European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00102.23B.0925.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Unternehmens-, Gesellschafts- und Wertpapierrecht
Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass die klagsstattgebende Entscheidung des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 30.617,42 EUR (darin 1.353,57 EUR an Umsatzsteuer und 22.496 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Beklagte hat eine jüngere Schwester und zwei jüngere Brüder. Alle Geschwister und deren Eltern sind Stifter und (nach dem Tod ihres Vaters im Jahr 2009, der bis dahin Alleinbegünstigter war) gleichzeitig Begünstigte der 1994 errichteten und nunmehr klagenden Privatstiftung, die Anteile an vom Vater aufgebauten Unternehmen hält. Der ältere Bruder der Beklagten, A*, ist seit 2009 (bis 2019 Allein‑)Vorstand einer (sich mit Immobilienbewirtschaftung beschäftigenden) Gesellschaft; die Beklagte, die bereits zu Lebzeiten des Vaters für ein Jahr Vorstand dieser (Aktien‑)Gesellschaft gewesen war, war von 2009 bis 2017 Vorsitzende (und danach bis Jänner 2019 Mitglied) des Aufsichtsrats, dem auch die zwei anderen, jüngeren Geschwister als Mitglieder angehör(t)en.
[2] Die Klägerin hat die Versorgung der Stifter und von Angehörigen ihrer Familie als Haupt‑ und die Jugendaus- und Jugendfortbildung sowie die Altersversorgung als subsidiären Zweck.
[3] Jedes der vier Geschwister und Begünstigten erhielt zwischen dem Tod des Vaters 2009 und Februar 2017 rund 15 Mio EUR an Zuwendungen der Stiftung. Am 28. 2. 2017 beschloss der Stiftungsvorstand die Auszahlung weiterer netto (nach Abzug der KESt) 810.000 EUR pro Begünstigtem/r „nach Maßgabe der Liquidität“, spätestens bis 31. 12. 2017; die Beklagte erhielt 520.000 EUR daraus noch nicht.
[4] In der ebenso wie die Stiftungsurkunde zuletzt am 27. 12. 2006 neu gefassten Stiftungszusatzurkunde ist vorgesehen (§ 2 Abs 6), dass eine Zuwendung an einen Begünstigten zu unterbleiben habe, wenn sich dieser „eines Verhaltens schuldig gemacht hat, die [sic] eine Erbunwürdigkeit (Paragraphen 540 ff ABGB) oder einen Enterbungsgrund (Paragraphen 768 ff ABGB) gegenüber den Stiftern oder einer Person darstellt, von der er die Begünstigtenstellung ableitet“.
[5] Zum Stiftungswiderruf sind seit dem Tod des Vaters die verbleibenden Stifter jederzeit ohne Angabe von Gründen, jedoch nur gemeinsam und mit einstimmiger Zustimmung des Stiftungsbeirats berechtigt (§ 11 Stiftungserklärung).
[6] Ab 2013/14 verschärften sich Unstimmigkeiten vor allem zwischen der Beklagten und ihrem Bruder A* über die Ausübung der Geschäfte der Aktiengesellschaft, seine Entlohnung als Vorstand und eine von einzelnen Geschwistern erwogene mögliche Auseinandersetzung des Vermögens (Ausstieg aus der Stiftung oder Aufteilung der Immobilien); dennoch wurde A* als Vorstand in den Jahren 2014 bis 2017 einstimmig die Entlastung erteilt.
[7] Die Beklagte mutmaßte, dass die Gesellschaft Grundstücke zu billig veräußert habe, ihr Bruder A* über Strohmänner involviert gewesen und die Verkäufe der Gesellschaft mit denen seiner eigenen Immobiliengesellschaft zeitlich oder inhaltlich verknüpft worden seien; keine dieser Vermutungen ließ sich erhärten.
[8] Im Frühjahr 2017 äußerte die Beklagte in Schreiben an einzelne Familienmitglieder, A* habe die Firma ihres Vaters mit dem unzutreffenden Argument an sich gerissen, er wäre der Einzige, der etwas vom Immobiliengeschäft verstehe. A* „sekkiere“ sie seit Jahren und stelle ihr nicht die von ihr geforderten Unterlagen des Unternehmens, an dem sie auch zu 25 % beteiligt sei, zur Verfügung. Zu einer Aufsichtsratssitzung erschien die Beklagte in der Folge mit einem Rechtsanwalt, dessen Teilnahme die anderen Aufsichtsratsmitglieder ablehnten.
[9] A* hat der Beklagten sowohl telefonisch als auch schriftlich wiederholt eine Aussprache bzw ein Gespräch angeboten, worauf die Beklagte nicht einging.
