der Stimme oder sonstigen Merkmalen der Persönlichkeit ein wirtschaftlicher Wert zukommen könne, der verwertet werden könne. Hier sei offenkundig, dass der Kläger der im „Ibiza-Video“ erfolgten Verwertung seines Bekanntheitsgrades nicht zugestimmt und dafür kein Entgelt verlangt habe. Es fehle eine Vermögensverschiebung vom Kläger zum Beklagten iSd § 1041 ABGB. Der wirtschaftliche Vorteil des Beklagten könne hier nur in der Verbreitung, dem Vorspielen, dem Zugänglichmachen und der Zur-Verfügung-Stellung der Aufnahmen gelegen sein. Diese Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht seien aber im Lichte des Art 10 EMRK gerechtfertigt. Bei anderer Betrachtung müssten Personen, die problematisches Verhalten von Personen der Zeitgeschichte enthüllten, dafür hohe Beträge an die eines unerwünschten Verhaltens überführten Personen zahlen. Dem Kläger stehe daher kein Anspruch nach § 1041 ABGB zu, sodass das gesamte Rechnungslegungsbegehren abzuweisen sei.

Rechtliche Beurteilung

[41] Die Revision ist zulässig, sie ist auch teilweise berechtigt.

1. Zum Anspruch auf Herausgabe, hilfsweise Löschung

[42] 1.1. Der Kläger tritt der Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach der Herausgabeanspruch nicht auf die Erwägung gegründet werden könne, dass sie für die effektive Rechtsverteidigung des Klägers erforderlich sei, nicht entgegen. Er wiederholt vielmehr sein Vorbringen, dieser folge bereits aus der Verletzung seiner Rechte an der eigenen Stimme und dem eigenen Bild; der Eventualanspruch auf Löschung bestehe auch nach Art 17 Abs 1 lit d DSGVO.

[43] 1.2. In Rechtsprechung und Lehre ist anerkannt, dass die Verletzung von Persönlichkeitsrechten bei bereits erfolgten Verstößen neben Unterlassungsansprüchen auch Beseitigungsansprüche, die die Form eines Anspruchs auf Vernichtung annehmen können, nach sich ziehen kann (3 Ob 131/00m; 3 Ob 197/13m; 7 Ob 81/16m; 6 Ob 206/19s [ErwGr 3]; RS0008999 [T5] = RS0008994 [T4]; vgl 6 Ob 190/01m; Meissel in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 16 ABGB Rz 159, 162). So kann dem in seinem Recht am eigenen Wort Verletzten – abhängig von der im Fall der Behauptung eigener Interessen des Eingreifers vorzunehmenden Interessenabwägung – ein Anspruch auf Löschung rechtswidrig erlangter Tonaufzeichnungen zustehen (1 Ob 1/20h; vgl 4 Ob 160/11z [ErwGr 2.2.]).

[44] 1.3. Hingegen kann aus der dargestellten Rechtsprechung – dies gilt auch für die Entscheidungen 6 Ob 190/01m und 1 Ob 1/20h (RS0115828), auf die die Revision verweist – kein aus dem Persönlichkeitsrechts-eingriff folgender Anspruch auf Herausgabe von Bild- oder Tonaufnahmen abgeleitet werden.

[45] Auch der mit dem Hass-im-Netz-Bekämpfungs-Gesetz (BGBl I 2020/148) eingeführte, auf den vorliegenden Fall allerdings noch nicht anzuwendende (§ 1503 Abs 16 ABGB) § 20 ABGB sieht lediglich einen Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch als Rechtsfolge der Verletzung eines Persönlichkeitsrechts vor, aber keinen Anspruch auf Herausgabe der Eingriffsgegenstände. Die neu geschaffene Norm kodifiziert insofern die bereits anerkannten Ansprüche auf Unterlassung und Beseitigung (vgl ErläutRV 481 BlgNR 27. GP  7).

[46] 1.4. Eine Bestätigung der Abweisung des auf die Herausgabe der Filmaufnahme samt Vervielfältigungsstücken und Transkripten gerichteten Klagebegehrens kommt im derzeitigen Verfahrensstadium dennoch nicht in Betracht.

