OGH 2Ob62/22i

OGH2Ob62/22i6.9.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Grohmann als Vorsitzende sowie die Hofräte Dr. Nowotny, Hon.‑Prof. PD Dr. Rassi, MMag. Sloboda und Dr. Kikinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch MMag. Dr. Verena Rastner, Rechtsanwältin in Lienz, gegen die beklagte Partei I*, vertreten durch Dr. Johannes Hibler, Rechtsanwalt in Lienz, wegen Unterhalt, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse: 59.760 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgerichtvom 10. Dezember 2021, GZ 3 R 192/21p‑33, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Lienz vom 18. Mai 2021, GZ 1 C 21/20a‑29, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00062.22I.0906.000

 

Spruch:

 

Der außerordentlichen Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass es unter Einschluss der mangels Anfechtung in Rechtskraft erwachsenen Teilabweisung (1.830 EUR: Unterhaltsrückstand 1. 1. 2020 bis 31. 5. 2020; 366 EUR: laufender monatlicher Unterhalt ab 1. 6. 2020) wie folgt lautet:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei für den Zeitraum 1. 1. 2020 bis 31. 5. 2020 rückständigen Unterhalt in Höhe von 7.500 EUR sowie ab 1. 6. 2020 monatlichen Unterhalt in Höhe von 2.100 EUR zu zahlen.

Die bis zur Rechtskraft des Beschlusses fälligen Beträge sind – abzüglich bisher geleisteter Zahlungen – binnen 14 Tagen, die weiterhin fällig werdenden Beträge jeweils bis zum 5. eines jeden Monats im Vorhinein zu entrichten.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei für den Zeitraum 1. 1. 2020 bis 31. 5. 2020 weiteren rückständigen Unterhalt in Höhe von 3.280 EUR sowie ab 1. 6. 2020 weiteren monatlichen Unterhalt in Höhe von 656 EUR zu zahlen, wird abgewiesen.

3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 7.646,91 EUR (darin enthalten 1.092,11 EUR USt 1.094,25 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.294,94 EUR (darin enthalten 215,82 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Berufungsbeantwortung sowie die mit 932,79 EUR (darin enthalten 155,46 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Ehe der Streitteile wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Matrei in Osttirol vom 20. 3. 2002, C 16/02k, gemäß § 55a EheG geschieden.

[2] Anlässlich der Scheidungsverhandlung vereinbarten die Streitteile die alleinige Obsorge des Beklagten für vier noch minderjährige Kinder und hielten fest, dass die Klägerin mangels Einkommens keinen Geldunterhalt zu leisten hat. Im Zusammenhang mit dem Ehegattenunterhalt trafen sie folgende Vereinbarung:

„…

3) Der Erstantragsteller Ing. D* verpflichtet sich, der Zweitantragstellerin M* einen monatlichen Unterhaltsbeitrag, beginnend mit 01.04.2002 bis 31.12.2002 in Höhe von € 436,00 und ab 01.01.2003 in Höhe von € 364,00, zahlbar bis zum 15. eines jeden Monats im Vorhinein, zu bezahlen.

Für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.12.2009 wird der vorstehende Unterhalt als fix vereinbart, sodass eine Änderung der Verhältnisse auf die Höhe des Unterhalts keinen Einfluss hat und somit die Umstandsklausel für die Dauer dieser 7 Jahre nicht gilt.

Festgehalten wird, dass die vorstehende Unterhaltsberechnung auf Basis des Jahreseinkommens des Erstantragstellers laut Einkommensteuerbescheid 1999 und unter Berücksichtigung der Sorgepflichten für 4 Kinder sowie der Finanzierung der Ausgleichszahlung und der Kreditrückzahlung für derzeitige Wohnraumbeschaffung zugunsten der unterhaltsberechtigten Kinder erfolgt.

…“

Nach Ablauf des Befristungszeitraums im Jahr 2010 forderte die Klägerin einen Unterhaltsbetrag von 800 EUR. Nachdem ihr ihr Vertreter vorgerechnet hatte, dass sie aber für zwei Kinder unterhaltspflichtig wäre, war sie mit dem vom Beklagten angebotenen Betrag von 600 EUR einverstanden.

