OGH 7Ob81/16m

OGH7Ob81/16m6.7.2016

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der gefährdeten Partei mj J* R*, geboren am * 2010, vertreten durch die Mutter Q* F*, beide *, diese vertreten durch Mag. Michael Seeber, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen den Gegner der gefährdeten Partei H* R*, vertreten durch Dr. Robert Kugler und Mag. Michael Wohlgemuth LL.M., Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen einstweiliger Verfügung gemäß § 382g EO, über den Revisionsrekurs des Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 17. März 2016, GZ 4 R 55/16d‑12, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 26. Jänner 2016, GZ 3 C 33/15v‑8, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:E115078

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden hinsichtlich des Löschungsbegehrens abgeändert und hinsichtlich des Unterlassungsbegehrens mit der Maßgabe bestätigt, sodass der Beschluss lautet:

„1. Dem Antragsgegner wird untersagt, Lichtbilder und persönliche Daten des Antragstellers nicht zur Familie gehörenden Dritten zur Einstellung in die Website „*“ und vergleichbare Internet-Portale oder in vergleichbarer Weise zugänglich zu machen, sofern die obsorgeberechtigte Mutter Q* F* hiezu nicht ihre ausdrückliche Einwilligung erteilt.

Die einstweilige Verfügung gilt für einen Zeitraum von einem Jahr.

2. Das Mehrbegehren, der Antragsgegner sei schuldig, derartige Lichtbilder, die bereits von ihm unmittelbar oder mittelbar auf Internetseiten veröffentlicht oder verbreitet wurden, von den entsprechenden Seiten und Portalen unwiderruflich zu löschen, wird abgewiesen.“

Die Vertretungskosten aller drei Instanzen werden gegeneinander aufgehoben.

 

Begründung:

Der Antragsteller ist das eheliche Kind der noch verheirateten Q* F* und des Antragsgegners. Mit Beschluss des Bezirksgerichts Klagenfurt vom 6. 9. 2015 zu 3 Ps 26/14b wurde dem Antragsgegner die Obsorge zum Antragsteller vorläufig entzogen und der Mutter mit sofortiger Wirksamkeit übertragen.

Im Sommer 2015 hat der Antragsgegner anlässlich eines Kontakts ein Lichtbild angefertigt, das unter anderem den Antragsteller zeigt. Dieses wurde vom Antragsgegner weitergegeben und in weiterer Folge auf einer Internetseite, betrieben von J* W*, gepostet. J* W* ist eine Vertrauensperson des Antragsgegners und berät diesen in sämtlichen Verfahren, so auch diesem.

Auf derselben Internetseite wurde zudem ein Antrag des Antragsgegners vom 10. 8. 2015 aus dem Pflegschaftsakt veröffentlicht, der die Namen des Antragstellers und seiner Schwester sowie die Unterschrift des Antragsgegners und seiner Vertrauensperson aufweist; in diesem wird Bezug auf den Gegenstand des Pflegschaftsverfahrens genommen.

Der Antragsteller begehrte die Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382g Abs 1 Z 4 EO. Dem Antragsgegner solle untersagt werden, Lichtbilder und persönliche Daten des Antragstellers in Internet-Portale einzustellen oder anderweitig zu verbreiten oder nicht zur Familie gehörenden Dritten zugänglich zu machen, sofern die obsorgeberechtigte Mutter hiezu nicht ihre ausdrückliche Einwilligung erteilt habe; der Antragsgegner habe ferner derartige Lichtbilder, die bereits von ihm unmittelbar oder mittelbar auf Internetseiten veröffentlicht oder verbreitet worden seien, von den entsprechenden Seiten und Portalen unwiderruflich zu löschen. Der Antragsgegner habe das Lichtbild des Antragstellers auf der Internetseite eingestellt und verbreitet oder durch die Weitergabe zu dessen Veröffentlichung und Verbreitung beigetragen. Die Mutter habe der Veröffentlichung des Lichtbilds als allein Obsorgeberechtigte des Antragstellers nicht zugestimmt. Dies stelle einen Eingriff in dessen besonders schützenswerte Privatsphäre dar, ohne dass der Antragsgegner dafür einen nachvollziehbaren Grund anführen könne.

