OGH 4Ob204/22m

OGH4Ob204/22m20.12.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, MMag. Matzka und Dr. Annerl sowie die Hofrätin Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. *, vertreten durch Mag. Markus Passer, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei * GmbH, *, vertreten durch Mag. Stefan Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 2. September 2022, GZ 33 R 37/22m‑39, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00204.22M.1220.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin, eine Fachärztin für Kinder‑ und Jugendheilkunde, ist Inhaberin einer aus ihrem Vor‑ und Zunamen in Großbuchstaben bestehenden Wortmarke. Sie betreibt unter der Domain „*.net“ eine Website, auf der sie ihre Ordination und ihre ärztlichen Leistungen bewirbt.

[2] Die Beklagte betreibt unter der Domain „*.at“ ein Webportal mit einem Verzeichnis der in Österreich ansässigen Ärzte, auf dem Internetnutzer nach Ärzten suchen und diese bewerten können. Die Beklagte benützt den Namen bzw die Marke der Klägerin als Metatag.

[3] Die Klägerin will der Beklagten – mit Haupt- und sechs Eventualbegehren – zusammengefasst verbieten, ihren Namen oder ihre Marke zu verwenden, insbesonders für Zwecke der Suchmaschinenoptimierung für die Website der Beklagten, was sie in erster Instanz mit Verwechslungsgefahr wegen Verstoßes gegen § 10 MSchG und § 9 UWG (Marken- und Kennzeichenrecht), weiters gegen § 43 ABGB (Namensrecht) sowie auch gegen § 1 UWG (Ausbeutung) und § 2 UWG (irreführender Eindruck eines Zusammenhangs zur Klägerin) begründete.

[4] Nachdem bereits das Sicherungsbegehren der Klägerin abgewiesen worden war (4 Ob 223/19a), wiesen die Vorinstanzen nunmehr auch das Begehren in der Hauptsache ab.

Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt dagegen keine erhebliche Rechtsfrage auf:

Rechtliche Beurteilung

[5] 1. Wer eine fremde Marke als Metatag (vgl dazu 4 Ob 308/00y) gebraucht, verstößt damit weder gegen Lauterkeitsrecht noch gegen Markenrecht, wenn er ein berechtigtes Interesse hat, die Marke zu gebrauchen, und wenn durch die Benutzung der Marke kein unzutreffender Eindruck entsteht; dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Website Informationen über die Marke enthält, an denen der Dritte ein berechtigtes Interesse hat (vgl RS0114469).

[6] 2.1. Die Klägerin hatte in der Rechtsrüge ihrer gegen die Klagsabweisung erhobenen Berufung zusammengefasst nur noch ins Treffen geführt, es liege eine Markenverletzung vor, weil die Website der Beklagten – anders als im Provisorialverfahren als bescheinigt angenommen – in der Suchmaschinen‑Trefferliste vor der Website der Klägerin aufscheine, wodurch Verwechslungsgefahr gegeben sei und fälschlicherweise der Eindruck eines wirtschaftlichen Naheverhältnisses erweckt werde. Auf der Website der Beklagten würden nur rudimentärste und mangels Wartung veraltete Informationen angezeigt, wodurch den Patienten falsche Tatsachen vorgespiegelt würden; durch die Verwendung des Namens und der Marke der Klägerin würden „der Ruf bzw die Aufmerksamkeit der Marke bzw des Namens der Klägerin schmarotzerisch ausgenutzt“, um sich durch Werbeeinnahmen zu bereichern und von der Klägerin durch den Erwerb eines Premiumprofils (mit Weiterverweis auf deren Website) direkt Geld zu erhalten. Die Aufnahme in ein Ärzteverzeichnis wäre nur dann von Vorteil, wenn aktuellste Informationen gut sichtbar bereitgestellt würden, während die falschen und fehlenden Informationen der Beklagten weder der Klägerin noch potenziellen Kunden nützen und einen „nicht quantifizierbaren Schaden“ verursachen würden.

[7] 2.2. Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs können, wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten eine Rechtsrüge ausgeführt wurde, andere Punkte in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden, jedenfalls wenn es um mehrere selbstständig zu beurteilende Rechtsfragen geht (RS0043338 [insb T13, T27]); soweit in der Revision in der Berufung nicht relevierte Rechtsfragen angesprochen werden, ist dies unbeachtlich.

[8] 3.1. Die Revision führt nunmehr ins Treffen, dass die Beklagte keine „neutrale Informationsvermittlerin“ iSv 6 Ob 198/21t (zur Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO ergangen) sei, weil sie zahlende Kunden bei der internen Reihung auf ihrer Plattform bevorzuge.

[9] In der Berufung der Klägerin wurde aber die Frage der Reihung von Ergebnissen einer Suchmaschine sowie konkret die Vorreihung der Plattform der Beklagten an sich vor der Website der Klägerin releviert, nicht jedoch die Reihung auf der Plattform selbst. Aus den Feststellungen ist Letzteres auch nicht ableitbar; aus den in der Revision angeführten Beweismitteln wiederum ergibt sich gerade nicht, dass eine von der Beklagten angeblich forcierte Vielzahl an Bewertungen auch zu einer Vorreihung auf der Plattform der Beklagten führen würde; nach den Feststellungen steht auch die Bestellung von Bewertungsbögen ebenso wie von Weiterempfehlungskarten Nichtkunden ebenso wie Kunden der Beklagten offen. Welche Form von Ungleichbehandlung in einer Gesamtschau konkret zu einem Überwiegen von Interessen der Klägerin gegenüber jenen der Beklagten und ihrer Premiumkunden führen sollte, zeigt die Revision ebenso wenig auf wie sekundäre Feststellungsmängel in diesem Zusammenhang. Es stellen sich damit keine erheblichen Rechtsfragen, zumal der Senat ohnehin bereits ausgesprochen hat, dass eine gegen Entgelt und nicht aus objektiven Gründen erfolgende Hervorhebung eines Teils von Anbietern in einem Verzeichnis durch Fotos und detailliertere Angaben gängige Praxis und den Nutzern bekannt ist, sodass darin keine Irreführung durch Täuschung über den Werbecharakter liegt (RS0124472 [T1]).

