OGH 9Ob95/22v

OGH9Ob95/22v24.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Thunhart in der Rechtssache der klagenden Partei C* B*, vertreten durch Dr. Hans‑Jörg Haftner, Rechtsanwalt in St. Pölten, gegen die beklagte Partei M* L*, vertreten durch TWS Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 8.478,74 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Berufungsgericht vom 15. Juni 2022, GZ 21 R 49/22x‑32, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Amstetten vom 29. Dezember 2021, GZ 40 C 871/20a‑27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00095.22V.1124.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrt von der Beklagten Ersatz von Detektivkosten, die ihr zum Nachweis der ehestörenden Beziehung zwischen ihrem Ehegatten und der Beklagten entstanden seien.

[2] Die Beklagte wandte dagegen unter anderem ein, dass die Ehe schon vor ihrem ersten Treffen mit dem Ehegatten der Klägerin unheilbar zerrüttet gewesen sei.

[3] Die Vorinstanzen wiesen das Klagebegehren ab. Das Berufungsgericht führte dazu unter Hinweis auf die Entscheidung 1 Ob 133/21x aus, dass die Beklagte nicht rechtswidrig gehandelt habe, weil die Klägerin den Überwachungsauftrag an den Detektiv zu einem Zeitpunkt erteilt habe, als noch kein ehewidriges Verhalten zwischen der Beklagten und dem Ehegatten der Klägerin bestanden habe. Für die Kosten weiterer Überwachungen, die schließlich ein ehewidriges Verhalten festgestellt hätten, hafte die Beklagte ebenfalls nicht, weil sie auf die Erklärungen des Ehegatten der Klägerin, die Ehe bestehe nur mehr auf dem Papier und er würde die Ehe nicht mehr leben, vertrauen habe dürfen.

[4] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil die Frage, ob im Fall eines ehewidrigen Verhaltens erst nach Beauftragung eines Detektivs der Ehestörer für die Kosten der erfolgreichen Observation zu haften habe, und allenfalls ob der Ehestörer selbst bei Kenntnis von der Ehe dann nicht hafte, wenn er aufgrund der Aussage des ehestörenden Partners davon ausgehen habe dürfen, dass die Ehe bereits zerrüttet sei, einer Klarstellung bedürfe.

[5] Dem schloss sich die Revisionswerberin zwecks Begründung der Zulässigkeit ihres Rechtsmittels nach § 502 Abs 1 ZPO an. Die Revision sei aber auch deshalb zulässig, weil das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung von der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zum Ersatz der Detektivkosten abgewichen sei. Dem gegenüber bestritt die Revisionsgegnerin das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage und beantragte die Zurückweisung der Revision der Klägerin.

[6] Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gegen das Urteil des Berufungsgerichts ist die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer erheblichen, in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausgehenden Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO):

Rechtliche Beurteilung

[7] 1.1. Voraussetzung für die Haftung des dritten Ehestörers ist ein von ihm selbst zu vertretendes rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten (1 Ob 133/21x Rz 13 mwN). Von diesen Grundsätzen sind die Vorinstanzen bei ihrer Beurteilung nicht abgewichen. Da im vorliegenden Fall – vergleichbar dem der Entscheidung 1 Ob 133/21x (= zust jeweils EF-Z 2022/72 [Kapetanovic] und iFamZ 2022/26, 34 [Deixler-Hübner]) zugrunde gelegenen Sachverhalt – die Detektivkosten durch den von der Klägerin am 13. 11. 2020 erteilten Auftrag verursacht wurden, es zu einem ehewidrigem Verhalten der Beklagten aber erstmals danach (23. und 24. 11. 2020) gekommen war, beruhte der Überwachungsauftrag der Klägerin und dessen Kosten nicht auf einem durch einen Verhaltensverstoß seitens der Beklagten ausgelösten Informationsinteresse der Klägerin. Auch ohne den späteren Sexualkontakt zwischen der Beklagten und dem Ehegatten der Klägerin (im vorliegenden Fall Umarmungen und Küsse auf die Lippen) wären die Detektivkosten aufgelaufen (vgl 1 Ob 133/21x Rz 14).

[8] 1.2. Richtig ist, dass in der Entscheidung 1 Ob 516/82 (= RS0022959 [T4]) ausgesprochen wurde, dass ein frühzeitiger Beginn der Beobachtungen dem Auftraggeber aus dem Gesichtspunkt verletzter Schadensminderungspflicht dann nicht zur Last gelegt werden kann, wenn seine Veranlassung nicht von vornherein aussichtslos oder erkennbar unzweckmäßig war und im betreffenden Beobachtungszeitraum ein positives Ergebnis erzielt werden konnte. Die Vorinstanzen haben das Schadenersatzbegehren der Klägerin aber nicht deshalb abgewiesen, weil sie den Überwachungsauftrag zu früh erteilt hätte, sondern weil die Beklagte keinen Anlass für den Auftrag gegeben hatte.

[9] 2. Aber auch für die Kosten, die der Klägerin durch die Überwachung ab dem 23. 11. 2020 entstanden sind, haben die Vorinstanzen vertretbar eine Haftung der Beklagten im Rahmen der hier vorzunehmenden Interessenabwägung für die Beurteilung der Frage, ob die Beklagte rechtswidrig in das Rechtsgut der Ehe eingegriffen habe (vgl 5 Ob 105/18d Pkt 1.2. mwN), verneint. Die Beklagte durfte aufgrund der konkreten Umstände des Falls auf die Angaben des Ehegatten der Klägerin, die Ehe bestünde nur mehr auf dem Papier, auch vertrauen und davon ausgehen, dass die Ehe zwischen der Klägerin und ihrem Ehegatten zum Zeitpunkt, als sie erstmals ein ehewidriges Verhalten setzte, unheilbar zerrüttet war (vgl 9 Ob 62/20p Rz 13 = iFamZ 2021/78 [Deixler-Hübner] und JBl 2021, 721 [Schmid]). Eine unheilbare Zerrüttung der Ehe legte die Klägerin im Übrigen auch ihrer am 26. 11. 2020 eingebrachten Scheidungsklage zugrunde (24 C 35/20v des BG Melk). Das Verhalten der Beklagten war daher nicht rechtswidrig. Gemessen am Verhalten eines wertverbundenen Durchschnittsmenschen hat sie den von § 1297 ABGB geforderten objektiven Sorgfaltsmaßstab nicht verletzt (vgl 3 Ob 232/11f Pkt 3.2.).

[10] Die Revision der Klägerin ist daher mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[11] Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision der Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]).

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