[10] Die Beklagte hat ihrem Bruder A* von 16. 9. bis 27. 9. 2017 in Summe 18 E‑Mails, teils nahezu im Minutentakt, geschrieben („September-Korrespondenz“), in denen diverse Immobilienverkäufe aus dem Jahrzehnt davor kritisch beleuchtet und dazu Vermutungen angestellt wurden. Die Beklagte führte zusammengefasst aus, A* solle über diese Korrespondenz mit niemandem sprechen; das wäre für ihn und Andere „brandgefährlich“. Sie wies etwa auf § 153 StGB, der ein Offizialdelikt sei, sowie darauf hin, sie habe durch Einschaltung einer internationalen Großdetektei erfahren, dass er aus der Gesellschaft über Strohmänner systematisch Geld in mittlerer bis höherer zweistelliger Millionenhöhe in seine Sphäre gebracht habe, wobei sie ihm beispielhaft einige ganz sorgfältig ausgesuchte Fälle präsentiere. Sie wisse alles, 78 % seien sicher und 22 % stark indiziert und in einem Gerichtsverfahren zu verifizieren. Sie habe ein mehrköpfiges Anwaltsteam bereitstehen;Mithelfern von A*, die ihm bei strafrechtlich relevanten Vorgängen geholfen hätten, solle eine goldene Brücke der Kronzeugenregelung gebaut werden. Wenn Kronzeugen bei der Staatsanwaltschaft auspacken würden, dann wäre die Kugel aus dem Lauf; wenn das passiere, wäre A* damit vorgewarnt, er wäre an seinem Schicksal und dem der Anderen ganz alleine schuld. Er habe zwar die anderen Geschwister psychologisch geschickt mit Ausschüttungen ruhiggestellt, er habe aber nicht mit ihr, der Beklagten, gerechnet. In einer E‑Mail führte sie aus, es sei eine klassische Strategie von Tätern, nach Zweckerfüllung die Leiche im Keller zu vergraben, jedoch „wir werden die Leiche ausbuddeln und gründlich sezieren…, … am Besten …, indem man … ganz offen mit der Finanzstrafbehörde kooperiert bei der Aufklärung. Wenn die ein paar Millionen Steuerhinterziehung riechen, stellen die sofort 5 Mann ab. … Wie wäre es mit einem Lebenszeichen? Ansonsten muss ich die Maschinerie loslegen …“. In einer E‑Mail vom 23. 9. 2017(„… Das Ende naht! … Wir wissen beide, dass diese Sache zu einem endgültigen Abschluss gebracht werden muss, und das in Kürze. Deine Vogel-Strauß-Politik ist vollkommen sinnlos …“) stellte die Beklagte zwei mögliche Ausgänge der Angelegenheit dar: Entweder A* zahle „das, was mir zusteht“, oder die Beklagte übergebe alles der Staatsanwaltschaft; er müsse sich „jetzt der Sache stellen, so oder so!“ Dieses Angebot wurde in einer E‑Mail vom 25. 9. 2017 dahin – „fair und realisierbar, unverhandelbar“ – spezifiziert, dass die Beklagte sich aus der Stiftung zurückziehe, wenn sie für die Aufgabe ihrer Begünstigtenstellung und ihre Stellung in der Unternehmensgruppe eine Zahlung von 18 Mio EUR erhalte und weiters A* bis spätestens 2. 10. 2017 einen Schenkungsvertrag über 10 Mio EUR unterschreibe, „als Kompensation für den in der Vergangenheit nicht partizipierten Teil meinerseits“. Sie stelle ihm diesbezüglich frei, die Positionen anzupassen, sofern die Summe 28 [Mio EUR] ergebe. Der Schenkungsvertrag betreffe eine Wiedergutmachung für einen der Beklagten in der Vergangenheit entstandenen Schaden. Sollte A* die für die Transaktion erforderlichen Dokumente nicht fristgerecht unterschreiben, würden ihn die Anwälte der Beklagten mit gewissen Sachverhalten konfrontieren; in der Folge würde ein alter Freund und früherer Geschäftspartner von A*, der alles wisse und ganz tief mit drinstecke, als Erster einen Anwaltsbrief mit dem Angebot einer Kronzeugenregelung erhalten. „Dann wäre die Kugel aus dem Lauf! … Bitte fasse diese Zeilen nicht als Drohung auf, sondern lediglich als Information! Ich bin überzeugt, dass du das Richtige für dich und alle Beteiligten machen wirst!“ (E‑Mails vom 27. 9. 2019).
[11] Am 30. 9. 2017 schrieb die Beklagte eine E‑Mail an A*, sie plane eine „Erhöhung auf die Ebene des Stiftungsvorstandes“ und werde binnen zwei Stunden Stiftungsbeirat und -vorstand über ihr Anbot auf Verzicht auf die Begünstigtenstellung gegen Zahlung von 18 Mio EUR informieren, wenn A* ihr nicht zuvor eine andere Zahl nenne, wobei sich um die Differenz zu 18 Mio EUR der Betrag seiner Schenkung entsprechend verändere, damit die Summe 28 ergebe. A* habe bis 6. 10. 2017 gleichzeitig mit der Annahme des von ihr ausformulierten Anbots durch die Klägerin den Schenkungsvertrag zu unterzeichnen, ansonsten verbleibe sie in der Begünstigtenstellung, „und wir leiten in Kürze ohne Vorwarnung den Strafprozess ein (an dem wir bereits mit Hochdruck arbeiten)“; man habe eine Strategieänderung vorgenommen, und werde gleichzeitig mit neun Kronzeugen beginnen. „Nichts dauert ewig, alles hat ein Ende und ich werde diese leidliche Sache – so oder so – schnellstens zu Ende bringen!“; in der Folge hat die Beklagte das angekündigte Schreiben mit dem Anbot (18 Mio EUR) tatsächlich an den Stiftungsvorstand versandt.
