OGH 17Ob5/23v

OGH17Ob5/23v11.7.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Präsidentin Hon.‑Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende, die Hofrätinnen Mag. Malesich und Dr. Kodek sowie die Hofräte Dr. Stefula und MMag. Sloboda als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. A*, als Insolvenzverwalterin im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Ing. R*, vertreten durch Dr. Stephan Riel ua, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei C*, vertreten durch Mag. Dr. Martina Haag, Rechtsanwältin in St. Pölten, diese vertreten durch Urbanek Lind Schmied Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen Anfechtung (Streitwert 43.930,05 EUR), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 21. Dezember 2022, GZ 13 R 203/22a‑98, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts St. Pölten vom 21. November 2021, GZ 3 Cg 77/16s‑74, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0170OB00005.23V.0711.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Anfechtungsrecht

Entscheidungsart: Ordentliche Erledigung (Sachentscheidung)

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin ist Masseverwalterin im Schuldenregulierungsverfahren über das Vermögen des Ing. R* (in weiterer Folge: Schuldner), dessen Eröffnung am 14. 7. 2017 in der Insolvenzdatei bekannt gemacht wurde.

[2] Die Republik Österreich (in der Folge: Republik) als Einzelgläubigerin erhob am 30. 11. 2016 eine auf die Tatbestände der § 2 sowie § 3 Z 1 AnfO gestützte Anfechtungsklage. Der Schuldner habe von seiner Mutter im Jahr 2015 eine unbelastete Liegenschaft geerbt, die er der Beklagten, seiner Lebensgefährtin, mit am 21. 10. 2015 notariell unterfertigtem Vertrag geschenkt habe. Gegen den Schuldner liege ein vollstreckbarer Rückstandsausweis über 43.930,05 EUR vom 27. 10. 2016 vor. Angefochten werde die Schenkung der Liegenschaft, die Herstellung einer einverleibungsfähigen Urkunde sowie deren grundbücherliche Durchführung. Der Schuldner habe bei der Schenkung in der Beklagten bekannter oder ihr zumindest fahrlässig unbekannter Benachteiligungsabsicht gehandelt. Die Schenkung sei wegen Verstoßes gegen § 156 StGB absolut nichtig.

[3] Die Republik begehrte, die Beklagte zur Duldung der Zwangsvollstreckung in die ihr geschenkte Liegenschaft zur Hereinbringung der Abgabenforderung von 43.930,05 EUR zu verpflichten, wobei sich die Beklagte von dieser Verpflichtung durch Zahlung von 43.930,05 EUR sowie der Kosten befreien könne.

[4] Mit Beschluss vom 21. 8. 2017 sprach das Erstgericht aus, dass das Verfahren seit 15. 7. 2017 gemäß § 159 ZPO iVm § 37 Abs 3 IO unterbrochen sei und setzte der Masseverwalterin zur Abgabe einer Erklärung nach § 37 Abs 3 IO eine Frist bis 1. 10. 2017. Nach mehrfach beantragten und bewilligten Fristverlängerungen erklärte die Masseverwalterin am 10. 1. 2019 den Eintritt in das Verfahren an Stelle der bisherigen Klägerin. Das Erstgericht fasste am 2. 3. 2020 den in Rechtskraft erwachsenen Beschluss auf Fortsetzung des Verfahrens und stellte die Parteienbezeichnung der Klägerin auf die Masseverwalterin, die „zugleich anstelle der klagenden Partei in diesen Rechtsstreit eintritt“, richtig.

[5] In der mündlichen Streitverhandlung vom 9. 12. 2020 änderte die Klägerin das Klagebegehren und begehrte nunmehr, dass der näher bezeichnete Schenkungsvertrag sowie die anschließende Grundbuchseintragung den Gläubigern gegenüber rechtsunwirksam seien.