Der Antragsgegner trat dem Sicherungsantrag entgegen. Er wandte ein, selbst keine Postings durchgeführt und auf Postings Dritter keinen Einfluss zu haben.

Das Erstgericht erließ antragsgemäß die einstweilige Verfügung für die Dauer eines Jahres. Der Antragsgegner habe durch Anfertigung und Weitergabe des Lichtbilds die Grundlage für dessen Veröffentlichung im Internet geschaffen. Dadurch sei das Recht des Antragstellers an seinem eigenen Bild verletzt worden.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig sei. Die Internetseite beschäftige sich mit Kommentaren zu familienrechtlichen Auseinandersetzungen und Kritik an Gerichten und Verwaltungsbehörden. Es sei evident, dass durch die Veröffentlichung des Lichtbilds auf einer solchen Internetseite die Privatsphäre des Antragstellers verletzt worden sei. Die Veröffentlichung des Lichtbilds im Zusammenhang mit dem Antragstext aus dem Pflegschaftsverfahren offenbare private Lebensumstände, die nur einem eingeschränkten Kreis von Familienangehörigen zugänglich und nicht für eine breite Öffentlichkeit bestimmt seien. Während das Schutzbedürfnis des Antragstellers klar auf der Hand liege, habe der Antragsgegner sein Interesse an der Veröffentlichung nicht aufzeigen können. Der Antragsgegner habe das Lichtbild seiner Vertrauensperson weitergegeben, die eine behörden- und systemkritische Internetseite betreibe. Damit habe er mit dessen Veröffentlichung in einem sozialen Medium rechnen müssen. Die angeordnete Leistungsverpflichtung sei dahin zu verstehen, dass der Antragsgegner alles in seiner rechtlichen Verfügungsmacht Stehende tun müsse, um die Entfernung des Lichtbilds von der Internetseite zu bewirken.

Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs des Antragsgegners mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Antragsteller beantragt in der ihm freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig und teilweise berechtigt.

1. Der Revisionsrekurs zieht (zu Recht) nicht in Zweifel, dass die hier erfolgte Veröffentlichung des Lichtbilds des Antragstellers und seiner persönlichen Daten aus dem Pflegschaftsakt in unzulässiger Weise in dessen Persönlichkeitsrechte (Privatsphäre) eingreift.

2. Zum Unterlassungsbegehren:

Vor dem Hintergrund, dass der Antragsgegner das Lichtbild nicht selbst in das Internet einstellte, sondern dieses bloß weitergab, wendet er sich gegen die Annahme der Vorinstanzen, dass er die Veröffentlichung des Lichtbilds zu verantworten habe:

2.1. Voraussetzung für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung nach § 382g EO ist nur die Bescheinigung des Anspruchs auf Unterlassung weiterer „Stalking“-Handlungen oder anderer unzulässiger Eingriffe in die Privatsphäre. Mit der Anspruchsbescheinigung sind gleichzeitig auch die Anforderungen des § 381 Z 2 EO erfüllt (RIS-Justiz RS0121887).

Der Unterlassungsanspruch wird durch zwei Elemente konkretisiert: Eine Unterlassungspflicht und die Gefahr, dass dieser Unterlassungspflicht zuwidergehandelt wird. Fehlt eines dieser Elemente, dann besteht kein Unterlassungsanspruch (RIS-Justiz RS0037660). Bei der Gefahr des Zuwiderhandelns ist zu unterscheiden, ob der zu einer bestimmten Unterlassung Verpflichtete bereits einmal zuwidergehandelt (Wiederholungsgefahr) oder ob er sich bisher rechtmäßig verhalten hat (Erstbegehungsgefahr). Im ersten Fall wird vermutet, dass er wieder zuwiderhandeln werde; im zweiten Fall muss das Zuwiderhandeln unmittelbar drohend bevorstehen (RIS-Justiz RS0037661 [T5]).

