OGH 6Ob198/21t

OGH6Ob198/21t29.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr. G* S*, 2. Ärztekammer für Wien, 1010 Wien, Weihburggasse 10–12, beide vertreten durch MMag. Dr. Susanne Binder‑Novak, Rechtsanwältin in St. Pölten, gegen die beklagte Partei D* GmbH, *, vertreten durch Mag. Stefan Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen Datenlöschung und Unterlassung, über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 30. Juli 2021, GZ 13 R 124/20f‑44, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 23. Juli 2020, GZ 27 Cg 28/19i‑39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00198.21T.0829.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagenden Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der beklagten Partei die mit 2.490,59 EUR (darin enthalten 415,10 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Erstklägerin ist Fachärztin und gerichtlich beeidete Sachverständige für Augenheilkunde und Optometrie in Wien; die Zweitklägerin die gesetzliche Interessenvertretung der in Wien tätigen Ärzte. Die Beklagte betreibt unter www.*.at ein Portal, auf dem Nutzer Ärzte in einem Verzeichnis auffinden sowie in verschiedenen Kategorien nach einem Punktesystem durch Vergabe von null bis fünf Punkten bewerten und Erfahrungsberichte schreiben können. Die Abgabe von Bewertungen und Erfahrungsberichten bedarf einer Registrierung bei der Beklagten mit frei wählbarem Benutzernamen, E‑Mail‑Adresse und Geburtsdatum sowie der Zustimmung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten.

[2] Die Erstklägerin ist mit Titel, Name, Ordinationsanschrift, Fachrichtung, Telefonnummer und Ordinationszeiten auf dem Internetportal der Beklagten auffindbar. Diese Daten sind auch auf der Internetseite www.*.at der Zweitklägerin und auf der eigenen Homepage der Erstklägerin veröffentlicht. Das Profil der Erstklägerin (kostenloses Basisprofil) ist dergestalt, dass neben der Anzeige der eben genannten Daten die Möglichkeit besteht, Bewertungen und Erfahrungsberichte zu schreiben. Die Beklagte bietet den auf ihrem Portal veröffentlichten Ärzten den Abschluss eines kostenpflichtigen Premium‑Vertrags (small, medium oder large) an, mit dem die Ärzte unter anderem ihr Profil durch Bilder und weitere Informationen über die von ihnen angebotenen Leistungen aufwändiger gestalten können.

[3] Bei jedem Profil befindet sich unterhalb der Daten eines Arztes ein „Slider“, in welchem andere Ärzte im Umkreis vorgestellt werden. Der „Slider“ weist in der oberen, rechten Ecke ein anklickbares Fragezeichen mit der zusätzlichen Beschriftung „Hilfe“ auf, woraus nach Anklicken ersichtlich ist, dass es sich bei Ärzten, die mit Portraitbild im „Slider“ angezeigt werden, um kostenpflichtige Premium‑Einträge handelt.

[4] Es steht nicht fest, dass bei Premium-Profilen, anders als bei Basis-Profilen, der „Slider“ „weitere Ärzte im Umkreis“ erst ersichtlich wird, wenn man auf der jeweiligen Seite hinunterscrollt. Ebenso wenig steht fest, dass auf den Profilen von Ärzten mit Premium-Mitgliedschaft andere Ärzte im Gegensatz zu Basisprofilen an deutlich weniger prominenter Stelle angezeigt werden und von Nutzern der Website erst nach „hinunterscrollen“ wahrgenommen werden. Schließlich steht nicht fest, dass Einträge von Ärzten mit Premium-Profilen in den Suchergebnissen vorgereiht wurden bzw werden. Diese Reihung erfolgt aufgrund von Relevanz, Entfernung, Relevanz und Entfernung sowie Gesamtbewertung. Bei der Reihung nach Relevanz kommt ein Algorithmus zur Anwendung, der unter anderem das Suchverhalten von Nutzern, die Höhe der Gesamtbewertung, die Anzahl an Bewertungen und die Anzahl der Profilaufrufe berücksichtigt.

[5] Es besteht für jeden Arzt die Möglichkeit, Bewertungen zu melden und eine Beschwerde mittels E-Mail oder Kontaktformular an die Beklagte zu richten. Die Beklagte überprüft und entscheidet dann intern, ob diese Bewertung gelöscht wird oder nicht. Bei Löschung der Bewertung kommt es nicht automatisch zur Löschung der extra abgegebenen Punktebewertung. Diese wird nur dann gelöscht, wenn der Patient „nachweislich gelogen“ hat. Zur Überprüfung der Bewertung wird mit dem Patienten Kontakt aufgenommen, der allfällige Nachweise wie E-Card-Auszug, Rechnung usw vorlegen muss. Bei bloßer Meinungsäußerung wird zwischen zulässiger und nicht zulässiger Äußerung unterschieden. Die Beklagte gibt dem bewerteten Arzt auch die Nutzerdaten des Bewerters heraus, falls sie dies für rechtlich zulässig erachtet.

