OGH 5Ob58/22y

OGH5Ob58/22y21.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei H* GmbH, *, vertreten durch Dr. Christoph H. Hackl, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei * V*, vertreten durch Dr. Gernot Nachtnebel, Rechtsanwalt in Wien, wegen 11.800,39 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 11.180,39 EUR sA) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 22. November 2021, GZ 36 R 117/21d‑60, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Floridsdorf vom 25. Februar 2021, GZ 83 C 324/19h‑50, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00058.22Y.1221.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

I. Der Schriftsatz der Klägerin vom 15. 3. 2022 („Revisionsbeantwortung, 15.3.22“) wird zurückgewiesen.

II. Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 860,58 EUR (darin enthalten 143,43 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (vom 13. 1. 2022) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Der Beklagte beauftragte die Klägerin mit der Errichtung eines Swimmingpools und allen dazu erforderlichen Nebenleistungen als Poolbaumeister. Die Poolwanne an sich, das Anbringen einer Halle über dem Pool, das Aufstellen eines Technikhäuschens und einer Wärmepumpe, die Neugestaltung des Rasens (Gärtnerarbeiten) und die Angleichung des Gartens an das Niveau der Terrasse sowie die Versiegelung des Übergangsbereichs zwischen Terrasse und Wiese samt Verlegung einer Schlüterkante waren vom Auftragsumfang nicht umfasst.

[2] Die Klägerin legte am 26. 8. 2019, kurz nach Fertigstellung des Swimmingpools und Abschluss aller Nebenarbeiten, Schlussrechnung über 7.193,83 EUR. Am 6. 9. 2019 stellte die Klägerin dem Beklagten einen Preisnachlass von 4.606,56 EUR nachträglich in Rechnung. Dieser Nachlass wurde ursprünglich für eine Fotodokumentation gewährt, die der Beklagte (selbständiger Fotograf) nicht erbracht hat. Der Beklagte beglich diese Werklohnforderungen nicht.

[3] Die Errichtung des Swimmingpools verlief nicht reibungslos. Für das Revisionsverfahren und das Verständnis dieser Entscheidung wesentlich ist der Umstand, dass die Klägerin den Swimmingpool zu nahe an der Nachbarliegenschaft positionierte. Die Wasserfläche des Swimmingpools weist zu dieser Nachbarliegenschaft einen Abstand von 2,70 m auf. Wird ein Abstand von 3 m zu einer Nachbarliegenschaft unterschritten, ist nach der Wiener Bauordnung eine Baubewilligung erforderlich. Diese lag nicht vor, der Swimmingpool ist daher bauordnungswidrig (Bauwichunterschreitung).

[4] Über Anzeige eines Anrainers wurde die Baubehörde auf die Unterschreitung des Mindestabstands aufmerksam. Sie richtete im August 2019 einen Vorhalt an den Beklagten. Der Beklagte forderte den Geschäftsführer der Klägerin zur Lösung dieses Problems auf. Der Geschäftsführer der Klägerin sprach bei der Baubehörde vor, und erfuhr, dass die Bauordnungswidrigkeit durch ein vereinfachtes Bauverfahren saniert werden könnte. Erforderlich war dazu die Zustimmung desjenigen Nachbarn, zu dessen Liegenschaft der Abstand von 3 m nicht eingehalten wurde. Der Geschäftsführer der Klägerin stellte daraufhin einen Kontakt zu dem Ansprechpartner für die Nachbarliegenschaft (in der Folge der Einfachheit halber kurz: Nachbar) her. Dieser lehnte nach Einsicht in eine Skizze eine Zustimmung nicht ab, wollte aber zuvor die Gegebenheiten in natura besichtigen.