[6] Die Beklagte bestritt das Vorliegen von Benachteiligungsabsicht und eine Lebensgemeinschaft mit dem Beklagten. Die Anfechtung sei verfristet, weil der Schenkungsvertrag bereits am 10. 8. 2012 unterfertigt worden sei. Selbst wenn man auf den Zeitpunkt der beglaubigten Fertigung des Schenkungsvertrags am 21. 10. 2015 abstellen wollte, wäre zum Zeitpunkt der Eintrittserklärung der Klägerin vom 10. 1. 2019 sowohl die zweijährige Frist nach § 3 AnfO als auch die einjährige Frist des § 43 Abs 2 IO, die für die Eintrittserklärung analog gelte, abgelaufen gewesen. Die Ansprüche seien mangels gehöriger Fortsetzung des Verfahrens durch die Klägerin zwischen Oktober 2017 und Jänner 2019 verfristet.

[7] Die Klägerin replizierte, dass die Klage nach der AnfO jedenfalls fristgerecht erhoben worden sei und es für die Eintrittserklärung nach § 37 IO keine gesetzliche Frist gebe.

[8] Das Erstgericht gab dem geänderten Klagebegehren statt. Es ging dabei von folgendem Sachverhalt aus:

[9] Dem Schuldner wurde die Verlassenschaft nach seiner Mutter, in die eine Liegenschaft fiel, mit Beschluss vom 16. 6. 2015 zur Gänze eingeantwortet. Der Schuldner schuldet der Republik aufgrund eines vollstreckbaren Rückstandsausweises vom 27. 10. 2016 Abgaben in Höhe von 43.930,05 EUR. Der Schuldner und die Beklagte, seine Lebensgefährtin, ließen ihre Unterschriften auf einem Schenkungsvertrag über die Liegenschaft am 21. 10. 2015 von einem Notar beglaubigen; nicht feststellbar war, ob der Schenkungsvertrag bereits zu einem früheren Zeitpunkt unterschrieben worden war. In der Folge wurde die Beklagte als Eigentümerin der Liegenschaft einverleibt. Der Schuldner nahm die Schenkung in der der Beklagten bekannten Absicht vor, seine Gläubiger durch Schmälerung des Haftungsfonds zu benachteiligen.

[10] Das Erstgericht erwog rechtlich, dass die Herstellung einer verbücherungsfähigen Urkunde eine nach § 2 Z 3 AnfO anfechtbare Rechtshandlung darstelle.

[11] Das Berufungsgericht wies über Berufung der Beklagten das Klagebegehren ab. Nach dem von der Republik gestellten Klagebegehren hätte die Beklagte das Eigentum an der Liegenschaft behalten und sich durch Zahlung der titulierten Forderung von ihrer Verpflichtung zur Duldung der Exekution befreien können. Die Masseverwalterin habe das Klagebegehren in ein solches auf Unwirksamerklärung des Schenkungsvertrags geändert, ohne der Beklagten eine Lösungsbefugnis zuzugestehen. Sie mache damit im Vergleich zum ursprünglichen Begehren ein Aliud geltend, das die Republik gar nicht hätte stellen können. Die Änderung des Klagebegehrens sei außerhalb der einjährigen Frist des § 43 Abs 2 IO erfolgt, sodass das Klagebegehren abzuweisen sei.

[12] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag auf Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts; hilfsweise solle dem Klagebegehren in der von der Republik erhobenen Form stattgegeben werden. Wiederum hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[13] Die Beklagte beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[14] Die außerordentliche Revision ist wegen fehlender Rechtsprechung zum Zusammenspiel zwischen § 37 IO und § 43 IO zulässig und im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.

[15] Die Klägerin argumentiert, dass sie innerhalb der vom Erstgericht gesetzten und erstreckten Frist ihren Eintritt in das anhängige Anfechtungsverfahren nach § 37 IO erklärt habe. Es liege gar kein Fall des § 43 Abs 2 IO vor. Während des gesamten Verfahrens habe sich an der angefochtenen Rechtshandlung nichts geändert. Die vorgenommene Modifikation des Klagebegehrens auf ein Rechtsgestaltungsbegehren sei für die Fristwahrung damit nicht entscheidend. Es handle sich auch nicht um eine Klageänderung, weil sich das ursprüngliche und das geänderte Klagebegehren nur im betraglichen Ausmaß unterscheiden würden. Eine Verfristung nach § 43 Abs 2 IO könne jedenfalls nur das über das Begehren nach der AnfO hinausgehende Plus betreffen, sodass das Berufungsgericht jedenfalls dem ursprünglichen Klagebegehren stattgeben hätte müssen. Die Beklagte habe auf die Verfristungseinrede verzichtet. Schließlich werde die Klage auch auf einen Verstoß gegen § 156 StGB gestützt, wofür die Frist des § 43 Abs 2 IO jedenfalls nicht gelte.

