OGH 6Nc30/22x

OGH6Nc30/22x18.11.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj L*, geboren am * 2011, vertreten durch die Mutter A*, Frankreich, diese vertreten durch MMag. Maria Leinschitz, Rechtsanwältin in Wien, wegen Unterhalts, über das Ersuchen des Bezirksgerichts Hietzing um Entscheidung nach § 47 JN in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060NC00030.22X.1118.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Die Akten werden dem vorlegenden Gericht (Bezirksgericht Hietzing) zurückgestellt.

 

Begründung:

[1] Das Bezirksgericht Graz‑Ost erklärte sich zur Entscheidung über den Antrag auf Zuerkennung von Unterhalt für nicht zuständig und überwies das Verfahren gemäß § 44 JN an das Bezirksgericht Hietzing.

[2] Das Bezirksgericht Hietzing retournierte den Akt mit dem Ersuchen um Zustellung dieses Beschlusses an die Parteien und neuerliche Übersendung des Akts nach Rechtskraft des Beschlusses, woraufhin das Bezirksgericht Graz‑Ost den Akt seinerseits mit dem (richtigen) Hinweis rückmittelte, dass der Überweisungsbeschluss gemäß § 44 (Abs 2) JN von dem Gericht zuzustellen ist, an das die Sache überwiesen worden ist.

[3] Das Bezirksgericht Hietzing legte daraufhin den Akt – ohne weitere Zustellungen – dem Obersten Gerichtshof als übergeordneten Gerichtshof mit dem Ersuchen „um Entscheidung über den Kompetenzkonflikt“ vor.

Rechtliche Beurteilung

[4] Diese Aktenvorlage ist verfehlt.

[5] 1. Die Entscheidung nach § 47 JN hat beim Obersten Gerichtshof gemäß § 6 OGHG im Fünfersenat zu erfolgen (RS0126085).

[6] 2. Der Unterhaltsanspruch steht dem Kind zu; allein dieses ist zur Antragstellung berechtigt (vgl 1 Ob 36/21g [Rz 9]). Wird – wie hier – das Begehren von der Mutter bei Gericht eingebracht, so ist mangels eindeutiger gegenteiliger Anhaltspunkte davon auszugehen, dass dies im Namen und als Vertreter des Kindes geschieht (RS0079248).

[7] 3. Voraussetzung für eine Entscheidung durch den Obersten Gerichtshof nach § 47 JN ist, dass zwei einander widersprechende rechtskräftige Beschlüsse über die Zuständigkeitsversagung vorliegen (RS0118692; RS0046354).

[8] 4. Diese Voraussetzung ist hier nicht erfüllt.

[9] Nur das Bezirksgericht Graz-Ost hat die seiner Ansicht nach bestehende Unzuständigkeit beschlussmäßig ausgesprochen. Dieser Beschluss wurde den Parteien bisher nicht zugestellt (was vom Bezirksgericht Hietzing zu bewirken sein wird [§ 44 Abs 2 JN]); er kann damit noch gar nicht in Rechtskraft erwachsen sein. Ein Beschluss, mit dem das Bezirksgericht Hietzing seine Unzuständigkeit ausgesprochen hätte, liegt nicht vor.

[10] 5. Zur Vermeidung von Verfahrensverzögerungen wird darauf verwiesen, dass der Überweisungsbeschluss des gemäß § 44 JN überweisenden Gerichts für das Adressatgericht so lange maßgebend bleibt, als er nicht in höherer Instanz rechtskräftig abgeändert wird (RS0081664); das Adressatgericht dürfte daher seine eigene Unzuständigkeit nicht mit der Begründung aussprechen, dass das überweisende Gericht zuständig sei (RS0046315 [T3]; RS0002439).

[11] 6. Im Übrigen wird – wieder einmal – auf die ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs hingewiesen, wonach gemäß § 16 Abs 2 Z 1 RPflG „Berichte an vorgesetzte Behörden“ auch im Wirkungskreis des Rechtspflegers dem Richter vorbehalten sind und darunter nicht nur Vorlageberichte im Sinn von § 179 Geo, sondern auch Ersuchen um Entscheidung eines Kompetenzkonflikts nach § 47 JN (RS0125601) oder nach § 111 JN (erst jüngst wieder 6 Nc 15/22s) fallen. Auch wenn diese Vorschrift in vereinzelten – hier nicht gegebenen – Konstellationen als „leerer Formalismus“ bezeichnet wurde (etwa 6 Ob 37/16h; 6 Ob 107/16b; 2 Ob 179/17p), so zeigt gerade der hier vorliegende Fall eindrucksvoll, dass der Richtervorbehalt nach § 16 Abs 2 Z 1 RPflG offenkundig dazu dient, die Rechtsauffassung des Rechtspflegers vor der Vorlage an höhere Gerichte einer ersten Prüfung zu unterziehen (so bereits 4 Nc 24/09f zu einer vergleichbaren Konstellation) und völlig sinnlose, ja geradezu gesetzwidrige, und jedenfalls verfahrensverzögernde Vorlagen zu vermeiden.

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