2.2. Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Antragsgegner das den Antragsteller zeigende Lichtbild angefertigt und weitergegeben hat und dieses letztlich in den Verfügungsbereich der Vertrauensperson des Antragsgegners gelangte und von diesem im Internet auf dessen Homepage veröffentlicht wurde. Auch wenn – entgegen dem Rekursgericht – nicht explizit bescheinigt wurde, dass der Antragsgegner dieses Lichtbild an seine Vertrauensperson weitergegeben hat, so reicht der Sachverhalt jedenfalls für die Annahme eines unzulässigen, unmittelbar drohenden zukünftigen Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht des Antragstellers aus. Der Antragsgegner distanziert sich von der Veröffentlichung in keiner Weise und legt auch nicht dar, dass (und wie) er in der Zukunft dafür sorgen werde, derartige Veröffentlichungen zu verhindern. Er stellte sich vielmehr auf den Standpunkt, zur Weitergabe von Lichtbildern seines Sohnes unbeschränkt auch in vergleichbaren Fällen berechtigt zu sein. Dies rechtfertigt ein Unterlassungsbegehren gegen ihn im Zusammenhang mit der persönlichkeitsverletzenden Veröffentlichung von Lichtbildern des Antragstellers aufgrund deren Weitergabe durch den Antragsgegner.

2.3. Gegen die Untersagung der Weitergabe von persönlichen Daten samt deren nachfolgender Veröffentlichung im Internet wendet sich der Antragsgegner in seinem Revisionsrekurs – wie schon im erst- und zweitinstanzlichen Verfahren – nicht, sodass darauf nicht näher einzugehen ist (RIS-Justiz RS0043338).

2.4. Die einstweilige Verfügung ist daher im Umfang des Unterlassungsbegehrens berechtigt. Das Gericht kann dem Urteilsspruch eine vom Begehren abweichende Fassung geben, sofern dies im Vorbringen Deckung findet (RIS‑Justiz RS0039357, RS0038852). Dies ist im Spruch erfolgt. Es war das Begehren im Sinn des Vorbringens in Bezug auf eine Internetverbreitung und gleichwertige Bereitstellung zu verstehen.

3. Zum Löschungsbegehren:

Der Revisionsrekurs releviert, dass der Antragsgegner mit einer einstweiligen Verfügung nach § 382g EO nicht zu von ihm nicht umsetzbaren Handlungen verpflichtet werden könne:

3.1. Im Fall von Persönlichkeitsverletzungen leitet die Rechtsprechung aus § 16 ABGB Feststellungsansprüche sowie Abwehransprüche ab, nämlich Unterlassungsansprüche, die bei bereits erfolgtem Verstoß auch Beseitigungs- und Vernichtungsansprüche umfassen (3 Ob 197/13m mwN; RIS-Justiz RS0008994 [T4]). Wer durch einen Gesetzesverstoß einen Störungszustand geschaffen hat, stört weiter, solange dieser Zustand nicht beseitigt ist. Seine Pflicht zum Handeln folgt aus seinem vorangegangenen Verhalten (RIS-Justiz RS0079560). Wenn sich das widerrechtliche Verhalten des Störers nicht in einer vorübergehenden, abgeschlossenen Handlung erschöpft, sondern einen Dauerzustand herbeigeführt hat, umfasst der Anspruch auf Unterlassung auch das Recht, vom Verpflichteten die Beseitigung dieses gesetzwidrigen Zustands zu verlangen, soweit ihm die Verfügung hierüber zusteht (RIS-Justiz RS0079560 [T1]). Die Verfügungsbefugnis des Störers ist vom Antragsteller zu behaupten und zu beweisen (RIS-Justiz RS0079560 [T4]).

3.2. Eine Verfügungsberechtigung des Antragsgegners betreffend das inkriminierte Lichtbild und die Daten auf der Homepage seiner Vertrauensperson ist nicht bescheinigt. Eine solche wurde vom Antragsteller auch im gesamten Verfahren nicht behauptet. Das Löschungsbegehren hinsichtlich eines Eintrags auf einer nicht vom Antragsgegner betriebenen Internetseite ist daher unter den vorliegenden Umständen abzuweisen.

4. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher im Umfang des Unterlassungsbegehrens mit der dargestellten Maßgabe zu bestätigen und im Umfang des Löschungsbegehrens antragsabweisend abzuändern.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO iVm § 393 Abs 2 EO. Das erfolgreiche Unterlassungs- und das abgewiesene Beseitigungsbegehren wurden nicht getrennt bewertet und sind kostenrechtlich gleichwertig, weshalb mit einer Kostenaufhebung vorzugehen war. Pauschalgebühren fallen in einem (Rechtsmittel‑)Verfahren nach § 382g EO nicht an.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte