OGH 4Ob12/23b

OGH4Ob12/23b31.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch die Aigner Rechtsanwalts‑GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur, Singerstraße 17–19, 1011 Wien, und 2. Land Kärnten, Arnulfplatz 1, 9021 Klagenfurt am Wörthersee, vertreten durch die Hausmaninger Kletter Rechtsanwälte-Gesellschaft mbH in Wien, Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Parteien 1. M*, vertreten durch Dr. Manfred Ainedter und andere Rechtsanwälte in Wien, und 2. I*, vertreten durch Mag. Jörg Zarbl, M.B.L.‑HSG, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1.000.000 EUR sA, über den Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 4. November 2022, GZ 14 R 164/22y‑58, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. August 2022, GZ 9 Cg 31/20z‑50, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00012.23B.0131.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Zivilverfahrensrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung aus anderen Gründen

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der erstbeklagten Partei die mit 3.283,50 EUR (darin keine USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin macht aus dem Verkauf der Anteile der Erstbeklagten an den Bundeswohnbaugesellschaften im Jahr 2004 im Rahmen eines Bieterverfahrens resultierende Schadenersatzansprüche gegen die beklagten Gebietskörperschaften geltend. Sie wirft unter anderem dem Erstnebenintervenienten als damaligem Finanzminister und Erfüllungsgehilfen der Erstbeklagten strafbares Verhalten vor.

[2] Der Erstnebenintervenient wurde zu 15 Hv 1/17z des Landesgerichts für Strafsachen Wien unter anderem des Verbrechens der Untreue nach § 153 StGB zum Nachteil der Erstbeklagten sowie des Verbrechens der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 StGB idF BGBl I 2004/136 schuldig erkannt; dieses erstinstanzliche Urteil ist nicht rechtskräftig.

[3] Das Erstgericht unterbrach sein Verfahren gemäß § 191 Abs 1 ZPO bis zum rechtskräftigen Abschluss des genannten Strafverfahrens.

[4] Das von der Erstbeklagten und vom Erstnebenintervenienten angerufene Rekursgericht behob den Unterbrechungsbeschluss ersatzlos und trug dem Erstgericht die Fortsetzung seines Verfahrens auf.

[5] Es ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu.

[6] Mit ihrem ordentlichen Revisionsrekurs, in dem sie ausdrücklich dessen Zulässigkeit ungeachtet des § 192 Abs 2 ZPO behauptet, beantragt die Klägerin die Wiederherstellung des erstgerichtlichen Beschlusses und hilfsweise die Aufhebung des rekursgerichtlichen Beschlusses.

[7] Die Erstbeklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die Zurückweisung des Revisionsrekurses, hilfsweise dem Rechtsmittel nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[8] Der Revisionsrekurs ist absolut unzulässig.

[9] 1.1. Nach dem völlig klaren Wortlaut des § 192 Abs 2 ZPO können die nach den §§ 187 bis 191 ZPO erlassenen Anordnungen, soweit sie nicht eine Unterbrechung des Verfahrens verfügen, durch ein Rechtsmittel nicht angefochten werden.

[10] Die Abweisung eines Unterbrechungsantrags ist damit grundsätzlich unanfechtbar (RS0037071, RS0037003); dies gilt nach ständiger Rechtsprechung auch für die Aufhebung einer in erster Instanz bewilligten Unterbrechung durch das Rekursgericht (RS0037074, RS0037003).

[11] 1.2. Anderes gälte zwar dann, wenn die Unterbrechung zwingend vorgeschrieben wäre (RS0037034, RS0037020). Das ist hier aber nicht der Fall, weil die Unterbrechung nach § 191 ZPO eine Ermessensentscheidung ist (RS0036918).

[12] Hier liegt auch kein Fall vor, dass das Rekursgericht einen aufgrund besonderer Vorschrift unanfechtbaren Unterbrechungsbeschluss behoben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufgetragen hätte.

[13] 2.1. Diese – entgegen dem Revisionsrekurs nicht nur „verbreitete“, sondern völlig einheitliche – Rechtsprechung zu § 192 Abs 2 ZPO hat auch im Schrifttum einhellige Zustimmung gefunden (Höllwerth in Fasching/Konecny 3 § 191 ZPO [2015] Rz 21; ebenso schon Fasching, Kommentar III [1962]  936; Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack, ZPO‑TaKomm [2019] § 192 Rz 3 f; Kodek/Mayr, Zivilprozessrecht3 [2016] Rz 427).

[14] 2.2. Belegstellen oder einschlägige Rechtsprechung, woraus sich anderes ergäbe, führt der sich eine teleologische Reduktion des § 192 Abs 2 ZPO wünschende Revisionsrekurs der Klägerin nicht ins Treffen.

[15] 3. Das gegen die vom Rekursgericht beschlossene Fortsetzung des erstgerichtlichen Verfahrens absolut unzulässige Rechtsmittel der Klägerin ist daher ohne jede sachliche Prüfung als jedenfalls unzulässig zurückzuweisen.

[16] 4. Da die Klägerin schon in ihrem Rechtsmittel dessen Zulässigkeit behauptet hat und die Erstbeklagte dem in ihrer Gegenschrift unter konkretem Hinweis auf diese Unzulässigkeit entgegengetreten ist, hat sie die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung gemäß §§ 50, 41 ZPO ersetzt zu erhalten (vgl RS0124565).

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