OGH 9ObA59/23a

OGH9ObA59/23a18.10.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende, sowie die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner und die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Veronika Bogojevic (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Dr. Gerda Mahler‑Hutter, Mag. Katharina Hausmann, Rechtsanwältinnen in Berndorf, gegen die beklagte Partei R* GmbH, *, vertreten durch Bichler Zrzavy Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Kündigungsanfechtung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 30. Mai 2023, GZ 9 Ra 99/22b‑35, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:009OBA00059.23A.1018.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1. Auch Änderungskündigungen unterliegen dem allgemeinen Kündigungsschutz nach § 105 ArbVG (8 ObA 23/10f ua). Bei einer Anfechtung wegen Sozialwidrigkeit nach § 105 Abs 3 Z 2 ArbVG ist zunächst zu prüfen, ob wesentliche Interessen des gekündigten – seit wenigstens sechs Monaten beschäftigten – Arbeitnehmers beeinträchtigt sind, ob also dem Arbeitnehmer durch die Kündigung erhebliche soziale Nachteile entstehen, die über die normale Interessenbeeinträchtigung bei einer Kündigung hinausgehen (vgl RS0051746 ua). Für eine Änderungskündigung ist in dieser Hinsicht entscheidend, ob dem Arbeitnehmer die Annahme des Angebots des Arbeitgebers zur Änderung der Arbeitsbedingungen zumutbar ist (8 ObA 23/10f; 9 ObA 15/11p; RS0118293). Diese Beurteilung kann nur anhand der Umstände des Einzelfalls vorgenommen werden (8 ObA 51/14d; RS0051741 [T3]). Die Vorinstanzen haben unter Beachtung dieser Rechtsprechung die Zumutbarkeit der Annahme des Angebots der Beklagten verneint und die Sozialwidrigkeit der Kündigung des Klägers bejaht. Eine die Zulässigkeit einer Revision dennoch rechtfertigende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zeigt die Revisionswerberin nicht auf.

[2] 2.1 Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Zumutbarkeit der Annahme des Angebots des Arbeitgebers zur Änderung ist nicht der angebotene Ersatzarbeitsplatz, sondern der bisherige Arbeitsplatz unter den geänderten Entgelt- und Arbeitsbedingungen (9 ObA 79/91 ua; Wolligger in ZellKomm³ § 105 ArbVG Rz 167 mwH). Es entspricht daher entgegen den Ausführungen der Revisionswerberin durchaus der Rechtsprechung, bei der Zumutbarkeitsprüfung nicht nur die Entgeltbedingungen, sondern auch die geänderten Arbeitsbedingungen zu berücksichtigen (8 ObA 23/10f; vgl auch 8 ObA 4/04b).

[3] 2.2 Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger bei Annahme des Änderungsangebots trotz des zu erwartenden Einkommensverlustes von 17 % bis 20 % in der Lage wäre, die monatlichen Fixkosten zu finanzieren.

[4] 2.3 Die dem Kläger angebotene Ersatztätigkeit wäre aber mit einer um zwei kollektivvertragliche Verwendungsgruppen niedrigeren Einstufung verbunden. Diese rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts stellt die Revisionswerberin nicht in Frage. Sie ist, worauf das Berufungsgericht hingewiesen hat, selbst von einer verschlechternden und vertragsändernden Versetzung ausgegangen, weshalb sie bereits im Vorfeld des Ausspruchs der Änderungskündigung die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt hat. Die Beklagte ist daher – in Übereinstimmung mit der rechtlichen Beurteilung des Berufungsgerichts – selbst davon ausgegangen, dass der angebotene Ersatzarbeitsplatz nicht gleichwertig ist. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass das dem Kläger vorgeschlagene Änderungsverbot im konkreten Fall unzumutbar war, weil die ihm vorgeschlagene Versetzung mit einer Minderung seines Ansehens verbunden ist, hält sich im Rahmen des ihnen nach der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung zustehenden Ermessensspielraums (vgl RA0051123; RS0051209 [T7]), sodass es einer Auseinandersetzung mit der von der Revisionswerberin bestrittenen Anwendbarkeit der sozialgerichtlichen Rechtsprechung zu § 273 ASVG in diesem Zusammenhang nicht bedarf. Darüber hinaus setzt sich die Revisionswerberin nicht mit der Feststellung des Erstgerichts auseinander, dass der Kläger an seinem Ersatzarbeitsplatz– anders als bisher in seiner Position als Area‑Manager – feste Arbeitszeiten einhalten hätte müssen. Ebenso wenig stellt sie die Ausführungen der Vorinstanzen in Frage, dass der Kläger seine in den letzten 20 Jahren erworbenen beruflichen Fähigkeiten am angebotenen Ersatzarbeitsplatz nicht nur nicht verwerten könnte, sondern er sich darüber hinaus einer Einschulung unterziehen müsste, um die von ihm zuletzt 1993 ausgeübte Tätigkeit als Reiseberater wieder aufnehmen zu können.

[5] 2.4 Nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen wurde dem Kläger überdies kein bestimmter Ersatzarbeitsplatz angeboten, sondern eine Tätigkeit in einer von mehreren Filialen eines flächenmäßig großen Bundeslandes, ohne allerdings dem Kläger weiterhin wie bisher einen Dienstwagen zur Verfügung zu stellen. Die Beklagte behielt sich überdies den Einsatz des Klägers in einer anderen Betriebsstätte ausdrücklich vor. Schließlich hat bereits das Erstgericht darauf verwiesen, dass der Kläger im Fall einer Tätigkeit in der Filiale der Beklagten an seinem Wohnort jener Filialleiterin fachlich und disziplinär unterstellt gewesen wäre, deren Vorgesetzter er war, und die mit ihrer Beschwerde zum Verlust seiner Position als Area‑Manager beigetragen hatte.

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