[6] Die Klägerinnen begehren 1. die Löschung der veröffentlichten Daten der Erstklägerin sowie damit verknüpfter Bewertungen und Erfahrungsberichte von der Website der Beklagten sowie die Unterlassung einer erneuten Aufnahme und Verarbeitung der Daten der Erstklägerin sowie der Daten der Mitglieder der Zweitklägerin ohne schriftliche Zustimmung – hilfsweise beides beschränkt auf die verknüpften Bewertungen und Erfahrungsberichte; 2. die Unterlassung der Verwendung öffentlicher Daten der Erstklägerin und der auf dem Portal der Beklagten gelisteten Ärzte im geschäftlichen Verkehr ohne deren schriftliche Zustimmung auf der Website der Beklagten, um für andere Ärzte, die im direkten Wettbewerb mit diesen stehen, zu werben – hilfsweise die Unterlassung der Unterbreitung von Vorschlägen für andere Ärzte an die Nutzer im geschäftlichen Verkehr auf der Website der Beklagten, ohne in derselben Einblendung darauf hinzuweisen, dass die als Ärzte der jeweiligen Fachrichtung im Umkreis aufscheinenden Ärzte ausschließlich bezahlte Premiumeinträge und auch andere Ärzte derselben Fachrichtung im Umkreis vorhanden sind.

[7] Die Erstklägerin habe der Verwendung ihrer Daten zum Zweck der Verknüpfung mit Bewertungen nicht zugestimmt. Es sei in der Vergangenheit auf dem Portal der Beklagten mehrfach zu persönlich angreifenden, unwahren und rufschädigenden Bewertungen gekommen. Die Beklagte sei der Aufforderung, diese zu löschen, nur teilweise nachgekommen. Die Beklagte sorge nicht ausreichend dafür, dass ein Missbrauch ihres Portals ausgeschlossen werde. Die Erstklägerin werde dadurch in ihrem Recht auf Datenschutz sowie in ihrem Persönlichkeitsrecht beeinträchtigt.

[8] Die Beklagte fördere auch den Wettbewerb anderer Ärzte, indem unterhalb des automatisch erstellten kostenlosen Profils eines Arztes automatisch andere Ärzte des gleichen Fachgebiets vorgeschlagen werden, bei denen es sich um kostenpflichtige Premium-Profile handle, ohne dass dies als Werbung gekennzeichnet sei. Dabei handle es sich um eine irreführende Geschäftspraxis nach § 2 Abs 4 UWG. Mangels Einverständnisses der Erstklägerin oder der anderen Ärzte, die nicht Premium-Kunden seien, dass mit ihren Daten für Premium-Kunden geworben werde, liege auch ein Verstoß gegen § 1 UWG vor.

[9] Die Beklagte hält dem im Wesentlichen entgegen, es handle sich um ein transparentes, im Einklang mit den Bestimmungen des allgemeinen Persönlichkeits- und Datenschutzrechts sowie des UWG stehendes Portal. Die Bewertung der Ärzte sei vom Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit geschützt, die die Rechte der Klägerin überwiegen würden. Es bestehe eine entsprechende Missbrauchskontrolle und ein ausreichendes Rechtsschutzsystem.

[10] Das Erstgerichtwies das Klagebegehren ab. Eine Verletzung der §§ 16, 43 ABGB und des Rechts auf Datenschutz durch Verknüpfung der veröffentlichten Daten mit den Bewertungen und Kommentaren sei aufgrund der durchzuführenden Interessenabwägung zu verneinen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die Beklagte ihre Position als „neutrale Informationsvermittlerin“ nicht verlassen habe, weil die Anzeige von anderen in Frage kommenden Ärzten sowohl auf Profilen von Basis- als auch auf Profilen von Premium-Mitgliedern erscheine; auch bestünden ausreichend Instrumente zur Reaktion auf falsche Behauptungen im Rahmen der Bewertungen. Eine unlautere oder irreführende Geschäftspraktik – lediglich für diesbezügliche Ansprüche bestehe eine Aktivlegitimation auch der Zweitklägerin (§ 14 UWG) – liege nicht vor, vor allem habe keine Vorreihung von Premium-Mitgliedern bei der Nutzersuche festgestellt werden können. Zudem sei für den durchschnittlichen Nutzer eines kostenlos zugänglichen, über Werbung finanzierten Verzeichnisses durch den Umstand, dass sich Einträge durch Fotos und inhaltlich aufwändigere Gestaltung von den anderen unterscheiden, ausreichend erkennbar, dass es sich um kostenpflichtige Einträge handle.

[11] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es teilte im Wesentlichen die Ansicht des Erstgerichts und war der Auffassung, ein noch abzuwehrender, auf §§ 16, 43 ABGB gestützter Eingriff in die Persönlichkeitsrechte der Erstklägerin sei nicht erwiesen. Die Veröffentlichung der mit Bewertungen verknüpften Daten der Erstklägerin verstoße nicht gegen deren Persönlichkeitsrechte und sei nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO rechtmäßig, weil aufgrund ausreichender Schutzmechanismen eine geringere Gewichtung des Rechts auf Informations‑ und Kommunikationsfreiheit sowie freie Meinungsäußerung gegenüber derSozialsphäre, in der sich die Erstklägerin auf Kritik an ihren beruflichen Leistungen einstellen müsse, nicht gerechtfertigt sei. Zum behaupteten Unterlassungsanspruch nach UWG hielt das Berufungsgericht fest, dass keine aufdringliche Werbung für andere Ärzte vorliege; aufgrund der unterschiedslosen Anzeige des „Sliders“ mit Alternativärztenin Premium‑ und Basisprofilen könnenicht von aggressiver oder irreführender Werbung ausgegangen werden. Es liege auch keine mit der Entscheidung 4 Ob 1/13w vergleichbare Situation vor, weil dort insbesondere die Verletzung des Hausrechts für die Annahme einer unlauteren Praxis ausschlaggebend gewesen sei.

