OGH 4Ob20/22b

OGH4Ob20/22b22.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Kodek als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, MMag. Matzka und die Hofrätinnen Mag. Istjan, LL.M., und Mag. Fitz als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S* GmbH, *, vertreten durch Dr. Christof Pöchhacker, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. A* A* GmbH, *, 2. A* GmbH, *, Deutschland, und 3. C* GmbH, *, alle vertreten durch die Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR), Feststellung (Streitwert 50.000 EUR) und Veröffentlichung (Streitwert 5.500 EUR) über die Revisionen aller Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 21. Oktober 2021, GZ 2 R 132/21a‑49,mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 15. Juni 2021, GZ 36 Cg 28/19y‑43, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0040OB00020.22B.1122.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Gewerblicher Rechtsschutz

 

Spruch:

 

I. Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, denbeklagten Parteien die mit 2.527,09 EUR (darin 421,18 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

II. Der Revision der beklagten Parteien wird teilweise Folge gegeben.

A. Das Urteil wird abgeändert, sodass die Klage gegen die drittbeklagte Partei zur Gänze abgewiesen wird.

B. Die Punkte B.I.1 und 2 der Entscheidung des Berufungsgerichts gegen die zweit‑ und drittbeklagten Parteien werden als Teilurteil bestätigt, Punkt 1 allerdings mit der Maßgabe, dass er zu lauten hat (Änderung unterstrichen):

„1. Die erst‑ und zweitbeklagten Parteien sind schuldig, es im geschäftlichen Verkehr in Österreich zu unterlassen, Dienstnehmer, freie Mitarbeiter oder sonstige Beschäftigte der klagenden Partei auf unlautere Weise abzuwerben, indem

a) dabei durch die erst- und zweitbeklagten Parteien sittenwidrige, unwahre, irreführende oder herabsetzende Behauptungen über die klagende Partei oder deren Konzerngesellschaften verbreitet werden, wie zB

- ganze Geschäftsbereiche der klagenden Partei oder ihrer Konzerngesellschaften würden zur erst- oder zweitbeklagten Partei wechseln oder hätten bereits gewechselt;

- die klagende Partei oder ihre Konzerngesellschaften wären in Zukunft mangels Personal nicht mehr in der Lage, Kunden zu betreuen;

- die klagende Partei oder ihre Konzerngesellschaften wären bald zahlungsunfähig;

- oder sinngleiche Behauptungen verbreitet werden;

b) zur Abwerbung unbefugterweise vertrauliche Informationen oder Geschäftsgeheimnisse der k lagenden Partei oder deren Konzerngesellschaften verwendet werden;

c) zum Zwecke der Abwerbung Dienstnehmer, freie Mitarbeiter oder sonstige Beschäftigte der klagenden Partei belästigt oder unter Druck gesetzt werden;

d) zum Zwecke der Abwerbung Dienstnehmer, freie Mitarbeiter oder sonstige Beschäftigte der klagenden Partei zur Verletzung gegenüber der klagenden Partei bestehender dienstvertraglicher Verpflichtungen verleitet werden;

e) zum Zwecke der Abwerbung über leitende Angestellte der klagenden Partei andere Dienstnehmer, freie Mitarbeiter oder sonstige Beschäftigte der Klägerin angesprochen werden.“

C. Gegenüber den erst‑ und zweitbeklagten Parteien werden die Entscheidungen der Vorinstanzen über das Feststellungsbegehren laut Spruchpunkt 3. aufgehoben und das Verfahren insoweit zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

D. Gegenüber den erst‑ und zweitbeklagten Parteien wird das Urteilsveröffentlichungsbegehren in Punkt 4. abgewiesen.

E. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der drittbeklagten Partei über das Verfahren bleibt der Endentscheidung vorbehalten. Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens hinsichtlich der erst‑ und zweitbeklagten Parteien sind weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

Zum Verhältnis der Parteien:

[1] Die Klägerin und alle drei Beklagten bieten IT‑Beratung und Softwarelösungen für Geschäftskunden an. In dieser Branche besteht eine enge Beziehung zwischen Kunden und Kundenbetreuern, sodass bei einem Wechsel eines gesamten Teams von IT‑Betreuern zu einem anderen Arbeitgeber die von ihnen betreuten Kunden diesen Wechsel oft mitvollziehen.

[2] Die Klägerin ist eine österreichische GmbH, die 100%‑ige Tochter einer deutschen Muttergesellschaft ist. Beide sind Teil eines deutschen Konzerns mit über 750 Mitarbeitern in Deutschland, Österreich, Nordamerika und Asien (Stand: Ende 2018).

[3] Die 2007 gegründete drittbeklagte österreichische GmbH war zunächst als externe Dienstleisterin unter anderem für die Klägerin tätig. Ihr Allein-gesellschafter‑Geschäftsführer war im Jahr 2018 Dienstnehmer der Klägerin. Die Drittbeklagte stellt ihre Dienstleistungen seit 2019 der Zweitbeklagten auf Werkvertragsbasis zur Verfügung.