Am 24. 6. 2010 schlossen die Parteien vor dem Bezirksgericht Lienz einen prätorischen gerichtlichen Vergleich mit folgendem Inhalt:

„1) D* und M* haben vor dem BG Matrei i. O. am 20.03.2002 zu C 16/02k im Zuge der Ehescheidung nach § 55a EheG befristet für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis 31.12.2009 den Ehegattenunterhalt geregelt. Für die Zeit ab dem 01.01.2010 wird in Abänderung des Vergleiches C 16/02k BG Matrei der nacheheliche Ehegattenunterhalt abgeändert wie folgt:

2) D* verpflichtet sich, M* ab 01.01.2010 bis 31.12.2019 einen monatlichen Unterhaltsbeitrag von EUR 600,00 bis zum 05. eines jeden Monats im Vorhinein zu bezahlen. Der Unterhaltsberechnung liegt das Einkommen des D* gemäß dem Einkommensteuerbescheid 2008 mit einem monatlichen Nettobezug von EUR 5.070,00 (Jahreszwölftel) zugrunde. M* bezieht gemäß der Bezugsbestätigung der Pensionsversicherungsanstalt (November 2009) eine monatliche Pension von netto EUR 491,34 (Jahreszwölftel EUR 570,00). D* ist sorgepflichtig für die beiden mj. ehelichen Kinder R* (geb. 02.12.1993) und M* (geb. 16.04.1995).

3) Aufgrund der hohen Einkommensdifferenz bleibt bei der Berechnung des Unterhaltsbeitrages die Eigenpension der M* außer Betracht, sodass der Unterhalt auf Basis des gesetzlichen Ehegattenunterhaltes einer einkommenslosen Ehefrau (33 %) unter Berücksichtigung der Sorgepflichten für die beiden mj. Kinder berechnet wird (25 %), vereinbart wird weiters die Hälfte des sich daraus errechnenden gesetzlichen Unterhaltsbeitrages (12,5 %).

Der Unterhaltsbeitrag ist wertgesichert, Ausgangsbasis ist die für den Monat Jänner 2010 verlautbarte Indexzahl des VPI 2009. Indexsteigerungen sind jährlich im Nachhinein auszugleichen. Für den Fall, als durch einen längeren Zeitraum als drei Jahre keine Indexnachrechnung erfolgt, bedeutet dies keinen Verzicht und wird der Einwand der Verjährung ausgeschlossen.

4) Der Unterhaltsbeitrag von EUR 600,00 wird für den Zeitraum vom 01.01.2010 bis 31.12.2019 fix vereinbart, sodass eine Änderung der Verhältnisse auf die Höhe des Unterhaltes keinen Einfluss hat und somit die Umstandsklausel für die Dauer dieser 10 Jahre ausgeschlossen wird.

Nach Ablauf der Befristung zum 31.12.2019 ist der Unterhalt für M* ab dem 01.01.2020 neu zu berechnen (gesetzlicher Ehegattenunterhalt) und verpflichten sich M* und D* wechselseitig, ihre Einkommensverhältnisse urkundlich nachzuweisen.

…“

[3] Als Bürgermeister und als Geschäftsführer eines Abwasserverbandes bezog der Beklagte in den Jahren 2016 bis 2018 ein durchschnittliches monatliches Nettoeinkommen von gerundet 8.340 EUR.

[4] Zur Vorsorge, längerfristigen Veranlagung und zur Steuerersparnis erwarb der Beklagte 2011 sanierungsbedürftige Miteigentumsanteile an Liegenschaften mit Wohnungen in Wien („kleines Bauherrenmodell“). Die zum Erwerb aufgenommenen Darlehen werden erst in den Jahren 2036, 2037 und 2038 getilgt sein. Die monatlichen Kreditverbindlichkeiten belaufen sich auf rund 2.600 EUR bis 2.700 EUR. Deswegen ergeben sich in den Lohnsteuerausgleichen Verluste aus Vermietung und Verpachtung. Der Beklagte hat nicht die Absicht, Gewinne selbst zu lukrieren, sondern will diese Wohnungen seinen Kindern zukommen lassen.

