OGH 5Ob292/05k

OGH5Ob292/05k20.4.2006

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Kuras, Dr. Kalivoda und Dr. Höllwerth als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr. Gerald Kopp, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei A*****gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, und des Nebenintervenienten auf Seite der beklagten Partei Walter P***** GmbH, ***** vertreten durch Eisenberger & Herzog, Rechtsanwälte in Graz, wegen EUR 62.620,01 sA, über die Revisionen und Rekurse der klagenden Partei und des Nebenintervenienten gegen das Urteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 21. September 2005, GZ 2 R 129/05m-66, womit infolge Berufung der klagenden, der beklagten Partei und des Nebenintervenienten das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 7. April 2005, GZ 3 Cg 31/02v-54, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Beide Revisionen und beide Rekurse werden zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.189,44 bestimmten Kosten ihrer Revisions- und Rekursbeantwortung (darin EUR 198,24 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Hält der Oberste Gerichtshof entgegen dem nach § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts die Revision oder den Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO für nicht zulässig, kann sich die Zurückweisung der ordentlichen Revision und des Rekurses auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Das Berufungsgericht begründete seinen Zulässigkeitsausspruch damit, dass in der grundsätzlichen Bejahung der Zulässigkeit eines Abzugs „neu für alt" vom Deckungskapital für die Mängelbehebung unter Umständen ein Abweichen von höchstgerichtlicher Judikatur, insbesondere 1 Ob 829/81 und 9 Ob 91/04d vorliegen könnte und hinsichtlich der hier zu beantwortenden Rechtsfrage, soweit erkennbar, noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Die Beklagte hat für die Klägerin als Generalunternehmerin ein Geschäftsobjekt errichtet, wobei die Nebenintervenientin als Subunternehmerin der Beklagten für den Dachaufbau verantwortlich war. Die Fertigstellung des Gebäudes erfolgte 1992. Der Auftrag enthielt hinsichtlich der Dachabdichtungsarbeiten eine bestimmte Bau- und Ausstattungsbeschreibung mit vom Bauherrn geforderten Materialien und Leistungen. Bei Ausführung des Flachdachaufbaus wurde jedoch für Dampfsperre und Wärmedämmung nicht das vereinbarte oder ein qualitativ gleichwertiges Material verwendet, sondern es kamen Produkte zum Einsatz, die hinsichtlich ihrer Güte und bauphysikalisch-technischen Eigenschaften dahinter zurückblieben. Dies führte zu einem Kondensatausfall innerhalb der Schichten der Flachdachkonstruktion und zu einer unzulässigen Feuchtigkeitsansammlung innerhalb der Wärmedämmstoffschichte.

Als chemisch-physikalische Folge dieser Gegebenheiten ergab sich eine Undichtheit des Flachdachs.

Bei einem ersten Wassereintritt im Jahr 1995 zog die Klägerin den Nebenintervenienten bei, der jedoch keinen Mangel erkennen konnte. Man beschränkte sich auf eine Neueindichtung einer Lichtkuppel, die nächsten sechs Jahre hindurch kam es nicht mehr zu Feuchtigkeitseintritten. Erst im Frühjahr 2001 fand wiederum ein Feuchtigkeitseintritt statt, der die Klägerin veranlasste, eine sachverständige Überprüfung und - weil die Beklagte sich weigerte, eine Schadensbehebung vorzunehmen - eine Erneuerung des gesamten Dachschichtaufbaus einschließlich der Randanschlüsse durchführen zu lassen.

Die Nutzungsdauer der im gegenständlichen Fall eingesetzten Weich-PVC-Dachbahn ist mit ca 25 Jahren beschränkt.

Die Klägerin hat es unterlassen, laufend Überprüfungs- und Wartungsarbeiten am Flachdach vornehmen zu lassen, was zwar den Schadenseintritt beschleunigte, jedoch nicht spezifizierbar zum Schadenseintritt beigetragen hat. Die mangelhafte Dampfsperre (und Verarbeitungsfehler) hätten in jedem Fall zum Versagen des Abdichtungsschichtaufbaus geführt.

