OGH 4Nc11/23i

OGH4Nc11/23i13.6.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka als weitere Richter in der beim Landesgericht Salzburg zu AZ 9 Cg 115/22w anhängigen Rechtssache der klagenden Partei I* GmbH, *, vertreten durch Dr. Katharina Bleckmann, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei Dr. P*, vertreten durch Dr. Martin Neuwirth und Dr. Alexander Neurauter, Rechtsanwälte in Wien, wegen 15.392,52 EUR sA, über den Delegierungsantrag der beklagten Partei gemäß § 31 Abs 2 JN den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040NC00011.23I.0613.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Antrag der beklagten Partei, anstelle des Landesgerichts Salzburg das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache zu bestimmen, wird abgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt das vertraglich vereinbarte Entgelt für einen auf 48 Monate abgeschlossenen Internet‑System-Vertrag (ein beiderseitiges Unternehmergeschäft), den sie wegen Verzugs des Beklagten mit der Zahlung von Monatsrechnungen berechtigt außerordentlich gekündigt habe. Die Zuständigkeit des angerufenen Gerichts sei gemäß § 104 JN vertraglich vereinbart.

[2] Der Beklagte erhob vorerst eine – später zurückgezogene – Unzuständigkeitseinrede und beantragte gleichzeitig – für den Fall, dass das angerufene Gericht wirksam vereinbart worden wäre – die Delegation der Rechtssache an das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien. Sämtliche beteiligten Personen und beide Parteien hätten ihren (Wohn-)Sitz in Wien.

[3] Die Klägerin sprach sich gegen die Delegierung aus.

[4] Das Landesgericht Salzburg verwies darauf, dass die Zweckmäßigkeit einer Delegierung nicht eindeutig zu bejahen sei.

Rechtliche Beurteilung

[5] Der Delegierungsantrag ist nicht berechtigt.

[6] 1.1. Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden. Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen – wie hier – sind dem Obersten Gerichtshof vorbehalten (§ 31 Abs 2 JN).

[7] 1.2. Eine Delegierung ist zweckmäßig, wenn die Zuständigkeitsübertragung an das andere Gericht zu einer wesentlichen Verkürzung des Verfahrens, zur Erleichterung des Gerichtszugangs und der Amtstätigkeit oder zu einer wesentlichen Kostenersparnis beitragen kann (RS0053169; RS0046333).

[8] Dabei ist zu beachten, dass die Delegierung der Ausnahmefall ist und nicht durch eine allzu großzügige Handhabung zu einer faktischen Durchbrechung der gesetzlichen Zuständigkeitsordnung führen darf. Gegen den Willen der anderen Partei darf die Delegierung daher nur ausgesprochen werden, wenn die Frage der Zweckmäßigkeit eindeutig zu Gunsten aller Parteien des Verfahrens gelöst werden kann (RS0046589; RS0046324; RS0046455). Für die Zweckmäßigkeit der Zuweisung einer Rechtssache an ein anderes Gericht sind grundsätzlich der Wohnort der Parteien und der namhaft gemachten Zeugen maßgebend, nicht jedoch Wohn- oder Kanzleisitz von Parteienvertretern (vgl RS0046540 [insb T1, T14]).

[9] Haben die Parteien jedoch eine Gerichtsstandsvereinbarung – und sei sie auch bloß durch Unterfertigung einer vorformulierten Vertragsklausel – getroffen, so ist eine Delegation wegen bloßer Zweckmäßigkeitsgründe unstatthaft, sofern nicht nachträglich Umstände eintreten, auf die bei Abschluss der Vereinbarung nicht Bedacht genommen werden konnte (RS0046198 [insb T22]).

[10] 2. Die Voraussetzungen einer Delegierung sind hier nicht gegeben. Zwar verweist der Beklagte darauf, dass die Parteien und die bislang namhaft gemachten Zeugen in Wien zu laden wären. Auch hat die Klägerin keine Gründe für ihre ablehnende Haltung angeführt. Jedoch ist hier vom Vorliegen einer Zuständigkeitsvereinbarung zwischen Unternehmern auszugehen, von der abzugehen nur dann angezeigt wäre, wenn nachträglich nicht bedachte Umstände eingetreten wären. Zu solchen Gründen führt der Beklagte jedoch nichts ins Treffen, sie sind auch nicht ersichtlich. Es hat daher bei der von den Parteien vereinbarten Zuständigkeitsordnung zu bleiben.

[11] 3. Ein erfolgloser Delegierungswerber hat dem Prozessgegner die notwendigen Kosten seiner ablehnenden Äußerung zum Delegierungsantrag unabhängig vom Ausgang des Rechtsstreits zu ersetzen (RS0036025). Hier sind jedoch der Klägerin keine abgrenzbaren Kosten des Zwischenstreits entstanden.

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