[4] Die deutsche Zweitbeklagte wurde im September 2018 von ehemaligen Mitarbeitern der deutschen Muttergesellschaft der Klägerin als Reaktion auf einen beabsichtigten Verkauf der Klägerin und ihrer Muttergesellschaft an ein Unternehmen außerhalb des Konzerns der Klägerin gegründet. Ihre Geschäftsführer waren früher alle Mitarbeiter der Mutter der Klägerin.

[5] Die Erstbeklagte ist eine österreichische GmbH und Tochter der Zweitbeklagten. Sie wurde im März 2019 gegründet. Ihr Geschäftsführer ist ehemaliger Mitarbeiter der Mutter der Klägerin und ihre beiden Prokuristen sind ehemalige Mitarbeiter der Klägerin in Führungspositionen.

Zu den Wettbewerbsverstößen:

[6] Schon 2017 hatte die Konzernleitung beschlossen, die Klägerin und ihre deutsche Mutter zu verkaufen. Etwa 35–40 Konzernmitarbeiter hatten deshalb eine GesbR gegründet, um ein Kaufanbot zu unterbreiten und aus der Klägerin eine employee owned company (EOC) zu machen. Als dieser Plan scheiterte, beschlossen einige der Mitarbeiter, stattdessen mit möglichst wenig Startkapital ein eigenes Unternehmen zu gründen. Dafür wollten sie möglichst viele Mitarbeiter und damit auch Kunden der Klägerin abwerben.

[7] Im September 2018 kündigte der nunmehrige Geschäftsführer der Erst‑ und Zweitbeklagten sein Dienstverhältnis mit der deutschen Muttergesellschaft. Er war der einzige Mitarbeiter, der keine neunmonatige Kündigungsfrist hatte und so den Betrieb der frisch gegründeten Zweitbeklagten aufnehmen konnte. Die übrigen EOC‑Befürworter sollten folgen, sobald ihre Dienstverhältnisse endeten. Dies handhabten auch die anderen späteren Geschäftsführer der Zweitbeklagten tatsächlich auch so.

[8] Bereits ab Oktober 2018 leitete der andere spätere Prokurist der Erstbeklagten entgegen einer entsprechenden Verpflichtung in seinem damals noch aufrechten Dienstvertrag mit der Klägerin eine Präsentation der Klägerin, eine Ergänzung eines Arbeitsvertrags und Screenshots einer App der Klägerin an einen privaten E‑Mailaccount weiter.

[9] Zur Mitarbeitergewinnung sprach er – ebenfalls noch während seines Dienstverhältnisses mit der Klägerin – die Mitarbeiter der Klägerin wiederholt und penetrant an, was diese als störend empfanden. Sie fühlten sich durch ihn als Vorgesetzten unter Druck gesetzt. Er prophezeite bei den Gesprächen, dass die Klägerin insolvent werden würde.

[10] Auch der zweite spätere Prokurist der Erstbeklagten, holte noch während seines aufrechten Dienstverhältnisses zur Klägerin einen Mitarbeiter der Klägerin in sein Büro, stellte die Vorzüge der Erst- und Zweitbeklagten als Arbeitgeberinnen vor, nannte Gehaltsvorstellungen und andere Wechsler. Der Mitarbeiter fasste daraufhin den Entschluss, sich selbständig zu machen und so für die Erst‑ und Zweitbeklagten tätig zu werden. Dazu holte er sogar die Zustimmung der Klägerin für eine Nebentätigkeit ein.

[11] Ende Jänner 2018 verschaffte sich dieser spätere Prokurist der Erstbeklagten eine Gehaltsliste aller Mitarbeiter der Klägerin und die Unterlagen zu ihren Firmenwagen, um diese Daten bei den Erst‑ und Zweitbeklagten zu verwerten. Er zeigte als damaliger interimistischer Leiter bei der Klägerin Mitarbeitern der Klägerin bei einem Teamgespräch, welche Kollegen schon alle gekündigt hatten. Er behauptete einem Mitarbeiter der Klägerin gegenüber, dass ohnedies die gesamte Mitarbeiterschaft der Klägerin zu den Erst- und Zweitbeklagten wechseln werde und diese sogar die Büros, Hardware und Firmenwagen übernehmen werde.

[12] Ende Jänner 2018/Anfang Februar 2019 organisierte die EOC‑Gruppe Präsentationsveranstaltungen in der Nähe der Standorte der Klägerin, um Mitarbeiter abzuwerben. Die späteren Prokuristen der Erstbeklagteninformierten die Mitarbeiter der Klägerin während ihrer aller Arbeitszeit von den Terminen und einer von ihnen erklärte dabei, dass er keine Zukunft für die Klägerin auf dem österreichischen Markt sehe. Auf der Veranstaltung unterschrieben die beiden ihre Kündigungen vor dem Publikum und versahen sie mit einem dazu mitgebrachten Eingangsstempel der Klägerin. Der Geschäftsführer der Erst- und Zweitbeklagten erklärte, dass alle Mitarbeiter der Klägerin in Nordamerika mit der Zeit kündigen würden.

[13] Die Erstbeklagte wurde am 14. 3. 2019 als österreichische Tochtergesellschaft der Zweitbeklagten gegründet.