[5] Der Beklagte hatte in der Zwischenzeit einen Rechtsanwalt beauftragt, der der Klägerin mit Schreiben vom 26. 9. 2019 die Bauordnungswidrigkeit und weitere Mängel am Swimmingpool entgegenhielt. Der Geschäftsführer der Klägerin teilte dem Rechtsanwalt des Beklagten daraufhin am 3. 10. 2019 mit, dass er „an einer Lösung bei der Baubehörde dran sei“ und das Einverständnis des Nachbarn einzuholen versuche. Der Beklagte erteilte dem Geschäftsführer der Klägerin keine Vollmacht zur Vertretung vor der Baubehörde. Nach zweimaliger erfolgloser Korrespondenz zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und dem Rechtsanwalt des Beklagten im Oktober 2019 erhielt der Rechtsanwalt des Beklagten am 24. 10. 2019 einen Abbruchbescheid der Baubehörde. In einem Telefonat am selben Tag kündigte der Geschäftsführer der Klägerin an, am 29. 10. 2019 mit dem Nachbarn die Liegenschaft des Beklagten besichtigen zu wollen. Der Rechtsanwalt lehnte dies ab, weil dies angesichts des Abbruchbescheids nicht mehr erforderlich sei. Der Nachbar konnte die Liegenschaft des Beklagten in der Folge tatsächlich nicht besichtigen, weil ihm und dem Geschäftsführer der Klägerin der Zutritt verweigert wurde.

[6] Der Beklagte erhob gegen den Abbruchbescheid Beschwerde vor dem Verwaltungsgericht Wien und strengte ein nachträgliches Bewilligungsverfahren an.

[7] In vorliegenden Verfahren begehrte die Klägerin vom Beklagten den Werklohn in Höhe von 11.800,39 EUR sA.

[8] Der Beklagte bestritt die Berechtigung und Fälligkeit der Werklohnforderung und wandte auf Schadenersatz gestützte Gegenforderungen in Höhe von insgesamt 10.697,89 EUR ein.

[9] Das Erstgerichtsah das Klagebegehren mit 11.800,39 EUR und die Gegenforderung mit 620 EUR als zu Recht bestehend an und verpflichtete den Beklagten zur Zahlung von 11.180,39 EUR samt Zinsen. Das Mehrbegehren von 620 EUR wies es ab.

[10] Das Berufungsgericht gab der – gegen den klagestattgebenden Teil des Ersturteils gerichteten – Berufung des Beklagten nicht Folge.

[11] Die Klägerin habe den Werkvertrag insofern mangelhaft ausgeführt, als sie die Poolwanne zu knapp an der Grundstücksgrenze situiert habe. Dieser Rechtsmangel sei zwar als wesentlich anzusehen, nicht aber als unbehebbar. Unbehebbar seiein Rechtsmangel nur, wenn feststehe, dass der Nachbar seine erforderliche Zustimmung endgültig verweigere, die fehlende Bewilligung also nicht nachgetragen werden könne. Hier sei die Herbeiführung des ordnungsgemäßen Zustands nach den Feststellungen nicht unmöglich. Der Beklagte habe die realistischen Bemühungen des Geschäftsführers der Klägerin dazu nicht nur nicht unterstützt, sondern behindert. Dem beweisbelasteten Beklagten sei damit der Nachweis misslungen, dassder Mangel iSd § 932 Abs 2 erster Satz ABGB unbehebbar sei. Auf eine von ihm selbst herbeigeführte „Unmöglichkeit“ der Verbesserung könne sich der Übernehmer nicht berufen. Dem Kläger stehe damit das von ihm geltend gemachte Wandlungsrecht nicht zu.

[12] Bei Unterlassen der nötigen Kooperation zur Mängelbehebung entfalle auch das Leistungsver-weigerungsrecht des Verpflichteten. Der Beklagte schulde der Klägerin daher den Werklohn.

[13] Das Berufungsgericht ließ die Revision – nachträglich (§ 508 Abs 3ZPO) – zu, weil zu den Rechtsfragen, ob gemäß § 932 ABGB ein behebbarer Mangel vorliege, wenn die Verbesserung (hier: Herstellung des baurechtlichen Konsenses) nur durch Zutun des Bestellers selbst und/oder durch Dritte (Zustimmung des Nachbarn) herbeigeführt werden könne, und wie weit der Besteller an der Verbesserung selbst mitwirken müsse, ausreichende Judikatur des Obersten Gerichtshofs fehle.

