OGH 7Ob85/22h

OGH7Ob85/22h24.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Solé als Vorsitzende und die Hofrätin und die Hofräte Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich, Dr. Stefula und Dr. Weber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B* GmbH, *, vertreten durch Dr. Winfried Mutz, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei U* Versicherungen AG, *, vertreten durch Dr. Andreas A. Lintl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 25. März 2022, GZ 5 R 20/22f‑30, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 30. November 2021, GZ 48 Cg 21/21d‑22, teilweise abgeändert wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00085.22H.0824.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

I. Das Urteil des Berufungsgerichts wird hinsichtlich der Spruchpunkte 2.a., 2.c., 2.d. und 5. dahin bestätigt und abgeändert, dass es – unter Einbeziehung der in Rechtskraft erwachsenen Spruchpunkte 1. und 3. – insgesamt als Teilurteil lautet:

„1. Das (Haupt‑)Begehren auszusprechen, die beklagte Partei habe der klagenden Partei aufgrund und im Umfang des zwischen der klagenden und der beklagten Partei abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages zur Pol‑Nr * für die Schadensfälle zu Schaden-Nr *, für das Verfahren zu * (vormals *) *, Deckungsschutz zu gewähren, wird abgewiesen.

2. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei aufgrund und im Umfang des zwischen der klagenden und der beklagten Partei abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages zur Pol‑Nr * für die Schadensfälle zu Schaden-Nr * wie folgt Deckungsschutz zu gewähren:

c. hinsichtlich der Ansprüche des Acht- und Neuntklägers, I* H* und S* H*, im Verfahren zu * (vormals *), *, im Verhältnis der Beteiligung des Acht- und Neuntklägers am Verfahren * (vormals *) *, abzüglich 20% der Schadenleistung;

3. Das (Haupt‑)Klagebegehren, es solle weiters festgestellt werden, dass die beklagte Partei der klagenden Partei aufgrund und im Umfang des zwischen der klagenden und der beklagten Partei abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages zur Pol‑Nr * für die einzelnen Versicherungsfälle/Schadensfälle zu Schaden-Nr *, für das Verfahren zu * (vormals *) *, hinsichtlich sämtlicher Kläger im Verhältnis der jeweiligen Beteiligungen am Verfahren Deckungsschutz auch für den Fall, dass die vereinbarte Streitwertobergrenze in Höhe von EUR 16.254,00 betreffend einen oder mehrere der verfahrensgegenständlichen Versicherungsfälle/Schadensfälle zwischenzeitlich bereits überschritten worden ist oder zukünftig überschritten wird und sohin Deckungsschutz (partiell) entfallen würde, ab dem Zeitpunkt während des Verfahrens zu * (vormals *) * zu gewähren hat, zu welchem Zeitpunkt die geltend gemachten Gesamtansprüche im jeweiligen Schadensfall wiederum unter die vereinbarte Streitwertobergrenze in Höhe von 16.254,00 EUR herabsinken, wird abgewiesen.

4. Die weiteren Eventualklagebegehren auszusprechen, dass die beklagte Partei der klagenden Partei aufgrund und im Umfang des zwischen der klagenden und der beklagten Partei abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages zur Pol‑Nr * für die Schadensfälle zu Schaden‑Nr *, für das Verfahren zu * (vormals *) *, Deckungsschutz zu gewähren habe, und zwar

a. hinsichtlich der Ansprüche des Erstklägers, M* K*, im Verhältnis seiner Beteiligung an diesem Verfahren, abzüglich 20% der Schadenleistung, und

d. hinsichtlich der Ansprüche des Viertklägers und der Fünftklägerin, S* P* und Ö* P*, im Verhältnis deren Beteiligung an diesem Verfahren, abzüglich 20% der Schadenleistung,

werden abgewiesen.

5. Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.“

II. Im Übrigen – somit im Umfang des Klagebegehrens auf Feststellung der Deckungspflicht hinsichtlich des Klagebegehrens des Sechstklägers und der Siebentklägerin, T* A* und N* A*, im Verfahren zu * (vormals *), * (Spruchpunkt 2.b.) – werden die Urteile der Vorinstanzen aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang dieser Aufhebung an das Erstgericht zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Klägerin hat mit der Beklagten einen Rechtsschutzversicherungsvertrag geschlossen. Darin istder Betriebs‑Rechtsschutz inklusive Allgemeiner Vertrags‑Rechtsschutz für den betrieblichen Bereich „Baumeister“ enthalten. Die Versicherungssumme dafür beträgt 54.000 EUR. Zwischen den Parteien wurde eine Streitwertobergrenze von 14.800 EUR vereinbart. Dem Rechtsschutzversicherungsvertrag liegen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz‑Versicherung – ARB 2001, Fassung 10/2006 (kurz: ARB 2001) zugrunde. Gemäß deren Art 23.2.3.1 besteht darüber hinaus Versicherungsschutz, sofern und solange die Gesamtansprüche die vereinbarte Obergrenze um nicht mehr als 10 %, maximal 1.454 EUR, übersteigen. Der Selbstbehalt beträgt in jedem Schadensfall 20 % der Schadenleistung, mindestens jedoch 1 % der Versicherungssumme.

Die ARB 2001 lauten auszugsweise:

Artikel 2

Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?