[14] Der Prokurist der Erst‑ und Zweitbeklagten informierte zumindest Teile der von ihm betreuten Kunden über seine Kündigung bei der Klägerin und seinen Wechsel zur Erstbeklagten. Vertreter der Beklagten präsentierten sich bei Kunden der Klägerin. Deshalb wechselten zumindest insgesamt vier österreichische Kunden der Klägerin bzw ihrer Muttergesellschaft zu den Beklagten.

[15] Nicht erwiesen ist, ob Kunden gegenüber Behauptungen aufgestellt wurden, dass ganze Geschäftsbereiche der Klägerin bzw ihrer deutschen Muttergesellschaft zu den Erst‑ und Zweitbeklagten wechseln würden oder mangels Personal nicht mehr in der Lage sein würden, ihre Kunden zu betreuen oder die Klägerin oder ihre Muttergesellschaft wäre bald zahlungsunfähig.

[16] Eine Kundin der Klägerin bezieht nun Leistungen der Klägerin und der Erstbeklagten. Einer weiteren Kundin der Klägerin wurde in Aussicht gestellt, dass sie bei einem Wechsel zu den Beklagten ihren Kundenbetreuer behalte.

[17] Ende 2018/Anfang 2019 wechselten 10 von 18 Mitarbeitern der Klägerin zur Erstbeklagten. Die Klägerin verlor dadurch Spezialwissen und musste Dienstleistungen der Zweitbeklagten zukaufen. Das Betriebsergebnis der Klägerin sank von einem Gewinn von 225.000 EUR im Jahr 2017 auf einen Verlust von 865.000 EUR im Jahr 2019. Allenfalls muss eine Filiale der Klägerin geschlossen werden.

[18] Der Geschäftsführer der Drittbeklagten hatte für eine Abwerbeveranstaltung den Veranstaltungsort organisiert und einen Teil der Präsentation gehalten. Er hatte einen Mitarbeiter der Klägerin im Februar 2019, einen anderen, noch unentschlossenen Mitarbeiter der Klägerin von einem Wechsel zu den Erst‑ und Zweitbeklagten zu überzeugen. Er kümmerte sich allgemein um Aufbau und die Betreuung der Niederlassung der Erst‑ und Zeitbeklagten in Österreich.

 

[19] Die Klägerin begehrte, 1. den Beklagten a. die näher beschriebene unlautere Abwerbung von Mitarbeitern und b. Kunden sowie c. die Nutzung diverser Geschäftsunterlagen zu untersagen; 2. die Haftung für künftige Schäden aus diesem Verhalten festzustellen; sowie 3. sie zur Urteilsveröffentlichung zu ermächtigen. Führungskräfte der Klägerin hätten während ihres damals noch aufrechten Dienstverhältnisses, einen inneren Frontwechsel zu den Beklagten vollzogen. Sie hätten den Beklagten vertrauliche Unterlagen und Informationen verschafft und systematisch versucht, die Mitarbeiter der Klägerin für die Beklagten abzuwerben – teils mit falschen oder zumindest irreführenden Behauptungen, teils mit Druck. Auch Kunden hätten die Beklagten mit falschen Behauptungen auszuspannen versucht. So hätten die Beklagten etwa sowohl gegenüber Mitarbeitern als auch Kunden der Klägerin behauptet, dass ganze Geschäftsbereiche zur Zweitbeklagten wechseln würden, sodass die Klägerin in Zukunft mangels Personal nicht mehr in der Lage sein werde, ihre Kunden zu betreuen, und womöglich bald zahlungsunfähig werde. Insgesamt hätten 250 Mitarbeiter aus dem Konzern der Klägerin zu den Beklagten gewechselt, davon 11 Mitarbeiter der Klägerin, was etwa der Hälfte des Personals entspreche. Die Drittbeklagte habe den Wettbewerb der Erst‑ und Zweitbeklagten fördern wollen.

[20] Die Beklagten bestritten die Vorwürfe unlauteren Verhaltens. Die Erstbeklagte sei nicht passiv legitimiert, weil sie erst nach den inkriminierten Handlungen gegründet worden sei. Auch der Drittbeklagten fehle die Passivlegitimation, weil ihr Geschäftsführer bei Wettbewerbsverstößen – wenn überhaupt – im eigenen Interesse, nicht aber als Organ der Drittbeklagten gehandelt habe. Die geforderte Form der Veröffentlichung sei überschießend.

