OGH 2Ob285/01b

OGH2Ob285/01b29.11.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon.-Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei J***** GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Dieter Huainigg und Mag. Gunter R. Huainigg, Rechsanwälte in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Johannes K*****, vertreten durch Dr. Peter Fürnschuß, Rechtsanwalt in Stainz, wegen S 69.480 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Berufungsgericht vom 9. Februar 2001, GZ 4 R 30/01t-38, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Wolfsberg vom 27. Oktober 2000, GZ 4 C 2659/99w-31, zum Teil bestätigt und zum Teil abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Urteil aufgehoben; zugleich wird auch das Urteil des Erstgerichtes aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die klagende Partei war vom Beklagten damit beauftragt worden, am Dach seines Hauses Dachdecker- und Spenglerarbeiten durchzuführen. Aus dieser Tätigkeit steht der klagenden Partei noch eine restliche Werklohnforderung in der Höhe des Klagsbetrages zu, die sie mit der vorliegenden Klage geltend macht.

Der Beklagte wendete ein, im Zuge der Arbeiten am Dach seines Hauses sei die Baustelle nicht fachgerecht abgesichert worden, weshalb es zu einem Wassereintritt gekommen sei. Es sei ihm dadurch an seiner Wohnzimmereinrichtung ein Schaden in der Höhe von zumindest S 70.000 entstanden. Mit dieser Forderung habe er gegen die restliche Werklohnforderung der klagenden Partei aufgerechnet und wende seinen Schadenersatzanspruch in dieser Höhe auch kompensando ein. Das Erstgericht sprach aus, die Forderung der klagenden Partei bestehe mit S 69.480 zu Recht, die eingewendete Gegenforderung mit S 43.554; es verurteilte den Beklagten zur Zahlung von S 25.926 sA.

Dabei wurden im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Durch unsachgemäße Arbeiten kam es zu einem Wassereintritt im Haus des Beklagten. Dadurch wurde die Holzdecke des Wohnzimmers bei drei Elementen stark und bei drei bis fünf Elementen zumindest geringfügig aufgezogen und beschädigt. Weiters waren nach dem Vorfall die Sockel der Blumentröge stark aufgequollen, Schäden bei den Platten zum Heizkörper hin sichtbar und auch die Sockel der Truhen neben dem Kamin geringfügig durch Wassereinwirkung beschädigt. Die Beschädigungen sind nicht behebbar. Die Einrichtung war zum Zeitpunkte des Schadenseintrittes 18 Jahre alt, die technische Lebensdauer von Wohnzimmereinrichtungen beträgt 20 bis 30 Jahre. Im Bereich der Blumentröge waren aufgrund des Alters mit größter Wahrscheinlich nicht sichtbare Haarrisse vorhanden; dadurch wurden die Schäden durch den Wassereintritt noch verstärkt. Die Vorschäden sind mit einem Abschlag von 15 % zu bewerten.

Das beschädigte Mobiliar war in Ebenholz furniert, es handelte sich um Einbaumöbel. Der Ausbau der einzelnen Teile ist technisch möglich, bei einem Wiedereinbau neu gefertigter Elemente ist allerdings weder die gleiche Holzfarbe noch die gleiche Furniermaserung herstellbar. Eine Sanierung der beschädigten Teile ist nur durch gänzliche Neuanfertigung möglich.