[…]

3. In den übrigen Fällen gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben.

[…]

Artikel 7

Was ist vom Versicherungsvertrag ausgeschlossen?

1. Soferne nichts anderes vereinbart ist, besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen

[…]

1.11 im Zusammenhang mit

‑ der Errichtung bzw. baubehördlich genehmigungspflichtigen Veränderung von Gebäuden, Gebäudeteilen oder Grundstücken, die sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befinden oder von ihm erworben werden;

‑ der Planung derartiger Maßnahmen und

‑ der Finanzierung des Bauvorhabens einschließlich des Grundstückerwerbes.

Dieser Ausschluss gilt nicht für die Geltendmachung von Personenschäden sowie im Straf‑Rechtsschutz.

[…]

Artikel 23

Allgemeiner Vertrags-Rechtsschutz

[…]

2. Was ist versichert?

2.1 Der Versicherungsschutz umfasst die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers über bewegliche Sachen sowie aus Reparatur- und sonstigen Werkverträgen des Versicherungsnehmers über unbewegliche Sachen.

Als Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen gilt auch die Geltendmachung und Abwehr von Ansprüchen wegen reiner Vermögensschäden, die aus der Verletzung vertraglicher Pflichten entstehen und über das Erfüllungsinteresse hinausgehen, oder aus der Verletzung vorvertraglicher Pflichten entstehen.

[…]

2.3 Im Betriebsbereich besteht Versicherungsschutz nur unter folgenden Voraussetzungen

2.3.1 soferne und solange die tatsächlichen oder behaupteten Forderungen und Gegenforderungen der Vertragsparteien (Gesamtansprüche) aufgrund desselben Versicherungsfalles im Sinne des Artikel 2 Pkt. 3 die vertraglich vereinbarte Obergrenze unabhängig von Umfang, Form und Zeitpunkt der Geltendmachung nicht übersteigen;

Darüber hinaus besteht Versicherungsschutz, sofern und solange die Gesamtansprüche die vereinbarte Obergrenze um nicht mehr als 10 Prozent, maximal EUR 1.454,-- übersteigen.

Aufrechnungsweise geltend gemachte Forderungen des Gegners werden für die Berechnung der Gesamtansprüche nur berücksichtigt, sofern und sobald sie der Höhe nach konkret beziffert sind.

Sinken die Gesamtansprüche vor der gerichtlichen Geltendmachung durch Zahlung, Vergleich oder Anerkenntnis unter die vereinbarte Obergrenze, besteht ab diesem Zeitpunkt Versicherungsschutz.

Steigen die Gesamtansprüche nach Bestätigung des Versicherungsschutzes über die vereinbarte Obergrenze, entfällt ab diesem Zeitpunkt der Versicherungsschutz.

[…]“

[2] Unter Berücksichtigung von Art 23.2.3.1 ARB 2001 gilt – unstrittig – in Summe eine Streitwertobergrenze von 16.254 EUR.

[3] M* K* (Erstkläger), G* M*, P* S* (Zweitkläger und Drittklägerin), S* P*, Ö* P* (Viertkläger und Fünftklägerin), T* A*, N* A* (Sechstkläger und Siebentklägerin), I* H* und S* H* (Achtkläger und Neuntkläger) brachten im April 2020 eine Klage gegen die hier klagende Partei ein, die für sie Reihenhäuser errichtet hatte. Sie stützten ihre Forderungen darauf, dass sowohl allgemeine Teile des Gewerkes, als auch die einzelnen Reihenhäuser erhebliche Mängel aufweisen würden. Zunächst begehrten der Erstkläger 14.007,20 EUR, der Zweit‑ und die Drittklägerin 15.250 EUR, der Viert‑ und die Fünftklägerin 10.250 EUR, der Sechst‑ und die Siebentklägerin 10.250 EUR und der Acht‑sowie der Neuntkläger 9.000 EUR. Der Erst‑, der Zweit‑ und die Drittklägerin, der Viert‑ und die Fünftklägerin sowie der Sechst‑ und die Siebentklägerin stellten Feststellungsbegehren und bewerteten ihr Feststellungsinteresse (letztlich) mit 1.250 EUR je Objekt.

[4] Zuletzt begehrten der Erstkläger von der hier klagenden Partei die Zahlung von 26.847,20 EUR, der Zweit- und die Drittklägerin 20.690 EUR, der Viert‑ und die Fünftklägerin (richtig wohl:) 14.740 EUR, der Sechst‑ und die Siebentklägerin 15.740 EUR und der Acht‑sowie der Neuntkläger 14.300 EUR. Acht‑sowie Neuntkläger stellten zwei Begehren auf Durchführung von Verbesserungsarbeiten, die sie mit jeweils 500 EUR bewerteten.

[5] Die Klägerin hat mit dem Erstkläger des Anlassprozesses einen Kaufvertrag über eine Liegenschaft samt dem auf diesem Grundstück errichteten Haus inklusive Carport geschlossen. Die Klägerin war Eigentümerin des Grundstücks und im Kaufvertrag ist in Punkt 9. unter dem Titel „Werkvertrag“ festgehalten, dass die Verkäuferin auf dem Grundstück ein Reihenhaus gemäß „einem Werkvertrag errichtet und fertiggestellt [hat]. Der im Werkvertrag vereinbarte Werklohn für den dort ausgewiesenen Leistungsumfang ist bereits im Kaufpreis mitberücksichtigt“.

