OGH 4Ob185/22t

OGH4Ob185/22t31.1.2023

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher und MMag. Matzka sowie die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W* GmbH, *, vertreten durch Univ.‑Doz. Dr. Bernd Oberhofer, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei H* GmbH, *, vertreten durch Mag. Bert Ortner, Rechtsanwalt in Wien, wegen 95.150 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Mai 2022, GZ 5 R 183/21z‑131, womit das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. September 2021, GZ 43 Cg 45/13k‑125, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0040OB00185.22T.0131.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin, die mit Fenster- und Fenstertürelementen der Beklagten handelt und auch deren Einbau durchführt, wurde von einer Wohnbaugesellschaft mit der Lieferung und Montage von 39 Fenster‑Türen‑Elementen beauftragt. Die notwendigen Elemente für das Bauvorhaben bezog die Klägerin bei der Beklagten. Unmittelbar nach der Fertigstellung der Wohnanlage und dem Einzug der Bewohner bildete sich an den Elementen Kondenswasser, das sich an Rahmen und Schwellen sowie in Lacken auf dem Parkettboden sammelte. Die Klägerin wurde daher von der Wohnbaugesellschaft auf Ersatzvornahme durch den Einbau neu gefertigter Elemente verklagt und mittels Urteils des Landesgerichts Innsbruck dazu rechtskräftig verurteilt; außerdem wurde die Ersatzpflicht für künftige Schäden festgestellt. Der hier Beklagten wurde der Streit verkündet, sie ist aber nicht beigetreten. Die Klägerin hat in der Folge – nachdem eine Einigung über einen Austausch gescheitert war – einen Austausch der Elemente, die sie von einem dritten Unternehmen bezog, vorgenommen.

[2] Das Erstgericht gab dem Schadenersatzbegehren der Klägerin (für die neuen Fenster samt Aus- und Einbau sowie Abdichtungs- und Malerarbeiten) gegen die beklagte Herstellerin mit rund der Hälfte statt und wies die Gegenforderung der Beklagten (an restlichem Kaufpreis) als verjährt und unschlüssig ab. Die Beklagte habe den Austausch rechtswidrig verweigert, weshalb die Klägerin zur Ersatzvornahme berechtigt gewesen sei. Wegen der höherwertigen Ausführung müsse die Klägerin unter dem Titel „neu für alt“ einen Abzug von 25 % hinnehmen.

[3] Das Berufungsgericht erhöhte den Zuspruch um 6.544 EUR, weil es den Abzug „neu für alt“ für nicht gerechtfertigt hielt. Eine Bereicherung der Klägerin sei nicht zu erkennen. Diese sei allenfalls beim Bauherrn oder den Eigentümern bzw Mietern der einzelnen Wohnungseinheiten eingetreten, die aber nicht Parteien dieses Verfahrens seien. Die Konstatierung des Erstgerichts, die Klägerin habe durch die neu eingebauten Elemente eine Haftung hintanhalten können, weil mit Mängeln nun nicht mehr zu rechnen sei, beruhe auf keiner Tatsachengrundlage. Dass die Beklagte den von ihr verursachten Schaden ersetze, sei ihre gesetzliche und vertragliche Pflicht und stelle keine Bereicherung der Klägerin dar.

[4] Das Berufungsgericht ließ die Revision zur Klärung der Frage zu, ob ein Abzug „neu für alt“ auch gegenüber dem Unternehmer vorzunehmen sei, der sich zur Lieferung und zum Einbau einer Sache verpflichtet habe und die gebrauchte Sache durch eine wertvollere, neuere, ersetze.