[5] Bei Zusammenzählung der beiden Lohneinkünfte und unter Außerachtlassung des „Bauherrenmodells“ ergäbe sich im Mittel der Jahre 2016 bis 2018ein monatlicher Nettobezug von 7.463,63 EUR.

[6] Der Beklagte zahlte auch nach Ende 2019 einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 600 EUR an die Klägerin.

[7] Die Klägerin begehrt mit ihrer 2020 eingebrachten Klage die Zahlung eines Unterhaltsrückstands für die Monate Jänner bis Mai 2020 in Höhe von 10.780 EUR sowie eines laufenden Unterhalts ab 1. Juni 2020 in Höhe von 2.756 EUR. Sie bringt im Wesentlichen vor, der Beklagte habe sich im Vergleich vom 24. 6. 2010 zur Leistung des gesetzlichen Ehegattenunterhalts (33 %) verpflichtet. Unter Berücksichtigung der Sorgepflichten des Beklagten für zwei Kinder sei dieser auf 25 % reduziert worden. Dem Umstand, dass die Klägerin diesen Geldunterhalt zu leisten gehabt hätte, habe man durch die Halbierung des reduzierten, gesetzlichen Unterhalts (12,5 %) Rechnung getragen. Die Parteien hätten ausdrücklich eine Neuberechnung des Unterhalts auf Basis des offen zu legenden Einkommens nach Ablauf der Befristung in Höhe des gesetzlichen Unterhalts (33 %) vereinbart. Die Verluste aus Vermietung und Verpachtung seien bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage nicht zu berücksichtigen.

[8] Der Beklagte wendet ein, sich lediglich befristet zur Unterhaltsleistung verpflichtet zu haben, um die Klägerin zu unterstützen. Nach Ablauf der Befristung habe die Klägerin daher allenfalls einen Unterhaltsanspruch gemäß § 69a Abs 2 EheG. Die Vergleichsrelation sei jedenfalls zu berücksichtigen. Eine Neubemessung habe sich an der vergleichsweisen Regelung zu orientieren. Er habe sich jeweils nur zur Leistung eines Unterhaltsbeitrags verpflichtet, der geringer als die Hälfte des gesetzlichen Ehegattenunterhalts sei, weil er zwar ein gutes Einkommen gehabt habe, aber die Verbindlichkeiten für die Ehewohnung übernommen und sich naturaliter und finanziell um die Kinder gekümmert habe. Die Klägerin habe hingegen keinen Beitrag geleistet. Das Verschulden der Streitteile am Scheitern der Ehe sei nicht berücksichtigt worden. Er sei daher auch nicht bereit gewesen, Unterhalt wie im Falle einer Verschuldensscheidung zu leisten. Der vereinbarte Unterhalt orientiere sich vielmehr an § 69a EheG. Die von der Klägerin begehrte Höhe sei grob unbillig. Die wirtschaftliche Belastung aus der Anschaffung der Miteigentumsanteile mindere die Unterhaltsbemessungsgrundlage.