[6] Die Klägerin schloss mit dem Viert‑ und der Fünftklägerin des Anlassprozesses einen Kaufvertrag über eine Liegenschaft samt dem auf diesem Grundstück errichteten Haus. Sie war als Verkäuferin Eigentümerin der verkauften Liegenschaft. In Punkt 9. („Reihenhaus“) halten die Parteien fest, dass die Verkäuferin ein Reihenhaus errichtet hat. Den Vertragsteilen ist bekannt, dass der in diesem Vertrag ausgewiesene Kaufpreis die Kosten der Errichtung des Reihenhauses bereits beinhaltet.

[7] Die Klägerin schloss mit dem Sechstkläger und der Siebentklägerin des Anlassverfahrens einen als „Kaufvertrag und Werkvertrag“ bezeichneten Vertrag, in dem sie diesen die Liegenschaft verkauft und sich zur Errichtung eines Reihenhauses verpflichtet. Vereinbarungsgemäß waren im Pauschalpreis einerseits das Grundstück und andererseits die Bauleitung und Baubetreuung sowie zahlreiche einzeln angeführte Bauleistungen enthalten.

[8] Die Klägerin schloss mit dem Acht‑ und der Neuntklägerin des Anlassverfahrens einen Vertrag, in dem sie sich zur Errichtung eines Reihenhauses auf der im Eigentum des Acht‑ und Neuntklägers stehenden Liegenschaft verpflichtete.

[9] Die Klägerin begehrt aus dem Rechtsschutzversicherungsvertrag Deckung von der Beklagten. Sie sei von neun Klägern auf Leistung und Feststellung geklagt worden. Diese stützen ihre Ansprüche auf fünf verschiedene – jeweils mit ihr abgeschlossene – Verträge über die Errichtung von Reihenhäusern. Es handle sich um fünf eigenständig zu behandelnde Versicherungsfälle mit der jeweiligen Streitwertobergrenze. Eine materielle Streitgenossenschaft der dortigen Kläger bestehe nicht und eine Zusammenrechnung der geltend gemachten Ansprüche habe nicht zu erfolgen. Ein einheitlicher Verstoß liege nicht vor, ebensowenig wie ein Rahmenvertrag. Die Bewertung der Ansprüche liege nicht in ihrem Belieben, sondern erfolge durch die Kläger im Anlassprozess.

[10] Der „Bauherrenausschluss“ des Art 7.1.11 ARB 2001 betreffe lediglich die Wahrnehmung rechtlicher Interessen des Bauherrn im Zusammenhang mit der Errichtung von Gebäuden, die sich im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befinden. Hier seien die jeweiligen Vertragspartner Bauherrn gewesen. Der Risikoausschluss gelange auch nur dann zur Anwendung, wenn nichts Anderes vereinbart sei. Hier sei mit dem Vertrags-Rechtsschutz für den betrieblichen Bereich „Baumeister“ die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus schuldrechtlichen Verträgen des Versicherungsnehmers über bewegliche Sachen sowie aus Reparatur- und sonstigen Werkverträgen des Versicherungsnehmers über unbewegliche Sachen vereinbart, weshalb der Risikoausschluss nicht zur Anwendung komme. Im Anlassverfahren seien die jeweiligen Kläger Eigentümer der Reihenhäuser. Sie habe die Gebäude errichtet und sei in keinem Fall als Bauträgerin tätig geworden.

[11] Die Ansprüche fielen unter die Risikobeschreibung des Art 23 ARB 2001. Der betriebliche Bereich „Baumeister“ umfasse gerade Kauf- und Werkverträge über unbewegliche Sachen. Sie habe davon ausgehen dürfen, dass ihr vollständiger Unternehmensgegenstand vom allgemeinen Vertrags-Rechtsschutz umfasst sei. Ein gegenläufiger Risikoausschluss wäre überraschend und würde einen Verstoß gegen § 864a ABGB und § 879 Abs 3 ABGB darstellen. Bei den den Anlassprozessbetreffenden Vertragsverhältnissen handle es sich um Werkverträge, weil dies der überwiegende Teil der vertraglich geschuldeten Leistung sei. Sämtliche Kläger im Anlassverfahren würden zudem ihre Ansprüche auf den werkvertraglichen Teil des jeweiligen Vertragsverhältnisses stützen.

[12] Die Beklagte wandte ein, der Klägerin werde im Anlassverfahren mangelhafte Bauausführung vorgeworfen, insbesondere Teile der Gebäude betreffend, die überwiegend über alle Grundstücke und Häuser errichtet worden seien (Terrassendach und Carport). Darin liege ein einheitlicher Versicherungsfall und ein einheitlicher Lebenssachverhalt. Der Klägerin werde demgegenüber nicht die Mangelhaftigkeit der Verträge vorgeworfen, deshalb sei auf die Bauleistung und nicht auf die Verträge abzustellen. Die geltend gemachte Gesamtforderung überschreite die Streitwertgrenze. Die Risikobegrenzung der Streitwertgrenze solle nicht durch die Geltendmachung von Teilansprüchen oder ein zu niedrig bewertetes Feststellungsbegehren unterlaufen werden.