[12] Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung dazu vorliege, ob ein Anspruch auf vollständige Löschung von – teilweise auch schon vorher öffentlich zugänglichen – Daten bei Verarbeitung/Speicherung personenbezogener Daten unter Schaffung neuer Daten aufgrund der Verknüpfung mit Bewertungen durch Benutzer bestehe, ebenso wenigzur Gewichtung bei der vorzunehmenden Interessenabwägung zwischen den Persönlichkeitsrechten, wie von der Erstklägerin geltend gemacht, und dem Recht auf freie Meinungsäußerung bzw Kommunikationsfreiheit auf der anderen Seite, sowie zum allfälligen Eingriff in den Wettbewerb durch Gestaltung der Website auf einem Suchportal dergestalt, dass beim Aufruf eines konkreten Arztes in dessen Profil durch Einblendung eines Querbalkens Informationen zu örtlich konkurrierenden Ärzten angezeigt werden.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die Revision der Klägerinnen ist wegen der Vielzahl betroffener Ärzte im Interesse der Rechtssicherheit zulässig; sie ist aber nicht berechtigt.

[14] 1. Die geltend gemachte Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft, sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO).

[15] 2. Weder in der Berufung noch in der Revision wendet sich die Zweitklägerin gegen die Beurteilung der Vorinstanzen, ihr fehle als Verband die Aktivlegitimation für die Geltendmachung von Verletzungen von Persönlichkeitsrechten Dritter, darunter insbesondere deren Recht auf Datenschutz; dies gelte auch, soweit solche als Rechtsbruch iSd § 1 UWG geltend gemacht werden (vgl 4 Ob 84/19k [ErwGr 1.4 und 3.3]). Schon deshalb muss darauf nicht näher eingegangen werden.

[16] 3. Den erstgerichtlichen Ausführungen, wonach die „Erstklägerin seit 2011 rund 15 falsche kreditschädigende Bewertungen wahrgenommen und davon vier der beklagten Partei gemeldet [hat], wovon drei dieser Bewertungen letztendlich gelöscht wurden“, lässt sich nicht entnehmen, ob und welche konkreten Tatsachen, die den Kredit, den Erwerb oder das Fortkommen der Erstklägerin gefährden und deren Unwahrheit erwiesen wäre, durch noch vorhandene Bewertungen der Erstklägerin verbreitet werden. Das Berufungsgericht hat überdies zutreffend darauf hingewiesen, dass die Erstklägerin im vorliegenden Fall nicht die Unterlassung oder die Löschung einzelner konkreter rufschädigender Bewertungen begehrt, sondern die Löschung des Profils der Erstklägerin (in eventu sämtlicher verknüpfter Bewertungen) schlechthin. Dieses Begehren kann die Erstklägerin daher im vorliegenden Fall nicht erfolgreich allein auf § 1330 ABGB stützen (zur umfassenden Interessenabwägung im Rahmen des Art 6 Abs 1 lit f DSGVO siehe sogleich).

[17] 4. Die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Erstklägerin durch die Beklagte ist gemäß Art 6 Abs 1 lit f DSGVO rechtmäßig:

[18] 4.1. Nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO ist die Verarbeitung personenbezogener Daten unter drei kumulativen Voraussetzungen zulässig: Erstens muss von dem für die Verarbeitung Verantwortlichen (hier also der Beklagten) oder von einem Dritten (hier den Nutzern des Portals) ein berechtigtes Interesse wahrgenommen werden, zweitens muss die Verarbeitung der personenbezogenen Daten zur Verwirklichung des berechtigten Interesses erforderlich sein und drittens dürfen die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Person, deren Daten geschützt werden sollen, nicht überwiegen (6 Ob 129/21w [ErwGr 3.3.]; 6 Ob 150/19f [ErwGr 6]; EuGH C‑597/19 , Mircom vs Telenet, ECLI:EU:C:2021:492 Rz 106).

[19] 4.2. Das Interesse an der Datenverarbeitung ist weit zu verstehen. In Betracht kommen rechtliche, wirtschaftliche und ideelle Interessen (6 Ob 129/21w [ErwGr 4.1.]). Mit der gegenständlichen Datenverarbeitung nimmt die Beklagte sowohl eigene berechtigte Interessen als auch berechtigte Interessen der Nutzer ihres Portals wahr:

