OGH 8Ob48/23a

OGH8Ob48/23a3.8.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart in der Rechtssache der klagenden Partei X* Handelsges.m.b.H., *, vertreten durch die Grama Schwaighofer Vondrak Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei S* AG *, vertreten durch die Zumtobel Kronberger Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Feststellung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 22. März 2023, GZ 22 R 287/22t‑10, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Salzburg vom 17. Oktober 2022, GZ 12 C 515/22v‑6, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0080OB00048.23A.0803.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig der beklagten Partei die mit 2.639,40 EUR (darin 439,90 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte betreibt eine Standseilbahn auf den Salzburger Festungsberg und hat den Verkaufsraum in der Talstation zum Betrieb einer Ausstellung und eines Souvenirshops an die Klägerin vermietet. Die Klägerin verpflichtete sich gegenüber der Beklagten zusätzlich zur Miete auch die Personalkosten eines Wagenführers zu übernehmen und die Toiletten im Bestandobjekt während der Betriebszeiten der Seilbahn für jedermann zugänglich zu halten. Darüber hinaus wurde vereinbart, dass die Beklagte mit den Fahrkarten auch Eintrittskarten für die Ausstellung der Beklagten und Gutscheine für den Souvenirshop anbietet und dafür 20 % dieser Einnahmen erhält. Der Mietvertrag wurde am 23. 3. 2001 für die Dauer von zehn Jahren abgeschlossen und später bis 1. 7. 2022 verlängert.

[2] Die Vorinstanzen haben die auf Feststellung, dass das Mietverhältnis dem Mietrechtsgesetz unterliege und daher über den 31. 7. 2022 hinaus aufrecht sei, gerichtete Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und ließ die ordentliche Revision zur Frage zu, ob auch ein privat zu touristischen Zwecken betriebenes Seilbahnunternehmen vom Anwendungsbereich des MRG ausgenommen ist.

[3] Die dagegen erhobene Revision der Klägerin ist entgegen dem nicht bindenden Zulassungsausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

[4] 1. Nach § 1 Abs 2 Z 1 MRG fallen Mietgegenstände, die im Rahmen des Betriebs eines Verkehrsunternehmens vermietet werden, nicht in den Anwendungsbereich des MRG. Der Oberste Gerichtshof hat bereits darauf hingewiesen, dass bei der Prüfung der Frage, ob die Vermietung im Rahmen des Betriebs eines Verkehrsunternehmens erfolgt, auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Mietvertrags abzustellen ist (RIS‑Justiz RS0069644 [T4]). Die Klägerin kann sich auch nicht erfolgreich darauf berufen, dass die Beklagte den Betrieb der Festungsbahn mittlerweile ihrer Tochtergesellschaft übertragen habe.

[5] 2. Die Klägerin macht geltend, dass die Standseilbahn, die ausschließlich Besucher der Festung Salzburg befördere, bloß touristischen Zwecken diene, sodass eine Ausnahme aus dem Anwendungsbereich des MRG nicht gerechtfertigt sei. Aus den Materialien zur Vorgängerbestimmung im Mietengesetz ergibt sich, dass der Gesetzgeber die Verfügungsfreiheit der Bahnverwaltungen über Eisenbahngrundstücke nicht schmälern wollte, um das öffentliche Interesse an einem geregelten Bahnbetrieb zu schützen (ErläutRV 723 BlgNR 1. GP  23). Auch nach der Rechtsprechung des VfGH liegt die Rechtfertigung der Ausnahmebestimmung gerade im öffentlichen Interesse an einem geregelten Bahnbetrieb (VfGH B 50/67 VfSlg 5499; B 189/79 VfSlg 8810; B 163/80 VfSlg 9315). Da die Standseilbahn der Beklagten von der Allgemeinheit benutzt werden kann, um auf den Salzburger Festungsberg zu gelangen, liegt die Aufrechterhaltung des Betriebs auch im öffentlichen Interesse, ohne dass es darauf ankäme, ob diese Seilbahn überwiegend von Einheimischen oder überwiegend von Touristen benutzt wird.