[13] Im Übrigen werde auch hinsichtlich einzelner Kläger die Streitwertgrenze überschritten. Die im Anlassprozess geltend gemachten Feststellungsbegehren seien höher zu bewerten.

[14] Versichertes Risiko sei nur die Baumeistertätigkeit, aber nicht die gewerbliche Tätigkeit des Bauträgers. Soweit die Klägerin eigene Grundstücke zum Zweck des späteren Verkaufs bebaut habe, sei sie als Bauträger tätig geworden. Diese Tätigkeit sei nicht vom Versicherungsschutz umfasst (Art 7.1.11 ARB 2001).

[15] Die geltend gemachten Ansprüche würden zudem nicht unter die Risikobeschreibung des Art 23.2.1 ARB 2001 fallen, weil sie aus Kaufverträgen über unbewegliche Sachen abgeleitet würden.

[16] Das Erstgericht wies im Spruchpunkt 1. – unbekämpft – das erste Hauptbegehren ab und gab im Spruchpunkt 2.a. dem Eventualbegehren statt, die Beklagte habe hinsichtlich des Erstklägers für den Verfahrensabschnitt „seit einschließlich Gerichtsanhängigkeit bis inklusive der Einbringung der Klage am 2. 4. 2020“ im Verhältnis der Beteiligung des Erstklägers am Anlassprozess, abzüglich 20 % der Schadenleistung, Deckungsschutz zu gewähren.

[17] In den Spruchpunkten 2.b. und 2.c. gab es den Eventualbegehren auf Deckungsschutz im Anlassprozess im Verhältnis der jeweiligen Beteiligung abzüglich 20 % der Schadenleistung hinsichtlich Sechstkläger und Siebentklägerin sowie Acht- und Neuntkläger statt.

[18] Im Spruchpunkt 3. stellte es fest, dass die Beklagte der Klägerin aufgrund und im Umfang des zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrags für den Anlassprozess und zwar hinsichtlich des Erstklägers, des Zweitklägers und der Drittklägerin, des Sechstklägers und der Siebentklägerin sowie des Acht- und Neuntklägers im Verhältnis der jeweiligen Beteiligungen am Verfahren Deckungsschutz auch für den Fall, dass die vereinbarte Streitwertobergrenze in Höhe von 16.254 EUR betreffend einen oder mehrere der verfahrensgegenständlichen Versicherungsfälle/Schadensfälle zwischenzeitlich bereits überschritten worden sei oder zukünftig überschritten werde und sohin Deckungsschutz (partiell) entfallen würde, ab dem Zeitpunkt während des Anlassverfahrens zu gewähren habe, ab dem die geltend gemachten Gesamtansprüche im jeweiligen Schadensfall wiederum unter die vereinbarte Streitwertobergrenze von 16.254 EUR herabsinken.

[19] Im Spruchpunkt 4. wies das Erstgericht das Eventualbegehren auf Deckungsschutz hinsichtlich des Viertklägers und der Fünftklägerin im Anlassverfahren ab.

[20] Im Hinblick auf die geltend gemachten Pflichtverletzungen der Klägerin – die mangelhafte Herstellung der Werke – liege kein einheitliches Verstoßverhalten vor, weshalb von rechtlich selbständigen Verstößen auszugehen sei. Die Ansprüche resultierten aus mehreren eigenständigen Verträgen; ein Rahmenvertrag liege nicht vor. Für die fünf verschiedenen Versicherungsfälle gelte jeweils die vereinbarte Streitwertgrenze. Es liege auch kein einheitlicher Lebenssachverhalt vor, weil lediglich einzelne Mängel mehrere Kläger des Anlassverfahrens beträfen. Im Übrigen würden individuelle Mängel auf Basis des jeweils geschlossenen Vertrags geltend gemacht. Für die Beurteilung des Vorliegens von Versicherungsschutz sei damit von den durch die Eigentümer der jeweiligen Objekte geltend gemachten Forderungen auszugehen. Dabei sei auch die von diesen gewählte Bewertung des Feststellungsbegehrens zugrunde zu legen, diese liege nämlich nicht im Belieben der Klägerin als Versicherungsnehmerin.

[21] Zum „Bauherrenausschluss“ führte das Erstgericht aus, hinsichtlich der Acht- und Neuntkläger des Anlassverfahrens sei die Klägerin nicht als Bauherrin anzusehen, weil sie sich zur Errichtung eines Gebäudes auf deren Liegenschaft verpflichtet habe. Den übrigen Klägern des Anlassverfahrens habe die Klägerin allerdings Liegenschaften mit auf diesen errichteten Reihenhäusern verkauft und sei damit Bauherrin gewesen. Der Risikoausschluss gelte aber gemäß Art 7.1.11 ARB 2001 nur, soweit nichts anderes vereinbart sei. Hier sei Rechtsschutz für den betrieblichen Bereich „Baumeister“ vereinbart. Versichert sei damit das Risiko der Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit der Tätigkeit als Baumeister. Diese Vereinbarung schränke daher den Ausschluss des Art 7.1.11 ARB 2001 ein. Die der Klägerin im Anlassverfahren vorgeworfene Schlechterfüllung bei der Errichtung der Reihenhäuser entspringe deren Tätigkeit als Baumeister; damit sei der Risikoausschluss abbedungen.