Dazu hat der Fachsenat erwogen:

[16] 1. Nach § 2 Z 1 (der auf den vorliegenden Fall gemäß § 502 Abs 8 EO noch anzuwendenden) AnfO sind alle Rechtshandlungen anfechtbar, die der Schuldner in der dem anderen Teil bekannten Absicht, seine Gläubiger zu benachteiligen, in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung vorgenommen hat. Die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Anfechtung des zwischen dem Schuldner und der Beklagten geschlossenen Schenkungsvertrags über die Liegenschaft sind nach den Feststellungen erfüllt.

[17] Beim zeitlichen Element der Anfechtungstatbestände der AnfO handelt es sich um Klagefristen, die in Analogie zu den §§ 1494 ff ABGB der Hemmung bzw der Unterbrechung wie bei der Verjährung unterliegen (RS0050744). Nähere Ausführungen zur von der Beklagten in den Raum gestellten nicht gehörigen Fortsetzung des Verfahrens iSd § 1497 ABGB erübrigen sich aber, weil die 10-jährige Frist des § 2 Z 1 AnfO ausgehend von den Feststellungen nicht vor dem Jahr 2025 ablaufen kann, hat doch der Schuldner das außerbücherliche Eigentum an der von ihm verschenkten Liegenschaft erst im Jahr 2015 durch die Einantwortung erworben (vgl RS0011263).

[18] 2. Das Verhältnis zwischen einem vor Insolvenzeröffnung eingeleiteten Einzelanfechtungsverfahren und dem Anfechtungsmonopol des Insolvenzverwalters in der Insolvenz – unbeschadet der Abtretbarkeit der Anfechtungsansprüche durch den Insolvenzverwalter (17 Ob 6/19k) – regelt die Bestimmung des § 37 IO. Diese lautet:

„(1) Das Anfechtungsrecht wird vom Insolvenzverwalter ausgeübt.

(2) Anfechtungsansprüche, die von Insolvenzgläubigern außerhalb des Insolvenzverfahrens erhoben worden sind, sowie Exekutionen auf Grund von Titeln, die von Insolvenzgläubigern für ihre Anfechtungsansprüche erwirkt worden sind, können während des Insolvenzverfahrens nur vom Insolvenzverwalter verfolgt werden. Aus dem, was infolge solcher Ansprüche in die Insolvenzmasse gelangt, sind dem Gläubiger die Prozesskosten vorweg zu ersetzen.

(3) Sind über Anfechtungsklagen von Gläubigern Rechtsstreitigkeiten noch anhängig, so werden sie durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Der Insolvenzverwalter kann an Stelle des Gläubigers in den Rechtsstreit eintreten oder den Eintritt ablehnen. Auf die Ablehnung findet die Bestimmung des § 8 Absatz 2 Anwendung.

(4) Lehnt der Insolvenzverwalter den Eintritt in den Rechtsstreit ab, so kann das Verfahren von den Parteien nur in Ansehung der Prozesskosten aufgenommen und fortgesetzt werden. Durch die Ablehnung wird das Recht des Insolvenzverwalters, nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes anzufechten, nicht ausgeschlossen.

(5) Die Bestimmungen der Absätze 1 bis 4 gelten nicht für Anfechtungsansprüche, die Absonderungsgläubigern nach der Anfechtungsordnung zur Wahrung ihres Rechtes auf abgesonderte Befriedigung und zur Bestreitung des Anspruches eines anderen Absonderungsgläubigers auf dieselbe Sache zustehen.“

 

[19] 2.1. Aus dieser Bestimmung folgt, dass während der Dauer des Insolvenzverfahrens die Verfolgung von Anfechtungsansprüchen durch Einzelgläubiger ausgeschlossen ist und dem Insolvenzverwalter in diesem Zeitraum das ausschließliche Anfechtungsmonopol zukommt, der es für die Insolvenzmasse ausübt (Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 37 IO Rz 1 ff [Stand 31. 7. 2021]; vgl RS0112593). Diese Grundsätze gelten auch im – hier vorliegenden – Schuldenregulierungsverfahren ohne Eigenverwaltung (4 Ob 99/97f = RS0107601; Blatt in KLS² § 189 Rz 1).