Wegen Ablaufs der Gewährleistungsfrist macht die Klägerin mit der gegenständlichen Klage einen Schadenersatzanspruch auf das im Deckungskapital des Verbesserungsaufwands liegende Erfüllungsinteresse geltend.

Die Beklagte und die Nebenintervenientin halten dem den Einwand der Verjährung entgegen, weil bereits im Jahr 1995 die erste Undichtheit eingetreten sei und eine Untersuchungspflicht der Geschädigten ausgelöst habe. Damit sei der Anspruch im Zeitpunkt der Klagserhebung (15. 2. 2002) bereits verjährt gewesen.

Weiters hält die Beklagte dem Klagsanspruch entgegen, dass vom Schadenersatzbetrag ein Abzug von 36 % zu erfolgen habe, weil die Klägerin mit einer verlängerten Nutzungsdauer des nunmehr sanierten Dachs von insgesamt neun Jahren rechnen könne.

Darüber hinaus halten die Beklagte und die Nebenintervenientin eine Verschuldensteilung für gerechtfertigt, weil die Klägerin durch Unterlassung der Wartung des Flachdachs eine Mitursache für den Eintritt des Schadens gesetzt habe.

Mit den in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen werden jedoch keine Rechtsfragen von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO berührt.

Dazu im Einzelnen:

1. Zum Verjährungseinwand:

Ganz grundsätzlich beginnt die dreijährige Verjährungsfrist des § 1489 ABGB zu laufen, wenn die Gewissheit über den Eintritt des Schadens, die Person des Schädigers sowie den Ursachenzusammenhang zwischen Schaden und schadensstiftendem Verhalten einen solchen Grad erreicht, dass die Voraussetzungen einer erfolgversprechenden Anspruchsverfolgung gegeben sind. Unter bestimmten Umständen hat die Rechtsprechung eine Verpflichtung des Geschädigten bejaht, Erkundigungen einzuziehen, sogar ein Sachverständigengutachten einzuholen, wenn davon die Beweisbarkeit anspruchsbegründender Tatsachen zu erwarten und ihm das Kostenrisiko zumutbar ist (vgl zu allem RIS-Justiz RS0034327; RS0034524 ua).

Wann und ob eine qualifizierte Erkundigungspflicht des Geschädigten einsetzt, bestimmt sich stets nach den Umständen des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0034327 [T3, 7]; RS0034524 [32]).

Die Ansicht, dass ein einmaliger Wassereintritt, für den der beigezogene sachverständige Nebenintervenient keine Ursache feststellen konnte und der mit der Abdichtung einer Glaskuppel für die Dauer von sechs Jahren behoben schien, keine qualifizierte Erkundigungspflicht der Geschädigten auslöste, ist nicht zu beanstanden und wirft vor allem keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf.

2. Zum Mitverschuldenseinwand:

Schon aus der Natur des Schadens, für den die Beklagte einzustehen hat, ergibt sich, dass die Klägerin daran - nämlich an der mangelhaften Vertragserfüllung - kein Mitverschulden treffen kann. Es käme also nur der Vorwurf der Verletzung einer Schadensminderungspflicht durch unterlassene Wartungsmaßnahmen in Betracht. Nach den maßgeblichen Feststellungen hätte die mangelhafte Dampfsperre aber in jedem Fall zum Versagen des Abdichtungsschichtaufbaus geführt. Durch die Unterlassung jeglicher Wartung und Besichtigung kam es hingegen zu einer Beschleunigung des „Schadenseintritts", oder, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführt, einer Beschleunigung der Erkennbarkeit des Schadens und einer Verstärkung der Schadensfolgen (Durchnässung). Der Einwand der Beklagten und des Nebenintervenienten wäre allenfalls dann gerechtfertigt, wenn Gegenstand des Schadenersatzbegehrens nicht nur das Erfüllungsinteresse wäre, sondern überdies Folgeschäden am oder im Objekt selbst. Solche Ansprüche sind aber nicht verfahrensgegenständlich. Das Berufungsgericht hat daher richtig darauf hingewiesen, dass die Feststellungen, die von einem nicht spezifizierbaren Beitrag zum Schadenseintritt ausgehen, insoferne in rechtlicher Hinsicht unbeachtlich sind.