[20] 4.2.1. Mit dem von ihr betriebenen Bewertungsportal und der (möglichst) vollständigen Aufnahme aller Ärzte verschafft die Beklagte der ihr Portal nutzenden Öffentlichkeit zunächst einen geordneten Überblick darüber, von wem und wo welche ärztlichen Leistungen angeboten werden. Mit der Sammlung, Speicherung und Weitergabe der Bewertungen vermittelt sie der das Portal nutzenden Öffentlichkeit darüber hinaus einen Einblick in persönliche Erfahrungen und subjektive Einschätzungen von Patienten des jeweiligen Arztes, die der jeweilige Nutzer bei seiner eigenen Arztwahl berücksichtigen kann. Das Interesse der Beklagten an dem Betrieb des Portals fällt damit zunächst in den Schutzbereich von Art 10 EMRK und Art 11 GRC, der schon nach seinem Wortlaut nicht nur die Äußerung der eigenen Meinung, sondern auch die Weitergabe fremder Meinungen und Informationen schützt (vgl 6 Ob 129/21w [ErwGr 4.2.]; so auch BGH VI ZR 692/20 Rn 19 [Ärztebewertung VI] und VI ZR 489/19 Rn 28 [Ärztebewertung V]). Darüber hinaus gehört der Portalbetrieb, mit dem die Beklagte einen von der Rechtsordnung grundsätzlich gebilligten Zweck erfüllt (vgl 6 Ob 129/21w [ErwGr 4.6.]; vgl auch BGH VI ZR 692/20 Rn 19 [Ärztebewertung VI] und VI ZR 489/19 Rn 28 [Ärztebewertung V]), auch in seiner Ausprägung als Geschäftsmodell zur von Art 16 GRC geschützten gewerblichen Tätigkeit der Beklagten. Mit der damit verbundenen Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Erstklägerin nimmt sie somit eigene berechtigte Interessen wahr (vgl BGH VI ZR 692/20 Rn 19 [Ärztebewertung VI] und VI ZR 489/19 Rn 28 [Ärztebewertung V]).

[21] 4.2.2. Berechtigte Nutzerinteressen nimmt die Beklagte mit dem Betrieb ihres Portals und der damit verbundenen Verarbeitung der personenbezogenen Daten (auch) der Erstklägerin insoweit wahr, als sie den Nutzern dadurch die von Art 10 EMRK und Art 11 GRC geschützte Abgabe und Verbreitung einer Meinung ermöglicht und anderen die – ebenfalls von Art 11 GRC erfasste – Möglichkeit verschafft, davon Kenntnis zu nehmen (vgl 6 Ob 129/21w [ErwGr 4.4.]; so auch BGH VI ZR 692/20 Rn 20 [Ärztebewertung VI] und VI ZR 489/19 Rn 29 [Ärztebewertung V]).

[22] 4.3. Die Verarbeitung der genannten personenbezogenen Daten der Klägerin ist zur Verwirklichung der berechtigten Interessen der Beklagten und ihrer Nutzer erforderlich:

[23] 4.3.1. Voraussetzung dafür ist, dass kein milderes, gleich effektives Mittel zur Verfügung steht, um diese Interessen zu erreichen (6 Ob 129/21w [ErwGr 5.1.]).

[24] 4.3.2. Für den Betrieb des Bewertungsportals ist die von der Beklagten vorgenommene Verarbeitung der personenbezogenen Daten der im Portal – möglichst vollständig – gelisteten Ärzte unabdingbar. Denn ohne deren hinreichende Identifizierbarkeit wäre ein solches Portal weder in der Lage, den Portalnutzern einen Überblick über die für sie und ihr Leiden infrage kommenden Ärzte zu verschaffen, noch, diese von den Nutzern des Portals bewerten zu lassen. Die sich auf Namen, berufsbezogene Informationen und abgegebene Bewertungen beschränkende Darstellung auf den Basis-Profilen erfüllt diesen Zweck und geht über das insoweit unbedingt Notwendige nicht hinaus (vgl 6 Ob 129/21w [ErwGr 4.4.]; so auch BGH VI ZR 692/20 Rn 20 [Ärztebewertung VI] und VI ZR 489/19 Rn 29 [Ärztebewertung V]). Auch die Missbrauchsmöglichkeit, etwa im Wege von Bewertungen durch Personen, die gar keine Patienten des betroffenen Arztes waren, steht diesem Befund nicht entgegen. Die mit derartigen Missbräuchen verbundenen Gefahren für die Persönlichkeitsrechte der bewerteten Ärzte sind aber in die Abwägung, ob die Grundrechte und Grundfreiheiten des Betroffenen gegenüber den mit der Datenverarbeitung verfolgten Interessen überwiegen, einzubeziehen (6 Ob 129/21w [ErwGr 5.4.]).

[25] 4.4. Die Interessen oder Grundrechte und Grundfreiheiten der Erstklägerin überwiegen im vorliegenden Fall die von der Beklagten mit dem Portalbetrieb wahrgenommenen berechtigten Interessen nicht:

[26] 4.4.1. Der deutsche Bundesgerichtshof hat sich bereits in mehreren Entscheidungen mit einem vergleichbaren Ärztebewertungsportal auseinandergesetzt (VI ZR 692/20 [Ärztebewertung VI]; VI ZR 489/19 [Ärztebewertung V]; VI ZR 488/19 [Ärztebewertung IV]; vgl auch VI ZR 30/17 [Ärztebewertung III]; VI ZR 358/13 [Ärztebewertung II]) und zu den Grundsätzen der Interessenabwägung nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO wiederholt ausgeführt (zuletzt VI ZR 692/20 [Ärztebewertung VI] Rn 23 f), dass dabei zugunsten des bewerteten Arztes außer dem Recht auf Schutz seiner personenbezogenen Daten gemäß Art 8 GRC die nicht unerheblichen Gefahren für seinen sozialen und beruflichen Geltungsanspruch (Art 7 GRC) sowie den wirtschaftlichen Erfolg seiner selbständigen Tätigkeit (Art 16 GRC) zu berücksichtigen sind, die seine Aufnahme in das von der Beklagten betriebene Portal und die damit verbundene Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten mit sich bringen kann. Die Bewertungen der Ärzte können die Arztwahl behandlungsbedürftiger Personen beeinflussen und sich dadurch unmittelbar auf den Wettbewerb mit anderen Ärzten auswirken und damit im Falle negativer Bewertungen sogar die berufliche Existenz des Bewerteten gefährden. Auch die Breitenwirkung des Bewertungsportals der Beklagten ist erheblich.