[21] Das Erstgericht untersagte den Beklagten 1.a. die unlautere Abwerbung von Mitarbeitern der Klägerin oder deren Konzerngesellschaften sowie 1.c. die unlautere Nutzung von Unterlagen der Klägerin und deren Konzerngesellschaften. Es stellte 2. die Haftung der Beklagten für Schäden aus der unlauteren Abwerbung von Mitarbeitern und Kunden fest und ermächtigte 3. die Klägerin zu einer entsprechenden Urteilsveröffentlichung. Dagegen wies es die Mehrbegehren ab, 1.b. auch die Abwerbung von Kunden und zu 1.c. konkret die Nutzung von Mitarbeiterakten und Leasingverträgen zu untersagen. Es sei versucht worden, auf unlautere Weise planmäßig alle Arbeitnehmer abzuwerben, insbesondere indem auf sie Druck ausgeübt und unwahre Behauptungen aufgestellt und Unterlagen der Klägerin verwendet worden seien. Sittenwidrige oder unwahre Behauptungen gegenüber Kunden seien dagegen nicht festgestellt worden. Lediglich einer Kundin sei zugesagt worden, dass sie bei einem Wechsel zu den Beklagten ihre bisherigen Kundenbetreuer behalten werde. Da die Geschäftsführer aller drei Beklagten die Möglichkeit gehabt hätten, die Wettbewerbsverstöße abzustellen, seien sie alle passivlegitimiert. Deshalb seien auch Feststellungs- und das Veröffentlichungsbegehren berechtigt.

[22] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin keine Folge, mit der diese eine Stattgebung der Ansprüche zu 1.b. wegen Abwerbung von Kunden erreichen hatte wollen.

[23] Aufgrund der Berufung der Beklagten wies das Berufungsgericht aber die Unterlassungs‑, Feststellungs‑ und Veröffentlichungsbegehren ab, soweit sie sich auch gegen die Abwerbung von Arbeitnehmern der Konzerngesellschaften der Klägerin richteten. Für solche Ansprüche sei die Klägerin nicht aktiv legitimiert. Außerdem korrigierte das Berufungsgericht den Ausspruch des Erstgerichts über das Feststellungsbegehren, der irrtümlich auch die Abwerbung von Kunden umfasst hatte. Im Übrigen bestätigte das Berufungsgericht die Entscheidung des Erstgerichts.

[24] Es ließ die ordentliche Revision zu, weil aktuelle Rechtsprechung zur Passivlegitimation der erst nach dem angeblichen UWG‑Verstoß gegründeten Erstbeklagten fehle.

Rechtliche Beurteilung

[25] Die Revision der klagenden Partei ist ungeachtet des – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruchs des Berufungsgerichts nicht zulässig. Die Revision der beklagten Parteien ist wegen Korrekturbedürftigkeit der Entscheidungen der Vorinstanzen zulässig und zum Teil auch berechtigt.

I. Zur Revision der Klägerin

[26] 1. Die Klägerin strebt mit ihrer Revision eine Stattgebung der Unterlassungs‑, Feststellungs‑ und Veröffentlichungsbegehren im Hinblick auf die unlautere Abwerbung von Kunden an. Dem Berufungsgericht sei eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen. Zum einen habe das Erstgericht klar festgestellt, dass zwei Kunden angesprochen worden seien. Zum anderen werde auch durch das sittenwidrige Abwerben nur eines einzelnen, wesentlichen B2B‑Kunden die Erheblichkeitsschwelle erreicht.

[27] 1.1. Die Klägerin formulierte ihre Unterlassungsbegehren so, dass den Beklagten das unlautere Abwerben von Kunden der Klägerin oder ihrer Konzerngesellschaften insbesondere durch sittenwidrige, unwahre, irreführende oder herabsetzende Behauptungen wie drei konkret genannte Beispiele verboten werden sollte.

[28] Das Erstgericht traf zu allen drei Beispielen (Wechsel ganzer Geschäftsbereiche zu den Beklagten; Unfähigkeit im Konzern der Klägerin zur Kundenbetreuung wegen Personalmangel; drohende Zahlungsunfähigkeit im Konzern der Klägerin) Negativfeststellungen. Diese bekämpfte die Klägerin – erfolglos – mit Beweisrüge.

[29] Das Berufungsgericht führte dazu aus, dass gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichts keine Bedenken bestünden. Selbst die begehrte Ersatzfeststellung könnte außerdem die zahlreichen Unterlassungsbegehren nicht tragen. Im Übrigen wäre die sittenwidrige Abwerbung einer einzelnen Kundin – von der nicht einmal klar sei, ob es eine Kundin der Klägerin selbst gewesen sei – nicht spürbar.

[30] 1.2. Die Revision der Klägerin geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (vgl RS0043603), soweit sie argumentiert, dass laut Sachverhalt mehrere Kunden der Klägerin angesprochen worden seien. Tatsächlich wurden laut den Feststellungen zwar einige Kunden über den Mitarbeiterwechsel zu den Erst‑ und Zweitbeklagten informiert. Die inkriminierten wahrheitswidrigen oder herabsetzenden Behauptungen wurden dabei aber gerade nicht festgestellt.

[31] 1.3. Welchen Bedeutungsgehalt die Aussage habe, dass die Unternehmensgruppe der Klägerin „ausgeblutet“ sei, kann dahinstehen, weil nicht feststeht, ob sie überhaupt an eine Kundin der Klägerin gerichtet wurde.

[32] 1.4. Das Rechtsmittel zeigt daher insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage auf und ist daher nicht zulässig.

[33] Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagten haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels der Klägerin hingewiesen.

I I. Zur Revision der Beklagten

[34] Die Beklagten wollen mit ihrer Revision die Abweisung sämtlicher Klagebegehren erreichen.