[20] 2.2. Gerichtsanhängige Verfahren über Einzelanfechtungsansprüche werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ex lege unterbrochen. Lehnt der Insolvenzverwalter den Eintritt in das Verfahren ab, bleibt der Anfechtungsanspruch des Einzelgläubigers für die Dauer des Insolvenzverfahrens – mit Ausnahme der Frage der Prozesskosten (§ 37 Abs 4 IO) – blockiert (Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 37 IO Rz 20).

[21] 2.3. Wenn der Insolvenzverwalter hingegen – wie im vorliegenden Fall – in den Prozess eintritt, hat er nach herrschender Lehre das Verfahren in der im Unterbrechungszeitpunkt bestehenden Prozesslage zu übernehmen. Da die Verfahrensgrundlage unberührt bleibt, macht der Insolvenzverwalter weiterhin den Einzelanfechtungsanspruch geltend. Die Erhaltung des Charakters als Einzelanfechtungsanspruch bewirkt weiterhin die umfangmäßige Beschränkung des Begehrens (§ 13 Abs 1 AnfO: „soweit […], als es zu seiner Befriedigung erforderlich ist“) und die Anwendung (unter anderem) des § 17 AnfO, wonach sich der Anfechtungsgegner durch Befriedigung der dem anfechtenden Gläubiger gegen den Schuldner zustehenden Forderung vom Anfechtungsanspruch befreien kann (König/Trenker, Anfechtung6 Rz 20.6. mwN).

[22] 3. Nach § 43 Abs 2 IO muss die Anfechtung durch Klage bei sonstigem Erlöschen des Anspruchs binnen Jahresfrist nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geltend gemacht werden. Die Frist des § 43 Abs 2 IO ist eine materiell-rechtliche Ausschlussfrist, deren Ablauf von Amts wegen zu beachten ist (RS0064658; vgl RS0064691). Eine Erweiterung der Klage oder Änderung des Klagegrundes muss innerhalb der Frist des § 43 Abs 2 IO geschehen (RS0039985), lediglich eine bloße Behebung der Unschlüssigkeit der Klage, durch die kein neuer rechtserzeugender Tatbestand geltend gemacht wird, kann außerhalb dieser Frist erfolgen (RS0064665).

[23] 3.1. § 43 Abs 2 IO befristet allerdings nur die Anfechtung des Insolvenzverwalters nach den Bestimmungen der IO. Da der Insolvenzverwalter mit seinem Eintritt in einen anhängigen (und durch die Insolvenzeröffnung unterbrochenen) Einzelanfechtungsprozess jedoch nicht nach den Bestimmungen der IO anficht, kann dieser Eintritt nach zutreffender Ansicht auch noch nach Ablauf der Einjahresfrist des § 43 Abs 2 IO erfolgen (König/Trenker, Anfechtung6 Rz 17.90).

3.2. Als Zwischenergebnis folgt:

[24] Der Eintritt des Insolvenzverwalters in den vor Insolvenzeröffnung anhängig gemachten Einzelanfechtungsprozess nach § 37 IO kann auch noch nach Ablauf der Einjahresfrist des § 43 Abs 2 IO erfolgen.

[25] 4. Die von der Klägerin am 9. 12. 2020 vorgenommene Klageänderung ist mangels Widerspruchs der anwaltlich vertretenen Beklagten ipso facto wirksam geworden (RS0039376; Klicka in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ III/1 § 235 ZPO Rz 37).

