European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E133260
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 764,95 EUR (darin enthalten 127,49 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Der Kläger begehrt vom Beklagten den Ersatz von Detektivkosten, weil dieser mit seiner (damaligen) Ehefrau (im Weiteren kurz: Frau) im Wissen, dass sie verheiratet ist, nicht nur ein freundschaftliches, sondern ein – auf der Initiative des Beklagten basierendes – sexuelles Verhältnis, also eine ehewidrige bzw auch ehebrecherische Beziehung gehabt habe. Aufgrund seines ehestörenden Verhaltens hätte der Beklagte damit rechnen müssen, dass er als Ehegatte Nachforschungen anstellen werde, deren Kosten aus dem Titel des Schadenersatzes bei ihm geltend gemacht werden könnten. Im Zeitpunkt der Ehestörung durch den Beklagten sei die Ehe nicht zerrüttet gewesen.
[2] Der Beklagte entgegnete, es könne ihm hinsichtlich der Detektivkosten keinerlei Verschulden angelastet werden, zumal der erste geschlechtliche Kontakt um den 9. 12. 2018 stattgefunden habe; davor habe es kein ehewidriges Verhältnis zwischen ihm und der Frau gegeben. Die Frau habe ihm beim ersten Treffen sinngemäß mitgeteilt, dass die Ehe nur noch auf dem Papier bestehe und die Ehescheidung nur mehr reine Formsache wäre. Die Ehe sei im Zeitpunkt der Observation längst zerrüttet gewesen; jedenfalls habe er darauf vertrauen dürfen, dass die Zerrüttung der Ehe bereits eingetreten ist.
[3] Das Erstgericht legte seiner Entscheidung – neben detaillierten weiteren Feststellungen zur Observation – zusammengefasst folgenden Sachverhalt zugrunde:
[4] Am 23. 10. 2018 setzte sich die Frau mit dem Beklagten, ihrem Exfreund, mit dem sie seit fünf Jahren keinen Kontakt mehr gehabt hatte, in Verbindung. Dieser wusste, dass sie verheiratet war. Nach einigen WhatsApp‑Nachrichten wollte er sich mit ihr treffen. Auf seinen Vorschlag, sich gemeinsam mit dem Mann zu treffen, äußerte die Frau, dass der Kläger ihn nicht möge und machte den Gegenvorschlag, einander alleine zu treffen. Dem Kläger erklärte sie im Zuge eines heftigen Streits am 26. 10., die Scheidung zu wollen. Dem Beklagten teilte sie bei ihrem ersten Treffen am Nachmittag des 30. 10. mit, dass sie in Scheidung lebe und sich vom Kläger getrennt habe. In der Folge schrieben sie und der Beklagte einander täglich Nachrichten. Am 13. 11. eröffnete die Frau dem Kläger, dass für sie die Ehe aussichtslos zerrüttet sei. Sie erklärte erneut, sie wolle die Scheidung, wegen der Kinder aber ein freundschaftliches Verhältnis. Der Kläger akzeptierte das nicht und „schloss mit der Ehe emotional nicht ab“. Die Eheleute vereinbarten, die Ehewohnung ab 27. 11. 2018 derart zu „teilen“, dass sie von ihnen nur mehr getrennt, aber nicht mehr gleichzeitig benutzt wird. Ungefähr zwei Wochen nach dem ersten Treffen war der Beklagte erstmals mit der Frau in das Haus mitgekommen; im Dezember wurde ihre Beziehung intensiver; sie übernachtete vom 8. auf den 9. 12. bei ihm; seit diesem Zeitpunkt hatten sie Geschlechtsverkehr miteinander. Der Kläger, der seine Frau mehrmals gefragt hatte, ob sie eine Beziehung mit dem Beklagten habe (was sie immer verneint hatte), beauftragte – um sich Gewissheit zu verschaffen – am 30. 11. eine Detektei mit der Observation zur Überprüfung der ehelichen Treue seiner Ehefrau, welche die Überwachung am 1. 12. aufnahm. Mit der vom Detektiv observierten (zuvor schon erwähnten) Übernachtung der Frau beim Beklagten war für den Kläger ein Verhältnis erwiesen, weshalb auch er sich scheiden lassen wollte. Erst nach der einvernehmlichen Scheidung hielt er ihr die Observationsergebnisse und die Beziehung zum Beklagten vor.