[12] Die Beklagte hat die E-Mails der September-Korrespondenz verfasst und verschickt, um A* zur Zahlung von insgesamt 28 Mio EUR zu veranlassen.
[13] Als A* die erste E-Mail vom 16. 9. 2017 gelesen hatte, war er geschockt, hatte Atemnot, in der Folge Schlafstörungen und suchte in diesem Zusammenhang auch seinen Therapeuten auf. Sukzessive sind die Folgemails eingelangt, die in ihm die Angst ausgelöst haben, dass er nicht nur gesellschaftlich zerstört werde, sondern auch in dem von nur wenigen Dutzend Personen bearbeiteten Wiener Zinshausmarkt nicht mehr wirtschaftlich tätig sein könne. Auch Probleme mit Banken (Kreditfälligstellung) wegen der aufgeworfenen Verfehlungen hat er befürchtet, wissend, dass oft Vorwürfe für eine Vorverurteilung ausreichen.
[14] Die Ankündigung der Beklagten hat bei A* die begründete Besorgnis erweckt, seine wirtschaftliche Zukunft sei zumindest weitgehend düster, wenn nicht zerstört. Die Beklagte hat diese Drohung auch mit dem Vorsatz geäußert, sich selbst – unrechtmäßig – einen Vermögenswert zu verschaffen.
[15] A* hat die E-Mails der September-Korrespondenz an seine Geschwister sowie die Mitglieder des Stiftungsvorstands der Klägerin und des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft weitergeleitet; er leistete keine Zahlungen an die Beklagte.
[16] Die Mitglieder des Aufsichtsrats der Aktiengesellschaft forderten mit Schreiben vom 3. 10. und 10. 10. 2017 die Beklagte auf, die in den E‑Mails der September-Korrespondenz erhobenen Vorwürfe zu belegen bzw das in diesem Zusammenhang entstandene Material zur Prüfung vorzulegen. Dem ist die Beklagte nicht nachgekommen. Es wurde daher von der Klägerin der Beschluss gefasst, dass Auszahlungen an die Beklagte aus der Stiftung nicht mehr erfolgen. Dies wurde vom Stiftungsbeirat der Klägerin im Juli 2018 bestätigt.
[17] In einem handgeschriebenen Brief an ihren Bruder A* vom 16. 1. 2018 führte die Beklagte aus, ihr sei mehr und mehr klargeworden, dass ihre E‑Mails vom September von ihm ganz anders aufgefasst würden als von ihr beabsichtigt; sie habe sich zu dieser Zeit in einer höchst emotionalen und bedrückenden Situation befunden. Sie wolle sich für ihre emotionale Wortwahl und Ausdrucksweise sowie für die Anzahl ihrer E‑Mails entschuldigen. Sie werde in Hinkunft sachlich bleiben und sei weiter gesprächsbereit, sowohl was ihre Stellung in Unternehmen und Stiftung als auch die Zukunft als Familie betreffe.
[18] A* hat der Beklagten ihr Vorgehen (September-Korrespondenz) auch nach Erhalt dieses Briefes nicht verziehen.
[19] Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der Beklagten keine Rechte als Begünstigte der Klägerin und insbesondere kein Anspruch auf Erhalt von Zuwendungen der Klägerin zustünden. Die Beklagte habe einen Versuch der Erpressung im Sinne des § 144 StGB zum Nachteil des Mitstifters und Begünstigten A* unternommen und damit den Tatbestand der Erbunwürdigkeit gesetzt; ihre Begünstigtenstellung habe geendet. Sie habe selbst zugegeben, gewusst zu haben, dass sie weder einen Anspruch auf eine Schenkung von 10 Mio EUR noch – stiftungsrechtlich – einen Anspruch auf Abfindung von 18 Mio EUR habe. Die Verknüpfung eigener Forderungen mit der Drohung der Erstattung einer Strafanzeige stehe nicht in sittengemäßer Mittel-Zweck-Relation. Das erbunwürdig machende Verhalten könne nach der Stiftungszusatzurkunde gegenüber irgendeinem Stifter begangen worden sein.
[20] Die Beklagte erwiderte, sie habe Ungereimtheiten zum Nachteil des Familienvermögens vermutet und sich in einer höchst emotionalen Ausnahmesituation befunden, in der sie sich Gehör verschaffen wollte. Formulierung sowie Art und Weise der Kommunikation seien ihr aus heutiger Sicht unangenehm, und sie bedaure die Versendung der E-Mails in dieser Form. Allerdings habe sie sich damals auch bestohlen gefühlt; eine Zurücknahme der Vermutungen bzw eine Entschuldigung dafür, Ungereimtheiten zu vermuten, sei ihr aber nicht möglich. Hintergrund der Klage sei ein Geschwisterstreit und nicht Verhalten der Beklagten von rechtlicher Relevanz. Die September-Korrespondenz erfülle weder einen Straftatbestandnoch eine Erbunwürdigkeit, die im Sinne der Rechtslage 2006 zu verstehen sei und daher nur Handlungen gegen den Erblasser selbst umfasse. Handlungen im Sinne des § 2 Abs 6 der Stiftungszusatzurkunde erforderten also, dass ein Erbunwürdigkeitsgrund gegen jenen in direkter aufsteigender Linie verwandten Stifter gesetzt werde, von dem die Berechtigung abgeleitet werde. Gegenüber ihrem Bruder sei die Beklagte nicht erbberechtigt und könne daher auch nicht erbunwürdig sein. Selbst bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 2 Abs 6 der Stiftungszusatzurkunde ginge die Begünstigtenstellung nicht verloren, sondern es hätten bloß Zuwendungen an Begünstigte zu unterbleiben. Der Klägerin fehle das Feststellungsinteresse.