[27] Auf der anderen Seite steht – neben dem ebenfalls geschützten Eigeninteresse der Beklagten am Betrieb ihres Portals – das ganz erhebliche Interesse, das die Öffentlichkeit an den im Portal der Beklagten angebotenen Informationen und Möglichkeiten hat. Das Portal der Beklagten kann dazu beitragen, dem Patienten bei der Ausübung der Arztwahl die aus seiner Sicht erforderlichen Informationen zur Verfügung zu stellen, und ist grundsätzlich geeignet, zu mehr Leistungstransparenz im Gesundheitswesen beizutragen. Diesen Zweck kann es allenfalls (nur) noch eingeschränkt erfüllen, wenn es von der Zustimmung der bewerteten Ärzte abhängig wäre, die – etwa im Fall einer schwächeren Bewertung – zurückgenommen werden könnte.

[28] Der erkennende Senat schließt sich diesen Erwägungen an.

[29] 4.4.2. Ausgehend davon führen die hier vorliegenden Umstände nicht zur Unzulässigkeit der Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Erstklägerin.

[30] 4.4.3. Soweit die Revision der Ansicht ist, es sei die Entscheidung des einzelnen Arztes, sich bewerten zu lassen oder nicht, genügt der Hinweis, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht kein Recht vermittelt, in der Öffentlichkeit so dargestellt zu werden, wie es dem eigenen Selbstbild und der beabsichtigten öffentlichen Wirkung entspricht (6 Ob 100/20d [ErwGr 2.3.3.]; so auch BGH VI ZR 692/20 Rn 32 [Ärztebewertung VI] zu Art 7 und 8 GRC).

[31] 4.4.4. Die nach Art 6 Abs 1 lit f DSGVO gebotene Abwägung hängt von den konkreten Umständen des betreffenden Einzelfalls ab (vgl EuGH C‑597/19 , Mircom vs Telenet, ECLI:EU:C:2021:492 Rz 111).

[32] 4.4.5. Anders als der höchstpersönliche Lebensbereich genießt die Sozialsphäre, in der der Betroffene als in Gemeinschaft stehender Mensch in Kommunikation mit Außenstehenden tritt, keinen so weitgehenden Schutz. Hier muss er sich auf die Beobachtung und Bewertung seines Verhaltens einstellen. Dies gilt in umso höherem Maße, je intensiver sich eine Person im öffentlichen und sozialen Leben betätigt (6 Ob 129/21w [ErwGr 6.2.]). In seinem beruflichen Bereich muss sich der selbständig Tätige auf die Beobachtung seines Verhaltens durch die breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit für andere hat, und auf Kritik an seinen Leistungen einstellen (so auch BGH VI ZR 692/20 [Ärztebewertung VI] Rn 19; vgl 6 Ob 129/21w [ErwGr 6.7.2.]). In diesem Bereich ist die Gefahr schlechter Bewertungen grundsätzlich hinzunehmen (vgl BGH VI ZR 692/20 [Ärztebewertung VI] Rn 25), weil jede Beurteilung inhaltsleer würde, wenn schlechte Bewertungen bereits per se beanstandet werden könnten (vgl 6 Ob 129/21w [ErwGr 6.8.1.]).

[33] 4.4.6. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass das Portal der Beklagten dazu missbraucht wird, kreditschädigende oder beleidigende Aussagen bezüglich eines Arztes zu verbreiten, insbesondere aufgrund der den Nutzern eingeräumten Möglichkeit, zu den Punktebewertungen Erfahrungsberichte zu schreiben. Auch ist durch die festgestellte Art der Registrierung als Nutzer des Portals weder sichergestellt, dass der Beklagten die Identität der eine unzulässige Bewertung abgebenden Person bekannt ist, noch, dass diese tatsächlich Patient des bewerteten Arztes war (vgl 6 Ob 129/21w [ErwGr 6.5.1.]). An der Verbreitung von Beleidigungen, unwahrer rufschädigender Tatsachenbehauptungen oder von Wertungsexzessen besteht kein von der Meinungsäußerungsfreiheit gedecktes Interesse (vgl 6 Ob 129/21w [ErwGr 6.4. und 6.5.3.]).

[34] Ob diese Missbrauchsmöglichkeiten die gegenständliche Datenverarbeitung unzulässig machen, hängt davon ab, wie intensiv die zur Missbrauchsverhinderung denkbaren Maßnahmen sämtliche in die Interessenabwägung einzubeziehenden Grundrechte einschränken (6 Ob 129/21w [ErwGr 6.5.4.]). Zu beurteilen ist dabei, ob die Missbrauchsgefahr derart massiv in die Interessen der Erstklägerin eingreift, dass sie die berechtigten Interessen der Beklagten und der Nutzer der streitgegenständlichen Datenverarbeitung überwiegen.