[22] Art 23.2.1 ARB 2001 erfasse insbesondere Reparatur- und sonstige Werkverträge des Versicherungsnehmers über unbewegliche Sachen. Der Vertrag mit den Acht- und Neuntklägern im Anlassverfahren sei als „reiner“ Werkvertrag vom Versicherungsschutz umfasst. Die mit dem Erstkläger und dem Sechstkläger sowie der Siebentklägerin des Anlassverfahrens abgeschlossenen Verträge seien gemischte Verträge. Sie hätten einerseits den Verkauf der Liegenschaft und andererseits die Errichtung eines Reihenhauses zum Gegenstand. Bei diesen Verträgen würden allerdings jeweils die Elemente des Werkvertrags überwiegen; damit seien sie vom Versicherungsschutz umfasst. Der mit dem Viertkläger und der Fünftklägerin abgeschlossene Vertrag enthalte jedoch kein werkvertragliches Element. Die Klägerin verpflichte sich darin lediglich zur Übergabe einer Liegenschaft samt Reihenhaus. Da der mit dem Viertkläger und der Fünftklägerin abgeschlossene Vertrag damit ein Kaufvertrag über eine unbewegliche Sache sei, liege nach Art 23.2.1 ARB 2001 kein Versicherungsschutz hinsichtlich der Ansprüche dieser Kläger im Anlassverfahren vor. Art 23 ARB 2001 sei weder versteckt noch ungewöhnlich oder gröblich benachteiligend. Das Begehren auf Feststellung der Deckungspflicht sei hinsichtlich der vom Viertkläger und der Fünftklägerin geltend gemachten Forderungen unberechtigt.

[23] Der Erstkläger im Anlassverfahren habe sein Klagebegehren mit Schriftsatz vom 30. 6. 2020 auf insgesamt 19.007,20 EUR ausgedehnt. Mit diesem Schriftsatz übersteige das Begehren des Erstklägers die vereinbarte Streitwertgrenze und daher entfalle der Versicherungsschutz; Versicherungsschutz sei somit nur für die Einbringung der Klage zu gewähren.

[24] Hinsichtlich der Sechst‑ bis Neuntkläger sei die vereinbarte Streitwertgrenze „bislang nicht“ überschritten worden, weshalb ihnen für das gesamte Verfahren Versicherungsdeckung zu gewähren war. Allerdings habe die Beklagte auch hinsichtlich der Ansprüche jener Kläger (darunter auch Zweitkläger und Drittklägerin), bei denen die Streitwertgrenze überschritten worden sei, Deckungsschutz zu gewähren, sofern der Streitwert unter die vereinbarte Streitwertgrenze von 16.254 EUR sinke.

[25] Das Berufungsgericht gab den Berufungen beider Parteien teilweise Folge, sodass es in Punkt 2.a. – rechtskräftig – das Eventualklagebegehren auf Feststellung der Deckung betreffend das Verfahren des Erstklägers für den Verfahrensabschnitt nach Einbringung des Schriftsatzes vom 30. 6. 2020 bis inklusive der Tagsatzung vom 8. 10. 2020 abwies. In Spruchpunkt 2.d. gewährte es der Klägerin Deckungsschutz hinsichtlich des Verfahrens des Viertklägers und der Fünfklägerin im Verhältnis deren Beteiligung am Anlassprozess, abzüglich 20 % der Schadenleistung. In Punkt 3. wies es – unbekämpft und daher rechtskräftig – das Feststellungsbegehren, dass die Beklagte hinsichtlich sämtlicher Kläger im Verhältnis der jeweiligen Beteiligungen am Verfahren Deckungsschutz auch für den Fall, dass die vereinbarte Streitwertobergrenze von 16.254 EUR betreffend einen oder mehrere der verfahrensgegenständlichen Versicherungsfälle/Schadensfälle zwischenzeitlich bereits überschritten worden sei oder zukünftig überschritten werde und sohin Deckungsschutz (partiell) entfallen würde, ab dem Zeitpunkt während des Anlassprozesses zu gewähren habe, ab dem die geltend gemachten Gesamtansprüche im jeweiligen Schadensfall wiederum unter die vereinbarte Streitwertgrenze von 16.254 EUR herabsinken, ab. Im Übrigen bestätigte es das erstinstanzliche Urteil.

[26] Rechtlich führte das Berufungsgericht aus, die Klägerin habe nach den Behauptungen der Kläger im Anlassverfahren gegen ihre vertraglichen Pflichten im Zusammenhang mit der Errichtung von Reihenhäusern verstoßen, womit der Versicherungsfall eingetreten sei. Diese vertraglichen Pflichten würden sich aus fünf verschiedenen Verträgen ergeben, der jeweilige Pflichtenverstoß könne immer nur anhand des jeweiligen Schuldverhältnisses beurteilt werden. Dass sich einzelne behauptete Pflichtverletzungen (wie etwa hinsichtlich des Carports) faktisch auf mehrere Verträge auswirken, lasse die einzelnen Vertragsverletzungen nicht zu einer Vertragsverletzung werden. Es liege gerade kein einheitlicher Verstoß unter wiederholter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage vor, weil sich die Pflichtenlage immer nur aus den jeweils geschlossenen Verträgen ergeben könne. Zu beurteilen seien fünf verschiedene Versicherungsfälle gesondert in Bezug auf das jeweilige Vorliegen der Streitwertobergrenze.