[14] Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision des Beklagten wegen Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens, Aktenwidrigkeit und unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Er beantragt, das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

[15] Die Klägerin erstattete zwei Revisionsbeantwortungen. In der maßgeblichen (siehe sogleich zu I. ersten Revisionsbeantwortung beantragt sie, die Revision zurückzuweisen, in eventu dieser nicht Folge zu geben.

Zu I.:

Rechtliche Beurteilung

[16] Die Klägerin hat vor Abänderung des Zulässigkeitsausspruchs durch das Berufungsgericht eine Revisionsbeantwortung eingebracht und nach der – aus diesem Grund gar nicht erforderlichen (RS0104882) – Freistellung eine weitere. Da jeder Partei nur eine einzige Rechtsmittelschrift oder Rechtsmittelgegenschrift zusteht, war die zweite Revisionsbeantwortung als unzulässig zurückzuweisen (RS0041666).

Zu II.:

[17] Die Revision ist – ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruchs des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) – nicht zulässig. Eine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist nicht zu beantworten. Die Zurückweisung eines ordentlichen Rechtsmittels wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[18] 1. Die in der Revision behaupteten Revisionsgründe der Aktenwidrigkeit und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft; sie liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[19] Das Berufungsgericht hat den Grundsatz der Unmittelbarkeit nicht verletzt, indem es ohne Beweiswiederholung oder Beweisergänzung ergänzende Tatsachenfeststellungen getroffen hat. Die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Gehalt der Aussage eines Zeugen im Zug der Behandlung der Beweisrüge haben erkennbar keinen Feststellungscharakter.

[20] Im Übrigen rügt der Beklagte neuerlich vom Berufungsgericht bereits verneinte angebliche Verfahrensfehler erster Instanz. Diese können nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RS0042963; RS0106371; RS0043919), zumal die Begründung des Berufungsgerichts – entgegen der Behauptung des Beklagten – auch nicht aktenwidrig ist.

[21] Das gilt für die angeblichen Stoffsammlungsmängel, aber auch für die von den Vorinstanzen im Zusammenhang mit einzelnen Gegenforderungen des Beklagten bejahte Anwendbarkeit des § 273 ZPO (RS0040282).

[22] 2.1. Die materiell-rechtlichen Fragen, die der Beklagte zur Begründung der Zulässigkeit der Revision aufwirft, beziehen sich auf den vom Beklagten geltend gemachten Anspruch auf Wandlung wegen der Bauordnungswidrigkeit des Swimmingpools, konkret auf die angebliche Unbehebbarkeit dieses Rechtsmangels und dessen nicht fristgerechte Verbesserung.

[23] 2.2. Gemäß § 932 Abs 2 und 4 ABGB (in der gemäß § 1503 Abs 20 ABGB hier maßgeblichen Fassung vor dem Gewährleistungsrichtlinien-Umsetzungsgesetz – GRUG, BGBl I Nr 175/2021) kann der Übernehmer zunächst nur die Verbesserung oder den Austausch der Sache verlangen. Durch den Vorrang der Verbesserung wird sichergestellt, dass der Übergeber zunächst die Gelegenheit bekommt, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen. Die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe, Preisminderung oder Wandlung, kann der Übernehmer nur geltend machen, wenn die Verbesserung und der Austausch nicht möglich sind, für den Übergeber mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand verbunden wären oder wenn er dem Verlangen des Übernehmers nicht oder nicht in angemessener Frist nachkommt. Ferner kann der Übernehmer die Rechtsbehelfe der zweiten Stufe fordern, wenn die primäre Abhilfe für den Übernehmer mit erheblichen Unannehmlichkeiten verbunden wäre oder wenn ihm die Verbesserung oder der Austausch aus triftigen, in der Person des Übergebers liegenden Gründen nicht zumutbar ist. Der Übergeber soll also grundsätzlich eine „zweite Chance“ haben, den vertragsgemäßen Zustand herzustellen (7 Ob 37/21y; 5 Ob 193/21z; RS0122927; RS0120246 [T1]).