Die Kosten für die Demontage und die Entsorgung der Decke und Möbelstücke im Kaminbereich belaufen sich auf S 3.900. Die Fertigungs- und Montagekosten für die Austauschdecke, den Blumentrog, die Fensterbank, die Heizkörperverkleidung, die Truhe, die Banksitzleisten und die Säule betragen S 31.200, wozu noch Materialkosten von S 22.800 hinzukommen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, bei Beschädigung einzelner Möbelstücke einer einheitlichen Raumeinrichtung sei vom Wert der Sachgesamtheit auszugehen. Da die beschädigten Möbelstücke nur mehr eine Restnutzungsdauer von rund einem Drittel hätten, müsse bei den Materialkosten ein Abschlag von 2/3 vorgenommen werden. Die Demontage- und Entsorgungskosten sowie die Fertigungs- und Montagekosten würden auch bei Sanierung durch Reparatur jedenfalls anfallen. Weiters seien Vorschäden mit einer Abwertung von 15 % zu berücksichtigen, weshalb sich gemäß § 273 ZPO ein Schadenersatzanspruch des Beklagten mit S 43.554 errechne. Das von beiden Parteien angerufene Berufungsgericht sprach aus, dass die eingeklagte Forderung mit S 69.480, die eingewendete Gegenforderung hingegen mit S 26.277,60 zu Recht bestehe. Es verurteilte den Beklagten daher zur Zahlung von S 43.202,40 sA und sprach zunächst aus, die ordentliche Revision sei nicht zulässig. In rechtlicher Hinsicht führte das Berufungsgericht aus, dass das beschädigte Mobiliar im Wohnzimmer des Beklagten keinen Verkehrswert besessen habe. Dieser Wert als Maß für die Tunlichkeit der Naturalherstellung scheide daher aus. Würde man dem Beklagten die vollen Reparatur- bzw Wiederherstellungskosten von S 69.480 zusprechen, bekäme er auch unter Berücksichtigung der Inflation weit mehr, als die gesamte Einrichtung von 18 Jahre gekostet habe. Dies würde zu einer Bereicherung des Geschädigten führen. Es entspreche der Judikatur des Obersten Gerichtshofes, in ähnlich gelagerten Fällen die Neuerrichtungskosten dem Ersatzanspruch zugrundezulegen und diese aliquot zu kürzen, wenn die Restlebensdauer der beschädigten Sache kürzer sei, als die Lebensdauer der neuen Sache (SZ 54/65; JBl 1987, 325).

Im vorliegenden Fall hätten die beschädigten Möbel etwa 2/3 ihrer Haltbarkeitsdauer erreicht, weshalb für sie ein Drittel der Neuerrichtungskosten zu ersetzen sei. Im Gegensatz zur Auffassung des Erstgerichtes sei auch der Ersatzanspruch für die Fertigungskosten in diesem Verhältnis zu kürzen. Lediglich die Position Demontage und Entsorgung, S 3.900, habe ungekürzt zu verbleiben, weil es sich dabei um einen jedenfalls anfallenden Aufwand im Zuge der Schadensbehebung handle, der mit der längeren Lebensdauer der neuen Sache nichts zu tun habe.

Daraus errechne sich folgender Ersatzanspruch des Beklagten:

Demontage und Entsorgung S 3.900

1/3 der Fertigungskosten von S 31.200 S 10.399

1/3 der Materialkosten von S 22.800 S 7.599

S 21.898

20 % USt S 4.379,60

S 26.277,60.

Ein weiterer Abzug von 15 % für allenfalls vorhandene Vorschäden sei nicht gerechtfertigt, weil Möbel im Alter von 18 Jahren erfahrungsgemäß kleinere Schäden hätten, die schon durch die Kürzung vollständig berücksichtigt seien.

Über Antrag des Beklagten sprach das Berufungsgericht aus, dass die Revision doch zulässig sei. Es begründete dies damit, dass der in der Revision erhobene Vorwurf eklatanter Verfahrensverstöße eine erhebliche Rechtsfrage begründe; auch der Frage, ob im konkreten Fall die Höhe des Schadenersatzanspruches nach den richtigen rechtlichen Grundsätzen ermittelt worden sei, komme erhebliche Bedeutung zu. Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision beklagten Partei insoweit, als die eingewendete Gegenforderung mit lediglich S 26.270,60 und nicht mit S 69.480 festgestellt und der klagenden Partei ein Betrag von S 43.202,40 sA zugesprochen wurde, mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahin abzuändern, dass aufgrund der eingewendeten Gegenforderung das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise werden Aufhebungsanträge gestellt. Die klagende Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, das Rechtsmittel der beklagten Partei zurückzuweisen, in eventu, ihm nicht Folge zu geben.