[10] 3.2.1. Der Senat hat bereits im Provisorialverfahren darauf hingewiesen, dass ein schmarotzerisches Ausbeuten besonderer Leistungen oder eine Ruf- oder Aufmerksamkeitsausnutzung von Kennzeichen voraussetzen, dass besondere Begleitumstände in Form eines unlauteren Verhaltens des beklagten Mitbewerbers hinzutreten (4 Ob 223/19a mwN). Maßfigur für die lauterkeitsrechtliche Prüfung einer gegenüber Verbrauchern angewendeten Geschäftspraktik ist ein angemessen gut unterrichteter und angemessen aufmerksamer und kritischer Durchschnittsverbraucher (RS0114366 [T5]). Für die Irreführung durch Unterlassen kommt es darauf an, a) ob wesentliche Umstände verschwiegen werden, die der Durchschnittsverbraucher zu einer informierten geschäftlichen Entscheidung benötigt, und b) ob sich dies auf sein geschäftliches Verhalten auszuwirken vermag; dabei ist c) den allenfalls beschränkten Möglichkeiten zur Informationsvermittlung Rechnung zu tragen (RS0124472).

[11] 3.2.2. Soweit die Revision nunmehr ins Treffen führt, das Geschäftsmodell der Beklagten sei schmarotzerisch, weil die Beklagte gar nicht alle österreichischen Ärzte, sondern nur 42 % davon, nämlich die niedergelassenen Ärzte in ihr Verzeichnis aufnehme, so war auch dies nicht Gegenstand ihrer Berufung. Aus dem Umstand, dass die Zielsetzung der Beklagten, einen geordneten Überblick über ärztliche Leistungen zu verschaffen (vgl 6 Ob 198/21t), sich auf den für die Arztauswahl wesentlichen niedergelassenen Bereich beziehen mag, sind auch keine Negativauswirkungen im oben dargelegten Sinne erkennbar; auch hier liegt kein rechtlicher Feststellungsmangel vor.

[12] 3.2.3. Den Ausführungen der Revision, die Beklagte übernehme nur in § 27 ÄrzteG angeführte Daten, die aber gerade nicht alle wesentlichen Daten der Ärzte beinhalten würden, werden nicht die Feststellungen zugrunde gelegt, wonach in einem Basiseintrag auf dem Portal der Beklagten Ärzte jedenfalls mit den notwendigsten, öffentlich verfügbaren Informationen gelistet werden, wie zB Namen, Fachrichtung, Telefonnummer, akzeptierte Krankenkassen, Ausbildung, Fachberechtigung und Zusatzgebiete, Ordinationszeiten und Adresse (RS0043603 [T8]). Warum Internetnutzer auf Informationssuche bei Verwendung der Plattform der Beklagten schlechter gestellt wären als ohne diese, ist nicht nachvollziehbar. Auch hier wird keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität angesprochen.

[13] 3.3.1. Zur in der Revision zuletzt angesprochenen Verwechslungsgefahr wird nur der Umstand ins Treffen geführt, dass bei Google‑Suchergebnissen zwischen Basiseinträgen wie dem der Klägerin und entgeltlichen Premiumprofilen keine Unterschiede erkennbar seien, weil beide Suchergebnisse aufwändig mit Sternchen (rich snippets) gestaltet seien und nicht zu unterscheiden sei, ob die Beklagte im Auftrag des Arztes handle.

[14] 3.3.2. Abgesehen davon, dass damit nicht mehr die Frage eines wirtschaftlichen Naheverhältnisses zwischen den Parteien so wie in der Berufung releviert angesprochen wird, weist die Revision selbst auf die Feststellungen hin, dass auf der Plattform der Beklagten die Gestaltung von entgeltlichen Premiumprofilen diese von Basisprofilen klar unterscheidbar macht. Zudem ist nicht nachvollziehbar, dass die Klägerin nun gerade etwas als zur Vermeidung von Verwechslungen geboten ansehen wollte, was von ihr zuvor kritisiert wurde, nämlich eine Ungleichbehandlung von Premium‑ und Basiskunden. Warum das in der Revision beschriebene Ergebnis des Einsatzes von „rich snippets“ einen durch Verwendung geschützter Zeichen entstehenden Eindruck wirtschaftlicher oder organisatorischer Nahebeziehungen zwischen der Klägerin und der Beklagten hervorrufen, oder ein Internetnutzer aufgrund dessen ein Angebot der Beklagten mit dem Angebot der Klägerin verwechseln und sich näher mit jenem befassen sollte, vermag die Revision nicht nachvollziehbar darzulegen. Sie zeigt auch hier keine erhebliche Rechtsfrage auf.

[15] 4. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).

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