OGH 2Ob167/22f

OGH2Ob167/22f25.10.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am * 2020 verstorbenen M*, wegen Feststellung des Erbrechts zwischen 1. Dkfm. W*, 2. R*, beide vertreten durch Gruböck & Lentschig Rechtsanwälte OG in Baden, 3. G*, vertreten durch Binder & König Rechtsanwältinnen OG in Wien und 4. H*, vertreten durch Dr. Bernd Brunner, Rechtsanwalt in Tulln, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Drittantragstellers gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 26. Juli 2022, GZ 16 R 149/22h‑3, mit dem seinem Rekurs gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Baden vom 27. April 2022, GZ 20 A 34/20f‑74, nicht Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00167.22F.1025.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass er – unter Einschluss der in Rechtskraft erwachsenen Teile – insgesamt lautet:

„Das Erbrecht des Drittantragstellers wird aufgrund des Testaments vom 14. 2. 2020 zum gesamten Nachlass festgestellt.

Die aufgrund des Testaments vom 28. 1. 2020 je zur Hälfte des Nachlasses abgegebenen Erbantrittserklärungen der Erst- und Zweitantragsteller sowie die aufgrund des Gesetzes zum gesamten Nachlass abgegebene Erbantrittserklärung der Viertantragstellerin werden abgewiesen.

Die Erst- und Zweitantragsteller sind jeweils zu einem Viertel, die Viertantragstellerin zur Hälfte schuldig, dem Drittantragsteller die mit 36.103,18 EUR (darin enthalten 6.017,20 EUR USt.) bestimmten Kosten des Verfahrens über das Erbrecht binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die Erst- und Zweitantragsteller sind jeweils zur Hälfte schuldig, dem Drittantragsteller die mit 6.486,85 EUR (darin enthalten 1.081,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekurs- und Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die im Jahr 2020 kinderlos verstorbene Erblasserin hinterlässt eine Nichte (Viertantragstellerin) und zwei fremdhändige Testamente, bei deren Errichtung sie testierfähig war.

[2] Mit letztwilliger Verfügung vom 28. 1. 2020 widerrief sie sämtliche bisher getroffenen letztwilligen Verfügungen und setzte die Erst‑ und Zweitantragsteller je zur Hälfte zu ihren Erben ein. Unter den Text der Urkunde schrieb sie eigenhändig folgenden, unterfertigten Zusatz: „Das ist mein letzter Wille.“

[3] Mit Testament vom 14. 2. 2020 widerrief die Erblasserin abermals alle früher errichteten letztwilligen Anordnungen und setzte den Drittantragsteller zum Alleinerben ein. Unter die Schlussklausel des vorgedruckten Textes schrieb sie handschriftlich folgenden Zusatz: „Das ich bleib daf ist mein Wille“ und unterfertigte das Testament. Auf Nachfrage des neben zwei weiteren Zeugen anwesenden anwaltlichen Testamentszeugens zur Bedeutung ihres Zusatzes antwortete die Erblasserin: „Das bleibt so wie es ist, das ist mein Wille.“

[4] Die Erst‑ und Zweitantragsteller gaben unter Berufung auf das Testament vom Jänner 2020 jeweils zur Hälfte des Nachlasses bedingte Erbantrittserklärungen ab und führten aus, das Testament vom Februar 2020 enthalte keine gültige Nuncupatio. Der eigenhändige Vermerk beziehe sich nicht unmissverständlich auf den Inhalt der Urkunde, sondern lasse zahlreiche Interpretationen zu. Der Zusatz könne beispielsweise auch bedeuten, dass die Erblasserin (arg.: ich) nicht sterben, aber auf alle Fälle – wo auch immer – bleiben wolle.

