OGH 6Ob46/97a

OGH6Ob46/97a11.9.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Heidemarie H*****, vertreten durch Dr.Franz J.Rainer und Dr.Hans Moritz Pott, Rechtsanwälte in Schladming, wider die beklagte Partei Michael H*****, vertreten durch Dr.Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, wegen Unterhaltes, infolge der Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgerichtes vom 24.September 1996, GZ 2 R 429/96d-154, womit infolge der Berufungen beider Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Irdning vom 24.Mai 1996, GZ C 446/89 z-147, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

Der Revision des Beklagten wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen, die hinsichtlich der Abweisung eines 15.000 S monatlich übersteigenden Unterhaltes in Rechtskraft erwachsen sind, werden im übrigen aufgehoben, die Rechtssache wird in diesem Umfang zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die 1974 geschlossene Ehe der Streitteile wurde 1993 aus dem Alleinverschulden des Beklagten geschieden. Der Ehe entstammen drei in den Jahren 1975, 1978 und 1981 geborene Kinder, von denen das älteste verstorben ist. Der Beklagte ist für ein weiteres, 1990 geborenes Kind sorgepflichtig.

Der Beklagte ist Alleineigentümer des Hotels S***** in G*****, das er nach Übergabe durch seine Mutter ab 1980 mit einem Aufwand von rund 12,000.000 S umbaute. Buchmäßig war das Hotel zum Jahresende 1992 mit knapp 23,000.000 S verschuldet. Wann und ob der Hotelbetrieb insgesamt eine positive Entwicklung nehmen wird, ist nicht absehbar, für die Jahre 1993 bis 1995 ist mit positiven Ergebnissen nicht zu rechnen. Die Investitionsentscheidungen traf ausschließlich der Beklagte. Dieser ist an einer Waldgemeinschaft, an mehreren Gesellschaften mit beschränkter Haftung beteiligt und hat auch Einkünfte als Geschäftsführer bzw Vorstandsmitglied mehrerer Unternehmen. Er übte bis 1991 seine Haupttätigkeit als Steuerberater im Rahmen einer Partnerschaft aus, seither betreibt er seine Steuerberatungskanzlei allein. Bei Nichtanerkennung der Verluste aus dem Hotelbetrieb hatte der Beklagte 1991 ein monatliches wirtschaftliches Einkommen von 117.200 S, im Jahr 1992 von 54.100 S. Unter Heranziehung der Verluste aus dem Hotelbetrieb ergäbe sich kein positives wirtschaftliches Einkommen. Der Rückgang der Einkünfte von 1991 auf 1992 ist damit zu erklären, daß die eigene Kanzlei des Beklagten damals erst im Aufbau war. Die Privatentnahmen betrugen 1991 monatlich im Durchschnitt 73.900 S und 1992 30.200 S. 1987 hatte der Beklagte unter Vernachlässigung der Ergebnisse des Hotelbetriebes und negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ein wirtschaftliches Einkommen von monatlich rund 124.000 S, 1988 ein solches von 161.000 S.

Die Klägerin absolvierte nach ihrem Abitur in Deutschland einen zweijährigen Lehrgang der Fremdenverkehrsfachschule in Kleßheim. Sie führte bis zur Einsetzung eines Geschäftsführers durch den Beklagten Ende 1988 (als die ehelichen Schwierigkeiten eskalierten) gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter das Hotel des Beklagten und entschied in allen den gewöhnlichen Geschäftsverkehr betreffenden Fragen. An Besprechungen über Investitionsentscheidungen nahm sie jedoch nicht teil. Sie ist Eigentümerin einer 40 m2 großen Wohnung, aus der sie Mieteinnahmen von monatlich 3.500 S bezieht, sowie eines rund 3000 m2 großen Grundstückes in W***** bei G*****, auf dem ein Wohnhaus mit einer Wohnfläche von 120 bis 200 m2 steht. Die Liegenschaft ist mit einer Hypothek von 2,1 Mio S für den Hotelumbau belastet. Die Klägerin beabsichtigt, das Haus, das bisher leer stand, in Hinkunft als Ferienwohnung zu vermieten. In den letzten Jahren baute sie in Deutschland ein Einfamilienhaus. Das Geld dafür stammte von ihrer Mutter, aus der Auflösung eines Sparbuches und einem Kredit. 1994 erzielte die Klägerin aus Aktien Dividenden von umgerechnet etwa