[9] Das Erstgericht gab der Klage im Umfang von 8.950 EUR (rückständiger Unterhalt) und 2.390 EUR (laufender Unterhalt ab 1. 6. 2020) statt und wies das Mehrbegehren ab. Rechtlich führte es aus, die abgeschlossenen Vergleiche bildeten im Wesentlichen lediglich die Berechnung des gesetzlichen Ehegattenunterhalts während aufrechter Ehe entsprechend der Prozentsatzmethode nach. Es sei überdies berücksichtigt worden, dass den Beklagten nicht nur Sorgepflichten träfen, sondern die Klägerin keine Geldunterhaltsleistung für die Kinder erbringe. Im Vergleich vom 24. 6. 2010 hätten die Parteien bereits eine Neuberechnung auf Basis des gesetzlichen Ehegattenunterhalts einer einkommenslosen Ehefrau – ohne weiterer Parameter – vereinbart, wobei sich eine zu berücksichtigende Änderung in der Einkommenslage des Beklagten sowie ein Wegfall der Sorgepflichten ergeben habe. Dass der Beklagte nur die Hälfte des gesetzlichen Unterhalts zu leisten habe, lasse sich der Vereinbarung nicht entnehmen. Mangels Erfolgsaussichten seien die Verluste aus Vermietung und Verpachtung nicht abzugsfähig. Es sei daher nur die wirklich geschuldete und nicht die fiktive Lohnsteuer zu berücksichtigen. Die Bemessungsgrundlage betrage daher 8.350 EUR. Abzuziehen seien aber krankheitsbedingte Mehraufwendungen in Höhe von 1.112,60 EUR, sodass sich eine Bemessungsgrundlage von 7.236,40 EUR ergebe. Das Eigeneinkommen der Klägerin sei aufgrund der hohen Einkommensdifferenz nicht zu berücksichtigen.

[10] Das Berufungsgericht schloss sich im Wesentlichen den Ausführungen des Erstgerichts an und gab einer Berufung des Beklagten nicht Folge.

[11] Gegen dieses Urteil richtet sich die (richtig) außerordentliche Revision des Beklagten mit dem Antrag, das Klagebegehren betreffend den Unterhaltsrückstand zur Gänze abzuweisen und der Klägerin laufenden Unterhalt in Höhe von lediglich 730 EUR zuzuerkennen.

[12] Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[13] Die außerordentliche Revision ist zulässig, weil dem Berufungsgericht bei der Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen ist; sie ist im Sinn des Abänderungsantrags auch teilweise berechtigt.

[14] Der Beklagte argumentiert, die von den Vorinstanzen angestellten Überlegungen zur Gegenverrechnung des von der Klägerin „fiktiv“ zu leistenden Kindesunterhalts mit dem vereinbarten Ehegattenunerhalt seien nicht zutreffend. Der Beklagte habe bei Vergleichsabschluss derartige Überlegungen nicht angestellt. Bei der Auslegung komme es aber auf den übereinstimmenden Parteiwillen bzw darauf an, was redliche Parteien vereinbart hätten. Nach dem Vergleichstext wirkten sich die Sorgepflichten mindernd auf den gesetzlichen Ehegattenunterhalt aus. Von dem so geminderten Unterhalt habe man global die Hälfte vereinbart, was sich auch aus der zur Auslegung heranzuziehenden Korrespondenz ergebe. Der Unterhaltsvergleich sei befristet gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb sich der Beklagte bereits 2010 zur Leistung eines Unterhalts in Höhe des gesetzlichen Ehegattenunterhalts verpflichten hätte sollen, sei doch – abgesehen vom Wegfall der Sorgepflichten für die beiden Kinder – nicht absehbar gewesen, wie sich seine Einkommensverhältnisse und allfällige sonstige Sorgepflichten entwickeln. Während die Vergleiche der Klägerin einen Unterhaltsbeitrag in Höhe von ca 11 % (Vergleich vom 20. 3. 2002) bzw 12 % (Vergleich vom 24. 6. 2010) einräumten, gewährten die Vorinstanzen ihr einen solchen in Höhe von 33 % des Einkommens des Beklagten. Ein Verschulden des Beklagten an der Scheidung hätten die Vorinstanzen nicht festgestellt, diesen jedoch unterhaltsrechtlich im Ergebnis wie einen schuldig geschiedenen Ehegatten behandelt. Der Beklagte habe die Klägerin aber lediglich unterstützen, ihr aber nicht den gleichen Standard wie einer verheirateten Ehegattin ermöglichen wollen. Die vereinbarte Unterhaltsleistung habe sich daher den Bedürfnissen der Klägerin entsprechend bei ca 10 % des Einkommens des Beklagten bewegt. Diese Relation müsse sich entsprechend dem Verständnis redlicher Parteien auch bei der Unterhaltsneubemessung widerspiegeln. Das „Bauherrernmodell“ sei unterhaltsrechtlich neutral zu behandeln und insgesamt außer Acht zu lassen. Die Vorinstanzen hätten daher nicht nur die Verluste, sondern auch die Steuerersparnis unberücksichtigt lassen müssen.