[27] Die Klägerin sei – mit Ausnahme des Acht‑ und Neuntklägers – in den jeweiligen Verträgen mit den anderen Klägern im Anlassverfahren als Verkäuferin der Grundstücke samt Reihenhaus aufgetreten und damit als Bauträgerin. Der Rechtsstreit, für den sie Deckung begehre, betreffe klassische Folgen der Tätigkeit eines Baumeisters. Es würden unterschiedliche Mängel der von der Klägerin hergestellten Reihenhäuser geltend gemacht (mangelhafte Abdichtungen, unzureichende Wärmedämmung und Ähnliches). Keiner dieser Mängel betreffe ein Risiko, das sich gerade aus dem Auftreten als Bauträger – gleichbedeutend mit der gemeinsamen Veräußerung von Grundstück und Haus – ergebe. Der Rechtsstreit würde genauso geführt werden, wenn die Klägerin die Häuser auf einem von ihr nicht mitverkauften Grund errichtet hätte. In diesem Zusammenhang komme es nicht nur auf die vertragliche Ausgestaltung mit den einzelnen Vertragspartnern an, „sondern auf die konkrete Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus den jeweiligen Verträgen durch die Kläger im Anlassverfahren“. Dort würden durchgehend Ansprüche aus Werkverträgen aus unbeweglichen Sachen im Sinn des Art 23.2.1 ARB 2001 geltend gemacht, die den Kernbereich der Tätigkeit eines Baumeisters betreffen. Der Risikoausschluss des Art 7.1.11 erster Fall ARB 2001 komme daher nicht zur Anwendung; die Ansprüche fielen unter die primäre Risikoumschreibung im Art 23.2.1 ARB 2001.

[28] Auch der Vertrag der Klägerin mit dem Viertkläger und der Fünftklägerin betreffe „jedenfalls im weitesten Sinn einen Werkvertrag über eine unbewegliche Sache“. Diese machten im Ergebnis jene werkvertraglichen Ansprüche geltend, auf die auch in ihrem Vertrag Bezug genommen werde („Bruttowerklohn für das spätestens am 10. 9. 2017 fertiggestellte Reihenhaus“), diese seien damit von der primären Risikoumschreibung umfasst. Damit sei auch dem Klagebegehren bezüglich des Viertklägers und der Fünftklägerin in der Fassung des Eventualbegehrens stattzugeben, zumal die Streitwertgrenze bisher nicht überschritten worden sei.

[29] Entgegen der Ansicht der Beklagten treffe die Klägerin keine Verpflichtung, in einem Passivprozess den Streitwert zu bemängeln, um im Erfolgsfall ihren Deckungsschutz zu verlieren.

[30] Betreffend den „Bauherrenausschluss“ des Art 7.1.11 ARB 2001 resultiere die relevante Wahrnehmung rechtlicher Interessen der Kläger im Anlassverfahren aus der Kerntätigkeit eines Baumeisters und habe gerade mit speziellen Risiken, die die Tätigkeit des Bauträgers von der eines Baumeisters abheben, nichts zu tun (etwa sämtliche die Übertragung von Eigentum einer Liegenschaft betreffenden Angelegenheiten).

[31] Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige, und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

[32] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten mit dem Antrag, das Klagebegehren (zur Gänze) abzuweisen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[33] Die Klägerin begehrt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung die Zurückweisung der Revision, hilfsweise deren Abweisung.

Rechtliche Beurteilung

[34] Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig und auch teilweise berechtigt.

[35] 1. Die Abweisung der beiden Hauptbegehren (Spruchpunkte 1. und 3.) ist in Rechtskraft erwachsen. Die Ansprüche des Zweitklägers und der Drittklägerin im Anlassprozess waren nur Gegenstand dieser Begehren.

[36] Strittig sind im Revisionsverfahren die Eventualfeststellungsbegehren auf Gewährung von Deckungsschutz für die Anlassverfahren des Erstklägers, des Viertklägers und der Fünftklägerin, des Sechstklägers und der Siebentklägerin sowie des Acht‑ und Neuntklägers gegen die dort beklagte und hier klagende Partei.

2. Zum Einwand der Einheitlichkeit des Versicherungsfalls

[37] 2.1. Die Vorinstanzen haben zutreffend ausgeführt, dass Art 23.2.3.1 ARB 2001 einen sekundären Risikoausschluss regelt, sodass im Fall des Übersteigens der vereinbarten Wertgrenze überhaupt kein Versicherungsschutz, auch nicht auf Tragung anteiliger Kosten besteht (RS0117820). Diese als Leistungsbeschreibung formulierte sekundäre Risikobeschränkung stellt seit Einführung des betrieblichen allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutzes eine elementare Bedingung für eine risikogerechte Prämienkalkulation dar (7 Ob 176/15f mwN = SZ 2015/126).

[38] 2.2. Der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung liegt vor, wenn einer der Beteiligten [beteiligt im Sinne von Gegner beim späteren Konfliktfall] begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen (Art 2.3. ARB 2001). Es bedarf daher eines gesetz‑ oder vertragswidrigen Verhaltens eines Beteiligten, das als solches nicht sofort oder nicht ohne weiteres nach außen zu dringen braucht. Ein Verstoß ist ein tatsächlich objektiv feststellbarer Vorgang, der immer dann, wenn er wirklich vorliegt oder ernsthaft behauptet wird, den Keim eines Rechtskonflikts in sich trägt, der zur Aufwendung von Rechtskosten führen kann. Damit beginnt sich die vom Rechtsschutzversicherer übernommene Gefahr konkret zu verwirklichen (RS0114001 [T1]). Bei mehreren Verstößen ist nach den ARB 2001 grundsätzlich der erste Verstoß maßgeblich.