[26] 4.1. Das Berufungsgericht hat das geänderte und das ursprüngliche Klagebegehren zutreffend als verschiedenartig qualifiziert:

[27] 4.2. Die Änderung des auf Duldung gerichteten negativen Leistungsbegehrens (7 Ob 618/87) in ein auf Unwirksamerklärung der angefochtenen Rechtshandlung gerichtetes Rechtsgestaltungsbegehren bewirkte im Ergebnis – wie auch die Klägerin in der Revision erkennt – eine betragsmäßige Erweiterung des von der Republik als Einzelgläubigerin geltend gemachten Anfechtungsanspruchs. Die Republik hätte eine solche Unwirksamerklärung nach der AnfO nicht begehren können (RS0050318) und mit ihrem ursprünglichen Leistungsbegehren nur mittelbar (durch Exekutionsführung) in das Eigentumsrecht der Beklagten an der anfechtbar übertragenen Liegenschaft eingegriffen. Hingegen zielt die Klägerin mit dem geänderten Klagebegehren im Ergebnis auf eine Rückgewähr der geschenkten Liegenschaft zur Masse ab (vgl 6 Ob 217/97y), was ausgehend von ihrem eigenen Vorbringen zum die Höhe des Einzelanfechtungsanspruchs übersteigenden Wert der Liegenschaft zu einer Ausweitung der Haftung der Beklagten ohne Möglichkeit zur Abwendung des Anfechtungsbegehrens durch Zahlung der zustehenden Forderung (§ 17 AnfO) führen würde. Das geänderte Begehren ist damit – wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat – als Aliud und nicht als bloßes Plus im Verhältnis zum ursprünglichen Klagebegehren anzusehen (vgl 3 Ob 584/84).

[28] 4.3. Die der Klägerin in der Revision offenkundig vorschwebende Stattgebung des ursprünglichen, wegen der erfolgten Klageänderung aber nicht mehr gegenständlichen Klagebegehrens kommt damit insgesamt nicht in Betracht.

[29] 5. Zu untersuchen ist im nächsten Schritt, ob das von der Klägerin am 9. 12. 2020 geänderte Klagebegehren dem von ihr verfolgten Rechtsschutzziel entspricht.

[30] 5.1. Im Fall einer Einzelanfechtungsklage bei anfechtbarer Schenkung einer Liegenschaft kann der Gläubiger verlangen, dass der Anfechtungsgegner ihm zur Hereinbringung seiner Geldforderung die Exekution auf die Sache gestattet, als ob die Sache vom Schuldner nicht verschenkt worden wäre. In diesem Fall hat die Anfechtungsklage den Gegenstand, in den die Forderung vollstreckt werden soll, anzugeben und das Begehren zu enthalten, dass der Anfechtungsgegner die Zwangsvollstreckung zur Befriedigung der gegnerischen Forderung in diesen Gegenstand zu dulden hat. Zulässig und üblich ist aber auch ein auf Zahlung bei sonstiger Exekution in die Liegenschaft lautendes Klagebegehren (3 Ob 87/09d mwN; 17 Ob 7/22m; RS0050305 [insb auch T3]; RS0050359). Ein Rechtsgestaltungsbegehren auf Unwirksamerklärung der angefochtenen Rechtshandlung ist in der Einzelanfechtung hingegen verfehlt (RS0050318; vgl RS0050448).

[31] § 17 AnfO gewährt dem Anfechtungsgegner ein vom Einverständnis des Schuldners unabhängiges Einlösungsrecht, das das Interesse an der Aufrechterhaltung der angefochtenen Rechtshandlung (insbesondere eines angefochtenen Rechtsgeschäfts) dadurch sichert, dass sich der Anfechtungsgegner vom Anfechtungsanspruch durch Bezahlung der dem anfechtenden Gläubiger gegen den Schuldner zustehenden Forderung befreien kann (4 Ob 627/88 = RS0032315).

[32] 5.2. Demgegenüber kann das Begehren einer Anfechtungsklage nach der IO, muss nach der jüngeren Rechtsprechung aber im Fall der Möglichkeit einer Leistungsklage nicht zwingend ein auf Unwirksamerklärung der anfechtbaren Rechtshandlung gerichtetes Rechtsgestaltungsbegehren enthalten (RS0064373; Bollenberger/Spitzer in KLS² § 43 Rz 2; Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 43 IO Rz 3 [Stand 31. 7. 2021]).