Dazu hat der erkennende Senat erwogen:

[15] 1. Der Streitgegenstand im Unterhaltsverfahren ist rein vermögensrechtlicher Natur und besteht ausschließlich in einem Geldbetrag. Maßgeblich ist allein der 36‑fache Betrag jenes monatlichen Unterhaltsbeitrags, der zum Zeitpunkt der Entscheidung zweiter Instanz zwischen den Parteien noch strittig war, wobei regelmäßig auf laufenden Unterhalt abzustellen ist (RS0122735 [T8]). Gesondert begehrte, bereits fällig gewordene Unterhaltsansprüche sind nicht zu berücksichtigen (RS0114353). Einer Bewertung durch das Berufungsgericht bedarf es aufgrund der zwingenden Bewertungsvorschrift nicht (RS0110920 [T1, T4]). Da der 36‑fache Betrag der in zweiter Instanz strittigen laufenden Unterhaltsleistung (1.660 EUR) 30.000 EUR übersteigt, ist das vom Beklagten als ordentliche Revision bezeichnete Rechtsmittel mangels Zulassung derselben durch das Berufungsgericht als außerordentliche Revision zu behandeln. Die Fehlbezeichnung hindert nicht dessen Behandlung in einer dem Gesetz entsprechenden Weise (RS0036258).

[16] Gemäß § 506 Abs 1 Z 5 ZPO müssen bei einer außerordentlichen Revision gesondert die Gründe angegeben werden, warum die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO für zulässig erachtet wird. Der Beklagte geht offenbar – aber verfehlt (RS0088931) – davon aus, bei den in § 502 Abs 4 ZPO bezeichneten Streitigkeiten komme aufgrund des 30.000 EUR übersteigenden Streitwerts unabhängig vom Ausspruch des Berufungsgerichts die Anrufung des Obersten Gerichtshofs auch ohne Vorliegen einer Rechtsfrage der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO in Betracht und unterlässt es, gesondert die Gründe anzugeben, warum die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO für zulässig erachtet wird.

[17] Allerdings reicht es aus, wenn sich die Gründe iSd § 506 Abs 1 Z 5 ZPO an anderer Stelle in der Revision (hier: Rechtsrüge zur Unterhaltsbemessungsrundlage) finden (RS0043644 [T2]).

2. Unterhaltsbemessungsrundlage

[18] 2.1 Es kann grundsätzlich nicht zu Lasten des Unterhaltsberechtigten gehen, wenn der Unterhaltsschuldner, der aufgrund seiner unselbständigen Erwerbstätigkeit ein überdurchschnittliches Einkommen erzielt, die damit gegebene Unterhaltsbemessungsgrundlage durch Verluste, die sich aus einer selbständigen Tätigkeit des Unterhaltspflichtigen ergeben, verringert (RS0047586), es sei denn, dass sich eine solche Tätigkeit nach einer gewissen Anlaufzeit für den Unterhaltsberechtigten positiv auswirkt (RS0047586 [T1]).