[21] Das Erstgericht gab der Klage statt, weil die Beklagte eine Handlung gesetzt habe, die ihre Begünstigtenstellung nach § 2 Abs 6 der Stiftungszusatzurkunde beendet habe. Die Stellung des Begünstigten richte sich nach den nur rudimentären gesetzlichen Regelungen in Zusammenschau mit der Stiftungserklärung, in deren Rahmen konkretisierende Bestimmungen zur Begünstigtenstellung geschaffen werden können, den aktuell Begünstigten potenziell Begünstigten hintanzustellen oder auf eine aktuelle Begünstigtenstellung Einfluss zu nehmen. In diesem Sinne sei § 2 Abs 6 der Stiftungszusatzurkunde zu verstehen, wonach Zuwendungen an Begünstigte zu unterbleiben hätten, die eine Erbunwürdigkeit im Sinne der §§ 540 ff ABGB gegenüber den Stiftern zu verantworten hätten; dies sei eine statische Verweisung auf die im Dezember 2006 geltende Rechtslage. Nach dem Wortlaut des § 2 Abs 6 der Stiftungszusatzurkunde könne das die Erbunwürdigkeit bewirkende Verhalten gegenüber jedem Stifter, somit nicht nur gegenüber den Eltern (Erststifter und Zweitstifterin), sondern auch gegenüber den anderen Stiftern gesetzt werden. Die Drohung der Beklagten, sie werde in Form von Strafanzeigen und Klagen umfassendes Material über Malversationen von A* „veröffentlichen“, wenn er ihr nicht 10 Mio EUR schenke, sei keinesfalls eine im Sinne des § 144 Abs 2 StGB den guten Sitten nicht widerstreitende Handlung. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob die Verknüpfung mit der Auszahlung „ihres Anteils an der Klägerin“ diese Voraussetzung nicht erfülle, weil jedenfalls durch die Forderung nach der als Schenkung titulierten Zahlung dieser Rahmen verlassen sei. Die Ankündigung der Beklagten habe bei A* auch die begründete Besorgnis erweckt, seine wirtschaftliche Zukunft sei zumindest weitgehend düster, wenn nicht zerstört. Die Beklagte habe diese Drohung auch mit dem Vorsatz geäußert, sich selbst – unrechtmäßig – einen Vermögenswert zu verschaffen. Die nachträgliche „Umwidmung“ als Handlung, die nur zur Offenlegung gegenüber der Familie diene, sei eine Schutzbehauptung. Das Feststellungsinteresse sei gegeben, zumal die Beklagte den Ausschluss aus der Begünstigtenstellung nach wie vor bestreite und auch die Zahlung von 520.000 EUR gefordert habe.
[22] Das Berufungsgericht wies die Klage ab. Die von der Beklagten behaupteten Malversationen beruhten nach den Feststellungen auf bloßen Vermutungen; das Erstgericht habe (disloziert) festgestellt, dass sich A* keine Malversationen zuschulden kommen habe lassen, bestimmte Vermutungen hätten sich nicht erhärten lassen, und die Beklagte habe Materialien trotz Aufforderung nicht vorgelegt. Es sei zu berücksichtigen, dass die inkriminierten Anwürfe der Beklagten gegenüber A* „reine Hypothese“ seien, die von ihm „mangels einer insofern bestehenden Schuld objektiv auch zu erkennen waren“. Darüber hinaus sei „auf Grundlage des Schritt für Schritt aufbrausenden Konfliktes nach dem teilweise stakkatoartigen zeitlichen Versenden der einzelnen E-Mails und der darin vorgenommenen Wortwahl für A* bei objektiver Betrachtungsweise klar erkennbar“ gewesen, dass die Korrespondenz von einer „kurzzeitigen geradezu krankhaften, an Absurdität grenzenden Übertreibung, Übersteigern, Überhöhen, 'sich selbst Hochpushen', geprägt“ sei und den Ankündigungen ein „ernsthafter Charakter“ fehle. Die nach den Feststellungen daraus folgenden gesundheitlichen Einschränkungen des A* würden noch nicht den Tatbestand der gefährlichen Drohung „bedingen“, zumal sie „offensichtlich … auf außergewöhnlichen subjektiven Empfindungen ... beruhen und außerhalb der Norm bei einer derartigen Sachlage zu erkennen“ seien. Unter Heranziehung eines objektiv-individuellen Maßstabs sei ein strafrechtlicher Tatbestand, aus dem ein Erbunwürdigkeitsgrund abgeleitet werden könnte, „nicht zu erachten“; die Eignung der Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen, sei „objektiv (objektiv-individuell) nicht begründet“.