Bei richtigem Verständnis des Gegenstands des klagsweise geltend gemachten Schadenersatzanspruches stellen sich daher die von der Revision der Nebenintervenientin aufgeworfenen Fragen nicht.

3. Zur verlängerten Nutzungsdauer, Abzug „neu für alt":

Durch den Vorteilsausgleich soll eine dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichsgedanken widersprechende Bereicherung des Geschädigten verhindert werden. Das Problem stellt sich vor allem dann, wenn eine gebrauchte Sache beschädigt oder vernichtet wird und eine gleichwertige gebrauchte Sache nicht beschafft werden kann oder eine solche Beschaffung nicht zumutbar ist. Durch die Erlangung einer neuen Sache würde diesfalls der Geschädigte bereichert. Das kann grundsätzlich nicht Aufgabe des Ersatzrechtes sein. Im Rahmen des Schadenersatzrechtes ist also stets eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten.

Bei Erneuerung von Sachbestandteilen ist folgendermaßen zu unterscheiden: Werden Teile einer Sache erneuert, die ohne Beschädigung vor dem natürlichen Zugrundegehen bzw Unbrauchbarwerden der Sache nicht hätten erneuert werden müssen und erfährt die alte Sache in ihrer Gesamtheit keine Werterhöhung, so hat der Haftende im Rahmen der Tunlichkeit einer Reparatur die gesamten Reparaturkosten zu ersetzen (2 Ob 285/01b = RdW 2002, 274 = wbl 2002, 77). Ist eine Sache Bestandteil einer Gesamtsache, dann gelten diese Grundsätze entsprechend. Nur eine Werterhöhung des beschädigten Guts muss sich der Geschädigte anrechnen lassen. Bei Neuerrichtung eines zerstörten Baus etwa wurde ausgesprochen, dass von den Errichtungskosten die Wertsteigerung des Gebäudes abzuziehen sei (10 Ob 31/00g = RdW 2001, 590 = bbl 2001, 155/109). Werden hingegen Teile einer Sache erneuert, die ohne Beschädigung vor dem Zugrundegehen bzw vor dem Unbrauchbarwerden der Sache ohnehin hätten erneuert werden müssen, so führt eine Erneuerung der Teile unter Tragung der Gesamtkosten durch den Schädiger dann zu einer Bereicherung des Geschädigten, wenn die Sache auch insgesamt keine Wertsteigerung erfährt, wie dies etwa bei Häusern, Installationen etc der Fall ist (4 Ob 525/90 = JBl 1990, 721; RdW 2002/272, 274). Um eine Bereicherung des Geschädigten zu vermeiden, sind ihm nur aliquote Anteile der Erneuerungskosten zu ersetzen (JBl 1990, 721). Dabei sind in erster Linie die Restlebensdauer, die der beschädigte Sachteil gehabt hätte und die Lebensdauer, die der erneuerte Sachteil haben wird, in Beziehung zu setzen (5 Ob 280/98g = bbl 1999/140, 123; RdW 2002, 274; Reischauer in Rummel³ Rz 14a zu § 1323 ABGB).