[19] Die Vorinstanzen verneinten unter Anwendung dieser Rechtsprechung – vom Beklagten in seiner Revision auch nicht mehr bekämpft – die Abzugsfähigkeit der mit dem „Bauherrenmodell“ verbundenen Kreditbelastung. Sind aber die Verluste bei der Unterhaltsbemessung ausgeklammert, dürfen auch die durch die Verluste ausgelösten Steuervorteile nicht berücksichtigt werden (1 Ob 206/16z Pkt 1.2.). Zwar haben die Vorinstanzen – wie aus der Berechnung des Erstgerichts ersichtlich – bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage die Abgabengutschriften nicht zu Lasten des beklagten Unterhaltsschuldners berücksichtigt, jedoch (nur) die tatsächlich geschuldete Lohnsteuer von seinen Bruttobezügen abgezogen. Die Verluste aus dem „Bauherrenmodell“ führen aber nicht nur zu Abgabengutschriften, sondern senken aufgrund der Gegenverrechnung mit den Einkünften aus unselbstständiger Tätigkeit auch die Einkommenssteuerbelastung insgesamt. Die Ausklammerung der Verluste führt daher dazu, dass bei Errechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage auch die Einkommensteuer für die übrigen Einkünfte fiktiv zu ermitteln ist (6 Ob 46/97a). Sowohl die Abgabengutschrift als auch die Senkung der Einkommenssteuerlast, die zu einem erhöhten Nettobezug führt, resultieren aus der (steuerlichen) Berücksichtigung der Verluste aus dem „Bauherrenmodell“. Es ist daher kein Grund ersichtlich, zwar die Abgabengutschrift auszuklammern, hingegen (nur) die tatsächlich geleistete (aber unter Berücksichtigung der Verluste errechnete!) tatsächlich geleistete Einkommenssteuer bei Ermittlung der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen. Vielmehr ist auch die Einkommenssteuerlast unter Außerachtlassung der Verluste fiktiv zu berechnen.

[20] Soweit die Klägerin in ihrer Revisionsbeantwortung argumentiert, es sei stets nur die tatsächlich zu zahlende Einkommenssteuer unterhaltsrechtlich relevant, lässt sie die Rechtsprechung zur „unterhaltsrechtlichen Neutralität“ der Nebentätigkeit unselbstständig Erwerbstätiger außer Acht.

[21] Nach den Feststellungen des Erstgerichts betrug das durchschnittliche monatliche Nettoeinkommen unter Außerachtlassung des Bauherrenmodells 7.463,63 EUR. Dieser Betrag ist daher als Unterhaltsbemessungsgrundlage heranzuziehen.

[22] 2.2 Zieht man von diesem Betrag die von der Klägerin akzeptierten, krankheitsbedingten Ausgaben in Höhe von 1.112,60 EUR ab, errechnet sich die Bemessungsgrundlage mit 6.351,03 EUR.

3. Unterhaltsvergleich vom 24. 6. 2010

[23] 3.1 Im Fall einer einvernehmlichen Scheidung gemäß § 55a EheG ist ein gesetzlicher Unterhalt nicht vorgesehen, sondern müssen die Ehegatten vorab die Unterhaltsfolgen vereinbaren, weil sonst die Ehe nicht geschieden werden darf. § 69a Abs 1 EheG stellt den aus einer Vereinbarung nach § 55a Abs 2 EheG, die auch in einem Unterhaltsverzicht bestehen kann, geschuldeten Unterhalt einem gesetzlichen Unterhalt gleich (10 Ob 42/17z Pkt 4. mwN).

[24] 3.2 Die Auslegung von (Unterhalts-)Vergleichen richtet sich nach den allgemeinen Vertragsauslegungsgrundsätzen des § 914 ABGB (RS0017915 [T20]; RS0017943). Demnach ist der übereinstimmend erklärte Parteiwille maßgebend, der anhand des objektiven Erklärungswerts unter Berücksichtigung des redlicherweise zu unterstellenden objektiven Geschäftszwecks zu ermitteln ist (RS0113932; RS0014160; RS0017915), wobei die Auslegung unter Berücksichtigung der im Unterhaltsrecht heranzuziehenden Maßfigur eines familien- und pflichtbewussten Ehepartners zu erfolgen hat (RS0017805 [T3]).