[35] 1. Im vorliegenden Fall stellt sich keine Rechtsfrage zur Haftungeiner GmbH für unlauteres Verhalten natürlicher Personen im Vorgründungsstadium.

[36] 1.1. Das Berufungsgericht bejahte die Passivlegitimation der Erstbeklagten, die erst nach den Abwerbeveranstaltungen gegründet wurde, weil die Störung der vorgenommenen Handlungen noch fortgewirkt habe und zitierte in diesem Zusammenhang eine Entscheidung aus 1933 zur Aktivlegitimation.

[37] Die Beklagten verweisen in ihrer Revision dagegen auf höchstgerichtliche Rechtsprechung, nach der eine juristische Person erst nach dem Zeitpunkt ihrer Entstehung deliktsfähig sein könne und daher nicht für unlauteres Verhalten ihrer späteren Organe vor ihrer Gründung hafte (RS0009129 = 4 Ob 71/90 und 4 Ob 83/90). Die Erstbeklagte sei zum Zeitpunkt der Verstöße noch nicht einmal im Vorgründungsstadium gewesen.

[38] Keine dieser Entscheidungen ist hier jedoch einschlägig.

[39] 1.2. Das relevante Unterlassungsbegehren richtet sich gegen unlautere Abwerbung von Mitarbeitern. Richtig ist zwar, dass ein Teil der unlauteren Handlungen von späteren Geschäftsführern und Prokuristen der Erstbeklagten bereits gesetzt worden war, als diese Personen noch bei der Klägerin gearbeitet hatten und bevor die Erstbeklagte überhaupt gegründet wurde (Druck auf unterstellte Mitarbeiter der Klägerin, unwahre/irreführende Aussagen zur Zukunft der Klägerin). Der Abwerbevorgang war jedoch erst mit dem festgestellten Wechsel von zehn Mitarbeitern von der Klägerin zur Erstbeklagten vollendet. Auch wenn es dazu keine konkrete Feststellung gibt, musste die Erstbeklagte bereits gegründet worden sein, bevor sie mit diesen Personen Arbeitsverhältnisse begründete. Dass die Erstbeklagte dabei in bewusster Ausnutzung der zuvor gesetzten unlauteren Schritte handelte, ergibt sich zwanglos aus den Feststellungen zum Gesamtplan der EOC‑Gruppe und daraus, dass eine Person bei den Abwerbeveranstaltungen mitwirkte, die zugleich auch Geschäftsführer der Erst‑ und Zweitbeklagten ist.

[40] 1.3. Damit ist auf eine angebliche Verletzung der Behauptungslast zur Erstbegehungsgefahr nicht mehr einzugehen (vgl RS0037422). Die Wiederholungsgefahr wird nach unlauterem Verhalten ohnedies vermutet (RS0037661).

[41] 2. Die Revision zeigt keine Rechtsfrage im Zusammenhang mit dem Ansprechen durch leitende Angestellte der Klägerin oder der Zurechnung von Handlungen Dritter auf.

[42] 2.1. Jeden Arbeitnehmer trifft nicht nur eine Pflicht zur Arbeit, sondern auch eine Treuepflicht (Fremdinteressenwahrungspflicht), die ihn dazu verhält, auf betriebliche Interessen des Arbeitgebers entsprechend Rücksicht zu nehmen. Der Arbeitnehmer hat die betrieblichen Interessen zu respektieren und insbesondere alles zu unterlassen, was den unternehmerischen Tätigkeitsbereich, dessen Organisationswert und dessen Chancen beeinträchtigt. Er hat den Arbeitgeber im Rahmen der Beistandspflicht und Anzeigepflicht vor drohenden Schäden zu warnen und zu deren Beseitigung beizutragen (RS0021449).

[43] Aus den Feststellungen im vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Mitglieder der EOC‑Gruppe zwar ihre Kündigungsfristen formal einhielten, jedoch während des noch aufrechten Arbeitsverhältnisses zur Klägerin ihre Arbeitszeit nutzten, um durch wiederholtes Ansprechen weitere – vor allem auch hierarchisch untergeordnete – Mitarbeiter für die Erst‑ und Zweitbeklagte abzuwerben und vertrauliche Informationen wie etwa die Gehaltsliste zu beschaffen.

[44] Eine nähere Definition des im Unterlassungsbegehren verwendeten Begriffs „leitende Angestellte“ durch die Rechtsprechung ist in diesem Zusammenhang nicht erforderlich. Im Kontext mit dem Urteilstenor ergibt sich eindeutig, dass die Klägerin der Beklagten untersagen will, Mitarbeiter der Klägerin dafür einzusetzen, diesen untergeordnete Mitarbeiter für die Beklagte abzuwerben.

[45] 2.2. Die Zurechnung dieser Handlungen erfolgt im vorliegenden Fall aufgrund eines gemeinsamen, zielgerichteten Vorgehens von Organen der Erst- und Zweitbeklagten mit weiteren wechselwilligen Mitarbeitern der Klägerin. Dieses bewusste und gewollte Zusammenwirken erfordert keine weiteren Zurechnungskriterien.