[47] Ein Anspruch auf Herausgabe könnte sich nämlich im Fall einer Verletzung des Klägers in dem von § 78 UrhG geschützten Recht am eigenen Bild (dazu 6 Ob 236/19b [ErwGr 1.1.]) aus § 82 Abs 5 UrhG (dazu St. Korn in Kucsko/Handig, urheber.recht² § 82 UrhG Rz 44 f) unter den dort genannten, mit den Parteien gegebenenfalls noch zu erörternden Voraussetzungen ergeben.

[48] 1.5. Die Beurteilung, ob eine Verletzung des § 78 UrhG stattgefunden hat, kann im derzeitigen Verfahrensstadium allerdings noch nicht vorgenommenen werden:

[49] Das Erstgericht stellte in seinem Teilurteil klar, noch nicht über die Unterlassungsbegehren – die sich sowohl auf die Herstellung als auch auf das Veröffentlichen, Verbreiten, Vorspielen, Zugänglichmachen und Überlassen der gegenständlichen Aufnahmen beziehen – zu entscheiden, sondern die Beweisaufnahmen zu dem Bezug habenden Tatsachenvorbringen vorzubehalten. Aufgrund dieser Gliederung des Prozessstoffs ist die Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Herstellung der Filmaufnahmen sowie deren Veröffentlichung (samt den übrigen Eingriffshandlungen) noch nicht möglich.

[50] Die mangelnde Spruchreife des Anspruchs auf Herausgabe führt zur Aufhebung der darüber ergangenen Urteile der Vorinstanzen.

2. Eventualbegehren auf Löschung

[51] 2.1. Die Entscheidung über ein Eventualbegehren setzt voraus, dass zunächst über das Hauptbegehren entschieden wird (RS0037625 [T5]). Da der Anspruch auf Herausgabe der Filmaufnahme im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht entscheidungsreif ist, ist zur Berechtigung des hilfsweise geltend gemachten Löschungsanspruchs nicht Stellung zu nehmen.

[52] 2.2. Die mangelnde Spruchreife führt daher zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen der Vorinstanzen über Punkt 3. des Klagebegehrens.

3. Zum Begehren auf Rechnungslegung

[53] 3.1. Der Rechnungslegungsanspruch gemäß Art XLII Abs 1 erster Fall EGZPO steht an sich jedem zu, der gegen einen ihm aus materiell‑rechtlichen Gründen zur Auskunftserteilung Verpflichteten ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können, zu erheben vermag, wenn dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsübung zumutbar ist (RS0106851).

[54] Ein Anspruch auf Rechnungslegung kann sich in analoger Anwendung des § 1039 ABGB ergeben, wenn ohne Geschäftsführungsabsicht fremde Vermögenswerte genutzt werden. In diesem Sinn wird das Bestehen einer Rechnungslegungspflicht analog § 1039 ABGB bei Verwendungsansprüchen nach § 1041 ABGB bejaht (5 Ob 127/12f; 17 Ob 21/09a; Meissel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 1041 Rz 19; Spitzer/Koziol in KBB7 § 1041 ABGB Rz 14; Pierer, Verwendungsanspruch und Gewinnabschöpfung im Persönlichkeitsrecht [2023] Rz 286).

[55] Ein Rechnungslegungsbegehren ist allerdings nur berechtigt, soweit die Zahlungsansprüche, zu deren Bezifferung es dient, aus dem Vorbringen des Klägers und dem festgestellten Sachverhalt zumindest dem Grunde nach abzuleiten sind (RS0124718).

[56] 3.2. Das Berufungsgericht verneinte das Bestehen der vom Kläger behaupten Verwendungsansprüche nach § 1041 ABGB aus dem Eingriff in seine Persönlichkeitsrechte dem Grunde nach, weshalb es das Rechnungslegungsbegehren abwies.

[57] Die dagegen gerichtete Revision ist nicht berechtigt.

[58] 3.3. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der geldwerte Bekanntheitsgrad einer Persönlichkeit eine Sache iSd § 1041 ABGB ist. Wird diese Sache ohne Geschäftsführung zum Nutzen eines anderen verwendet, so steht dem davon Betroffenen ein Verwendungsanspruch zu (4 Ob 124/10d;6 Ob 57/06k; vgl RS0019890; RS0019987).