[25] 3.3 Bei einer Vereinbarung iSd § 55a Abs 2 EheG kann die Neubestimmung des Unterhaltsanspruchs wegen Änderung der Verhältnisse mangels gesetzlicher Regelung eines solchen Unterhaltsanspruchs immer nur im Weg ergänzender Vertragsauslegung erfolgen, sodass es darauf ankommt, was redliche und vernünftige Parteien für den von ihnen ursprünglich nicht bedachten Fall der geänderten Verhältnisse vereinbart hätten (RS0017846; RS0017805 [T6]).Im Fall der wesentlichen Änderung der Einkommensverhältnisse wird auch dann, wenn dies nicht zum Ausdruck kommt, davon auszugehen sein, dass die Parteien bei Kenntnis dieser Änderung den Unterhalt ebenfalls in der Höhe vereinbart hätten, wie es der aus dem Vergleich hervorgehenden Relation zwischen Einkommen und Unterhalt entspricht (RS0017805). Für die Beurteilung, welche Faktoren bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen sind, ist entscheidend, was die Parteien im Einzelfall mit ihrem Unterhaltsvergleich für die Zukunft regeln wollten. Maßgebend ist demnach, ob dem Vergleich eine unterhaltsrelevante Aussage für die Zukunft entnommen werden kann (vgl 8 Ob 93/11a).

[26] 3.4 Im vorliegenden Fall haben die Streitteile bereits vorab vereinbart, dass jedenfalls nach Ablauf der Befristung eine Neuberechnung vorzunehmen und daher eine allfällige Änderung der Verhältnisse zu berücksichtigen ist. Auch haben sie im Vergleich bereits festgehalten, dass die Neuberechnung ausgehend vom gesetzlichen Ehegattenunterhalt erfolgen soll.

[27] Während die Klägerin nun auf dem Standpunkt steht, damit sei der während des Befristungszeitraums mit 33 % angenommene gesetzliche Ehegattenunterhalt gemeint, argumentiert der Beklagte, der vereinbarte und auch in Zukunft zu leistende Unterhalt sei als Unterstützungsleistung zu verstehen und habe sich – wie bisher – am Unterhalt nach Billigkeit iSd § 69a Abs 2 EheG in Höhe von ca 10 % seines Einkommens zu orientieren.

[28] Zunächst – dies zieht auch der Beklagte nicht (mehr) in Zweifel – ergibt sich aufgrund der vereinbarten Unterhaltsneuberechnung seine grundsätzliche Verpflichtung, der Klägerin auch nach Ablauf der Befristung am 31. 12. 2019 Unterhalt zu leisten. Dass in Anbetracht des vereinbarten Nachweises der jeweiligen Einkommensverhältnisse insoweit eine Änderung berücksichtigt werden sollte, ist genauso eindeutig, wie redliche Vertragsparteien eine Änderung bei den Sorgepflichten berücksichtigen würden, wurden diese doch auch bereits bei der vereinbarten befristeten Unterhaltsleistung ausdrücklich als Bemessungsfaktor genannt.

[29] Die Vorinstanzen gehen auch zutreffend davon aus, dass der für die Neuberechnung enthaltene Hinweis auf den gesetzlichen Ehegattenunterhalt als die Vereinbarung einer zukünftigen Unterhaltsleistung in Höhe von 33 % als Grundlage der Berechnung zu verstehen ist, wird doch auch während des Befristungszeitraums der gesetzliche Ehegattenunterhalt explizit mit diesem Prozentsatz definiert und dieser lediglich aufgrundvorhandener Sorgepflichten des Beklagten auf 25 % reduziert. Anhaltspunkte dafür, dass dem für die Neuberechnung maßgeblichen „gesetzlichen Ehegattenunterhalt“ ein anderer Bedeutungsgehalt zu unterstellen wäre, sind dem Vergleich nicht zu entnehmen.

[30] Die noch für den Befristungszeitraum enthaltene Vereinbarung der Hälfte des (um die Sorgepflichten reduzierten) gesetzlichen Ehegattenunterhalts findet sich im Zusammenhang mit der vereinbarten Neuberechnung nicht. Die im Befristungszeitraum vorgenommene Kürzung ist – worauf die Vorinstanzen auch zutreffend hinweisen – dem Umstand geschuldet, dass die Klägerin den Kindern Geldunterhalt zu leisten gehabt hätte und dieser „gegenverrechnet“ wurde.