[5] Der Drittantragsteller gab aufgrund des Testaments vom Februar 2020 eine unbedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab und wendete ein, das Testament vom Februar 2020 sei formgültig in der Kanzlei eines Rechtsanwalts errichtet worden. Auf der Urkunde befinde sich auch ein eigenhändig geschriebener Zusatz der Erblasserin, mit dem sie ihren letzten Willen bekräftige. Einen bestimmten Text schreibe das Gesetz nicht vor. Die durch das ErbRÄG 2015 eingeführten Änderungen bei der Nuncupatio hätten primär auf die Erhöhung der Fälschungssicherheit abgezielt. Es müsse lediglich klar zum Ausdruck kommen, dass es sich bei der Urkunde um den letzten Willen des Erblassers handle. Dies sei der Fall. Die Erblasserin habe durch den Zusatz die Richtigkeit und Echtheit des Testaments sowie ihren Willen bestätigt, zu testieren. Der handschriftliche Vermerk bedeute, die Erblasserin bleibe dabei, das sei ihr Wille. Sie habe dies auch im nachfolgenden Gespräch gegenüber dem Testamentserrichter eindeutig zum Ausdruck gebracht.

[6] Die Viertantragstellerinwendete die Ungültigkeit beider Verfügungen wegen Testierunfähigkeit der Erblasserin ein und gab aufgrund des Gesetzes eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab.

[7] Das Erstgericht wies die Erbantrittserklärungen des Drittantragstellers sowie der Viertantragstellerin ab (1.), stellte das Erbrecht der Erst- und Zweitantragsteller aufgrund des Testaments vom Jänner 2020 je zur Hälfte des Nachlasses fest (2.), behielt die Einweisung in das Erbrecht dem Einantwortungsbeschluss vor (3.) und verhielt den Dritt- und die Viertantragstellerin zum anteiligen Kostenersatz an die Erst- und Zweitantragsteller (4.). Die Erblasserin sei bei beiden letztwilligen Verfügungen testierfähig gewesen. Das Testament vom Jänner 2020 erfülle sämtliche Formerfordernisse des § 579 ABGB. Hingegen sei der eigenhändige Zusatz beim Testament vom Februar 2020 keine ausreichendeNuncupatio. Die durch das ErbRÄG 2015 eingeführte, eigenhändig zu schreibendeBekräftigung des letzten Willenssolle einerseits dieFälschungssicherheit durch einen graphologischen Beweis erhöhen und andererseits Schutz vor Übereilung bieten. Wichtiger sei dem Gesetzgeber jedoch die Warn‑ und Beweisfunktion gewesen, weil eine letztwillige Verfügung immer den Verfügenden schützen und die Auslegung seinem Wunsch entsprechen solle. Das Erfordernis einer eindeutigen schriftlichen Nuncupatio solle für Rechtssicherheit sorgen. Es sei daher eine eindeutige, den Willen des in der Urkunde festgehaltenen Inhalts bekräftigende Formulierung notwendig. Zusätzlich erforderliche mündliche Erklärungen, wie die Nuncupatio zu verstehen sei, widersprächen der Intention des Gesetzes. Die Formulierung des Zusatzes im Testament vom Februar 2020 lasse aber nicht zweifelsfrei darauf schließen, dass der Inhalt der Urkunde dem letzten Willen der Erblasserin entspreche. Mangels ausreichend eindeutiger Nuncupatio sei die Form des § 579 Abs 1 ABGB nicht erfüllt.

[8] Das Rekursgericht gab einem nur vom Drittantragsteller erhobenen Rekurs nicht Folge und schloss sich im Wesentlichen den Ausführungen des Erstgerichts an. Die Nuncupatio sei ein selbstständiges Solennitätserfordernis, das nicht schon durch die Unterfertigung der allographen letztwilligen Verfügung erfüllt sei. Durch das Erfordernis der handschriftlichen Bekräftigung solle dem Verfügenden die Tragweite seiner Verfügung deutlich vor Augen geführt werden. Der Zusatz der Erblasserin lasse ihre wirkliche Absicht in Wahrheit verschwimmen und zum Gegenstand von Spekulationen werden. Für ihre Nuncupatio im Testament vom Jänner 2020 habe sie noch die unmissverständliche und einfache Formulierung „Das ist mein letzter Wille“ gewählt. Die Nachfrage des anwaltlichen Testamentszeugen lasse auch nicht den zwingenden Schluss zu, die Verstorbene hätte den Inhalt des Testaments bestätigt, könne sich die Aussage doch auch bloß auf den Zusatz und nicht auf das Testament beziehen. Würde man eine Erklärung des Verfügenden im Zusammenhang mit der Nuncupatio genügen lassen, wäre diese ihrer Bedeutung iSd ErbRÄG 2015 als selbstständiges Formerfordernis beraubt. Den ordentlichen Revisionsrekurs ließ das Rekursgericht nicht zu.