Rechtliche Beurteilung
[23] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig, weil sich das Berufungsgericht von höchstgerichtlicher Rechtsprechung entfernt hat; sie ist auch berechtigt.
[24] 1.1. Der Stifterwille ist aus der Stiftungserklärung durch deren Auslegung zu ermitteln (vgl RS0108891 [T23]). Dabei sind die für die Satzungen juristischer Personen entwickelten Auslegungskriterien auch für Stiftungen anzuwenden (RS0108891 [T5]). Derartige korporative Regelungen sind nicht wie Verträge, sondern – unter Anwendung der Auslegungsgrundsätze der §§ 6 f ABGB – nach Wortlaut und Zweck in ihrem systematischen Zusammenhang objektiv (normativ) auszulegen (vgl RS0108891 [T4, T9]). Dies gilt auch für die Regelungen über die Begünstigtenstellung (6 Ob 24/21d), und zwar jedenfalls wenn – wie hier – die Stellung als Begünstigter und Verlust dieser Stellung in den Stiftungsurkunden ausführlich geregelt sind und dem Stiftungsvorstand kein diesbezügliches Ermessen eingeräumt ist.
[25] 1.2. Die hier maßgebliche Bestimmung des § 2 Abs 6 der Stiftungszusatzurkunde lautet dahin, dass Zuwendungen an einen Begünstigten unterbleiben, wenn er sich eines Verhaltens schuldig gemacht hat, „das eine Erbunwürdigkeit (§§ 540 ff ABGB) oder einen Enterbungsgrund (§§ 768 ff ABGB) gegenüber den Stiftern oder einer Person darstellt, von der er die Begünstigtenstellung ableitet“.
[26] 1.3. Die Parteien und das Erstgericht sind zutreffend davon ausgegangen, dass damit ein Verweis auf die Rechtslage vorgenommen wurde, wie sie im Zeitpunkt der letzten (Neu-)Fassung der Stiftungsurkunden am 27. 12. 2006 bestanden hat. Anhaltspunkte für eine „dynamische“ Verweisung sind aus den Stiftungsurkunden nicht zu erschließen.
[27] § 540 ABGB in der am 27. 12. 2006 (bis 31. 12. 2016) geltenden Fassung des ErbRÄG 1989 lautete dahin, dass derjenige, der gegen den Erblasser – zu dessen Lebzeiten und zumindest zum Versuch gediehen (vgl RS0121921; RS0014988) – eine gerichtlich strafbare Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, begangen oder seine aus dem Rechtsverhältnis zwischen Eltern und Kindern sich ergebenden Pflichten dem Erblasser gegenüber gröblich vernachlässigt hat, so lange des Erbrechts unwürdig ist, als sich nicht aus den Umständen entnehmen lässt, dass ihm der Erblasser vergeben habe.
[28] Nach § 768 ABGB in der von 1. 1. 1975 bis 31. 12. 2016 geltenden Fassung konnte ein Kind enterbt werden, wenn es den Erblasser im Notstande hilflos gelassen hatte (Z 2), wenn es wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war (Z 3) oder wenn es eine gegen die öffentliche Sittlichkeit anstößige Lebensart beharrlich führte (Z 4).
[29] 1.4. In der gebotenen systematisch-objektiven Auslegung ist ein Verständnis von § 2 Abs 6 der Stiftungszusatzurkunde (wie von der Beklagten favorisiert), wonach nur Handlungen gegenüber den Eltern als Erst- und Zweitstiftern umfasst seien, schon mit dem Wortlaut der Bestimmung nicht vereinbar. Diese umfasst vielmehr zwei Fallgruppen: Einerseits von Begünstigten gegenüber einem der Stifter begangene Handlungen und andererseits – hier nicht relevant – Handlungen, die von „nachrangigen“ Begünstigten gegenüber einer vorrangig begünstigten Person begangen werden, von der sie ihre Stellung ableiten, im Konkreten somit von einem der Geschwister oder deren Nachkommen (§ 1 Abs 1 lit b der Stiftungszusatzurkunde, wonach nach dem Ableben ihres Vaters als vorerst Alleinbegünstigter die vier Geschwister und ihre jeweiligen Nachkommen – als „Stämme“ I bis IV – zu gleichen Teilen Begünstigte sein sollen).
[30] § 2 Abs 6 der Stiftungszusatzurkunde ist weiters nach dem klaren Wortlaut nicht dahin zu verstehen, dass zwischen dem Begünstigten und dem Stifter konkret und aktuell eine „Erbberechtigung“ bestehen müsste, sondern dahin, dass zwischen den in Rede stehenden Personen – zwischen denen im hier vorliegenden Fall grundsätzlich eine gesetzliche Erbfolge unter Geschwistern nach § 731 Abs 2 ABGB in der am 27. 12. 2006 (bis 31. 12. 2016) geltenden Fassung eintreten könnte – Verhaltensweisen pönalisiert werden sollten, die Erbunwürdigkeit begründen (oder – hier nicht relevant – einen Enterbungsgrund bilden) können.
[31] 1.5. § 2 Abs 6 der Stiftungszusatzurkunde ist daher zwanglos dahin zu verstehen, dass ein Begünstigter gegenüber jedem Stifter (oder – hier nicht relevant – gegenüber jeder anderen Person, von der die Begünstigtenstellung abgeleitet wird) keine Handlung im Sinne des § 540 ABGB in der am 27. 12. 2006 geltenden Fassung des ErbRÄG 1989 setzen darf, ohne die Zuwendungen zu verlieren.