[59] Ein Verwendungsanspruch aus der zuordnungswidrigen Verwertung des Bekanntheitsgrades wurde in der Rechtsprechung bisher primär vor dem Hintergrund der Werbewirksamkeit des (bildlichen oder namentlichen) Hinweises auf bekannte Persönlichkeiten erörtert. In diesem Zusammenhang ist anerkannt, dass der Abbildung, dem Namen und sonstigen Merkmalen der Persönlichkeit (wie etwa der Stimme) ein bedeutender wirtschaftlicher Wert zukommen kann, der in der Regel darauf beruht, dass eine Persönlichkeit in der Öffentlichkeit hervorgetreten ist und damit Bekanntheit und Ansehen gewonnen hat. Diese Popularität und ein damit verbundenes Image kann die Persönlichkeit wirtschaftlich verwerten, indem sie Dritten gegen Entgelt gestattet, ihr Bild, ihren Namen oder andere Persönlichkeitsmerkmale, die ein Wiedererkennen ermöglichen, kommerziell, etwa in der Werbung, zu nutzen (4 Ob 124/10d; 6 Ob 57/06k).

[60] 3.4. So wurde ein als Sache iSd § 1041 ABGB zu qualifizierender geldwerter Bekanntheitsgrad bei der Verwendung des Bildes eines berühmten Sängers und eines bekannten Sportlers zu Werbezwecken angenommen (4 Ob 147/90; 4 Ob 406/81). Grundsätzlich anerkannt wurden auch die kommerziellen Verwertungsinteressen eines renommierten Arztes und Forschers, dessen Name und Foto behaupteter Maßen – dies war noch zu erheben – ohne vertragliche Grundlage zu Werbezwecken eingesetzt wurden (4 Ob 124/10d). Hingegen wurde bei der Herausgabe einer Briefmarke mit dem Bild eines damals bereits verstorbenen Fußballtrainers ein berechtigtes Publikationsinteresse der Beklagten gegenüber dem Interesse des Klägers, als Sohn und Erbe über die wirtschaftliche Nutzung des Bildes des Verstorbenen zu bestimmen, als überwiegend angesehen und das Zahlungsbegehren abgewiesen (6 Ob 57/06k).

[61] 3.5. Verwendung iSd § 1041 ABGB ist jede dem Zuweisungsgehalt des Rechts – in casu des vermögenswerten Bestandteils des Persönlichkeitsrechts (vgl zur Terminologie Pierer, Verwendungsanspruch und Gewinnabschöpfung im Persönlichkeitsrecht Rz 84) – widersprechende Nutzung (RS0019971; 6 Ob 57/06k; 4 Ob 147/90).

[62] 3.6. Ein Anspruch nach § 1041 ABGB setzt darüber hinaus die Verwendung der Sache zum Nutzen eines anderen voraus. Der Nutzen kann in der Ersparnis von Aufwendungen (RS0019850) oder der Vermehrung des Vermögens liegen (Pierer, Verwendungsanspruch und Gewinnabschöpfung im Persönlichkeitsrecht Rz 135, 214). Möglich ist allerdings auch, dass eine Benützung zu keinem Nutzen geführt hat (vgl 4 Ob 406/81). Diesfalls besteht kein Anspruch nach § 1041 ABGB.

[63] 3.7. In der Revision wird vorgebracht, der Beklagte habe durch die Herstellung und Weitergabe des Videos den geldwerten Bekanntheitsgrad des Klägers ausgenutzt. Der Verwendungsanspruch resultiere daraus, dass sich der Beklagte (nicht näher bezeichnete) Aufwendungen erspart habe und für die „wissentliche Inanspruchnahme der Persönlichkeit des Klägers“ auch ohne Erlangung eines Vorteils ein Entgelt zahlen müsse.

[64] 3.8. Der vorliegende Fall unterscheidet sich von den in der Rechtsprechung entschiedenen Fällen dadurch, dass nicht einzelne Persönlichkeitsmerkmale des Klägers – etwa sein Name, sein Aussehen oder seine Stimme – zu einem vom Kläger nicht gebilligten wirtschaftlichen Zweck eingesetzt wurden. Vielmehr wurden Filmaufnahmen eines Gesprächs hergestellt und weitergegeben, bei dem der Kläger davon ausgehen musste, dass ihm seine Äußerungen von den Gesprächsteilnehmern als Repräsentant seiner politischen Partei und als Träger öffentlicher Ämter zugerechnet werden (so bereits 6 Ob 236/19b [ErwGr 2.2.]). Inhalt des Gesprächs waren (schon nach dem eigenen Vorbringen des Klägers, vgl die Zusammenfassung des Gesprächsinhalts im Bericht der „Wiener Zeitung“ vom 22. 5. 2019, Beilage ./D, die der Kläger zum Bestandteil seines Unterlassungsbegehrens erhob) unter anderem verdeckte Parteispenden, eine Beteiligung an der „Kronen-Zeitung“, das Angebot von Staatsaufträgen für den Fall einer Regierungsbeteiligung der FPÖ, die Privatisierung der österreichischen Wasserversorgung, die Kontrolle der österreichischen Medienlandschaft und die Privatisierung des ORF.