[9] Der Drittantragsteller beantragt in seinem außerordentlichen Revisionsrekurs, sein Erbrecht aufgrund des Testaments vom Februar 2020 festzustellen und (auch) die Erbantrittserklärungen der Erst- und Zweitantragsteller abzuweisen.

[10] Die Erst‑ und Zweitantragsteller beantragen in ihrer – von sich aus noch vor der sich daher erübrigenden Mitteilung nach § 71 Abs 2 AußStrG (RS0104882) eingebrachten – Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[11] Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinn des gestellten Abänderungsantrags auch berechtigt.

[12] Der Drittantragsteller argumentiert, die durch das ErbRÄG 2015 angeordnete Verschriftlichung der Willensbekräftigung diene der Erhöhung der Fälschungssicherheit durch eine – über die bloße Unterschrift hinausgehende – graphologische Zuordnung zum Erblasser. Es reiche daher zur Erfüllung des Formerfordernisses aus, dass der Zusatz dem Erblasser graphologisch zugeordnet werden könne. Einer darin zum Ausdruck kommenden Bekräftigung des letzten Willens bedürfe es nicht. Diese könne wie bisher auch durch ausdrückliche Erklärung erfolgen. Sofern man verlange, dass sich aus der schriftlichen Erklärung eine Bezugnahme auf das Testament und dessen Bekräftigung ergeben müsse, sei diese zumindest im Zusammenhalt mit mündlichen Äußerungen des Erblassers zu sehen. Das Erfordernis der Handschriftlichkeit gehe immer mit einem gewissen Grad an Unleserlichkeit bzw Interpretationsbedürftigkeit einher. Die handschriftliche Nuncupatio dürfe daher nicht losgelöst von mündlichen Erklärungen gesehen werden. Wäre eine mündliche Bekräftigung nicht mehr erforderlich, wäre jedes Testament ungültig, welches einen unleserlichen Zusatz enthielte. Das Ziel, allographe Testamente fälschungssicherer und weniger fehleranfällig zu gestalten, würde durch das Abstellen bloß auf den schriftlichen Zusatz konterkariert. Der handschriftliche Zusatz enthalte ohnehin die Worte: „Das […] ist mein Wille.“ Der „Andeutungstheorie“ und dem Grundsatz des „favor testamenti“ entsprechend liege daher eine gültige Nuncupatio vor. Überdies habe sich das Rekursgericht nicht ausreichend mit der Beweisrüge zum vom Erstgericht festgestellten Inhalt der schriftlichen Nuncupatio befasst.

Dazu hat der erkennende Fachsenat erwogen:

1. Mangelhaftigkeit des Rekursverfahrens

[13] 1.1 Auch im Außerstreitverfahren ist der Oberste Gerichtshof nur Rechts- und nicht Tatsacheninstanz (RS0006737; RS0007236), weshalb Fragen der Beweiswürdigung nicht überprüft werden können. Mit Revisionsrekurs kann nur geltend gemacht werden, dass das Rekursverfahren an einem Mangel leidet, der eine erschöpfende Erörterung und gründliche Beurteilung der Sache zu hindern geeignet war (§ 66 Abs 1 Z 2 AußStrG; RS0043144 [T6]), wozu auch das Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung bei der Erledigung der Beweisrüge zu zählen ist (3 Ob 211/19d Pkt 1.1. mwN).