Die Revision ist zulässig und im Sinne ihres Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit wurde geprüft, er ist nicht gegeben (§ 510 Abs 3 ZPO).

Unter dem Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit macht die beklagte Partei geltend, das Berufungsgericht sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die gesamte Einrichtung vor 18 Jahren weniger als S 69.480 gekostet habe. Eine derartige Feststellung sei dem Urteil des Erstgerichtes nicht zu entnehmen, weshalb das Berufungsgericht gegen § 498 Abs 1 ZPO verstoßen habe. Das Berufungsverfahren leide damit an einem Mangel, der geeignet sei, eine andere Entscheidung zu bewirken. Tatsächlich habe nämlich die gesamte Einrichtung ein Vielfaches gekostet. Hätte das Erstgericht eine diesbezügliche Feststellung getroffen, so wäre sie im Rahmen der Tatsachenrüge bekämpft worden. Unter dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung vertritt die beklagte Partei die Ansicht, das Berufungsgericht habe den Sachverhalt zu Unrecht unter Heranziehung der Bestimmung des § 1332 ABGB gelöst; vielmehr sei § 1323 ABGB heranzuziehen. Das Berufungsgericht habe nämlich angenommen, dass eine alte, völlig zerstörte Sache durch eine neue Sache ersetzt worden sei, wogegen Teile einer alten Sache durch neue ersetzt worden seien. Dadurch erfahre aber die alte Sache (gesamte Wohnzimmereinrichtung) in ihrer Gesamtheit keine Werterhöhung, weshalb auch kein Raum für den Abzug von Vorteilen bleibe. Die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes wäre nur dann richtig, wenn die gesamte Wohnzimmereinrichtung beschädigt worden wäre. Werde infolge einer Beschädigung eines Kfz der Austausch einer Tür notwendig, ziehe man bei einem fünf Jahre alten Auto auch nichts ab, wenn der Einbau einer neuen Türe notwendig werde. Das Auto habe ja in seiner Gesamtheit aufgrund der neuen Türe keine Werterhöhung erfahren. Genauso verhalte es sich hier mit der Wohnzimmereinrichtung. Es werde nur ein Teil der Einrichtung repariert, ohne dass dadurch der Wert der gesamten Einrichtung erhöht werde. Die Lebensdauer der gesamten Wohnzimmereinrichtung habe sich ebenfalls dadurch nicht erhöht. Nach Ablauf der Restlebensdauer des nicht reparierten Teiles der Wohnzimmereinrichtung werde auch der reparierte Teil abgetragen werden müssen.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

Richtig ist, dass das Erstgericht keine Feststellungen darüber getroffen hat, was die gesamte Einrichtung vor 18 Jahren gekostet hat, während das Berufungsgericht davon ausging, dass der Beklagte bei Zuspruch der vollen Reparatur- bzw Wiederherstellungskosten von S

69.480 auch unter Berücksichtigung der Inflation weit mehr bekäme, als die gesamte Einrichtung vor 18 Jahren gekostet habe. Das Berufungsgericht hat dadurch den Unmittelbarkeitsgrundsatz verletzt. Will das Rechtsmittelgericht von den Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes abgehen, muss es alle zur Feststellung der rechtserheblichen Tatsachen erforderlichen Beweise, die das Erstgericht unmittelbar aufgenommen hat, selbst wiederholen (SZ 53/117; EvBl 1978/194 uva) oder das Protokoll über die Beweisaufnahme in erster Instanz unter den Voraussetzungen des § 281a ZPO verlesen (2 Ob 134/88). Auch ergänzende Feststellungen sind nur nach Beweiswiederholung zulässig (JBl 1968, 368; 2 Ob 39/91). Die vom Berufungsgericht seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegte Feststellung ist daher der Entscheidung nicht zu Grunde zu legen.