4.650 S. Seit der Ehescheidung hat die Klägerin nie konkret versucht, eine Arbeit zu finden.

Die Klägerin begehrte monatlich 30.000 S an Unterhalt ab Rechtskraft der Scheidung. Es sei ihr als früherer Frau eines gut verdienenden Hoteliers und Steuerberaters und unter Berücksichtigung ihrer Betreuungspflichten für zwei Kinder nicht zumutbar, eine Arbeit anzunehmen. Der Beklagte habe über alle Investitionen für das in seinem Alleineigentum stehende hochverschuldete Hotel S***** allein entschieden. Die Klägerin beziehe aus der Vermietung einer Eigentumswohnung lediglich ein Eigeneinkommen von monatlich 3.500 S.

Der Beklagte wandte ein, die Kreditverbindlichkeiten für das Hotel seien während aufrechter Ehe in beiderseitigem Einverständnis eingegangen worden. Die Klägerin habe eine abgeschlossene Berufsausbildung, sei zu allen Tätigkeiten im Gastgewerbe befähigt und habe auch im Hotel des Beklagten gearbeitet; sie habe beträchtliche Eigeneinkünfte, die bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen seien.

Das Erstgericht erkannte den Beklagten schuldig, der Klägerin ab Rechtskraft der Ehescheidung, das ist ab 1.6.1993, einen monatlichen Unterhalt von 15.000 S zu zahlen und wies das Mehrbegehren auf Zahlung weiterer 15.000 S ab. Es führte aus, eine Berücksichtigung der Verluste des Beklagten aus dem Hotelbetrieb komme nicht in Betracht, weil er die Investitionsentscheidungen allein getroffen habe, Verluste bereits seit 1987 aufgetreten seien und auch in näherer Zukunft keine Gewinne zu erwarten seien. Die Aufwendungen für das Hotel dienten der Vermögensbildung des Beklagten allein. Nach dem bisherigen Einkommen und dessen Entwicklung könne von einem monatlichen wirtschaftlichen Durchschnittseinkommen des Beklagten von 75.000 S bis 80.000 S ausgegangen werden. Der Klägerin sei die Aufnahme einer Beschäftigung nicht zumutbar. Unter Bedachtnahme auf ihr Eigeneinkommen und die sonstigen Sorgepflichten des Beklagten sei ein Unterhalt von monatlich 15.000 S angemessen.

Das Berufungsgericht gab den von beiden Teilen erhobenen Berufungen keine Folge.

Der Beklagte erziele aus seiner selbständigen Tätigkeit ein deutlich über dem Durchschnitt liegendes Einkommen, die Bemessungsgrundlage dürfe daher nicht durch Verluste aus einer anderen selbständigen Tätigkeit geschmälert werden, dies umso weniger, als die Verluste aus dem Hotel nach dem Sachverständigengutachten strukturell bedingt seien und sich über viele Jahre hinziehen würden, so daß auch in näherer Zukunft nicht mit positiven Abschlüssen gerechnet werden könne. Der Beklagte habe als Steuerberater Klienten auf dem Gebiet der Gastronomie über sinnvolle Investitionen beraten. Es sei daher naheliegend, daß er bei dem in seinem Alleineigentum stehenden Hotel größere betriebswirtschaftliche Entscheidungen ohne seine Ehefrau getroffen habe. Die Annahme einer Unterhaltsbemessungsgrundlage von monatlich 75.000 S sei unbedenklich. Das vom Sachverständigen ermittelte wirtschaftliche Einkommen habe die Einkommensteuer bereits berücksichtigt.

Die Zumutbarkeit einer Erwerbstätigkeit der unterhaltsberechtigten Klägerin hänge von den konkreten Umständen (Alter, Gesundheit, Belastung durch Kinderbetreuung, Ausbildung, Arbeitsmarktlage, bisherige soziale Stellung) ab. Die Klägerin habe bis zur Einsetzung eines Geschäftsführers Ende 1988 gemeinsam mit ihrer Schwiegermutter das Hotel des Beklagten, dessen Einkommen - ohne Berücksichtigung der Verluste - 1988 etwa 161.000 S im Monat betragen habe, geführt. Es könne daher davon ausgegangen werden, daß die Klägerin in ausgezeichneten wirtschaftlichen Verhältnissen gelebt und in einem Familienbetrieb in leitender Position gearbeitet habe. Zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung sei sie im 42.Lebensjahr gestanden und habe seit fünf Jahren nicht mehr gearbeitet. Unter diesen Umständen sei ihr die Neuaufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht zuzumuten, zumal die meisten Stellen im Gastgewerbe Arbeiterstatus hätten und nach dem Kollektivvertrag nur in wenigen Fällen mit einem 10.000 S übersteigenden Nettoeinkommen entlohnt würden.