[39] 2.3. Von ausschlaggebender Bedeutung ist, ob es sich im gegenständlichen Fall um rechtlich völlig selbständige Verträge zwischen dem Versicherungsnehmer und seinen Vertragspartnern handelt, aus denen die geltend gemachten Ansprüche resultieren, oder ob es einen Zusammenhang zwischen den Verträgen durch eine Art Rahmenvertrag (vgl RS0019117) zwischen dem Versicherungsnehmer und den Dritten gibt, wodurch die künftige Vertragsbeziehung geregelt werden soll.

[40] Würde sich aus der Vertragslage ableiten lassen, dass die Parteien eine Art Rahmenvertrag schlossen und damit für künftige gleichartige oder ähnliche Rechtsgeschäfte im Vorhinein bestimmte generelle Vertragspflichten vereinbart hätten, die in der Zukunft für ihre Rechtsbeziehung immer zu gelten haben, so bestünde nach der Verkehrsauffassung ein einheitlicher Lebenssachverhalt und die Rechtsstreitigkeiten aus den einzelnen Verträgen wären als aus einem Versicherungsfall resultierend zur Ermittlung der Obergrenze des Art 23.2.3.1 ARB 2001 zusammenzurechnen (7 Ob 62/03y = RS0117821).

[41] 2.4. Die vertraglichen Verpflichtungen der Klägerin ergeben sich aus fünf verschiedenen Verträgen (über fünf Objekte) mit unterschiedlichen Parteien. Der jeweils von den Klägern des Anlassprozesses behauptete Pflichtverstoß der klagenden (und dort beklagten) Partei kann immer nur anhand des jeweiligen Schuldverhältnisses beurteilt werden. Dass einzelne behauptete Pflichtverletzungen (wie etwa hinsichtlich des Daches und Carports) sich faktisch auf mehrere Verträge auswirken, führt nicht dazu, dass es sich um einen einheitlichen Versicherungsfall handelt. Es liegt gerade kein einheitlicher Verstoß unter wiederholter Außerachtlassung derselben Pflichtenlage aus einem Vertrag vor, sondern die (wenn auch teilweise gleiche) Pflichtenlage ergibt sich aus den fünf unterschiedlichen Verträgen.

[42] Liegen nun mehrere gänzlich voneinander unabhängige und selbständige Verträge der Klägerin mit Dritten vor, so ist vom Vorliegen mehrerer Versicherungsfälle auszugehen und es ist für jeden einzelnen Vertrag zu ermitteln, ob die Gesamtansprüche aus jedem Vertrag für sich die mit der Beklagten vereinbarte Obergrenze im Sinn des Art 23.2.3.1 ARB 2001 übersteigen oder nicht. Danach richtet sich die Deckungspflicht des Rechtsschutzversicherers (RS0117821).

3. Zum Einwand der Überschreitung der Streitwertobergrenze

[43] 3.1. Nach Art 23.2.3.1 ARB 2001 sind aufgrund des ausdrücklichen Bedingungswortlauts und des offenkundigen Zwecks einer an der Anspruchshöhe orientierten Risikobegrenzung alle Forderungen und Gegenforderungen der Vertragspartner aufgrund desselben einheitlichen Versicherungsfalls zu berücksichtigen. Diese Bestimmung statuiert, dass der Umfang, die Form und der Zeitpunkt der Geltendmachung für die Beurteilung der Deckungsvoraussetzungen nicht maßgeblich sind. Durch die Bestimmung soll verhindert werden, dass die Risikobegrenzung durch die Geltendmachung von Teilansprüchen oder auch durch ein zu niedrig beziffertes Feststellungsbegehren unterlaufen wird, oder die Geltendmachung des gesamten Anspruchs einem späteren Zeitpunkt vorbehalten wird, bzw wenn vorerst Gegenforderungen erhoben werden, um die Erfolgsaussichten der Durchsetzung der weiteren Ansprüche nach Beendigung eines Vorverfahrens besser abschätzen können. Auch wenn diese Vorgangsweise aus wirtschaftlichen, prozesstaktischen und prozessökonomischen Überlegungen auf Seite des Forderungsinhabers durchaus ihre Berechtigung haben mag, kann dadurch nicht ein Versicherungsschutz erlangt werden, der aufgrund der Gesamtanspruchshöhe nicht besteht (7 Ob 176/15f mwN = SZ 2015/126).

[44] 3.2. Nach dem dargestellten Sinn und Zweck der vereinbarten Streitwertobergrenze steht die Bewertung eines nicht in Geld bestehenden Anspruchs nicht ausschließlich im Belieben des Versicherungsnehmers, was sich schon aus dem Sinn und Zweck einer vereinbarten Streitwertobergrenze ergibt. Vielmehr hat der Versicherungsnehmer sich an der Höhe des behaupteten Gesamtanspruchs orientierende Bewertungskriterien heranzuziehen (7 Ob 176/15f = RS0130458).