[65] 3.9. Das öffentliche ebenso wie ein allfälliges wirtschaftliches Interesse an den gegenständlichen Aufnahmen resultiert im vorliegenden Fall aus der Teilnahme des Klägers an diesem politisch relevante Fragen betreffenden Gespräch. Bereits im Sicherungsverfahren wurde ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die Rahmenbedingungen und die Art der Diskussion, die unter anderem Dispositionen der öffentlichen Hand betraf, von Bedeutung für die Beurteilung der Integrität und des Verantwortungsbewusstseins (unter anderem) des Klägers als Politiker und Träger öffentlicher Ämter ist (6 Ob 236/19b [ErwGr 3.7.]).

[66] 3.10. Bei den im politischen Diskurs relevanten Äußerungen und Handlungen von Politikern, wie sie in der gegenständlichen Filmaufnahme dokumentiert sind, handelt es sich nicht um Persönlichkeitsmerkmale wie das Aussehen, die Stimme oder den Namen einer Person. Der Umstand, dass eine Person bei ihren Handlungen und Äußerungen durch ihre Persönlichkeitsmerkmale – wie Aussehen und Stimme – identifizierbar ist, macht ihre Handlungen und Äußerungen nicht zum Bestandteil ihres Persönlichkeitsrechts iSd § 16 ABGB. Die Teilnahme eines Politikers an einem Gespräch erfüllt schon deshalb nicht den Sachbegriff des § 1041 ABGB.

[67] Aus diesem Grund können aus der behaupteten Verletzung der Persönlichkeitsrechte des Klägers im Zusammenhalt mit dem festgestellten Sachverhalt bereits dem Grunde nach keine Ansprüche nach § 1041 ABGB abgeleitet werden. Der auf Art XLII EGZPO iVm § 1041 ABGB gestützte Rechnungslegungsanspruch des Klägers über die durch die Verbreitung des Videos erlangten Einnahmen ist nicht berechtigt (RS0124718).

[68] 3.11. Soweit sich die Revision gegen die Abweisung des Begehrens auf Rechnungslegung über Einnahmen des Beklagten durch das Offenlegen, Verbreiten, Überlassen, Zugänglichmachen oder Veröffentlichen der gegenständlichen Filmaufnahmen wendet, ist sie daher nicht berechtigt. Die Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens ist als Teilurteil zu bestätigen.

4. Zum Begehren auf Auskunft

[69] 4.1. Das Berufungsgericht wies das Begehren auf Auskunft darüber, wem gegenüber der Beklagte die gegenständliche Filmaufnahme ganz oder teilweise offengelegt, verbreitet, überlassen, zugänglich gemacht oder veröffentlicht habe, mit der Begründung ab, dass die Verbreitung der Aufnahme rechtmäßig erfolgt sei. Diese Beurteilung lässt außer Acht, dass das Erstgericht die Beweisaufnahmen zu dem die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der Herstellung und Verbreitung der Filmaufnahme erstatteten Vorbringen ausdrücklich vorbehalten hat.

[70] 4.2. Zwar ergibt sich aus den obigen Ausführungen, dass der Kläger sein Auskunftsbegehren nicht aus Art XLII EGZPO iVm § 1041 ABGB ableiten kann. Der Auskunftsanspruch ist allerdings im derzeitigen Verfahrensstadium insofern noch nicht spruchreif, als er auf eine datenschutzrechtliche Rechtsgrundlage gestützt wird.

[71] 4.3. Gemäß Art 15 Abs 1 DSGVO hat die betroffene Person das Recht, von dem Verantwortlichen eine Bestätigung darüber zu verlangen, ob sie betreffende personenbezogene Daten verarbeitet werden; ist dies der Fall, so hat sie ein Recht auf Auskunft über diese personenbezogenen Daten und (unter anderem) auf Informationen über a) die Verarbeitungszwecke, b) die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden, und c) die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden.