[46] 3. In weiten Bereichen geht die Rechtsrüge nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

[47] 3.1. Die Vorinstanzen begründeten die Unlauterkeit der Abwerbung von Mitarbeitern keineswegs mit einem (nur) planmäßigen Vorgehen oder der Ausnutzung fremden Vertragsbruchs. Vielmehr prüften sie die Berechtigung der Klagebegehren, die sich gar nicht gegen planmäßiges Abwerben richten, sondern nur gegen die Abwerbung mit unlauteren Methoden, konkret a. durch unwahre Behauptungen, b. durch die Ausnutzung vertraulicher Informationen, c. durch Belästigung von oder Druck auf Mitarbeiter, d. durch Verleitung zum Vertragsbruch, und e. durch das Ansprechen über leitende Angestellte der Klägerin.

[48] 3.2. Da die Beklagten im Verfahren nur bestritten, dass ihre Organe/Mitarbeiter die von der Klägerin als wahrheitswidrig inkriminierten Behauptungen zur desolaten Zukunft der Klägerin aufgestellt hätten, war der Wahrheitsgehalt nicht strittig.

[49] Die Prognose von Vorgesetzten gegenüber ihren Mitarbeitern, dass die Klägerin insolvent werden würde, ist entgegen der Ansicht der Beklagten auch kein bloßes Werturteil (vgl 4 Ob 32/79 = RS0032212 [T4]). Werturteile geben nämlich rein subjektive Meinung des Erklärenden wieder und können daher objektiv nicht überprüft werden (RS0032212 [T7]). Unter „Tatsachen“ im Kontext der § 1330 ABGB und § 7 UWG versteht man dagegen Umstände, Ereignisse oder Eigenschaften mit einem greifbaren, für den Erklärungsempfänger erkennbaren und von ihm an Hand bestimmter oder doch zu ermittelnder Umstände auf seine Richtigkeit überprüfbaren Inhalt (vgl RS0032212). Dies trifft auf eklatant negative Prognosen für den Fortbestand des Arbeitgebers jedenfalls dann zu, wenn diese Aussage einem Mitarbeiter von einem Vorgesetzten präsentiert wird, der ihm zugleich einen Wechsel des Arbeitgebers nahe legt. Unter diesen Umständen erwartet der Erklärungsempfänger, dass der Sprecher sich bei seiner Einschätzung auf konkrete Wirtschaftsdaten stützt, die ihm aufgrund seiner Stellung weiter oben in der Unternehmenshierarchie zugänglich sind, und sich nicht von einem unbestimmten Bauchgefühl leiten lässt.

[50] 3.3. Dass die Verleitung zum Vertragsbruch (zB durch Verstoß gegen die Richtlinien zur Behandlung vertraulicher Dokumente, durch Verstoß gegen die allgemeine Treuepflicht der Mitarbeiter) im vorliegenden Fall unlauter war, findet schon in den Sachverhaltsfeststellungen zum Gesamtplan der EOC‑Gruppe Deckung, wonach Mitarbeiter der Klägerin und ihrer Konzernmutter, mit möglichst wenig Startkapital ein Konkurrenzunternehmen gründen wollten, indem die gesamte Belegschaft vom „Kopf bis hin zu den einzelnen Mitarbeitern“ samt den von ihnen betreuten Kunden zu einem Wechsel bewegt werden sollte.

[51] Auch sonst bestehen damit keine sekundären Feststellungsmängel zum subjektiven Unrechtselement.

[52] 3.4. Die Beklagten meinen, dass sie nach den Feststellungen nur Zugang zu trivialen Unterlagen hatten, nicht zu Geschäftsgeheimnissen der Klägerin.

[53] Das Unterlassungsbegehren wendet sich gegen das Abwerben von Mitarbeitern, wenn dabei „unbefugterweise vertrauliche Informationen oder Geschäftsgeheimnisse“ verwendet werden. Es kommt also nicht darauf an, ob die Unterlagen formal als Geschäftsgeheimnisse iSd § 11 UWG einzustufen sind.

[54] Auch wenn Gehaltslisten sämtlicher Mitarbeiter in dem Sinn trivial sein mögen, dass sie zum Alltag eines Wirtschaftsunternehmens gehören, handelt es sich dabei keineswegs um allgemein zugängliche oder unbedeutende Informationen. Gerade beim Abwerben sämtlicher Mitarbeiter ist es ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsvorteil, auf diese Weise ein attraktiveres, aber nicht zu hohes Entgelt anbieten zu können (vgl RS0044166 zum Zweck von Geheimhaltungsvereinbarungen, die auch vor der Benützung als Mitbewerber schützen sollen).

[55] Wie die handelnden Personen zu den vertraulichen Informationen gelangten, ist im Übrigen irrelevant. Auch die Verwertung redlich gewonnener Kenntnisse, insbesondere von Geschäftsgeheimnissen oder Betriebsgeheimnissen, durch einen früheren Beschäftigten, die grundsätzlich nicht gegen § 1 UWG verstößt, kann bei Vorliegen besonderer Umstände sittenwidrig sein (RS0078348).