[5] Die Beklagte beantragt in ihrer Revision die Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts. Der Oberste Gerichtshof habe schon zu 5 Ob 280/98g einem Generalunternehmer einen Abzug „neu für alt“ für die längere Lebensdauer neu verlegter Böden bzw zu 5 Ob 292/05k für neu gedeckte Dächer auferlegt, obwohl die Generalunternehmer die jeweiligen Bauobjekte und damit die längere Lebensdauer nicht selbst genutzt hätten. Der Abzug von 25 % sei hier auch deshalb gerechtfertigt, weil das der Beklagten vorgeworfene Verhalten (die mangelnde Aufklärung über den Umstand, dass die von der Klägerin bei der Beklagten bestellte Ausführung der Elemente nicht dem Stand der Technik entsprächen) nicht für die höheren Kosten der im Wege der Ersatzvornahme bezogenen Elemente ursächlich gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

[6] Damit zeigt die Beklagte jedoch keine erheblichen Rechtsfragen iSv § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist daher, ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Zulassungsausspruchs des Berufungsgerichts, nicht zulässig.

[7] 1.1. Nach § 933a Abs 1 ABGB kann der Übernehmer bei Vorliegen eines vom Übergeber verschuldeten Mangels auch Anspruch auf Schadenersatz geltend machen. Nach § 933a Abs 2 ABGB kann der Übernehmer unter anderem Geldersatz verlangen, wenn der Übergeber die Verbesserung oder den Austausch verweigert.

[8] 1.2. Nach schadenersatzrechtlichen Grundsätzen ist der Gläubiger insgesamt so zu stellen, wie er stünde, wenn ordnungsgemäß erfüllt worden wäre (vgl RS0018239).

[9] 1.3. Bei auf mangelhafte Erfüllung gestützten Ersatzansprüchen ist ein Vorteilsausgleich nur im Rahmen der Gewährleistung ausgeschlossen (RS0018699), im Schadenersatzrecht aufgrund der dort gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise (RS0030206) hingegen vorzunehmen (5 Ob 292/05k; 5 Ob 280/98g).

[10] 1.4. Durch den Vorteilsausgleich soll eine dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichsgedanken widersprechende Bereicherung des Geschädigten verhindert werden. Das Problem stellt sich vor allem dann, wenn eine gebrauchte Sache beschädigt oder vernichtet wird und eine gleichwertige gebrauchte Sache nicht beschafft werden kann oder eine solche Beschaffung nicht zumutbar ist. Durch die Erlangung einer neuen Sache würde diesfalls der Geschädigte bereichert. Das kann grundsätzlich nicht Aufgabe des Ersatzrechts sein (5 Ob 292/05k).

[11] 1.5. Bei Erneuerung von Sachbestandteilen ist folgendermaßen zu unterscheiden: Werden Teile einer Sache erneuert, die ohne Beschädigung vor dem natürlichen Zugrundegehen bzw Unbrauchbarwerden der Sache nicht hätten erneuert werden müssen und erfährt die alte Sache in ihrer Gesamtheit keine Werterhöhung, so hat der Haftende im Rahmen der Tunlichkeit einer Reparatur die gesamten Reparaturkosten zu ersetzen (2 Ob 285/01b). Ist eine Sache Bestandteil einer Gesamtsache, dann gelten diese Grundsätze entsprechend. Nur eine Werterhöhung des beschädigten Guts muss sich der Geschädigte anrechnen lassen. Bei Neuerrichtung eines zerstörten Baus etwa wurde ausgesprochen, dass von den Errichtungskosten die Wertsteigerung des Gebäudes abzuziehen sei (10 Ob 31/00g). Werden hingegen Teile einer Sache erneuert, die ohne Beschädigung vor dem Zugrundegehen bzw vor dem Unbrauchbarwerden der Sache ohnehin hätten erneuert werden müssen, so führt eine Erneuerung der Teile unter Tragung der Gesamtkosten durch den Schädiger dann zu einer Bereicherung des Geschädigten, wenn die Sache auch insgesamt keine Wertsteigerung erfährt, wie dies etwa bei Häusern, Installationen etc der Fall ist (4 Ob 525/90). Um eine Bereicherung des Geschädigten zu vermeiden, sind ihm nur aliquote Anteile der Erneuerungskosten zu ersetzen. Dabei sind in erster Linie die Restlebensdauer, die der beschädigte Sachteil gehabt hätte, und die Lebensdauer, die der erneuerte Sachteil haben wird, in Beziehung zu setzen (5 Ob 280/98g). Der Abzug „neu für alt“ basiert auf einer objektiven wirtschaftlichen Berechnung.