[72] Auf Letzteres – die Bekanntgabe von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten offengelegt worden sind – bezieht sich das Klagebegehren.

[73] 4.4. Der Beklagte vertritt in der Revisionsbeantwortung die Rechtsansicht, Art 15 DSGVO sei nach dem „Medienprivileg“ des § 9 Abs 1 DSG auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anzuwenden.

[74] 4.5. § 9 Abs 1 DSG (idF BGBl I 2018/24) nimmt die Verarbeitung personenbezogener Daten durch Medieninhaber, Herausgeber, Medienmitarbeiter und Arbeitnehmer eines Medienunternehmens oder Mediendienstes zu journalistischen Zwecken des Medienunternehmens oder Mediendienstes von der Anwendung der Kapitel II bis VII und IX DSGVO, daher auch von der Anwendung des Art 15 DSGVO, aus.

[75] 4.6. Mit dieser Bestimmung machte der österreichische Gesetzgeber von der Öffnungsklausel des Art 85 Abs 2 DSGVO Gebrauch, die es den Mitgliedstaaten ermöglicht, Abweichungen oder Ausnahmen von den Kapiteln II bis VII und IX der DSGVO vorzusehen (Öhlböck in Knyrim, DatKomm [18. Lfg] Art 85 DSGVO Rz 19). § 9 DSG stellt die „Umsetzung“ der Öffnungsklausel des Art 85 dar (Öhlböck in Knyrim, DatKomm [18. Lfg] Art 85 DSGVO Rz 10; 6 Ob 129/21w [Rz 41]; vgl VfGH G 287, 288/2022 [Rz 47]).

[76] 4.7. Das Verständnis der „journalistischen Zwecke“ hat sich daher am Unionsrecht zu orientieren (6 Ob 129/21w [Rz 42]; vgl VfGH G 287, 288/2022 [Rz 47]).

[77] 4.8. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) zur Vorgängerbestimmung des Art 9 DS‑RL (Richtlinie 95/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. 10. 1995 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten und zum freien Datenverkehr) ist der Begriff „Journalismus“ weit auszulegen. Journalistische Tätigkeiten sind demnach Tätigkeiten, die zum Zweck haben, Informationen, Meinungen oder Ideen, mit welchem Übertragungsmittel auch immer, in der Öffentlichkeit zu verbreiten (C‑345/17 , Sergejs Buivids [Rz 51, 53]; C‑73/07 , Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia [Rz 56, 61]). Die Befreiungen und Ausnahmen von Bestimmungen der DSGVO gelten nach der Rechtsprechung des EuGH daher nicht nur für Medienunternehmen, sondern für jeden, der journalistisch tätig ist (C‑73/07 , Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia [Rz 58]). Die Ausnahmen und Einschränkungen müssen sich in Bezug auf den Datenschutz auf das absolut Notwendige beschränken, um die Freiheit der Meinungsäußerung mit der ebenfalls grundrechtlich geschützten Privatsphäre in Einklang zu bringen (C‑73/07 , Satakunnan Markkinapörssi und Satamedia [Rz 56]). Der EuGH verweist insofern auf die vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) für die Zwecke der Abwägung zwischen dem Recht auf Achtung des Privatlebens und dem Recht auf freie Meinungsäußerung entwickelten Kriterien (C‑345/17 , Sergejs Buivids [Rz 66]). Eine Verarbeitung personenbezogener Daten zu journalistischen Zwecken kann nach der Rechtsprechung des EuGH sowohl die Aufzeichnung als auch die Veröffentlichung von Videoaufnahmen erfassen (vgl C‑345/17 , Sergejs Buivids [Rz 59, 67 f]).

[78] 4.9. Der Verfassungsgerichtshof hat § 9 Abs 1 DSG (idF BGBl I 2018/24) mit Erkenntnis vom 14. 12. 2022 als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass die Aufhebung mit Ablauf des 30. 6. 2024 in Kraft tritt (G 287, 288/2022). Der zeitliche Anwendungsbereich des § 9 Abs 1 DSG ist daher im vorliegenden Fall ungeachtet der Aufhebung der Bestimmung durch den Verfassungsgerichtshof nach wie vor gegeben.