[32] 1.6. Eine von der Beklagten durch diese Auslegung der Klausel angeführte potentielle Existenzgefährdung des Erststifters als zu dessen Lebzeiten Alleinbegünstigter ist schon wegen dessen alleinigen Änderungsrechts (§ 10 Abs 1 Stiftungsurkunde) nicht zu erblicken.
[33] 1.7. Rechtliche Feststellungsmängel zu einem vom Wortlaut abweichenden „Stifterwillen“ insbesondere des Vaters liegen vor diesem rechtlichen Hintergrund nicht vor.
[34] 2.1. Den Tatbestand des Verbrechens (§ 17 Abs 1 StGB) der Erpressung verwirklicht nach dem seit 1. 1. 1975 geltenden § 144 Abs 1 StGB, wer jemanden mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, wenn jener mit dem Vorsatz gehandelt hat, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern; die Tat ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
[35] Nach Abs 2 ist die Tat nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet.
[36] Mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren ist nach § 145 Abs 1 Z 1 StGB unter anderem zu bestrafen, wer mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung droht.
[37] 2.2. Eine gefährliche Drohung ist nach § 74 Abs 1 Z 5 StGB eine Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre, Vermögen oder des höchstpersönlichen Lebensbereiches durch Zugänglichmachen, Bekanntgeben oder Veröffentlichen von Tatsachen oder Bildaufnahmen, die geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen, ohne Unterschied, ob das angedrohte Übel gegen den Bedrohten selbst, gegen dessen Angehörige oder gegen andere unter seinen Schutz gestellte oder ihm persönlich nahestehende Personen gerichtet ist.
[38] Darunter ist die Kundgebung eines Willensentschlusses zu verstehen, ein Übel für einen anderen herbeizuführen, das der Drohende unmittelbar selbst oder durch eine Mittelsperson zu verwirklichen vermag (RS0092149). Die Verwirklichung des angedrohten Übels muss nach dem Inhalt der Drohung vom Willen des Drohenden abhängig sein. Ob der Drohende aber die Drohung tatsächlich wahrmachen will oder dazu überhaupt imstande ist, ist kein Kriterium der Drohung (RS0092132); es genügt, dass die Drohung ernst gemeint und verwirklichbar erscheint (vgl Jerabek/Ropper/Reindl‑Krauskopf/Schroll in Höpfel/Ratz,WK2 § 74 StGB Rz 23). Die Imminenz des angedrohten Übels ist dagegen kein Kriterium einer gefährlichen Drohung (vgl RS0092687). Der Vermögensbegriff ist weit auszulegen: Auch die Drohung mit – wie immer gearteten – rechtlichen Schritten kann (als eine solche mit einer Verletzung am Vermögen) tatbildlich sein, wenn damit beim Opfer der Eindruck erweckt wird, (Verfahrens‑)Kosten für die Abwehr ungerechtfertigter Ansprüche aufwenden zu müssen (RS0131845).
[39] 2.3. Die Beurteilung der Ernstlichkeit einer (sich ihrem Wortlaut nach als Drohung manifestierenden) Äußerung wie auch ihres Sinnes und Bedeutungsinhaltes betrifft ausschließlich eine – im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu lösende – Tatfrage (RS0092437). Welche von mehreren nach dem Sprachgebrauch, nach den Gewohnheiten und dem Bildungsgrad des Sprechenden und dem seiner Umgebung möglichen Bedeutungen einer Äußerung zukommt, hat das Gericht im Rahmen der freien Beweiswürdigung festzustellen (vgl RS0092588 [insb T6]; vgl RS0092437 [insb T3]).
[40] Ob das Opfer durch die gefährliche Drohung in Furcht und Unruhe versetzt wurde, ist hingegen als Rechtsfrage unabhängig vom tatsächlich beim Bedrohten hervorgerufenen Eindruck nach einem objektiv-individuellen Maßstab zu beurteilen; die Eignung der Äußerungen, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen, ist somit eine Rechtsfrage (RS0092160). Die Eignung der Drohung, begründete Besorgnis einzuflößen, ist objektiv zu beurteilen, wobei wohl in der Person des Bedrohten gelegene besondere Umstände mitzuberücksichtigen sind (objektiv-individueller Maßstab), es aber nicht darauf ankommt, ob die Drohung in dem Bedrohten tatsächlich Besorgnis erweckt hat (RS0092753). Eine solche Eignung ist daher dann gegeben, wenn der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation nach dem objektiven Maßstab eines besonnenen Durchschnittsmenschen unter Mitberücksichtigung der in seiner Person gelegenen besonderen Umstände (jedoch nicht auf Grund der konkreten Gemütslage des Opfers) die Verwirklichung des angedrohten Übels erwarten, das heißt den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei willens und in der Lage, diese Folgen, wenngleich nicht unbedingt genau unter den angekündigten Modalitäten, tatsächlich herbeizuführen (RS0092255).