[6] 3. Der Oberste Gerichtshof hat zu 3 Ob 16/17z ausdrücklich offengelassen, ob ein privat zu touristischen Zwecken betriebenes Seilbahnunternehmen zu den nach § 1 Abs 2 Z 1 MRG privilegierten Verkehrsbetrieben zählt, weil dieser Frage damals keine entscheidungswesentliche Bedeutung zukam. Der Wortlaut des § 1 Abs 2 Z 1 MRG unterscheidet nicht zwischen öffentlichen und privaten Verkehrsunternehmen oder danach, von wem oder zu welchem Zweck die angebotenen Beförderungsleistungen in Anspruch genommen werden, sodass die Beklagte als Betreiberin der Standseilbahn dennoch als Verkehrsunternehmen iSd § 1 Abs 2 Z 1 MRG zu qualifizieren ist. Trotz Fehlens einer ausdrücklichen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer konkreten Fallgestaltung liegt keine erhebliche Rechtsfrage vor, wenn das Gesetz selbst eine klare, das heißt eindeutige Regelung trifft (RS0042656).

[7] 4. Die Ausnahme vom Mietrechtsgesetz kommt nur dann zum Tragen, wenn die Vermietung vom Betriebsgegenstand des Verkehrsunternehmens umfasst war (RS0069632; RS0069644). Dies ist dann der Fall, wenn die Tätigkeit des Mieters den Betriebszweck des Verkehrsunternehmens unterstützen soll, dieses also mit dem Abschluss des Bestandvertrags eine Förderung seiner eigenen Interessen beabsichtigt (RS0069644 [T2]). Die bisherige Rechtsprechung hat bei der Vermietung eines Viaduktbogens (Stadtbahnbogens) unterhalb der Eisenbahntrasse an eine Autospenglerei (1 Ob 698/84 MietSlg XXXVI/49 = NZ 1986, 83) oder einen Kosmetikgroßhandel (4 Ob 517/92) sowie bei der Vermietung eines Geschäftsraums am Bahnhofsgelände an einen Fahrradverleih (1 Ob 294/03x) einen Zusammenhang mit dem Betrieb des Verkehrsunternehmens verneint.

[8] 5. Demgegenüber ordnet die Rechtsprechung die Vermietung eines Lagerplatzes auf einem Bahnhofsgelände mit eigenem Zubringergleis dem Betrieb des Eisenbahnunternehmens zu (RS0109216). Auch die Vermietung eines Geschäftslokals in einem Flughafengebäude zur Eröffnung eines Restaurants wurde dem Betrieb des Flughafens zugeordnet (6 Ob 182/04i = RS0119559). Schließlich wurde auch bei der Vermietung eines im Bereich des Bahnhofs gelegenen Imbissstands ein Zusammenhang mit der typischen Infrastruktur des Verkehrsbetriebs bejaht, weil das Anbieten von Reiseproviant den Bedürfnissen der Fahrgäste diente (7 Ob 303/03i = RS0118652).

[9] 6. Gerade weil die Standseilbahn auf den Festungsberg nach dem Vorbringen der Klägerin vor allem von Touristen verwendet wird, erhöht die Möglichkeit des Besuchs der Ausstellung der Klägerin und des Souvenirshops in der Talstationdie Attraktivität des Beförderungsangebots der Beklagten. Auch die Verfügbarkeit von öffentlichen Toiletten dient den Bedürfnissen der Fahrgäste der Beklagten. Die enge Verbindung zum Betrieb der Standseilbahn zeigt sich nicht zuletzt darin, dass sich die Klägerin zur Übernahme der Personalkosten eines Wagenführers und die Beklagte zum Verkauf von Eintrittskarten für die Ausstellung der Klägerin und Gutscheinen für den Souvenirshop verpflichtet hat. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, wonach die Vermietung der Räume in der Talstation im Rahmen des Betriebs der Standseilbahn erfolgte, ist damit von der bisherigen Rechtsprechung gedeckt. Angesichts der Einzelfallbezogenheit der Entscheidung war die Revision mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.

[10] 7. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

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