[56] 4. Die behaupteten Aktenwidrigkeiten und Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurden geprüft. Sie liegen nicht vor. Das Verständnis des Berufungsgerichts vom rechtlich zu prüfenden Sachverhalt findet in den erstinstanzlichen Feststellungen Deckung. Insbesondere die von den Beklagten vermisste subjektive Tatseite ist in der Feststellung zum Entschluss der EOC‑Gruppe erkennbar, es solle „unter Aufwendung eines möglichst geringen Startkapitals ein Unternehmen gegründet werden und möglichst viele Mitarbeiter der [...]-Gruppe zum Wechsel bewegt werden, dies vor dem Hintergrund der zuvor geschilderten, besonderen Bindung der Kunden an die Betreuer im IT‑Bereich“.

[57] 5. Richtig zeigen die Beklagten dagegen auf, dass kein unlauteres Verhalten der Drittbeklagten erwiesen ist.

[58] 5.1. Dass eine Person auch eine Organstellung für eine juristische Person inne hat, führt nicht dazu, dass all ihre Handlungen automatisch dieser juristischen Person zuzurechnen wären. Grundsätzlich ist nämlich auch bei Personen mit Vertretungsmacht für Dritte im Zweifel immer Handeln im eigenen Namen anzunehmen (RS0019516). Dies gilt auch für Organe juristischer Personen (vgl RS0088884 [T8]). Auch für das deliktische Verhalten ihrer Organe haften juristische Personen daher nur dann, wenn dieses bei Ausübung der Vertretungsbefugnisse begangen wird (vgl RS0009133).

[59] 5.2. Im vorliegenden Fall bringt die Klägerin nur vage vor, die Drittbeklagte habe den Wettbewerb der Erst‑ und Zweitbeklagten fördern wollen. Die Förderung fremden Wettbewerbs ist jedoch keine typische Aufgabe eines GmbH‑Geschäftsführers. Auch wurde die Drittbeklagte nicht in zeitlichem Zusammenhang mit den Bestrebungen der EOC‑Gruppe gegründet, sondern bestand schon mehrere Jahre davor. Mangels weiterer Anhaltspunkte zu Vorteilen für die Drittbeklagte oder für ein tatsächliches Handeln im Namen der Drittbeklagten ist daher davon auszugehen, dass der Geschäftsführer als natürliche Person und nicht als Organ der Drittbeklagten handelte. Dies scheint insofern auch stimmig, als er selbst 2018 auch Dienstnehmer der Klägerin war und aus dieser Eigenschaft heraus über die Bestrebungen der EOC‑Gruppe Bescheid wusste.

[60] 5.3. Daher sind sämtliche Klagebegehren gegen die Drittbeklagte abzuweisen.

[61] 6. Ebenfalls zutreffend ist der Einwand der Beklagten, dass das Unterlassungsbegehren der Klägerin zu allgemein formuliert ist.

[62] 6.1. Ein Unterlassungsgebot hat sich in seinem Umfang stets am konkreten Verstoß zu orientieren (RS0037645). Einem Beklagten kann daher nicht ganz generell aufgetragen werden, sich rechtmäßig zu verhalten (RS0119807[T3]); würde ihm eine gesetzwidrige Handlung schlechthin verboten, dann würde ein derartiger Titel dem Kläger die Exekutionsführung wegen jeglicher Handlung ermöglichen, die der verletzten Norm widerspricht (vgl RS0037581).

[63] Es ist zwar zulässig, die konkrete Verletzungshandlung zu nennen und das Verbot auf ähnliche Eingriffe zu erstrecken, oder das unzulässige Verhalten verallgemeinernd zu umschreiben und durch „insbesondere“ aufgezählte Einzelverbote zu verdeutlichen. Auch bei einer solchen allgemeineren Fassung des Unterlassungsbegehrens muss allerdings bereits der Spruch den Kern der Verletzungshandlung in geeigneter Form erfassen (vgl RS0133084). Der Zusatz „insbesondere“ schränkt das Unterlassungsgebot nicht ein, sondern verdeutlicht es nur (RS0037461 [T1]).

[64] 6.2. Der hier formulierte Obersatz des Unterlassungsbegehrens, Dienstnehmer, freie Mitarbeiter oder sonstige Beschäftigte der Klägerin oder deren Konzerngesellschaften auf unlautere Weise abzuwerben, ist daher zu weit gefasst.

[65] 6.3. Das Begehren war daher im Rahmen des Gewollten – wie von der Klägerin selbst in der Revisionsbeantwortung angeregt – umzuformulieren (zur Zulässigkeit vgl RS0039357).

[66] 7. Richtig zeigen die Beklagten auf, dass das Feststellungsbegehren nicht ausreichend konkret ist.

[67] 7.1. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass ein rechtliches Interesse nur an der Feststellung künftiger Schadenersatzansprüche bestehen kann, die im Zeitpunkt der Einbringung der Feststellungsklage noch nicht fällig waren (RS0037422 [T6]). Ein Mehrbegehren, das auf Feststellung der Haftung für Schadensersatzansprüche schlechthin (also auch schon fällige) gerichtet ist, ist abzuweisen (2 Ob 13/03f).

[68] 7.2. Außerdem hat die Klägerin die schadensbegründenden Ereignisse nicht bezeichnet.