[31] Auch wenn der Vergleichstext insoweit keine expliziten Anhaltspunkte gibt und die Sorgepflichten nur bei der Reduktion des gesetzlichen Unterhaltsbeitrags von 33 % auf 25 % nennt, wird aus den von den Parteien geführten, bei der Auslegung zu berücksichtigenden (RS0017797 [T16]) Vorgesprächen deutlich, dass die (weitere) Reduktion auf die Hälfte nicht als pauschaler Abschlag zu verstehen, sondern auf die Nichtleistung von Kindesunterhalt durch die Klägerin zurückzuführen ist. Auch das vom Beklagten ins Treffen geführte Schreiben der Vertreterin der Klägerin vom 6. 5. 2010 ist im Lichte dieser Vorgespräche zu sehen und fasst bloß das Ergebnis (Hälfte des gesetzlichen Unterhalts) zusammen, ohne (nochmals) auf die dahinterstehenden Bemessungsparameter einzugehen. Wenn der Vergleich für die Neuberechnung daher auf den nicht halbierten gesetzlichen Unterhalt abstellt, ist dies nicht mit einem Versehen, sondern dem bereits bei Vergleichsabschluss absehbaren Wegfall der Sorgepflichten für die gemeinsamen Kinder zu erklären.

[32] Dass der vereinbarte Unterhaltsbeitrag als bloß geringfügige Unterstützungsleistung nach Billigkeit zu verstehen wäre, ist der Vereinbarung nicht zu entnehmen und widerspricht dem als Ausgangspunkt für die Berechnung – zumindest während des Befristungszeitraums – explizit genannten Prozentsatz (33 %).

[33] Nach dem Verständnis redlicher Parteien des vorliegenden Unterhaltsvergleichs ist daher zusammengefasst von einer Weitergeltung der ursprünglich vereinbarten Bemessungsparameter (gesetzlicher Unterhalt in Höhe von 33 % des aktuellen Einkommens abzüglich allfälliger Sorgepflichten und von der Klägerin nicht geleisteten Geldunterhalts zu Gunsten der Kinder) auszugehen. Die vom Beklagten intendierte (bloße) Berücksichtigung der Relation seines Einkommens mit dem zu leistenden absoluten Unterhaltsbeitrag lässt die für die Reduktion maßgeblichen, im Vergleich und den Gesprächen genannten Parameter außer Acht.

[34] 3.5 Damit ergibt sich ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von 6.351,03 EUR und eines – mangels zu berücksichtigender Sorgepflichten – mit 33 % vereinbarten Prozentsatzes eine monatliche Unterhaltsverpflichtung in Höhe von rund 2.100 EUR.

[35] 4. Daraus errechnet sich unter Berücksichtigung des vom Beklagten monatlich geleisteten Betrags von 600 EUR ein Unterhaltsrückstand von 7.500 EUR für den Zeitraum Jänner bis Mai 2020 und eine laufende Unterhaltsverpflichtung ab Juni 2020 in Höhe von 2.100 EUR.

5. Kostenentscheidung

[36] 5.1 Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens gründet sich auf §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Das Kostenprivileg des § 43 Abs 2 ZPO ist im konkreten Fall nicht anzuwenden, weil für die Ausmittlung des Unterhaltsbeitrags nicht richterliches Ermessen (§ 273 ZPO), sondern die Berücksichtigung des „Bauherrenmodells“ sowie die Auslegung des Unterhaltsvergleichs maßgeblich waren.

[37] Die Klägerin obsiegte im Verfahren erster Instanz mit rund drei Viertel, sodass ihr die Hälfte ihrer Vertretungskosten in Höhe von 6.552,66 EUR (darin enthalten 1.092,11 EUR USt) und drei Viertel der Pauschalgebühr (1.094,25 EUR) zu ersetzen sind.

[38] 5.2 Im Rechtsmittelverfahren vor dem Berufungs- und Revisionsgericht obsiegte der Beklagte mit rund 15 %, sodass er der Klägerin 70 % ihrer Berufungs- und Revisionsbeantwortungskosten zu ersetzen hat.

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