[14] Im Zusammenhang mit der Erledigung der Beweisrüge liegt ein Verfahrensmangel aber nur vor, wenn sich das Rekursgericht damit überhaupt nicht oder nur so mangelhaft befasst, dass keine nachvollziehbaren Überlegungen über die Beweiswürdigung angestellt und im Beschluss festgehalten sind („floskelhafte Scheinbegründung“; RS0043371 [T13]). Die Entscheidung des Rekursgerichts über eine Beweisrüge ist hingegen mangelfrei, wenn es sich mit dieser befasst, die Beweiswürdigung des Erstgerichts überprüft und nachvollziehbare Überlegungen über die Beweiswürdigung anstellt und in seiner Entscheidung festhält (RS0043150; RS0043144 [T6, T7, T8]).

[15] 1.2 Ob ein Schreiben leserlich ist und welchen Inhalt es hat, ist eine Tatfrage (vgl 7 Ob 185/05i). Das Rekursgericht hat sich entgegen der Ansicht des Drittantragstellers ausreichend mit seiner Beweisrüge befasst und unter Hinweis auf das (vom Erstgericht zu einem Bestandteil des Beschlusses erklärte) Schriftbild keine Bedenken gegen den vom Erstgericht daraus abgeleiteten Inhalt gehegt. Eine mangelhafte Erledigung der Beweisrüge liegt daher nicht vor.

[16] 2. Die Gültigkeit der Testamente ist aufgrund ihres Errichtungszeitpunkts gemäß § 1503 Abs 7 Z 5 ABGB nach § 579 ABGB idF des ErbRÄG 2015 zu beurteilen.

[17] 3. Dass das Testament vom Jänner 2020 den Formerfordernissen des § 579 ABGB entspricht, ist im Revisionsrekursverfahren nicht strittig. Zu prüfen ist, ob (auch) das Testament vom Februar 2020 eine ausreichende Nuncupatio aufweist und daher formwirksam zustande gekommen ist.

4. Bisherige Rechtslage

[18] 4.1 Gemäß § 579 ABGB aF musste der Erblasser vor drei fähigen Zeugen, wovon wenigstens zwei zugleich gegenwärtig sein mussten, ausdrücklich erklären, dass der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte.

[19] 4.2 Die Nuncupatio als selbstständiges Solennitätserfordernis war nicht schon durch die Unterfertigung der allographen letztwilligen Verfügung erfüllt. Auch der bloße subjektive Eindruck der Testamentszeugen, ob das Schriftstück den letzten Willen des Testators enthielt, war für sich unerheblich, solange dieser Eindruck nicht durch ein bestimmtes Verhalten des Testators vermittelt wurde. Die Anforderungen an die Ausdrücklichkeit der Nuncupatio waren (auch) im Hinblick auf ihren Zweck, das Unterschieben einer vom Testator nicht gewollten letztwilligen Verfügung zu verhindern, streng zu prüfen (vgl RS0128630). Da im Gesetz nicht vorgeschrieben war, mit welchen Worten der Testator die ausdrückliche Erklärung nach § 579 ABGB abzugeben hatte, wurde (nur) verlangt, dass aus ihnen entnommen werden konnte, dass der Testator in dem ihm vorliegenden Schriftstück seinen letzten Willen erblickte, ohne dass dessen Inhalt den Zeugen auch zur Kenntnis gebracht werden hätte müssen (RS0015438). Die „ausdrückliche“ Erklärung iSd § 579 ABGB konnte auch mit allgemein angenommenen Zeichen abgegeben werden (RS0012469).

[20] Die Nuncupatio stellte daher zusammengefasst eine Bestätigung des Erblassers durch „ausdrückliche Erklärung“ dar, dass der betreffende „Aufsatz“ gerade seinen letzten Willen beinhalte (5 Ob 185/12k Pkt 3.2.).

5. § 579 Abs 1 ABGB idF des ErbRÄG 2015

[21] 5.1 § 579 Abs 1 ABGB verlangt neben der in Gegenwart von drei gleichzeitig anwesenden Zeugen eigenhändig zu setzenden Unterschrift des Erblassers nun überdies einen eigenhändig geschriebenen Zusatz, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthalte.