[69] Die Feststellung einer Ersatzpflicht für künftige Schäden setzt voraus, dass zumindest bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ein Schaden bereits eingetreten ist oder sich zumindest ein Vorfall ereignet hat, der potentiell einen Schaden auslösen konnte, auch wenn dieser noch nicht feststellbar ist (RS0040838 [insbes T16, T17]; RS0038909). Dieses Ereignis muss daher im Feststellungsbegehren konkret bezeichnet werden (vgl RS0038826).

[70] Der hier vorgenommene Verweis auf das Unterlassungsbegehren ist daher nicht ausreichend, weil es keine konkreten Ereignisse in der Vergangenheit bezeichnet, sondern allgemein verpöntes Verhalten umschreibt.

[71] Diese Problematik wurde bislang mit den Parteien nicht erörtert, sodass die Klägerin keine Gelegenheit hatte, ihr unbestimmtes Begehren zu verdeutlichen und zu präzisieren (vgl RS0037300 [T29]). Da das Verbot der Überraschungsentscheidung auch für den Obersten Gerichtshof gilt (4 Ob 24/22s Rz 33 mwN), sind die Entscheidungen der Vorinstanzen über das Feststellungsbegehren daher aufzuheben und zur Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückzuverweisen.

[72] 7.3. Erst nach Präzisierung des Feststellungsbegehrens wird es möglich sein, zu prüfen, ob konkretes Verhalten der Beklagten den Wechsel von bestimmten Mitarbeitern der Klägerin zu den Beklagten rechtswidrig und schuldhaft verursachte.

[73] 8. Richtig zeigen die Beklagten auf, dass eine Urteilsveröffentlichung im beantragten Umfang nicht stattzufinden hat.

[74] 8.1. Die Urteilsveröffentlichung nach § 25 Abs 3 UWG ist bei einem berechtigten Interesse des Unterlassungsklägers anzuordnen. Ihr Zweck ist es, eine durch den Wettbewerbsverstoß hervorgerufene unrichtige Meinung wieder richtig zu stellen und zu verhindern, dass die Meinung weiter um sich greift (RS0079764). Sie dient der Aufklärung des Publikums über den Gesetzesverstoß, der auch in Zukunft noch nachteilige Auswirkungen besorgen lässt (RS0079764 [T11]). Normzweck ist demnach das Bedürfnis, den entstehenden Schaden gutzumachen und den Verletzten vor weiteren Nachteilen zu bewahren, nicht hingegen die Bestrafung des Verletzers (RS0079764 [T18]).

[75] Das von den Beklagten angesprochene Talionsprinzip bezieht sich auf in Druckschriften bzw anderen Medien begangene Wettbewerbsverstöße. Dass ein nicht in einem Medium beworbener Wettbewerbsverstoß gar nicht zu publizieren sei, ist daraus zwar nicht abzuleiten (RS0079607 [T6]).

[76] 8.2. Im vorliegenden Fall begründet die Klägerin ihr Veröffentlichungsinteresse jedoch ausschließlich damit, dass die Beklagten ihren großen Mitarbeiter‑ und Kundenstock kurz nach Markteintritt nur aufgrund von Wettbewerbsverstößen aufbauen hätten können. Es müsse verhindert werden, dass sich dieser unrichtige Eindruck des Publikums von den Unternehmen der Beklagten verfestige.

[77] Weder aus dem Vorbringen noch den Feststellungen wird ersichtlich, welcher Personenkreis welchen Fehlannahmen unterliegen soll. Möglicherweise könnte gemeint sein, dass die Öffentlichkeit davon ausgehe, dass wirtschaftlicher Erfolg in der Regel ohne unlauteres Verhalten im Wettbewerb erreicht werde, und dies daher auch bei den Beklagten vermute. Daraus allein ist jedoch kein berechtigtes Interesse der Klägerin an einer Urteilsveröffentlichung abzuleiten. Generell werden Wettbewerbsverstöße begangen, um sich einen unlauteren Wettbewerbsvorteil zu sichern. Würde bereits das Bestehen dieses Vorteils allein die Veröffentlichung rechtfertigen, wäre das Kriterium des berechtigten Interesses in § 25 UWG überflüssig.

[78] 8.3. Das Veröffentlichungsbegehren ist daher abzuweisen.

[79] 9. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten und die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf §§ 50, 52 Abs 2, 392 Abs 2 ZPO. Hinsichtlich der Drittbeklagten ist das Verfahren zwar bereits erledigt. Eine separate Kostenentscheidung nur über die Kosten der Drittbeklagten durch den Obersten Gerichtshof erschien jedoch in Anbetracht des im konkreten Fall hiefür erforderlichen Berechnungsaufwands nicht tunlich, sodass in sinngemäßer Anwendung des § 510 Abs 3 letzter Satz ZPO auch diese Kostenentscheidung dem Erstgericht vorzubehalten war (vgl RS0124588 [T13]). Für diese Vorgangsweise spricht auch, dass alle Beklagten von derselben Rechtsanwaltskanzlei vertreten werden und das Erstgericht im fortgesetzten Verfahren ohnedies eine Kostenentscheidung zu treffen haben wird.

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