[33] 5.3. Einigkeit besteht in Lehre und Judikatur (1 Ob 653/82 SZ 55/97; RS0064536) darüber, dass die Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der damit zu beachtende Grundsatz der Gleichbehandlung der Gläubiger bei Fassung des Klagebegehrens nach Eintritt des Insolvenzverwalters Berücksichtigung zu finden hat. Detaillierte Ausführungen zur Frage, wie genau diese Berücksichtigung zu erfolgen hat, finden sich in der Literatur aber – soweit ersichtlich – kaum:

[34] 5.3.1. König/Trenker (Anfechtung6 Rz 20.6.) führen aus, dass der als Einziehungsberechtigter anzusehende Insolvenzverwalter das im Einzelanfechtungsprozess allein zulässige Leistungsbegehren „zu Gunsten der Masse“ richtig zu stellen hat (ähnlich auch 1 Ob 653/82 SZ 55/97, wobei ein reines Zahlungsbegehren nach § 171 HGB zu beurteilen war).

[35] 5.3.2. Rebernig (in Konecny, Insolvenzgesetze § 37 IO Rz 18) verweist darauf, dass nach „einhelliger Ansicht“ der Verwalter den Einzelanfechtungsanspruch mit „neuem Inhalt“ geltend machen könne und daher das Klagebegehren nicht mehr auf Leistung lauten müsse, sondern auf Rückgewähr richtig zu stellen sei. Er erachtet diese Ansicht als dogmatisch zweifelhaft, billigt sie im Ergebnis aber im Hinblick auf das umfassende Anfechtungsmonopol.

[36] 5.3.3. Bollenberger/Spitzer (in KLS² § 37 Rz 11) lehren, dass der Insolvenzverwalter das Klagebegehren – ohne an die Schranken des § 235 ZPO gebunden zu sein – insoweit ändern könne, als es der Unterschied der Insolvenz- zur Einzelanfechtung bedinge. Er könne also Leistung zur Masse statt Leistung an den Gläubiger begehren (ebenso bereits Koziol/Bollenberger in Buchegger/Bartsch/Pollak, Österreichisches Insolvenzrecht I4 [2000] § 37 KO Rz 18; Bartsch/Pollak, KO I³ [1937] 235; ganz ähnlich Fink in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ II/3 § 159 ZPO Rz 128).

[37] 5.3.4. Ehrenzweig (AnfO [1916] 351) führt aus, dass die Insolvenzeröffnung zur Folge habe, dass die begehrte Leistung nur noch zur Insolvenzmasse erfolgen könne.

[38] 5.3.5. Petschek/Reimer/Schiemer (Das österreichische Insolvenzrecht [1973] 424 ff) betonen, dass der Verwalter bei Eintritt in das Verfahren den durch §§ 13 f AnfO abgesteckten Inhalt des Einzelanfechtungsanspruchs so zu begehren habe, dass der Anfechtungserfolg nicht dem Einzelgläubiger, sondern der Insolvenzmasse zugehe. Mit der Eintrittserklärung sei die Änderung des Klagebegehrens auf Leistung der Anfechtungs- und der Prozesskostenschuld an die Masse zu verbinden.

[39] 5.3.6. Der Senat schließt sich der überwiegenden Ansicht in der Literatur an, dass im nach Insolvenzeröffnung aufgrund Eintritts des Insolvenzverwalters fortgesetzten Einzelanfechtungsprozess ein auf Leistung an die Masse zu lautendes Begehren zu erheben ist. Die Stellung eines auf Unwirksamerklärung einer Rechtshandlung gerichteten Rechtsgestaltungsbegehrens kommt hingegen jedenfalls im Umfang des Einzelanfechtungsanspruchs nicht in Betracht, behält doch der Prozess nach dem Eintritt des Insolvenzverwalters seinen Charakter als Einzelanfechtungsprozess bei.