[35] Die Revision verweist zwar auf die Gefahr, dass Bewertungen von Personen abgegeben werden, die nicht Patienten der Erstklägerin waren, geht darauf aber nicht näher ein.

[36] Der Senat hat jüngst mit ausführlicher Begründung und unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte dargelegt, bei anonymen Äußerungen bestehe immer die Möglichkeit, dass Personen Leistungen bewerten, obwohl sie mangels persönlicher Erfahrungen redlicher Weise keine subjektive Einschätzung abgeben dürften. Die Möglichkeit anonymer Meinungsäußerung im Internet darf dennoch nicht schlechthin unterbunden werden, sondern es hat eine Interessenabwägung stattzufinden. Das bedeutet, dass Personen, die von missbräuchlichen Bewertungen betroffen sind, einen derartigen Missbrauch bis zu einem gewissen Grad hinzunehmen haben (6 Ob 129/21w [ErwGr 6.6.3. f]).

[37] Eine Authentifizierung könnte im vorliegenden Fall lediglich durch die Angabe der Klarnamen der bewertenden Personen sowie der Vorlage von Nachweisen, Patient eines bestimmten Arztes gewesen zu sein, erfolgen. Eine solche Präventivmaßnahme würde aber insbesondere bei Personen, die tatsächlich Patient des betreffenden Arztes waren oder noch sind, die Bereitschaft zur Vornahme von Bewertungen – insbesondere kritischer – herabsetzen. Überdies würde damit jede Bewertung von einer Preisgabe von Umständen des höchstpersönlichen Lebensbereichs, der jedenfalls die Gesundheit erfasst und den Kernbereich der geschützten Privatsphäre darstellt (RS0008990 [T11]), zumindest gegenüber der Beklagten abhängig gemacht. Unter solchen Umständen bestünde die Gefahr, dass eigentlich bewertungswillige Patienten von der Abgabe einer Bewertung absehen (vgl auch BGH VI ZR 358/13 Rn 41 [Ärztebewertung II] und VI ZR 30/17 Rn 15 [Ärztebewertung III]).

[38] Betreffend die angesprochene Gefahr der Verbreitung kreditschädigender oder beleidigender Aussagen hat bereits das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Erstklägerin dieser Gefahr nicht gänzlich schutzlos ausgesetzt ist. Zwar mag eine öffentliche Reaktion auf eine Bewertung aufgrund der ärztlichen Verschwiegenheitspflicht (§ 54 ÄrzteG) nicht in allen Fällen möglich sein. Die Erstklägerin kann sich jedoch an die Beklagte wenden und die Beseitigung der rechtswidrigen Inhalte verlangen. Dafür hat die Beklagte nach den Feststellungen auch ein Melde- und Beschwerdesystem eingerichtet. Kommt die Beklagte dem nicht nach, kann der Anspruch gerichtlich durchgesetzt werden (§ 16 Abs 1 ECG; vgl 4 Ob 36/20b; 6 Ob 195/19y). Dass unzulässige Äußerungen nicht sofort nach ihrer Einstellung wieder gelöscht werden, ist dabei ein systemimmanenter Umstand (vgl BGH VI ZR 692/20 Rn 41 [Ärztebewertung VI]: „von den Betroffenen hinzunehmen“).

[39] Die Erstklägerin bestreitet ohnehin nicht, dass daneben gegen die Beklagte auch ein Anspruch auf Herausgabe der Nutzerdaten nach § 18 Abs 4 ECG besteht (RS0127160), dies mit dem Ziel, die Identität des Rechtsverletzers festzustellen, um zivilrechtliche Ansprüche gegen ihn durchsetzen zu können. Zutreffend ist allerdings ihr Hinweis darauf, dass dies bei „anonymen“ Nutzern im Ergebnis ins Leere gehen wird.

[40] Im gegebenen Zusammenhang ist wesentlich, dass die Bewertung allein die von der Öffentlichkeit wahrnehmbare berufliche Tätigkeit der Erstklägerin betrifft, die nur einen geringeren Schutz beanspruchen kann als die Privatsphäre (dazu Punkt 4.4.5.; vgl auch BGH VI ZR 358/13 Rn 34 ff [Ärztebewertung II]). Der Eingriff in die Interessen der Erstklägerin am Unterbleiben der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten durch diese Missbrauchsgefahren ist daher – auch im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung – nicht höher zu bewerten als die bereits erörterten berechtigten Interessen der Beklagten und der Nutzer der streitgegenständlichen Datenverarbeitung.

[41] 4.4.7. Auch dass die Beklagte im Fall der Löschung eines unzulässigen (Freitext-)Erfahrungsberichts die vergebene Punktebewertung nur löscht, wenn der Ersteller der Bewertung nachweislich gelogen hat, führt nicht zu einem überwiegenden Interesse der Erstklägerin am Unterbleiben der beanstandeten Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten.