Einem Unterhaltsberechtigten ohne eigenes Einkommen stehe - ohne Berücksichtigung weiterer Sorgepflichten - etwa 33 % des Nettoeinkommens des anderen Ehegatten zu, bei eigenem Einkommen 40 % des gesamten Einkommens abzüglich des eigenen Verdienstes. Sei jedoch das Einkommen des Unterhaltsberechtigten so geringfügig, daß ihm bei der zuletzt genannten Berechnungsart mehr zustünde als verfügte er über kein eigenes Einkommen, sei bei der Berechnung davon auszugehen, als ob der Unterhaltspflichtige Alleinverdiener sei. Gehe man davon aus, daß die Klägerin nicht verpflichtet sei, ihr Haus in W***** zu vermieten, sei das von ihr erzielte Eigeneinkommen im Verhältnis zu jenem des Beklagten so geringfügig, daß es gerechtfertigt sei, einen Unterhaltsanspruch nach dem Ansatz 33 %, vermindert um die weiteren Sorgepflichten des Beklagten für drei Kinder von 12 % zu berechnen. Verpflichte man die Klägerin hingegen zur Vermietung des Hauses, so erscheine ein monatlicher Nettomietzinserlös von mehr als 4.500 S nicht realistisch. Bei einem Eigeneinkommen der Klägerin von zusammen rund 8.500 S und Berechnung nach dem 40 %-Ansatz käme man, wiederum unter Berücksichtigung der Sorgepflichten, neuerlich in den Bereich des vom Erstgericht zugesprochenen Betrages, beide Berufungen seien daher unberechtigt.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei, weil, soweit ersichtlich, eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes insbesondere zur Frage der Zumutbarkeit einer Beschäftigung in einem vergleichbaren Fall nicht veröffentlicht sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig und im Sinne einer Aufhebung der Vorentscheidungen auch berechtigt.

Den Vorinstanzen ist zuzustimmen, daß der Beklagte überdurchschnittliche Einkünfte als Steuerberater (sowie durch seine Funktionen aufgrund von Beteiligungen) erzielte und auch künftig erzielen kann, die ein Familieneinkommen ermöglichen, das zur angemessenen Deckung aller gesetzlichen Unterhaltsansprüche ausreicht. Die bereits seit Jahren andauernde und auch in näherer Zukunft zu erwartenden Verluste aus dem Hotelbetrieb sind also in keiner Weise geeignet, das Gesamteinkommen des unterhaltspflichtigen Beklagten zu heben, können aber langfristig zur weiteren Vermögensbildung beitragen. Dies aber darf schon im Sinne des Anspannungsgrundsatzes und weil der Hotelbetrieb nicht der Existenzsicherung durch betriebliche Einkünfte dient, nicht zu Lasten der Unterhaltsberechtigten gehen. Andererseits hat aber der Beklagte zu Recht schon im Verfahren erster Instanz darauf hingewiesen, daß bei Ausklammerung der Verluste aus dem Hotelbetrieb bei Errechnung der Unterhaltsbemessungsgrundlage auch die auf die übrigen Einkünfte in einem solchen Fall zu berücksichtigende fiktive Einkommensteuer ermittelt werden muß, die nur aufgrund der Verluste aus dem Hotelbetrieb nicht vorgeschrieben wurde. Entgegen den Ausführungen des Berufungsgerichtes wurde aber vom Sachverständigen nur das "wirtschaftliche Einkommen" ohne Einbeziehung einer fiktiven Einkommensteuer ermittelt. Es sei hier nur auf dessen Ausführungen in der mündlichen Gutachtenserörterung AS 445 bis 446 verwiesen.