[40] 5.4. Die Klägerin hat den Eintritt in den Rechtsstreit „anstelle der bisherigen Klägerin“ erklärt, ungeachtet der sich daraus ergebenden grundsätzlichen Beschränkungen (siehe oben Punkt 2.3.) aber das Klagebegehren in ein nicht zu einem Einzelanfechtungsanspruch, wohl aber zu einem auf das allgemeine Anfechtungsrecht nach der IO gestützten Anspruch passendes Rechtsgestaltungsbegehren geändert. Dieses Klagebegehren ist zur Erreichung des von der Klägerin erkennbar verfolgten Rechtsschutzziels der Einziehung des Einzelanfechtungsanspruchs zu Gunsten der Masse (siehe oben Punkt 5.3.1.) nicht geeignet, worauf weder die Beklagte noch die Vorinstanzen hinreichend deutlich hingewiesen haben. Zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung (RS0037300) wird die dargestellte Rechtslage mit der Klägerin zu erörtern und ihr Gelegenheit zur Anpassung ihres Klagebegehrens an das erkennbar verfolgte Rechtsschutzziel zu geben sein.

[41] 6. In weiterer Folge ist zu prüfen, ob der Insolvenzverwalter über den von ihm weiter verfolgten Einzelanfechtungsanspruch hinaus im fortgesetzten Verfahren einen betragsmäßig darüber hinausgehenden Insolvenzanfechtungsanspruch iSd §§ 28 ff IO geltend machen kann. Diese Frage wird in der Literatur unterschiedlich beantwortet:

[42] 6.1.1. König/Trenker (Anfechtung6 Rz 20.6.) argumentieren, dass die Erhaltung des Charakters als Einzelanfechtungsstreit nicht dagegen spricht, dass der Insolvenzverwalter im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens zusätzlich den betragsmäßig darüber hinausgehenden Anfechtungsanspruch geltend machen kann, wofür er allerdings die kritischen Fristen der §§ 28 ff IO sowie die Frist des § 43 IO einhalten müsse.

[43] 6.1.2. Petschek/Reimer/Schiemer (Das österreichische Insolvenzrecht 424 ff) argumentieren, dass das Recht des Insolvenzverwalters auf Eintritt in den ex lege unterbrochenen Einzelanfechtungsprozess und dessen Recht zur Ausübung des Anfechtungsrechts nach der IO auseinander zu halten seien. Zwar könnten beide Befugnisse unter Umständen zum gleichen Endziel vordringen, sie dürften aber nicht konkurrierend geltend gemacht werden. Durch die Eintrittserklärung gehe „in ihrem Ausmaß“ das eigene Anfechtungsrecht der Insolvenzmasse unter. Soweit sich der Insolvenzverwalter für die Ausübung des Einzelanfechtungsrechts entscheide, dürfe er das Anfechtungsrecht nach der IO „nur im überragenden Ausmaß“ geltend machen.

[44] 6.1.3. Bollenberger/Spitzer (in KLS² § 37 Rz 11) lehren, dass eine Erweiterung des Klagebegehrens dem Inhalt nach nur insoweit zulässig sei, als es der Gläubiger hätte tun dürfen, weil der Anspruch weiterhin auf das zur Befriedigung des Gläubigers Erforderliche beschränkt bleibe (ebenso bereits Koziol/Bollenberger in Buchegger/Bartsch/Pollak, Österreichisches Insolvenzrecht I4 [2000] § 37 KO Rz 18; Bartsch/Pollak, KO I³ [1937] 235 insb auch FN 26).

[45] 6.1.4. Riel (Die Befugnisse des Masseverwalters im Zivilverfahrensrecht [1995] 123 f) scheint davon auszugehen, dass der Insolvenzverwalter das in § 37 Abs 4 IO erwähnte Recht zur Anfechtung nach den Bestimmung der IO nur im Rahmen einer Neuklage, nicht aber bei Eintritt in den ex lege unterbrochenen Einzelanfechtungsprozess in diesem geltend machen könne.