[42] Beleidigungen iSd § 1330 Abs 1 ABGB sind durch bloße Punktebewertungen von vornherein ausgeschlossen (6 Ob 129/21w [ErwGr 6.8.1.]). Es wurde bereits dargelegt, dass die Erstklägerin im vorliegenden Fall die Gefahr schlechter Bewertungen grundsätzlich hinzunehmen hat. Selbst wenn einzelnen Bewertungskategorien eine Tatsachenbasis zugrunde liegen mag, stellen die einzelnen abgegebenen (bloßen) Punktebewertungen dennoch keine Tatsachenbehauptungen, sondern Werturteile dar, weil die subjektive Einordnung auf einer Skala von null bis fünf Punkten nicht objektiv auf ihre Richtigkeit überprüft werden kann (zu Bewertungen durch Personen, die keine Patienten waren, siehe Punkt 4.4.6.). Genauso wenig können die Durchschnittsbewertungen als Tatsachenbehauptung qualifiziert werden. Unsachliche Motivationslagen einzelner Bewertender können durch die Gestaltung des Portals schon grundsätzlich nicht vermieden werden. Vielmehr sind auch unsachlich motivierte Werturteile von der Meinungsäußerungsfreiheit erfasst, solange kein Wertungsexzess vorliegt (6 Ob 129/21w [ErwGr 6.8.3. f]).

[43] Für die passiven Nutzer des Portals ist zudem klar ersichtlich, dass in die Gesamtbeurteilung eines Arztes sowie in die Bewertungen der einzelnen Kategorien die subjektiven Einschätzungen mehrerer Personen eingeflossen sind. Sie werden den jeweiligen Punkte-Angaben daher nur die Bedeutung beimessen, eine Tendenz bzw eine gemittelte Stimmungslage widerzuspiegeln (6 Ob 129/21w [ErwGr 6.8.2.]). Von einem fehlenden Informationsgehalt der Gesamtbewertung(en) für die Nutzer durch ein Verbleiben der Punktebewertung nach Löschung (nur) des Erfahrungsberichts kann daher ebenfalls nicht gesprochen werden, zumal bei der Gesamtbewertung ersichtlich ist, wieviele Einzelbewertungen in diese eingeflossen sind.

[44] 4.4.8. Soweit die Erstklägerin auf den erheblichen Aufwand hinweist, der ihr durch die Prüfung und Verfolgung der Bewertungen entstehe, ist ihr entgegenzuhalten, dass sie sich aufgrund ihrer Tätigkeit als freiberufliche Ärztin, die ihre Leistungen in Konkurrenz zu anderen Ärzten öffentlich anbietet, von vornherein auf die Beobachtung ihres Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit und auf Kritik an ihren Leistungen einstellen muss (siehe Punkt 4.4.5.). Die Beeinträchtigung durch den genannten Aufwand führt daher nicht dazu, dass die Interessen der Klägerin die der Beklagten und Dritter überwiegen (so auch BGH VI ZR 692/20 [Ärztebewertung VI] Rn 35).

[45] 4.4.9. Aus dem selben Grund kann sich die Erstklägerin, die ihre personenbezogenen beruflichen Daten (auch) selbst auf ihrer Homepage veröffentlicht hat, ungeachtet der mangelnden Deckung in den Feststellungen nicht darauf berufen, es sei für sie nicht absehbar gewesen, dass diese Daten zur Generierung neuer Daten durch die Verknüpfung mit Bewertungen und Erfahrungsberichten verwendet werden könnten.

[46] Schon vor dem Hintergrund, dass die gemäß § 27 Abs 1 ÄrzteG von der Zweitklägerin auf einer Website öffentlich zugänglich zu machende Ärzteliste (auch) dem Schutz der Gesundheit der Bevölkerung dient, die sich dadurch jederzeit darüber informieren kann, wer in welcher Form zur Ausübung des ärztlichen Berufs berechtigt ist (ErläutRV 1357 BlgNR 25. GP  4; vgl 6 Ob 48/16a [ErwGr 2.1.]), vermag auch der Einwand der Revision nicht zu überzeugen, die Verwendung der dort (veröffentlichten) Daten der Erstklägerin durch die Beklagte sei nicht mit dem ursprünglichen Zweck der Datenverarbeitung vereinbar.

[47] Der Hinweis der Revision auf ErwGr 47 und 50 DSGVO verfängt daher nicht.

[48] 4.4.10. Dass der Portalbetrieb auch der Gewinnerzielung der Beklagten dient, mit der sie eigene berechtigte Interessen wahrnimmt (siehe Punkt 4.2.1.), führt nicht per se zum Überwiegen der Interessen der Erstklägerin.

[49] Entscheidend ist, ob dem ohne seine Einwilligung im Portal der Beklagten geführten Arzt durch die konkrete Gestaltung des Bewertungsportals ein Nachteil droht, der über die Verarbeitung seiner für den Portalbetrieb erforderlichen personenbezogenen Daten (Name, Fachrichtung, Praxisanschrift, weitere Kontaktdaten) als solche und die mit der Bewertungsmöglichkeit verbundenen, von jedem Arzt grundsätzlich hinzunehmenden Gefahren nicht nur unerheblich hinausgeht (so auch BGH VI ZR 692/20 Rn 26 [Ärztebewertung VI]).

[50] Verlässt die Beklagte im Portalbetrieb ihre Stellung als „neutrale Informationsmittlerin“, mit der sie vor allem die Interessen der Nutzer (siehe oben Punkt 4.2.2.) und der Öffentlichkeit wahrnimmt, kann sich das bei der Interessenabwägung zu ihrem Nachteil auswirken. Maßgeblich ist dabei, welche konkreten Vorteile die Beklagte zahlenden gegenüber nichtzahlenden Ärzten gewährt und ob die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung in einer Gesamtschau mit allen anderen Umständen des konkreten Einzelfalls dazu führt, dass die Interessen des gegen seinen Willen in das Portal aufgenommenen Arztes die berechtigten Interessen der beklagten Portalbetreiberin und vor allem der Portalnutzer überwiegen (so auch BGH VI ZR 692/20 Rn 25 [Ärztebewertung VI]).