Gemäß § 1323 ABGB ist Schadenersatz in erster Linie durch Naturalrestitution zu leisten, bei deren Untunlichkeit durch Vergütung des Schätzwertes. Beruht das schädigende Verhalten auf leichter Fahrlässigkeit, so ist nach § 1332 ABGB der gemeine Wert der beschädigten Sache zu ersetzen. Wird eine gebrauchte Sache zerstört und hat die neu hergestellte Sache eine längere Lebensdauer als die zerstörte alte Sache Restlebensdauer gehabt hätte, so steht nur aliquoter Ersatz zu. Dabei sind vor allem Restlebensdauer und Lebensdauer der neu hergestellten (bzw herzustellenden) Sache in Beziehung zu setzen (Reischauer in Rummelý, ABGB, § 1323 Rz 14; JBl 1990, 721). Die vollen Reparaturkosten sind nur dann zu ersetzen, wenn dadurch keine Verbesserung der beschädigten Sache herbeigeführt wird (JBl 1990, 721).

Werden allerdings Teile einer Sache erneuert, die ohne Beschädigung vor dem natürlichen Zugrundegehen bzw Unbrauchbarwerden der Sache nicht hätten erneuert werden müssen und erfährt die alte Sache in ihrer Gesamtheit keine Werterhöhung, so hat der Haftende im Rahmen der Tunlichkeit einer Reparatur die gesamten Reparaturkosten zu ersetzen (Reischauer, aaO, § 1323 Rz 14a). Untunlichkeit liegt etwa dann vor, wenn die Reparatur einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, was etwa dann der Fall ist, wenn die Reparaturkosten den Zeitwert vor Schädigung erheblich übersteigen (Reischauer, aaO, § 1323 Rz 9 mwN; ZVR 1987/94 ua). Wird daher ein Kraftfahrzeug unter Verwendung neuer Ersatzteile repariert, muss sich der Geschädigte nur eine Werterhöhung des gesamten Fahrzeuges, nicht aber auch eine solche der einzelnen Ersatzteile anrechnen lassen; dies deshalb, weil der neue Teil dem Fahrzeug einverleibt wurde und dadurch seine wirtschaftliche Selbständigkeit verloren hat (SZ 55/104). Diese Erwägungen gelten allerdings dann nicht, wenn Teile einer Sache erneuert werden, die ohne Beschädigung vor dem Zugrundegehen bzw Unbrauchbarwerden der Sache ohnehin hätten erneuert werden müssen, wie etwa bei der Beschädigung von Böden, Tapeten, Heizung und Installation (JBl 1990, 721; Reischauer, aaO, § 1323 Rz 14a). Die Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall ergibt nun, dass zu unterscheiden ist, ob die beschädigten Gegenstände Bestandteile einer Gesamtsache oder selbständig sind. Handelt es sich um Bestandteile einer Gesamtsache (Wohnzimmer), dann müsste sich der Beklagte unter dem Gesichtspunkt "neu für alt", nur eine allfällige Werterhöhung des gesamten Wohnzimmers anrechnen lassen. Handelt es sich hingegen um selbständige Sachen, dann hätte das Berufungsgericht die Höhe des Schadens richtig ermittelt.

Ob es sich bei dem durch Verschulden der klagenden Partei beschädigten Mobiliar um eine Teile einer Gesamtsache handelt, wurde aber im Verfahren erster Instanz nicht erörtert, weshalb ein Mangel vorliegt, der eine erschöpfende Beurteilung der Streitsache verhindert. Eine Wohnungseinrichtung stellt nämlich nur dann eine Gesamtsache dar, wenn sie durch gleichen Stil und gegenseitige Anpassung eine Einheit bildet (JBl 1954, 514; 3 Ob 221/97i; Spielbüchler in Rummel³, ABGB, § 302 Rz 2).

Im fortgesetzten Verfahren wird daher zunächst diese Frage zu erörtern sein und wird das Erstgericht bei widerstreitendem Vorbringen darüber auch Feststellungen zu treffen haben. Sollte sich herausstellen, dass eine Gesamtsache vorliegt, dann wird der Schaden des Beklagten im oben aufgezeigten Sinn zu ermitteln sein. Sollte sich allerdings herausstellen, dass die beschädigten Gegenstände selbständige Sachen sind, dann hat es bei der vom Berufungsgericht vorgenommenen Ermittlung der Schadenshöhe zu bleiben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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