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass sich der aus einer mangelhaften Werkausführung oder Lieferung resultierende Schadenersatzanspruch des Bestellers gegen seinen Vertragspartner auf das Erfüllungsinteresse richtet (SZ 63/67; SZ 66/17 ua), also Naturalrestitution durch Herstellung des vertragsgemäßen Zustandes verlangt werden kann. Das schließt nämlich einen nach schadenersatzrechtlichen Prinzipien zu beurteilenden Vorteilsausgleich nicht aus. Wird als Nebeneffekt der Verbesserungsarbeit die schadhafte Sache in einen besseren Zustand versetzt, der dem Geschädigten objektive, in Geld bewertbare Vorteile bietet, so hat der Ersatzberechtigte dieses Mehr nach dem Grundsatz „neu für alt" abzugelten (vgl bbl 1999/140; bbl 2001/109; 2 Ob 159/98s). Dabei ist gerade der in bbl 1999/140 zugrunde liegende Sachverhalt mit dem hier zu beurteilenden unmittelbar vergleichbar, ging es doch dort um einen Schadenersatzanspruch auf das Deckungskapital des Verbesserungsaufwandes für eine fehlerhafte Abdichtung von Terrassen bzw Balkonen, die nach elf Jahren erneuert werden musste. Auch dort wurde der Nutzen des Geschädigten, der in einer um Jahre verlängerten Lebensdauer der Terrassen- und Balkonböden bestand, nach dem Prinzip „neu für alt" in Abzug gebracht. In einem solchen Fall erhält eben der Geschädigte mit seinem schadenersatzrechtlichen Anspruch auf Ersatz des Verbesserungsaufwandes lange nach Ablauf der Gewährleistungsfrist mehr als bei mängelfreier Werkausführung oder bei fristgerechter Geltendmachung des gewährleistungsrechtlichen Verbesserungsanspruchs, nämlich den Nutzen der um Jahre verlängerten Lebensdauer des Gewerks. Vermögensmäßig ist der Geschädigte aber nur so zu stellen, wie er stünde, hätte der Schädiger die ihm obliegende Verbesserungsleistung erbracht. Insofern besteht kein Widerspruch zum Rechtssatz der Entscheidung SZ 55/29, wonach dann, wenn der Verbesserungsaufwand als Erfüllungsinteresse begehrt wird, Vorteile, die der Käufer auch bei ordnungsgemäßer Verbesserung erlangt hätte, keinen Gegenstand der Vorteilsausgleichung bieten. In jenem Fall war nämlich eine zweijährige Gewährleistungsfrist vereinbart, was es an sich schon unvermeidlich machte, dass sich aus einer verspäteten Erfüllung für den Käufer Vorteile ergaben (in jenem Fall wurden vom Schädiger Mängel mitbereinigt, für die er nicht einzustehen hatte, die aber bei pflichtgemäßer (rechtzeitiger) Verbesserung nicht zu beseitigen gewesen wären.

Auch in jenem, der Entscheidung 9 Ob 91/04d = JBl 2005, 312 zugrunde liegenden Fall, in dem ein Vorteilsausgleich abgelehnt wurde, ging es nicht (allein) um einen Schadenersatz aus mangelhafter Werksausführung, sondern um einen aus der Nichterfüllung einer zwischen den Vertragsparteien getroffenen Sanierungsvereinbarung. Wurde - wie dort - die Sanierung einer Hausfassade einvernehmlich für einen späteren Zeitpunkt vereinbart, so war schon anlässlich dieser Vereinbarung abzusehen, dass sich aus einer später vorzunehmenden Mängelbehebung insofern Vorteile für den Geschädigten ergeben können, als mit der Verbesserung als Nebenwirkung auch allfällige Schäden beseitigt wurden, die inzwischen an der Sache entstanden waren.

Es besteht also der vom Berufungsgericht befürchtete Judikaturwiderspruch nicht. Mit bbl 1999/140 liegt überdies eine höchstgerichtliche Entscheidung vor, die die hier aufgeworfene Rechtsfrage ausdrücklich geklärt hat.

Deshalb liegen die Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes nicht vor.

Soweit das Berufungsgericht den Sachverhalt hinsichtlich des Umfangs des berechtigterweise vorzunehmenden Abzugs noch für aufklärungsbedürftig hält, und dementsprechend eine Verbreiterung der Sachverhaltsgrundlagen anordnete, kann dem der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, ohnedies nicht entgegentreten.

Damit erweisen sich sämtliche Rechtsmittel als unzulässig.

Sie waren daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten der Revisionsbeantwortung der Beklagten gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO, wobei zu berücksichtigen war, dass die Beklagte auf die Unzulässigkeit der Rechtsmittel der Klägerin hingewiesen hat. Das trifft zwar auch auf die Revisionsbeantwortung der Klägerin zu, den Nebenintervenienten trifft aber niemals eine Kostenersatzpflicht.

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