[46] 6.1.5. Nach den bei Ehrenzweig (AnfO 353) abgedruckten Gesetzesmaterialien zur AnfO wird der Insolvenzverwalter sein Wahlrecht im Sinn einer Ablehnung des Eintritts in den unterbrochenen Einzelanfechtungsprozess unter anderem dann ausüben, wenn er mittels selbständiger Anfechtungsklage nach der IO ein „weitergehendes Anfechtungsbegehren“ stellen könne als dies der Einzelgläubiger tun hätte können. Ehrenzweig (355) zieht daraus den Schluss, dass der Insolvenzverwalter bei Eintritt in den unterbrochenen Einzelanfechtungsprozess die Anfechtbarkeit nur in dem Umfang erwirken könne, in dem sie vom Einzelgläubiger begehrt worden sei. Eine darüber hinausgehende Erweiterung des Klagebegehrens sei durch das Gesetz „nirgends gestattet“. Die Erweiterung oder eine sonstige Änderung des Klagebegehrens im durch Eintritt des Insolvenzverwalters fortgesetzten Einzelanfechtungsprozess sei damit nur insoweit zulässig als dazu auch der Einzelgläubiger befugt gewesen wäre.

[47] 6.2. Diese strittige Frage muss hier aus folgenden Erwägungen nicht abschließend geklärt werden:

[48] 6.3. Folgt man jenem Teil der Literatur, der eine solche Ausweitung des Klagebegehrens im Rahmen des fortgesetzten Einzelanfechtungsprozesses als unzulässig ablehnt, müsste dies jedenfalls zur Abweisung des über den Einzelanfechtungsanspruch hinausgehenden Klagebegehrens führen.

[49] 6.4. Folgt man hingegen jenen Meinungen, die eine Ausweitung des Klagebegehrens im Rahmen des fortgesetzten Einzelanfechtungsprozesses als grundsätzlich zulässig erachten, hätte die Klägerin die über die Grenzen des Einzelanfechtungsanspruchs hinausgehende Ausweitung ihres Klagebegehrens jedenfalls innerhalb der Frist des § 43 Abs 2 IO vornehmen müssen (König/Trenker, Anfechtung6 Rz 20.6.). Die ab der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Juli 2017 (vgl dazu im Detail Bollenberger/Spitzer in KLS² § 43 Rz 14) laufende einjährige Frist war im Zeitpunkt der Änderung des Klagebegehrens im Dezember 2020 längst abgelaufen.

[50] Wenn die Klägerin argumentiert, dass die Unklarheit darüber, ob das Insolvenzverfahren in Österreich als bloßes Sekundärinsolvenzverfahren iSd EuInsVO anzusehen sein könnte, zu einer Hemmung der Frist des § 43 Abs 2 IO führt, übersieht sie, dass diese Frage spätestens mit Zustellung der nicht mehr anfechtbaren Entscheidung des Rekursgerichts im Insolvenzverfahren im Oktober 2019 geklärt war und die Klageänderung – selbst unter Berücksichtigung der Fristenhemmung nach §§ 1 f COVID‑19-JuBG (Rebernig in Konecny, Insolvenzgesetze § 43 IO Rz 38 [Stand 31. 7. 2021]) – mehr als ein Jahr nach diesem Zeitpunkt erfolgte.

[51] Das Vorbringen (der Republik) zur Nichtigkeit des angefochtenen Rechtsgeschäfts nach § 156 StGB (betrügerische Krida) erschöpft sich in bloßen Rechtsbehauptungen ohne entsprechendes Tatsachensubstrat, sodass sich nähere Ausführungen dazu erübrigen.

[52] Insgesamt wäre das über die Grenzen des Einzelanfechtungsanspruchs hinausgehende Klagebegehren jedenfalls als gemäß § 43 Abs 2 IO verfristet anzusehen.

[53] 6.5. Die Klägerin kann damit ihr betragsmäßig über den Einzelanfechtungsanspruch der Republik hinausgehendes Begehren nicht mit Erfolg durchsetzen.

7. Ergebnis und Kosten

[54] 7.1. Insgesamt war damit der Revision im Sinn des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags Folge zu geben. Das Erstgericht wird der Klägerin im fortgesetzten Verfahren Gelegenheit zur Anpassung ihres Klagebegehrens an das erkennbare Rechtsschutzziel zu geben haben, das jedenfalls durch Erhebung eines Zahlungsbegehrens bei sonstiger Exekution in die geschenkte Liegenschaft erreicht werden könnte.

[55] 7.2. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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