[24] Für das Vorliegen der Voraussetzungen zur sofortigen Inanspruchnahme der Wandlung ist der die Wandlung begehrende Kläger behauptungs‑ und beweispflichtig (5 Ob 193/21z); das gilt insbesondere für die die Unbehebbarkeit bzw im Fall der Behebbarkeit für die Einräumung einer Mangelbeseitigungschance (Reischauer in Rummel/Lukas, ABGB4 § 932 Rz 403 ff, 408).

[25] 2.3. Der Beklagte begehrt die Wandlung. Im Fall der Berechtigung dieses Wandlungsbegehrens wäre die Werklohnklage abzuweisen, weil ihr durch die Aufhebung des Vertrags der Rechtsgrund entzogen worden wäre (10 Ob 68/09m mwN; RS0086117).

[26] Das Berufungsgericht hat die Voraussetzung für die Aufhebung des Vertrags nach § 932 Abs 2 und 4 ABGB mit der Begründung verneint, dass dem Beklagten der Nachweis der von ihm behaupteten Unbehebbarkeit des Rechtsmangels nicht gelungen sei.

[27] 2.4. Ein Rechtsmangel des öffentlichen Rechts – wie der unstrittig hier vorliegende – ist unbehebbar, wenn feststeht, dass die fehlende Bewilligung nicht nachgetragen werden kann (1 Ob 239/16b mwN; RS0018730; RS0110820; vgl RS0029427). Nach dem festgestellten Sachverhalt kann die Bauordnungswidrigkeit durch ein vereinfachtes Bauverfahren saniert werden. Die Eigentümer der Nachbarliegenschaft haben die dafür erforderliche Zustimmung auch nicht endgültig verweigert (vgl RS0016423). Zudem hat der Beklagte selbst ein Verfahren zur nachträglichen Baubewilligung eingeleitet; dafür, dass dieses aus baurechtlichen Gründen aussichtslos ist, gibt es keinerlei Anhaltspunkt.

[28] In Widerspruch dazu vertritt der Beklagte in seiner Revision zwar den Standpunkt, dass jedenfalls mit Rechtskraft des Abbruchbescheids eine Behebung des Mangels nicht mehr möglich sei. Nach § 129 Abs 10 WrBO istein vorschriftswidriges Bauwerk aber nur zu beseitigen, wenn dafür keine nachträgliche Bewilligung erwirkt oder eine Bauanzeige nicht rechtswirksam erstattet wurde. Im Bauauftragsverfahren nach § 129 Abs 10 WrBO istdie Bewilligungsfähigkeit einer Baulichkeit aber nicht zu prüfen. Ob eine nachträgliche Baubewilligung erteilt werden kann, ist demnach keine für die Erlassung eines Abtragungsauftrags zu lösende Vorfrage. Während der Anhängigkeit eines Ansuchens um nachträgliche Baubewilligung kann ein Beseitigungsauftrag nach § 129 Abs 10 WrBO zwar erteilt werden; die Vollstreckung des Auftrags und eine Bestrafung sind jedoch bis zur Entscheidung über das Ansuchen unzulässig. Wird die erforderliche Baubewilligung nachträglich erteilt, wird ein Bauauftrag gegenstandslos (Nachweise bei Kirchmayer, Wiener Baurecht5 556 [E 8], 558 [E 19], 562 [E 38]).

[29] Es steht hier demnach ungeachtet des Abbruchbescheids nicht fest, dass der fehlende Baukonsens nicht (rechtzeitig) nachgetragen werden kann.

[30] 2.5. Nach Auffassung des Beklagten habe mit der Rechtskraft des Abbruchbescheids aber jedenfalls die angemessene Frist geendet, die der Klägerin zur Mangelbehebung (theoretisch) einzuräumen gewesen sei.