[22] 5.2 Nach den Materialien (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP  10) sollte das Erfordernis der Nuncupatio, also der Bekräftigung des letztwillig Verfügenden vor den Zeugen, dass die Verfügung seinem letzten Willen entspricht, geändert werden. Auch wenn die Zeugen gewöhnlich wüssten, dass der Verfügende seinen letzten Willen errichten wolle und dass dieser in der Urkunde, die sie unterschreiben sollen, niedergeschrieben sei, solle die Bekräftigung beibehalten werden. Der Verfügende müsse eigenhändig den Zusatz schreiben, dass die Urkunde seinen letzten Willen enthalte. Dabei könne er sich verschiedener Ausdrücke bedienen, wie etwa „Die Urkunde enthält meinen letzten Willen“, „Mein Wille“, „Das will ich“ oder „So soll es sein“. Entscheidend sei, dass aus dem Zusatz hervorgehe, dass es sich um seinen letzten Willen handle. Ein Zusatz wie ein bloßes „OK“ sei dagegen unzureichend. Mit diesem zusätzlichen Formerfordernis solle die Fälschungssicherheit erhöht werden. Zudem könne allein die eigenhändige Unterschrift des Verstorbenen nicht dieselbe Gewähr dafür bieten, dass dieser gewusst habe, dass er seinen letzten Willen errichte. Die schriftliche Bekräftigung werde auch weniger Beweisschwierigkeiten und mehr Rechtssicherheit zur Folge haben, als es bei der mündlichen Bestärkung der Fall sei. Wie nach bisherigem Recht müssten die Zeugen den Inhalt der letztwilligen Verfügung nicht kennen, sondern nur wissen, dass der Verfügende seinen letzten Willen errichte.

5.3 Lehre

[23] 5.3.1 Welser (Erbrechts‑Kommentar § 579 ABGB Rz 5, 7) hält fest, die „mündliche“ Bekräftigung werde durch das ErbRÄG 2015 abgeschafft. Stattdessen bedürfe es eines schriftlichen Bekräftigungszusatzes. Damit solle vor allem eine größere Sicherheit gegen Fälschungen durch eine graphologische Zuordnung zum Erblasser erreicht werden. Ein bestimmter Text sei nicht vorgeschrieben. Ob der Zusatz als Bekräftigung ausreiche, müsse nach dem Sprachgebrauch des Erblassers und – soweit ein solcher unbekannt sei – nach der Verkehrsauffassung beurteilt werden. Bei unzureichender schriftlicher Nuncupatio werde man von Formungültigkeit ausgehen müssen.

[24] 5.3.2 Auch Mondel/Knechtel (in Kletečka/Schauer, ABGB‑ON1.04 § 579 Rz 1/0 f) betonen, die neu eingeführte Anbringung eines eigenhändigen Zusatzes sei ein selbstständiges Solennitätserfordernis, mit dem insbesondere eine größere Sicherheit durch eine graphologische Zuordnung zum Testator herbeigeführt werde. Dies habe davor durch das bloße Setzen der Unterschrift kaum erreicht werden können, weil bei der bloßen Unterschrift das Schriftbild oft anders sei. Beim eigenhändigen Zusatz könne sich der Testator nach den Materialien verschiedener Ausdrücke bedienen.

[25] 5.3.3 Ebenso unterstreicht Nemeth (in Schwimann/Kodek 5 § 579 ABGB Rz 5) den Aspekt der Fälschungssicherheit und meint, um dies gewährleisten zu können, müsse der Zusatz eine gewisse Länge aufweisen. Durch das Erfordernis der handschriftlichen statt „mündlichen“ Bekräftigung solle den Verfügenden die Tragweite seiner Verfügung deutlich vor Augen geführt werden.