[79] Der Grund für die Aufhebung liegt darin, dass die Bestimmung gegen das Grundrecht auf Datenschutz nach § 1 Abs 1 DSG verstößt (VfGH G 287, 288/2022 [Rz 54 ff]) und der absolute, gänzliche und damit undifferenzierte Ausschluss der Anwendungen aller (einfachgesetzlichen) Regelungen des DSG sowie der Kapitel II bis VII und IX DSGVO auf Datenverarbeitungen zu journalistischen Zwecken eines Medienunternehmens oder Mediendienstes dem in § 1 Abs 2 DSG normierten Erfordernis einer sachgerechten Interessenabwägung widerspricht (VfGH G 287, 288/2022 [Rz 59 ff]).

[80] Der Verfassungsgerichtshof stellte im Übrigen ausdrücklich klar, dass er nicht zu beurteilen habe, ob § 9 Abs 1 DSG den Vorgaben des Unionsrechts (vollständig) entspricht und dass dies für seine Entscheidung nicht von Belang sei (G 287, 288/2022 [Rz 53]). § 9 Abs 1 DSG ist daher auf den vorliegenden Fall anzuwenden und im Hinblick auf den erfassten Personenkreis (vgl 6 Ob 129/21w [Rz 42]) unionsrechtskonform auszulegen.

[81] 4.10. Der Beklagte hat im Verfahren vorgebracht, für die vorzunehmende Interessenabwägung sei irrelevant, ob er Journalist oder Medienmitarbeiter oder privat (investigativ) tätiger Teil der Zivilgesellschaft sei, weil das Aufdecken von Missständen kein Monopol von Medienmitarbeitern sei. Er verwies überdies auf ein „zivilgesellschaftliches Projekt“, ohne dass er im Verfahren zur notwendigen Konkretisierung angehalten wurde. Im vorliegenden Hauptverfahren wurden auch keine Feststellungen zu den vom Beklagten verfolgten Zielen getroffen.

[82] Eine abschließende Stellungnahme zur Anwendung des § 9 Abs 1 DSG sowie des Art 15 DSGVO auf den vorliegenden Fall ist daher im derzeitigen Verfahrensstadium noch nicht möglich.

[83] 4.11. Sollte sich die Anwendbarkeit der DSGVO im fortzusetzenden Verfahren ergeben, wird zu beachten sein, dass der Umstand, dass sich das Auskunftsbegehren auch auf Verarbeitungsvorgänge bezieht, die vor dem Geltungsbeginn der DSGVO stattfanden, der Klagestattgebung nicht entgegen steht:

[84] Nach Art 99 Abs 2 DSGVO gilt diese Verordnung ab dem 25. 5. 2018. Die DSGVO enthält lediglich punktuelle, den vorliegenden Fall nicht erfassende Übergangsregeln (vgl von Lewinski in Auernhammer, DSGVO BDSG7 Art 99 DSGVO Rz 9; Kühling/Raab in Kühling/Buchner, Datenschutz-Grundverordnung BDSG³ Art 99 DS-GVO Rz 1, 7).

[85] Der EuGH legt Art 15 Abs 1 DSGVO im Lichte von Art 99 Abs 2 DSGVO dahin aus, dass er auf ein Auskunftsersuchen hinsichtlich der in Art 15 DSGVO genannten Informationen auch dann anwendbar ist, wenn die Verarbeitungsvorgänge, auf die sich dieses Ersuchen bezieht, vor dem Anwendungsdatum der Verordnung ausgeführt wurden, das Ersuchen indessen nach diesem Datum gestellt wurde (C‑579/21 , JM gegen Apulaistietosuojavaltuutettu, Pankki S [Rz 36]).

[86] 4.12. Soweit in der Revision der Auskunftsanspruch für Weitergaben der gegenständlichen Filmaufnahme vor dem 25. 5. 2018 auch auf das DSG gestützt wird, wird diese Anspruchsgrundlage – was im bisherigen Verfahren nicht geschah – mit den Parteien zu erörtern und dabei auch auf die Frage des zeitlichen Übergangsrechts einzugehen sein.

5. Ergebnis

[87] 5.1. Die Abweisung des Rechnungslegungsbegehrens ist als Teilurteil zu bestätigen. Im Übrigen, sohin im Umfang der Entscheidung über das Begehren auf Herausgabe, das Eventualbegehren auf Löschung und das Begehren auf Auskunftserteilung, ist die Rechtssache aufzuheben und an das Erstgericht zurückzuverweisen.

[88] 5.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 und 4 ZPO.

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