European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00130.22G.0914.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin begehrt von der beklagten Rechtsanwältin Schadenersatz wegen einer unrichtigen Rechtsberatung im Zusammenhang mit der Durchsetzung von Ansprüchen gegen ihren früheren Dienstgeber. Dieser habe das Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zu Unrecht nicht als echten Dienstvertrag qualifiziert und daher Leistungen, zu denen er als Dienstgeber verpflichtet gewesen wäre, nicht erbracht. Aufgrund der falschen Rechtsauskunft der Beklagten zum Verjährungsbeginn habe die Klägerin ihre Ansprüche auf diese Leistungen nicht rechtzeitig gerichtlich geltend gemacht.
[2] Das Berufungsgericht bestätigte die klageabweisende Entscheidung des Erstgerichts. Beide Vorinstanzen erachteten das Klagebegehren schon deshalb als unberechtigt, weil die Klägerin ihre Tätigkeit nicht auf Basis eines echten Dienstvertrags, sondern als freie Dienstnehmerin erbracht habe. Jene Ansprüche, aus deren Verjährung sie ihren Schaden ableitet, wären ihr daher gar nicht zugestanden.
[3] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin ist mangels Darlegung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 501 Abs 2 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[4] 1. Der echte unterscheidet sich vom freien Dienstvertrag primär durch die persönliche Abhängigkeit des Dienstnehmers vom Dienstgeber (vgl RS0021332; RS0021306). Für diese sprechen vor allem eine Weisungsgebundenheit des zur Arbeitsleistung Verpflichteten, insbesondere hinsichtlich Arbeitszeit, Arbeitsort und arbeitsbezogenem Verhalten, dessen persönliche Arbeitspflicht, die Fremdbestimmtheit der Arbeit, die funktionelle Einbindung der Dienstleistung in ein betriebliches Weisungsgefüge, einschließlich der Kontrollunterworfenheit und die Beistellung des Arbeitsgeräts durch den Dienstgeber (9 ObA 43/20v mwN). Entscheidend ist, ob bei einer Gesamtbetrachtung die Merkmale der persönlichen Abhängigkeit ihrem Gewicht und ihrer Bedeutung nach überwiegen (RS0021284 [insb T20]), was jeweils anhand der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen ist (RS0111914 [T4, T6, T13]). Hat das Berufungsgericht – wie hier – seiner Entscheidung die vom Obersten Gerichtshof entwickelten Abgrenzungskriterien zugrunde gelegt, liegt – von Fällen krasser Fehlbeurteilung abgesehen – keine erhebliche Rechtsfrage vor (8 ObA 49/19t mwN).
[5] 2. Die Arbeit der Klägerin als Ärztin umfasste das Beschreiben von Präparaten bzw Gewebeproben in einem Labor (Makroskopie). Sie konnte diese Tätigkeit teilweise nur dort, teilweise (etwa bei gynäkologischen Abstrichen) auch außerhalb des Labors ausüben. Die Klägerin konnte sich ihre Arbeitszeit frei einteilen. Verhinderungen musste sie nicht begründen oder dafür die Zustimmung des Dienstgebers einholen, dieser hätte dann vielmehr – ohne „Sanktion“ für die Klägerin – eine Vertretung organisiert. Die Bezahlung erfolgte nach geleisteten Arbeitsstunden. Die Klägerin arbeitete zu Beginn ihrer Tätigkeit nur tageweise und zuletzt überwiegend von Montag bis Freitag.
[6] 3. Dass dem Berufungsgericht bei der Beurteilung dieses Sachverhalts dahin, dass die Beschäftigung der Klägerin kein echtes Dienstverhältnis begründe, eine erhebliche und daher vom Obersten Gerichtshof auch im Einzelfall aufzugreifende Fehlbeurteilung unterlaufen wäre, zeigt die Revisionswerberin nicht auf.
[7] 3.1. Die von ihr ins Treffen geführte Rechtsprechung, wonach die einem Dienstnehmer eingeräumte Möglichkeit, Beschäftigungsanbote auszuschlagen („sanktionslosen Ablehnungsrecht“ im Sinn der in der Revision zitierten Entscheidung 9 ObA 118/07d), dessen – sonst bestehende – persönliche Abhängigkeit nur ausschließen könnte, wenn diese Möglichkeit tatsächlich genutzt wurde oder bei objektiver Betrachtung zu erwarten war, dass eine solche Nutzung erfolgen würde (vgl RS0118332), hat für die Beurteilung des vorliegenden Falls keine entscheidende Bedeutung. Die Möglichkeit der Klägerin, Beschäftigungsangebote auszuschlagen, wurde vom Berufungsgericht nämlich nicht als primäres Argument gegen das Vorliegen eines echten Dienstvertrags herangezogen. Vielmehr berücksichtigte es als wesentlichen, gegen die Annahme eines echten Dienstvertrags sprechenden Aspekt, dass die Klägerin frei entscheiden konnte, ob und in welchem Ausmaß sie tätig wurde, sodass sie sich ihr „Kommen und Gehen“ also frei einteilen konnte (vgl 9 ObA 40/16x; insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von dem der Entscheidung zu 9 ObA 118/07d zugrundeliegenden Sachverhalt). Soweit die Klägerin die Möglichkeit zur freien Zeiteinteilung in Abrede stellt, geht sie nicht vom festgestellten Sachverhalt aus (RS0043603 [insb T2]). Mit ihrem Hinweis auf Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts bzw des Verwaltungsgerichtshofs legt sie schon mangels Leitfunktion dieser Gerichte für den Bereich des Zivilrechts (vgl VwGH Ro2017/04/0004 mwN) keine erhebliche Rechtsfrage dar.
[8] 3.2. Die in der Revision selektiv hervorgehobenen Feststellungen, wonach am Nachmittag jeweils ein höherer Arbeitsanfall bestand als am Vormittag, lassen auf keine „weitgehend ausgeschlossene Bestimmungsfreiheit“ schließen. Ein sekundärer Feststellungsmangel zu den (ungefähren) Arbeitszeiten der Klägerin liegt nicht vor, weil feststeht, dass sie zunächst nur tageweise und später überwiegend von Montag bis Freitag anwesend war, wobei sie meist nach 13:00 Uhr kam und nicht länger als 18:00 bis 20:00 Uhr blieb. Warum dies etwas an der festgestellten Möglichkeit zur freien Zeiteinteilung ändern sollte, legt die Revisionswerberin nicht dar. Sie behauptet auch nicht, hinsichtlich ihrer konkreten Tätigkeit weisungsgebunden gewesen zu sein.
[9] 3.3. Die Rechtsmittelausführungen zur „längerfristigen Eingliederung der Klägerin in die Betriebsorganisation des Labors“ sind gänzlich unkonkret und lassen nicht erkennen, dass dem Berufungsgericht eine unrichtige rechtliche Beurteilung unterlaufen wäre.
[10] 4. Die erstmals in dritter Instanz erhobene Behauptung der Klägerin, dass ihr auch als freier Dienstnehmerin ein „Anspruch auf Dienstnehmerbeiträge zur Pensionsversicherung“ sowie auf Zahlungen an die Mitarbeitervorsorgekasse zugestanden wäre, verstößt gegen das Neuerungsverbot.
[11] 5. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO).
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