[41] Für die objektive Eignung einer Drohung ist es daher ohne Bedeutung, ob der Bedrohte, sei es aus übergroßer Ängstlichkeit, sei es aus besonderem Mut oder Gleichmut, bei Beurteilung der Lage aus seiner subjektiven Sicht von einem Durchschnittsmaßstab abweichende Befürchtungen hegt oder nicht; die tatsächliche Versetzung des Bedrohten in Furcht und Unruhe ist nicht Voraussetzung (vgl RS0092102 [insb T4, T7]). Die rechtliche Annahme der Eignung einer Äußerung, die begründete Besorgnis einzuflößen, der Täter sei willens und in der Lage, das angekündigte Übel herbeizuführen (RS0092538; RS0092255 [T1]), setzt Feststellungen zum Bedeutungsinhalt dieser Äußerung voraus, welche durch die bloße – allenfalls der Begründung der Konstatierungen dienende – Wiedergabe ihres Wortlauts nicht ersetzt werden können (17 Os 25/17f).
[42] Zusammengefasst ist somit die Frage, ob eine Äußerung den Sinngehalt einer Drohung hat, eine Tatfrage, ob sie die Eignung aufweist, dem Bedrohten gegenüber Besorgnisse einzuflößen, dagegen eine Rechtsfrage (vgl RS0092588 [T2]; RS0092437 [T2]).
[43] 2.4.1. Der Sinngehalt der Äußerungen der Beklagten ist nach den Feststellungen – auch vor dem Hintergrund des von ihr damit verfolgten Bereicherungszwecks – unmissverständlich darauf gerichtet, ihren Bruder mit strafrechtlichen Verfahren zu überziehen, indem sie zumindest dem äußeren Anschein nach für ihn nachteilige Tatsachen und Umstände sowie ihm nachteilige Aussagen von angeblichen „Kronzeugen“ aus dem Bereich der zwischen ihr und ihrem Bruder noch vertraulichen September-Korrespondenz heraushebe, Dritte (angebliche „Kronzeugen“) damit konfrontiere und angeblich strafgesetzwidrige Handlungen den Strafverfolgungsbehörden zur Kenntnis bringe. Dies ist eine Drohung im Sinne der dargelegten Bestimmungen des StGB, welche die Beklagte zumindest in einem ersten Schritt auch umgesetzt hat, wie aus dem eskalierenden – und der vom Berufungsgericht vermeinten „Absurdität“ ihrer Drohungen entgegenstehenden – Umstand erhellt, dass sie den „außenwirksamen“ und der Mitwirkung Dritter bedürfenden Teil ihres drohungsbildenden Plans, die stiftungsrechtliche „Ablöse“ ihrer Begünstigtenstellung, auch Dritten gegenüber tatsächlich offenbart hat. Anzumerken ist an dieser Stelle, dass ein rechtlicher Feststellungsmangel in diesem Zusammenhang nicht vorliegt: Der Umstand, dass die Beklagte diese Urkunden geschrieben und versandt hat, blieb unbestritten (§§ 266 f ZPO) und ist daher der Entscheidung zugrundezulegen, ohne dass es ausdrücklicher Konstatierungen bedurft hätte (RS0083785; RS0040110; vgl RS0039927).
[44] Dass auf der Tatsachenebene durch Übertreibungen und Überhöhungen der Drohungscharakter auszuschließen wäre, wie das Berufungsgericht meinte, trifft nicht zu: Einerseits werden damit feststellungsfremde Überlegungen zugrunde gelegt (die Beklagte habe geradezu krankhaft gehandelt) und andererseits die mangelnde Drohungsqualität offenbar aus objektiven Umständen der Eignung, Besorgnis einzuflößen, abgeleitet (und somit unzulässigerweise Tatsächliches aus Rechtlichem).
[45] 2.4.2. Die Eignung der Drohung, Besorgnis einzuflößen (als Rechtsfrage), ergibt sich jedoch zwanglos daraus, dass auch die Androhung einer grundlosen Strafanzeige als eine Bedrohung mit einer Verletzung an Ehre und Freiheit und allenfalls auch am Eigentum, also am Vermögen, anzusehen und durchaus geeignet ist, dem Bedrohten gegründete Besorgnisse einzuflößen (vgl RS0092362).
[46] Die Auffassung des Berufungsgerichts, dass Ängstlichkeit in besonderem Maße oder „außergewöhnliche subjektive Empfindungen“ die Besorgnisse des Adressaten der Drohungen, A*, herbeigeführt hätten, findet keine Stütze in den Feststellungen und überzeugt auch in ihrem rechtlichen Gehalt nicht: Die Drohung mit substanzlosen Anschuldigungen ist geeignet, auch (und wohl auch gerade) bei einem mit rechtlichen Werten verbundenen Opfer der Drohungen berechtigterweise Besorgnisse der Beschädigung des Ansehens des auch wirtschaftlich guten Rufes hervorzurufen, auch wenn ihm die Anschuldigungen als unrichtig bekannt sind.
[47] 2.5. Zur subjektiven Tatseite steht fest, dass die Beklagte ihren Bruder dazu veranlassen wollte, ihr 28 Mio EUR zu zahlen, davon 10 Mio EUR als „Schenkung“, wobei die Beklagte nach den Feststellungen mit dem Vorsatz handelte, sich unrechtmäßig zu bereichern, sie es also für möglich hielt und sich damit abfand, dass sie im Hinblick auf § 11 der Stiftungserklärung keinen stiftungsrechtlichen Anspruch auf Ablöse ihrer Begünstigtenstellung, aber auch keinen konkreten Anspruch gegen ihren Bruder auf Zahlung von 10 Mio EUR hat.