[26] 5.3.4 Nach Tschugguel (in Klang³ §§ 579 aF, 579 nF ABGB Rz 18 ff; ders, Neues zur Form letztwilliger Verfügungen, EF‑Z 2016/83) solle die Neuregelung die Fälschungssicherheit erhöhen, Gewähr dafür bieten, dass der Erblasser sich der Errichtung des letzten Willens bewusst sei und schließlich auch Beweisschwierigkeiten hintanhalten. Die Bestimmung bedeute nicht bloß eine Verschriftlichung, sondern auch ein teilweises Abgehen von der bisherigen Ratio der Nuncupatio. Einerseits trete der bisherige Zweck, die Verbindung zwischen dem Erblasser und dem Testament gegenüber den Testamentszeugen, also nach außen sichtbar zu verdeutlichen, in den Hintergrund. Sie habe einen ganz besonderen Sinn in jenen Fällen gehabt, in denen die Unterfertigung des Testators bereits vor Beiziehung der Zeugen erfolgt sei. Dies sei jedoch nun ausgeschlossen, weil alle drei Zeugen während der Unterfertigung der letztwilligen Verfügung anwesend sein müssten. Andererseits komme mit dem Aspekt der Erhöhung der Fälschungssicherheit ein neuer Zweck hinzu. Es sei daher fraglich, ob es mehr darauf ankomme, dass der Zusatz inhaltlich deutlich eine Bekräftigung des letzten Willens enthalte und/oder auch darauf, dass er eine graphologische Beweisgrundlage biete. Der Gesetzgeber habe zwar zur erhöhten Fälschungssicherheit ein Element der Eigenhändigkeit in die Testamentsform einfließen lassen, dies aber eben durch einen handschriftlichen Bekräftigungszusatz umgesetzt. Zur Einhaltung der Form sei daher nicht die Anzahl der Worte, sondern ausschließlich der bekräftigende Charakter des Zusatzes entscheidend. In inhaltlicher Hinsicht genüge eine deutliche Willensbekräftigung, sodass der Testator seinen Willen nicht ausdrücklich als seinen letzten Willen zu bekräftigen habe. Insoweit könne auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden, die nicht die Bekräftigung des letzten Willens fordere, sondern es genügen lasse, dass die Bekräftigung statt durch Worte auch durch allgemein angenommene Zeichen erfolge. Ob ein hinreichender Bekräftigungszusatz vorliege, habe sich nach der allgemeinen Verkehrsauffassung zu richten, wobei die Gewohnheiten des Erblassers mitzuberücksichtigen seien. Es komme darauf an, ob ein verständiger Leser in Kenntnis der Gewohnheiten des letztwillig Verfügenden den Zusatz als Bekräftigung seines letzten Willens verstehen könne.

5.4 Stellungnahme des Senats:

[27] 5.4.1 Die Errichtung letztwilliger Verfügungen ist an strenge, zwingende Formvorschriften gebunden. Diese sollen einerseits dem Testator die Bedeutung seiner Erklärung bewusst machen, sodass er sie mit Überlegung trifft, anderseits Streitigkeiten nach seinem Tod verhindern. Den Formvorschriften kommt demnach sowohl Warn- als auch Beweisfunktion zu. Wurde die Form nicht gewahrt, so ist die Anordnung des Erblassers selbst bei klarem und eindeutig erweisbarem Willen ungültig (RS0012514).

[28] 5.4.2 Der erkennende Senat hat bereits klargestellt, dass die durch das ErbRÄG 2015 neu eingeführte eigenhändige Nuncupatio ein selbstständiges Solennitätserfordernis ist, das zwingend neben die eigenhändige Unterfertigung der fremdhändigen letztwilligen Verfügung tritt, und damit insbesondere eine größere Sicherheit gegen Fälschungen durch graphologische Zuordnung zum Testator herbeigeführt werden sollte (2 Ob 63/22m Rz 13).

[29] 5.4.3 Durch das ErbRÄG 2015 wurde die Willensbekräftigung des Erblassers „verschriftlicht“ (2 Ob 145/19s Pkt 3.) und daher lediglich die bisherige Form der „Ausdrücklichkeit“ abgeschafft (vgl: Welser aaO: Abschaffung der „mündlichen“ Bekräftigung), um die Fälschungssicherheit zu erhöhen. Auf das Erfordernis einer Bekräftigung, also eines Zusatzes, dass die Urkunde den letzten Willen des Erblassers enthalte, sollte aber nach den insoweit eindeutigen Gesetzesmaterialien nicht verzichtet werden. Die Erhöhung der Fälschungssicherheit ist bloß ein (weiterer) Teilaspekt.