[5] Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Beklagte habe gewusst, dass die Frau verheiratet war; der Kläger habe das Recht gehabt, sich durch die Betrauung des Detektivs Gewissheit über die Untreue seiner Frau zu verschaffen.
[6] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten Folge und wies die Klage ab. Es hielt den vorliegenden Sachverhalt für mit dem der Entscheidung zu 3 Ob 232/11f zugrundeliegenden vergleichbar. Damals sei der Ehestörerin zugesichert worden, dass der Scheidungstermin bald bevorstehe und die Ehe zerrüttet sei. Auch wenn der Beklagte hier (anders als zu 3 Ob 232/11f) von Beginn an gewusst hatte, dass die Frau verheiratet war, sei ihre Mitteilung, sich von ihrem Mann getrennt zu haben, von ihm (ebenso) insgesamt nur in die Richtung zu verstehen gewesen, dass die Ehe definitiv beendet gewesen sei. Der Beklagte habe keine Anhaltspunkte für eine noch bestehende eheliche Beziehung gehabt, es sei ihm vielmehr mitgeteilt worden, dass sich die Frau bereits vom Kläger getrennt habe und in Scheidung lebe. Er habe daher davon ausgehen dürfen, dass von den Eheleuten schon wesentliche Schritte in Richtung einer Ehescheidung eingeleitet worden seien und die Scheidung nur mehr eine Frage der Zeit sei. Die Freiheit der Menschen, ihre Beziehung zueinander zu gestalten, wäre übermäßig eingeschränkt, wollte man jedem, der sich einer anderen Person partnerschaftlich annähern und allenfalls in intimen Kontakt mit ihr treten will, Erkundigungspflichten über ihren Familienstand abverlangen. Es entspreche auch weder der gesellschaftlichen Realität noch der Komplexität zwischenmenschlicher Beziehungen, Dritten die Pflicht aufzuerlegen, vor engeren, das heißt freundschaftlichen, Kontakten mit einer verheirateten Person nachzufragen, ob diese Kontakte aufgrund der konkreten ehelichen Gestaltung des ehelichen Verhältnisses möglicherweise als ehewidrig anzusehen sein könnten. Es fehle daher am Verschulden des Beklagten.
[7] Die ordentliche Revision erklärte das Berufungsgericht nachträglich für zulässig, weil „ein gewisses Spannungsfeld“ zwischen der herrschenden Judikatur zum Ehebruch nach endgültiger Zerrüttung der Ehe und der höchstgerichtlichen Rechtsprechung dazu, dass ein Verschulden dem dritten Ehestörer schon dann vorzuwerfen sei, wenn er eine ehewidrige Beziehung zu einer Person eingeht, von der er weiß, dass sie verheiratet ist, bestehe.
[8] Der Kläger strebt mit seiner Revision die Wiederherstellung des Ersturteils an. Er legt dar, es liege eine erhebliche Rechtsfrage darin, ob den Beklagten aufgrund der Mitteilung seiner Sexualpartnerin, sich vom Kläger getrennt zu haben und in Scheidung zu leben, eine „diesbezügliche Nachforschungspflicht“ getroffen habe, weil sich keine der bisher ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs mit Erkundigungspflichten des Dritten über den Wahrheitsgehalt der Äußerung des Sexualpartners befasst habe. Richtigerweise hätte sich das Berufungsgericht an der zu 4 Ob 100/15g gefällten Entscheidung orientieren müssen, mit der die Haftung einer Ehestörerin für Detektivkosten auch im Fall bereits eingetretener Zerrüttung der Ehe bejaht worden sei.
[9] Der Beklagte zweifelt in der Revisionsbeantwortung das Bestehen eines absoluten Rechts auf eheliche Treue und das Vorliegen eines objektiv sorgfaltswidrigen Verhaltens im Zusammenhang mit den Detektivkosten an.