[51] Der Umstand, dass in jedem Arztprofil andere Ärzte im Umkreis mittels eines „Sliders“ angezeigt werden, wobei die Feststellungen keine Vorreihung der (bezahlten) Premiumprofile oder deren Bevorzugung durch eine Anzeige des „Sliders“ an deutlich weniger prominenter Stelle ergaben, führt jedoch nicht zu einer Benachteiligung der Erstklägerin. Denn ein solcher Hinweis auf weitere, für den suchenden Nutzer möglicherweise interessante Ärzte entspricht grundsätzlich der Funktionsweise eines Arztsuchportals. Eine Benachteiligung der Erstklägerin gegenüber konkurrierenden Ärzten, insbesondere durch „Umleitung“ präsumtiver Patienten zu zahlenden Kunden der Beklagten (vgl BGH VI ZR 30/17 Rn 18 f [Ärztebewertung III]), ergibt sich daraus nicht.

[52] Es wurde bereits ausgesprochen, dass die mittlerweile gängige Praxis, dass in einem Verzeichnis verschiedener Anbieter (etwa auch dem Branchenverzeichnis als Teil des Allgemeinen Telefonbuchs) ein Teil von ihnen gegen Entgelt durch Fotos und detailliertere Angaben hervorgehoben wird, den Nutzern bekannt ist. Für den Durchschnittsadressaten besteht unter solchen Umständen kein Zweifel daran, dass es sich bei aufwändiger gestalteten Einschaltungen in vergleichbaren Verzeichnissen um bezahlte Anzeigen handelt (4 Ob 84/19k [ErwGr 4.6.]). Dass zahlenden Ärzten in größerem Umfang als der (nichtzahlenden) Erstklägerin die Möglichkeit eingeräumt wird, auf ihrem Profil von ihnen angebotene Leistungen anzugeben, führt daher im Rahmen der erforderlichen Gesamtabwägung nicht dazu, dass die Interessen der Erstklägerin am Unterbleiben der Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten die Interessen der Beklagten und ihrer Nutzer an dieser Datenverarbeitung überwiegen (vgl auch BGH VI ZR 489/19 [Ärztebewertung V] Rn 50 ff). Daran würde auch der in der Revision angeführte Umstand nichts ändern, dass die im Gegensatz zu den Basisprofilen in den Premiumprofilen bestehende Rubrik „beliebte Leistungen“ vor dem „Slider“ mit den anderen Ärzten im Umkreis angeordnet ist.

[53] 5. Auch auf das UWG können die Kläger die geltend gemachten Ansprüche nicht stützen:

[54] 5.1. Es wurde bereits dargelegt, dass eine Verletzung von Persönlichkeitsrechten der Erstklägerin nicht vorliegt. Damit scheidet auch ein diesbezüglicher Rechtsbruch (§ 1 UWG) aus.

[55] 5.2. Entgegen der Ansicht der Revision mangelt es der vorliegenden Einblendung eines „Sliders“ mit konkurrierenden Ärzten auf dem Profil von Mitbewerbern auf dem Portal der Beklagten und der der Entscheidung 4 Ob 1/13w zugrundeliegenden Konstellation, die Werbung unmittelbar im Geschäftslokal eines Mitbewerbers betraf, an Vergleichbarkeit: Wie bereits das Berufungsgericht hervorgehoben hat, basierte die Annahme unlauterer Werbung gemäß § 1 Abs 1 Z 1 UWG qua Wettbewerbsvorsprungs durch Rechtsbruch dort auf der Verletzung des Hausrechts, das gegenständlich nicht berührt ist. Weshalb einem von der Beklagten erstellten kostenlosen Profil eines Arztes auf ihrem Portal eine vergleichbare Qualität zukommen sollte, legt die Revision nicht nachvollziehbar dar.

[56] 5.3. Dass das Portal der Beklagten die Werbebeschränkungen des § 53 ÄrzteG iVm § 5 Abs 1 und 2 der Werberichtlinie der ÖÄK verletzt, etwa durch konkret unsachliche, unwahre oder das Standesansehen beeinträchtigende Informationen im Sinne einer wiederholten auffälligen reklamehaften Namensnennung, ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen (vgl auch 4 Ob 84/19k [ErwGr 2.9.] zu einem Verzeichnis der Psychotherapeuten).

[57] 5.4. Es wurde bereits dargelegt, dass im vorliegenden Fall für den Durchschnittsadressaten kein Zweifel daran besteht, dass es sich bei den aufwändiger gestalteten Einträgen im Portal der Beklagten um bezahlte Einschaltungen handelt. Daraus kann eine Irreführung der Nutzer iSd § 2 Abs 4 Z 2 UWG – etwa dahin, dass dies fachliche oder sonst objektive Gründe hätte – nicht abgeleitet werden (vgl 4 Ob 84/19k [ErwGr 4.4. ff]).

[58] 6. Der unberechtigten Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

[59] 7. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 41, 50 ZPO.

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