Das Verfahren ist aber nicht nur wegen der noch zu ermittelnden fiktiven Einkommensteuer, sondern auch hinsichtlich der Eigeneinkünfte der Klägerin ergänzungsbedürftig. Schon die bisher zugestandenen Einkünfte aus Vermietung einer Eigentumswohnung können nicht von vornherein als so geringfügig angesehen werden, daß sie - zusammen mit Erträgnissen aus Wertpapieren - gänzlich unberücksichtigt bleiben könnten. Auch die Unterhaltspflicht des allein geschiedenen Ehegatten ist nur subsidiär. Sie besteht erst dann und nur insoweit, als mögliche Vermögenseinkünfte und Erträgnisse einer der geschiedenen Ehefrau zumutbaren Erwerbstätigkeit nicht ausreichen, um ihr den nach den Lebensverhältnissen der Ehegatten angemessenen Unterhalt zu verschaffen. Die unterhaltsberechtigte Klägerin hat deshalb ihre Arbeitskraft primär für die Beschaffung des eigenen Unterhaltes einzusetzen (8 Ob 639/91 uva). Dies bedeutet zunächst, daß es der Klägerin im Sinne dieser Subsidiarität des Unterhaltsanspruches durchaus zumutbar und von ihr auch zu fordern ist, das zur Befriedigung eigener Wohnbedürfnisse keineswegs erforderliche Wohnhaus samt Grundstück in W*****, das im Hinblick auf den nun gewählten ständigen Wohnsitz der Klägerin in Deutschland für sie höchstens zu gelegentlichen Urlauben genutzt werden könnte, zur Erzielung von Erträgnissen zu nützen. Die bloße Absichtserklärung der Klägerin, dies in Hinkunft in Erwägung zu ziehen, reicht nicht aus. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren auch zu prüfen sein, welche Einkünfte aus der Vermietung des Wohnhauses zu erzielen wären.

Für die Beurteilung der Frage, wann eine Erwerbstätigkeit von der unterhaltsberechtigten Frau erwartet werden kann, läßt sich eine allgemeine Richtlinie nicht aufstellen. Maßgebend sind aber jedenfalls Alter, Gesundheitszustand, Berufsausbildung, bisherige, auch länger zurückliegende Berufsausübung, Pflicht zur Erziehung von Kindern, deren Alter, die Vermittlungsmöglichkeit auf dem Arbeitsmarkt und ähnliches (SZ 68/157 ua). Der erkennende Senat vermag sich den Ausführungen der Vorinstanzen nicht anzuschließen, daß nach diesen Kriterien ohne jede nähere Prüfung und Feststellungen der Klägerin eine Berufstätigkeit, die sie während der Ehe in qualifizierter Form ausgeübt, seit der Ehescheidung aber gar nicht mehr angestrebt hat, von vornherein unzumutbar wäre. Die Klägerin hat eine abgeschlossene Berufsausbildung im Hotelfach und diesen Beruf in leitender Position während der Ehe auch bis zu deren Scheitern ausgeübt. Ohne jede Prüfung des Arbeitsmarktes kann keineswegs von vornherein gesagt werden, daß im Hotelgewerbe vorwiegend nur Hilfsarbeitertätigkeiten mit geringer Entlohnung angeboten würden (solche wären der Klägerin allerdings nicht zumutbar). Gerade große Hotelketten sind auf die Mitarbeit nicht nur junger, sondern leitender Angestellter mit praktischer Berufserfahrung angewiesen. Da die Klägerin seit der Ehescheidung ihren ordentlichen Wohnsitz in Deutschland hat, wird die Vermittelbarkeit auf dem der Klägerin aufgrund ihres Alters, ihrer Fähigkeiten und der Betreuung der doch schon in fortgeschrittenem Alter stehenden Kinder zumutbaren Arbeitsmarkt daher nach den Verhältnissen in Deutschland, ihrem nunmehrigen Lebensmittelpunkt, zu erheben sein. Erst Feststellungen über die aufgezeigten, noch erörterungsbedürftigen Punkte ermöglichen es, im Rahmen eines gewissen Ermessensspielraumes Bemessungsgrundlage und Unterhalt der Klägerin festzusetzen.

Zur Revision der Klägerin ist auszuführen, daß das Berufungsurteil keineswegs an einer Nichtigkeit im Sinne des § 503 Z 1 iVm § 477 Abs 1 Z 9 ZPO leidet. Das Berufungsgericht hat der Berufung der Klägerin nicht nur im Spruch keine Folge gegeben, sondern diese auch in den Entscheidungsgründen in seinen Ausführungen zu der seiner Ansicht nach berechtigten Höhe zusammen mit der Revision des Klägers eingehend behandelt. Im übrigen ist die außerordentliche Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Der Ausspruch über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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