[30] Der Umstand, dass – wie hier – eine graphologische Zuordnung zur Erblasserin möglich ist, reicht daher ebenso wenig zur Erfüllung der Formvorschrift des § 579 Abs 1 ABGB aus wie das Vorliegen einer bloß mündlichen bzw ausdrücklichen, aber nicht schriftlichen Bekräftigung.

[31] 5.4.4 Inhaltlich muss der Zusatz eine Bestätigung des Erblassers enthalten, dass die betreffende „Urkunde“ gerade seinen letzten Willen beinhalte.

[32] Die Materialien betonen, aus dem Zusatz müsse hervorgehen, dass es sich um den letzten Willen des Erblassers handle. Es solle zu weniger Beweisschwierigkeiten kommen.

[33] Ob und inwieweit zur Ermittlung des Sinngehalts eines Bekräftigungszusatzes auf den Sprachgebrauch oder die Gewohnheiten des Erblassers (so Welser aaO; Tschugguel aaO) oder auch auf allfällige Äußerungen anlässlich der Verfassung des Zusatzes zurückgegriffen werden kann, was die Durchführung eines Beweisverfahrens erfordern würde, kann im vorliegenden Fall dahinstehen, weil schon die Auslegung des Bekräftigungszusatzes anhand des allgemeinen Sprachgebrauchs und der Verkehrsauffassung zu einer eindeutigen schriftlichen Bekräftigung des letzten Willens führt.

[34] Vernünftige gegenteilige Deutungsmöglichkeiten werden nicht aufgezeigt.

[35] Es liegt somit eine ausreichende Nuncupatio iSd § 579 Abs 1 ABGB vor.

[36] Dem Revisionsrekurs war daher Folge zu geben und das Erbrecht des unter Widerruf der bisherigen Verfügungen formgültig eingesetzten Drittantragstellers festzustellen.

[37] 6. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 Abs 2 iVm § 185 AußStrG. Eine Solidarhaftung der Erst-, Zweit- und Viertantragsteller für die Kosten kommt nicht in Betracht, weil jede Erbantrittserklärung ihr eigenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (2 Ob 29/22m Rz 42 mwN). Das Vorhandensein mehrerer Gegner, die sich auf unterschiedliche Anspruchsgründe berufen, führt unter entsprechender Anwendung der Regeln über die Verfahrensverbindung dazu, dass der Drittantragsteller von den zwei vorhandenen gegnerischen Gruppen (Erst- und Zweitantragsteller/Viertantragstellerin) jeweils die Hälfte seiner Kosten ersetzt erhält. Innerhalb der Gruppe verteilt sich der Kostenersatz nach Köpfen (Obermaier in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG I² § 185 Rz 9/2). Die Erst- und Zweitantragsteller sind daher zum Kostenersatz in Höhe von je einem Viertel und die Viertantragstellerin zur Hälfte verpflichtet.

[38] Da § 54 Abs 1a ZPO im außerstreitigen Verfahren nach zutreffender herrschender Ansicht keine Anwendung findet, ist das Kostenverzeichnis des Erstantragstellers umfassend zu prüfen (2 Ob 29/22m Rz 42 mwN). Für die Äußerung vom 26. 1. 2021 gebührt kein erhöhter ERV‑Zuschlag nach § 23a RATG, weil es sich dabei nicht um einen das Verfahren über das Erbrecht einleitenden Schriftsatz handelt. Mangels Bescheinigung besonderer Gründe für die Bestellung eines auswärtigen Rechtsanwalts gebührt für die Verhandlungen nach dem Vollmachtswechsel nur der einfache Einheitssatz (RS0036203).

[39] Im Rekurs- und Revisionsrekursverfahren gebührt aufgrund des Ausscheidens der Viertantragstellerin mangels Bekämpfung der Abweisung ihrer Erbantrittserklärung nur ein Streitgenossenzuschlag von zehn Prozent. Pauschalgebühren sind weder für das Rekurs- noch das Revisionsrekursverfahren zu entrichten (TP 8 Anm 3 GGG).

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