[10] Die Revision des Klägers ist im Ergebnis nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. Auf die ins Zentrum der jeweiligen Ausführungen gestellten Fragen zum (Nicht-)Vorliegen eines absolut geschützten Rechtsguts im Hinblick auf die Ehe (bzw die eheliche Treue), zur Schadenersatzpflicht eines Ehestörers für Detektivkosten auch bei bereits eingetretener unheilbarer Zerrüttung der Ehe vor Aufnahme der ehewidrigen Beziehung (vgl RIS‑Justiz RS0022943 [T22]; 4 Ob 100/15g mwN; dagegen mit beachtenswerten Argumenten zahlreiche Stimmen in der Lehre, etwa Deixler‑Hübner, Ersatz für außerprozessuale Aufwendungen – Anspruchsgrundlagen und Anspruchshöhe, ÖJZ 2002, 377 ff sowie Anm zu 1 Ob 114/09k, iFamZ 2009, 357 und Anm zu 3 Ob 232/11f = iFamZ 2012/107, 137; Ondreasova, Detektivkosten: Schadenersatz im Fall des Ehebruchs auch gegen den Dritten? Zak 2012, 143 ff sowie Das Verhältnis zwischen Familienrecht und dem übrigen Zivilrecht, insb dem Schadenersatzrecht, Zak 2016, 168 f; Schoditsch, Der Ersatz von Detektivkosten bei Ehestörung, ÖJZ 2020/115, 953 [956 ff]; E. Wagner, Anm zu 4 Ob 100/15g, EF‑Z 2016, 206 [208] sowiein Deixler‑Hübner, Familienrecht² 902 ff) und zum Bestehen (und Umfang) von Nachforschungspflichten des „Ehestörers“ ist im vorliegenden Fall aus folgendem Grund nicht einzugehen:
[12] 2. Schadenersatz setzt voraus, dass ein schädigender Erfolg (hier der vom Kläger getragene Aufwand an Detektivkosten) durch ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Schädigers (des Beklagten) verursacht wurde.
[13] Das Verhalten des Schädigers muss also nicht bloß kausal für den später eingetretenen Erfolg (im Sinne einer conditio sine qua non; vgl RS0128162) sein, vielmehr muss als wesentliches Erfordernis für die Zurechnung des eingetretenen Schadens zum Schädiger hinzutreten, dass das zum Schaden führende Verhalten des Schädigers rechtswidrig war. Selbst rechtswidriges Verhalten führt noch nicht zwingend zur Ersatzpflicht; es muss dieses rechtswidrige Verhalten dem Schädiger auch (subjektiv) vorwerfbar sein (Verschulden). Diesen Grundsätzen folgend wurde in der vom Kläger in seiner Revision erwähnten Entscheidung zu 4 Ob 52/06k auch zum Ersatz von Detektivkosten betont, dass Voraussetzung für einen Schadenersatzanspruch gegen den Dritten die Kausalität seines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens für den eingetretenen Schaden ist (so auch 5 Ob 105/18d; Ondreasova, Zak 2012, 145).
[14] 3. Im vorliegenden Fall wurden die Detektivkosten durch den vom Kläger erteilten Auftrag vom 30. 11. 2018 verursacht. Zu ehewidrigem Verhalten des Beklagten kam es nach den Feststellungen, die – beginnend mit dem ersten Telefonat am 23. 10. – den Verlauf der Kontakte von Anbeginn an schildern, erst danach, und zwar mit dem ersten Sexualkontakt in der Nacht vom 8. auf den 9. 12., davor hatte es sich (bloß) um eine freundschaftliche, wenn auch enger werdende Beziehung gehandelt. Während in der vom Kläger für seinen Standpunkt ins Treffen geführten Entscheidung zu 4 Ob 100/15g eine sexuelle Beziehung zwischen der Ehestörerin und dem Ehemann der Klägerin bereits vor Beauftragung der Detektei bestand, fehlt es im vorliegenden Fall an einem solchen rechtswidrigen Verhalten des Beklagten vor der Beauftragung, womit der Überwachungsauftrag und dessen Kosten nicht auf einem durch einen Verhaltensverstoß seitens des Beklagten ausgelösten Informationsinteresse des Klägers beruhte. Auch ohne den späteren Sexualkontakt wären die Detektivkosten aufgelaufen. Auf das (vorangegangene) freundschaftliche Verhältnis (ein solches kann im Regelfall und ohne Hinzutreten besonderer Umstände keine Haftung begründen: 4 Ob 52/06k; 5 Ob 105/18d) stützt der Revisionswerber, der vom Wissen des Beklagten über die Ehe seines „Sexualpartners“ spricht, seine Ansprüche nicht; vielmehr erklärt er „das Sachverhaltsmerkmal der rein freundschaftlichen Beziehung“ für „nicht maßgebend“.
[15] 4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 41 Abs 1 und § 50 Abs 1 ZPO.
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