[12] 1.6. Die Beurteilung, ob ein Abzug „neu für alt“ entsprechend einer verhältnismäßigen Abnützungsquote gerechtfertigt ist, bestimmt sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls und begründet daher in der Regel keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RS0030246 [T9]).

[13] 2.1. Die Beklagte wandte im Verfahren erster Instanz ein, die Klägerin sei bereichert, weil sie die ausgetauschten Fenster vier Jahre später bezogen und daher die Gewährleistungsfrist gegenüber ihrem Lieferanten erneut zu laufen begonnen habe. Weiters habe die Klägerin mit der Bestellung beim Drittunternehmen nunmehr ein Produkt erhalten, das die Anforderungen des Endkunden erfülle und somit nicht mit dem von der Klägerin selbst verschuldeten Problem der Fehlbestellung behaftet sei.

[14] 2.2. Das Erstgericht begründete den Abzug „neu für alt“ im Ausmaß von 25 % des Entgelts für die neuen Fensterelemente damit, dass die Klägerin durch die höherwertige Ersatzvornahme bereichert sei, weil die ursprüngliche Leistung revidiert worden sei, die Klägerin gegenüber dem Endkunden nunmehr vertragskonform geleistet habe und sie durch die neu eingebauten Elemente das Feststellungsurteil des Landesgerichts Innsbruck leichter erfüllen und ihre Haftung gegenüber der Wohnbaugesellschaft hintanhalten habe können, weil mit Mängeln oder Schäden nicht bzw kaum mehr zu rechnen sei.

[15] 2.3. Demgegenüber hat jedoch das Berufungsgericht erkannt, dass durch den (erneuten) Beginn der Gewährleistungsfrist gegenüber der Drittfirma und durch die Erfüllung des vertraglich Geschuldeten gegenüber dem Endkunden kein (bezifferbarer) Vorteil behauptet und bewiesen worden sei. Diese Beurteilung ist vertretbar, denn die Beklagte war von Anfang an verpflichtet, der Klägerin brauchbare Fensterelemente zu liefern und (erst) durch die Ersatzvornahme durch Einbau der von dritter Seite bezogenen Produkte ist dies erfolgt. Dass diese Produkte über die von der Beklagten gegenüber der Klägerin geschuldete Qualität hinausgingen, hat die Beklagte nicht nachvollziehbar dargetan. Dass die Gewährleistungsfrist gegenüber dem (dritten) Lieferanten durch die spätere (ersatzweise) Lieferung später zu laufen beginnt als jene nach der ursprünglichen Lieferung, liegt in der Natur der Sache, wurde von der Beklagten verursacht und begründet keine Bereicherung der Klägerin.

[16] 2.4. Die von der Beklagten zitierte Entscheidung 5 Ob 280/98g ist nicht präjudiziell, weil dort der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft (als Rechtsvertreterin sämtlicher Wohnungseigentümer) als „Endnutzerin“ ein Abzug „neu für alt“ gegenüber dem beklagten Generalunternehmen für die längere Lebensdauer eines neu verlegten Fußbodens auferlegt wurde. Aus der Entscheidung 5 Ob 292/05k, nach der dem Generalunternehmen ein Abzug „neu für alt“ für die verlängerte Nutzungsdauer eines sanierten Daches auferlegt wurde, ergibt sich bloß, dass dies nur dann zu erfolgen hat, wenn objektive und in Geld bewertbare Vorteile nachgewiesen werden. Daran mangelt es jedoch hier gemäß der nicht zu beanstandenden Beurteilung des Berufungsgerichts.

[17] 2.5. Im Übrigen kann die Frage, ob es sich bei Verbesserungskosten um „Sowieso‑Kosten“ (vgl RS0117792) handelt, regelmäßig nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden, sodass diese Frage in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO bildet.

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