OGH 7Ob80/23z

OGH7Ob80/23z28.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Weber und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*, vertreten durch Vogl Rechtsanwalt GmbH in Feldkirch, gegen die beklagte Partei T* GmbH, *, vertreten durch CHG Czernich Haidlen Gast & Partner, Rechtsanwälte GmbH in Innsbruck, wegen 50.882,96 EUR sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 3. April 2023, GZ 3 R 122/22y‑75, womit das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 4. Oktober 2022, GZ 40 Cg 2/21m‑64, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0070OB00080.23Z.0628.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen haben die Klage auf Schadenersatz aus dem vom Kläger anlässlich einer Skiabfahrt im von der Beklagten betriebenen Skigebiet erlittenen Sturz abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

[2] In seiner außerordentlichen Revision zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[3] 1. Die in der Revision behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[4] 2.1. Nach ständiger Rechtsprechung ist für die Art und den Umfang der Pistensicherungspflicht das Verhältnis zwischen der Größe und der Wahrscheinlichkeit der atypischen Gefahr sowie ihrer Abwendbarkeit einerseits durch das Gesamtverhalten eines verantwortungsbewussten Benützers der Piste und andererseits durch den Pistenhalter mit nach der Verkehrsauffassung adäquaten Mitteln maßgebend (RS0023237 [T1]). Dabei bedarf es einer ausgewogenen Berücksichtigung der den Pistenbenützern obliegenden Verpflichtung zu einer kontrollierten Fahrweise. Der Skifahrer nimmt Hindernisse und Gefahren, die sich aus dem Wesen der Skiabfahrt ergeben, in Kauf und muss sie selbst bewältigen (vgl RS0023485 [T1]). Die den Pistenhalter treffende Pflicht zur Sicherung der Piste bedeutet nicht die Verpflichtung, den Skifahrer vor jeder möglichen Gefahr zu schützen, die ihm von der Piste her droht, würde doch eine solche Forderung dem Pistenhalter unerträgliche Lasten aufbürden, die in keinem angemessenen Verhältnis zum Schutzeffekt stünden; eine vollkommene Verkehrssicherung ist weder auf Skipisten noch sonst irgendwo zu erreichen (RS0023233).

[5] 2.2. Nach ständiger Rechtsprechung sind nur atypische Gefahren zu sichern; also solche Hindernisse, die der Skifahrer nicht ohne Weiters erkennen kann, und solche, die er trotz Erkennbarkeit nur schwer vermeiden kann. Atypisch ist demnach eine Gefahr, die unter Bedachtnahme auf das Erscheinungsbild und den angekündigten Schwierigkeitsgrad der Piste auch für einen verantwortungsbewussten Skifahrer unerwartet oder schwer abwendbar ist, wobei es dabei maßgeblich auf das Überraschungsmoment ankommt (RS0023417 [T15]).

[6] 2.3. Der konkrete Inhalt einer vertraglichen Schutzpflicht oder einer allgemeinen Verkehrssicherungspflicht hängt von den Umständen des Einzelfalls ab, weil es darauf ankommt, welche Maßnahmen zur Vermeidung einer Gefahr möglich und zumutbar sind. Ob in diesem im Wesentlichen von der konkreten örtlichen Situation abhängigen Rahmen die Pistenhalterin das ihr Zumutbare unterlassen hat, entzieht sich wegen der Einzelfallbezogenheit daher generellen Aussagen (RS0023237 [T3]; allgemein RS0110202).

[7] 3. Das Vorhandensein von Kunstschnee und dessen im Vergleich zu natürlichem Schnee unterschiedliche Beschaffenheit sind keine atypischen Gefahren, vor denen zu sichern ist (vgl etwa auch Reindl/Stabentheiner/Strasser/Wallner, Probleme der Pistenbeschneiung, ZVR 2004, 380; Stabentheiner, Pistensicherung und verwandte Fragenkreise – 35 Jahre Seilbahnsymposium, ZVR 2016, 217 [236]). Dass die Vorinstanzen bei einer 10 cm dicken trockeneren Kunstschneeschicht und einer darunterliegenden wassergesättigteren und damit feuchteren Kunstschneeschicht, die zum Sturz des Klägers führte, nicht von einer atypischen und damit abzusichernden Gefahr ausgegangen sind, stellt daher keine im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung dar.

[8] 4. Auf die in der Revision aufgeworfenen Fragen der einzuhaltenden angemessenen Geschwindigkeit und der Erkennbarkeit der unteren Schneeschicht kommt es daher nicht an.

[9] 5. Dieser Beschluss bedarf keiner weiteren Begründung (§ 510 Abs 3 ZPO).

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