OGH 6Ob2/23x

OGH6Ob2/23x17.2.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in den verbundenen Rechtssachen der klagenden Partei H* A*, vertreten durch Lattenmayer Luks Enzinger Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. P* GmbH, *, vertreten durch Mag. Dr. Dirk Just, Rechtsanwalt in Wien (AZ 5 Cg 59/20d des Landesgerichts Korneuburg, [führendes Verfahren]), 2. N* GmbH, *, vertreten durch Scherbaum Seebacher Rechtsanwälte GmbH in Wien (AZ 10 Cg 42/20s des Landesgerichts Korneuburg), wegen jeweils 82.240,81 EUR sA, Sanierung und Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 3. November 2022, GZ 13 R 160/22b‑71, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0060OB00002.23X.0217.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] 1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

Rechtliche Beurteilung

[2] 2.1. Die Rechtsprechung bejaht in Fällen des § 364 Abs 2 ABGB einen verschuldensunabhängigen Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 364a ABGB, wenn eine dieser Bestimmung vergleichbare Interessenlage gegeben ist (vgl RS0010449 [T18]; RS0037182 [T1]). Das wird insbesondere in Fällen angenommen, in denen wegen des mit einer behördlichen Genehmigung verbundenen Anscheins der Gefahrlosigkeit der bewilligten Maßnahmen eine Schadensabwehr praktisch erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht wird (RS0010668), so vor allem bei behördlich genehmigten Bau- und Abbrucharbeiten oder Aufgrabungen in öffentlichen Verkehrsflächen und Erholungsflächen (RS0010668 [T2]; vgl auch RS0106324; 9 Ob 1/18i).

[3] Nach der Rechtsprechung haftet dabei nicht nur der Eigentümer des Nachbargrundstücks für den durch Immissionen der in § 364a ABGB umschriebenen Art verursachten Schaden, sondern jeder, der die Beeinträchtigung durch eine, wenn auch behördlich genehmigte Anlage (oder wie hier: bewilligte Maßnahme) herbeiführt (RS0010519). Der Anspruch besteht nicht nur gegen den Grundeigentümer, sondern gegen jeden, der das Grundstück für seine Zwecke nutzt (RS0010519 [T2]; RS0010654 [T1, T17]), wobei eine Beziehung zum emittierenden Grundstück bzw ein „gewisser Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Immission“ gefordert wird (RS0010654 [T13]; 9 Ob 1/18i [ErwGr 5.]). Ein Bauunternehmer, der auf dem emittierenden Grundstück Bauarbeiten durchführt, ist aber aufgrund des mit dem Grundeigentümer bestehenden Werkvertrags gerade nicht zu der von der Rechtsprechung geforderten Benützung der Liegenschaft berechtigt; der für die Annahme seiner Passivlegitimation erforderliche Zusammenhang zwischen Sachherrschaft und Immission liegt bei ihm aufgrund seiner eingeschränkten Befugnisse nicht vor (RS0010654 [T18]; 9 Ob 1/18i [ErwGr 5.]).

[4] 2.2. Gegenständlich ist den Feststellungen zu entnehmen, dass die Zweitbeklagte für die E* AG für die Koordination von Bauarbeiten und Instandhaltung der Anlagen des Strom-, Gas- und Wassernetzes zuständig ist und von der örtlichen Gemeinde als Grundeigentümerin (unter anderem) mit der Sanierung der Wasserleitung auf der emittierenden Liegenschaft beauftragt worden war. Diese Sanierungsarbeiten führten aufgrund einer nicht gegen Starkregenereignisse abgesicherten Baugrube zu einem Schaden durch Regenwassereintritt nach einem solchen Regen in den Keller des Klägers.

[5] Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Zweitbeklagte sei lediglich als Bauunternehmerin auf der emittierenden Liegenschaft tätig gewesen, (auch) der Zweitbeklagten fehle es daher an der Passivlegitimation für einen nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch, findet Deckung in der erörterten Rechtsprechung.

[6] 2.3. Das Erstgericht hat Feststellungen dazu getroffen, zu welchen Zwecken die Zweitbeklagte die emittierende Liegenschaft genutzt hat. Mit ihrer Rüge, es fehlten Feststellungen dahin, die Zweitbeklagte habe die Wasserleitung selbst betrieben (vgl dazu aber etwa die Beilagen ./O bis ./Q und ./3), wendet sich die Revision in unzulässiger Weise gegen die in dritter Instanz nicht mehr bekämpfbare Tatsachengrundlage.

[7] 3. Das Erstgericht hat die niedergegangenen Regenmengen ebenso festgestellt wie die (Un-)Wahrscheinlichkeit solcher Starkregenereignisse im Gebiet der betroffenen Liegenschaft. Mit der Argumentation des Berufungsgerichts, aufgrund der festgestellten damaligen Wetterprognosen sei der niedergegangene Starkregen für die mit den Grabungsarbeiten von der Zweitbeklagten beauftragte Erstbeklagte nicht vorhersehbar gewesen, setzt sich die Revision nicht auseinander. Ihr bloßer Hinweis, das Starkregenereignis wäre für die Erstbeklagte bereits aufgrund der „allgemeinen Lebenserfahrung“ vorhersehbar gewesen, entfernt sich vom festgestellten Sachverhalt. Damit gelingt es der Revision nicht, eine aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts darzulegen.

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