[48] 2.6. Die Unrechtmäßigkeit der Bereicherung bestimmt sich nach der zivilrechtlichen Beurteilung. Ein Entfall des Vorsatzes auf unrechtmäßige Bereicherung erfordert einen rechtsgültigen und fälligen zivilrechtlichen Anspruch auf die erstrebte geldwerte Leistung oder einen darauf bezogenen Irrtum des Täters (vgl 12 Os 65/19d; Eder‑Rieder in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 144 Rz 31). Ein solcher Irrtum der Beklagten lässt sich den Feststellungen nicht entnehmen. Die Revisionsbeantwortung räumt selbst ein, dass es keinen Rechtsanspruch auf das Ausscheiden der Beklagten aus der Privatstiftung gab und der Beklagten dies bewusst war. Überdies ergäbe sich auch aus der Vermutung der Beklagten, dass die Immobiliengesellschaft (deren Gesellschafterin die Stiftung war) Grundstücke zum Vorteil des A* zu billig veräußert habe, die irrtümliche Annahme eines rechtsgültigen und fälligen zivilrechtlichen Anspruchs der Beklagten gegen A* in Höhe der geforderten 10 Mio EUR nicht.
[49] 2.7. Die Drohung mit – per se – zulässigen Verhaltensweisen zum Zweck des Erwirkens einer unrechtmäßigen Bereicherung verstößt jedenfalls gegen die guten Sitten, womit solche Drohungen auch nicht im Sinne des § 144 Abs 2 StGB gerechtfertigt sind (RS0131920). Wie in diesem Lichte die Anwendung des § 144 Abs 2 StGB in Betracht kommen und die Qualifikation der Handlungen der Beklagten als Mittel zum angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitend angesehen werden könnte, kann die Beklagte nicht nachvollziehbar darlegen.
[50] 2.8. Von der Beklagten ins Treffen geführte rechtliche Feststellungsmängel liegen nicht vor:
[51] Auf eine fehlende Intention der Beklagten, die September-Korrespondenz zu veröffentlichen, kommt es nicht an; zudem steht fest, dass sie den angedrohten Plan zumindest zum Teil durch Befassung des Stiftungsvorstands umgesetzt hat. Auf den Vorsatz, die Drohungen in die Tat umzusetzen, kommt es ebenso wenig an. Dass die Beklagte 28 Mio EUR lukrieren wollte, steht ebenso fest wie der Umstand, dass sie darauf keinen rechtsgültigen und fälligen zivilrechtlichen Anspruch hatte. „Hintergründe“ der September-Korrespondenz sind für die hier anstehende Beurteilung irrelevant, ebenso – im Hinblick auf die hier gebotene Auslegungsmethode (oben Pkt 1) – Feststellungen zum subjektiven Stifterwillen.
[52] 3.1. Wie schon das Erstgericht zutreffend erkannt hat, beging die Beklagte als Stiftungsbegünstigte damit eine gerichtlich strafbare Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist, nämlich die versuchte Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB, und zwar zum Nachteil ihres Bruders A*, einem der sechs Stifter.
[53] Dieser Umstand macht die Beklagte erbunwürdig im Sinne des § 568 ABGB in der hier relevanten Fassung, zumal eine Verzeihung des Opfers nach den Feststellungen nicht vorliegt.
[54] 3.2. Damit haben nach § 2 Abs 6 der Stiftungszusatzurkunde Zuwendungen der Stiftung an die Beklagte als Begünstigte zu „unterbleiben“.
[55] 3.3. Diese Rechtsfolge ist bei der hier gebotenen systematisch-objektiven Auslegung der Stiftungsurkunden (oben Pkt 1) dahin zu verstehen, dass die Beklagte die Rechte aus ihrer Stellung als Begünstigte verloren hat. Dies erhellt aus der weiteren Anordnung des § 2 Abs 6 der Stiftungszusatzurkunde, wonach die Zuwendungsanteile jener Person, die einen (wörtlich) „Ausschlussgrund“ gesetzt hat, auf ihre in die Begünstigtenstellung nachfolgenden Personen im Sinne des § 1 der Stiftungs-(gemeint offensichtlich: zusatz-)urkunde (primär also auf die Nachkommen der einzelnen Geschwister in ihren „Stämmen“) „übergehen“. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass der Beklagten Nebenrechte einer Begünstigten, wie etwa Auskunfts- und Einsichtsrechte, weiterhin zustünden, obwohl die Hauptrechte auf Zuwendungen auf Andere übergegangen wären.
[56] 3.4. Von einer mangelnden Bestimmtheit des Klagebegehrens und des Urteilsspruchs kann damit keine Rede sein: Die Beklagte hat zufolge Verwirklichung eines der „Ausschlussgründe“ keine Rechte als Begünstigte gegenüber der Stiftung mehr, was durch den erstgerichtlichen Spruch hinreichend deutlich gefasst wird.
[57] 4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.
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