[31] Es trifft zwar zu, dass der Besteller, der die Verbesserung des mangelhaften Werks fordert, durch die Setzung einer angemessenen Frist eine Zeitbestimmung vornehmen kann, die seinen Interessen entspricht, nicht aber in sonstiger Weise auf Art, Umfang und Durchführung der Verbesserung mehr Einfluss nehmen kann, als er es allenfalls nach dem zugrundeliegenden Vertrag konnte (RS0021684). Allerdings ist § 932 Abs 2 erster Satz ABGB nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs dahin auszulegen, dass sich der Übernehmer auf die von ihm selbst herbeigeführte „Unmöglichkeit“ der Verbesserung nicht berufen kann (RS0120246). Analoges gilt für § 932 Abs 4 zweiter Satz ABGB, wonach der Übernehmer das Recht auf Wandlung oder Preisminderung unter anderem auch dann hat, wenn der Übergeber die Verbesserung oder den Austausch nicht in angemessener Frist vornimmt. Ist die Überschreitung der angemessenen Frist auf ein Verhalten des Übernehmers zurückzuführen, kann dieser sich darauf nicht berufen (5 Ob 99/15t).

[32] Ob der Beklagte im konkreten Fall durch sein Verhalten die Verbesserung (in angemessener Frist) durch Nichtzulassung der Verbesserung und/oder Unterlassen der erforderlichen Mitwirkung vereitelt hat, ist nach den konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen (vgl 4 Ob 163/11s). Nach den Feststellungen hat der Beklagte dem um eine Lösung des Problems bemühten Geschäftsführer der Klägerin nicht nur keine Vollmacht zur Vertretung vor der Baubehörde (zur Sanierung in Form der Durchführung des möglichen vereinfachten Bewilligungsverfahrens) erteilt, er lehnte auch die Besichtigung der Liegenschaft durch den Nachbarn ab. Vor diesem Hintergrund bildet es keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit ausnahmsweise auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung, wenn das Berufungsgericht das Verhalten der Beklagten als Behinderung der Sanierung des Rechtsmangels beurteilt hat.

[33] 3. Folge des Unterlassens der erforderlichen, dem Beklagten zumutbaren Mitwirkung zur Mängelbehebung ist zum einen, dass die „Fristsetzung“durch den Beklagten diesen nicht zur Wandlung berechtigt. Die fehlende Kooperation ist aber auch für dessen Leistungsverweigerungsrecht schädlich.

[34] Dem Werkbesteller steht zwar bis zur völligen Erfüllung der Verbindlichkeit des Werkunternehmers, also bis zur vollständigen Verbesserung bestehender Mängel, grundsätzlich das die Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags (§ 1052 ABGB) begründende Leistungsverweigerungsrecht zu. Dieses erlischt allerdings, sobald der Besteller die Fertigstellung des Werks durch den Unternehmer verhindert oder unmöglich macht oder wenn er das noch unvollendete Werk von einem Dritten vervollständigen lässt (RS0021925 [T8]; RS0019929 [T16]; RS0021814). Der Besteller verliert das Recht zur Zurückbehaltung des Werklohns auch dann, wenn er unberechtigterweise die vom Unternehmer beabsichtigte Verbesserung des vorhandenen Mangels ablehnt (6 Ob 6/22h; RS0021684 [T1]) oder die nötige Kooperation zur Mängelbehebung durch den Verpflichteten unterlässt (RS0019929 [T18]).

[35] 4. Zusammengefasst ging das Berufungsgericht von einem richtigen Verständnis der von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu den Voraussetzungen des Rechts auf Aufhebung des Vertrags und des Leistungsverweigerungsrechts entwickelten Grundsätze aus. Dessen Einzelfallbeurteilung hält sich im Rahmen dieser Rechtsprechung und des den Gerichten dabei zum Teil eingeräumten Ermessensspielraums. Daher war die Revision mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO als unzulässig zurückzuweisen.

[36] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296).

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