[45] 3.3. Entgegen den Ausführungen der Beklagten gibt es keine Verpflichtung der Klägerin und dort Beklagten, den von den Klägern des Anlassprozesses herangezogenen Streitwert für ihre jeweiligen Feststellungsbegehren zu bemängeln, damit im Falle einer Korrektur des Streitwerts nach oben ein Verlust des Deckungsschutzes eintritt. Eine solche Verpflichtung vermag die Beklagte weder aus gesetzlichen Bestimmungen noch aus dem Versicherungsvertrag abzuleiten.

[46] Wie die Vorinstanzen zutreffendargumentierten, ist der vorliegende Sachverhalt mit jenem der Entscheidung zu 7 Ob 176/15f nicht vergleichbar. Die dortige Versicherungsnehmerin beabsichtigte zu klagen, setzte den Streitwert ihres Feststellungsbegehrens im korrigierten Klagsentwurf, den sie vorprozessual dem Versicherer übermittelte, von 21.000 EUR auf 2.180 EUR herab und erklärte in der Revision, „dass es ihr allein darum gehe, Deckung für die Verfolgung ihrer Ansprüche zu erhalten“. Ein prozesstaktisches Verhalten der Klägerin als Beklagte im Anlassprozess zeigt die Revisionswerberin nicht auf, ein solches wurde auch nicht festgestellt.

[47] 4.1. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71]; RS0112256 [T10]). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand oder Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen, dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insbesondere T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]). Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommenen Gefahren einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert (RS0107031).

[48] 4.2. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung (hier: Art 23.2.1 ARB 2001). Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden (hier: Art 7.1.11 ARB 2001) (RS0080166 [T10]).

[49] 5.1. Im allgemeinen Vertrags‑Rechtsschutz sind Ansprüche aus schuldrechtlichen Verträgen über bewegliche Sachen sowie aus Reparatur‑ und sonstigen Werkverträgen des Versicherungsnehmers über unbewegliche Sachen gedeckt (Art 23.2.1 ARB 2001).

[50] Nach der Versicherungspolizze ist das versicherte Risiko der „Betriebs‑Rechtsschutz inklusive Allgemeiner Vertrags‑Rechtsschutz für den betrieblichen Bereich Baumeister“. Kern der Tätigkeit als Baumeister ist, Hochbauten, Tiefbauten und andere verwandte Bauten zu planen, zu berechnen, zu leiten und die Bauaufsicht durchzuführen, die Projektentwicklung, Projektleitung und ‑steuerung, das Projektmanagement sowie die Übernahme der Bauführung (vgl § 99 Abs 1 GewO 1994), in der Regel also Bauvorhaben zu realisieren.

[51] 5.2. Der von der Klägerin mit dem Viert‑ und der Fünftklägerin abgeschlossene Vertrag ist ein Kaufvertrag über eine Liegenschaft samt darauf bereits errichtetem Haus und enthält kein werkvertragliches Element, sodass gemäß Art 23.2.1 ARB 2001 kein Versicherungsschutz besteht. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dieser Kaufvertrag schon von der Umschreibung des versicherten Risikos im allgemeinen Vertragsrechtsschutz nicht erfasst; es handelt sich auch nicht „im weitesten Sinn um einen Werkvertrag über eine unbewegliche Sache“.

[52] Auch der Vertrag der Klägerin mit dem Erstkläger des Anlassprozesses ist als Kaufvertrag über eine Liegenschaft samt dem darauf errichteten Haus zu qualifizieren, war dieses doch bereits bei Vertragsabschluss errichtet und fertiggestellt. Soweit in Punkt 9. des Kaufvertrags auf einen „Werkvertrag“ Bezug genommen wird, ist nicht klar, zwischen wem dieser abgeschlossen worden sein soll. Jedenfalls ist der „im Werkvertrag vereinbarte Werklohn für den dort ausgewiesenen [Anm.: und bereits erbrachten] Leistungsumfang“ im Kaufpreis berücksichtigt. Als Kauf einer unbeweglichen Sache liegt damit nach der Risikoumschreibung des Art 23.2.1 ARB 2001 kein Versicherungsschutz vor.

[53] Damit sind in Abänderung des Urteils des Berufungsgerichts (dort Spruchpunkte 2.a. und 2.d.) die Feststellungsbegehren auf Gewährung von Deckungsschutz für die daraus resultierenden Ansprüche abzuweisen (Spruchpunkte 4.a. und 4.d.).

[54] 6.1. Ein Vertrag kommt durch übereinstimmende Willenserklärungen (mindestens zweier Personen) zustande (§ 861 ABGB; Welser/Kletečka, Bürgerliches Recht I15 [2018] Rz 399; zum Erfordernis einer Personenmehrheit RS0110936). Durch den Werkvertrag verpflichtet sich der Werkunternehmer gegenüber dem Werkbesteller zur Herstellung eines bestimmten Erfolges (§ 1151 Abs 1 ABGB). Ein Unternehmen, das zugleich Liegenschaftseigentümer ist, kann zufolge der Regelung des § 861 ABGB mit sich selbst nicht wirksam einen Reparatur‑oder sonstigen Werkvertrag im Sinn des Art 23.2.1 ARB 2001 abschließen. Ein solcher „Vertrag“ zwischen der klagenden Versicherungsnehmerin als Werkunternehmerin und ihr als Werkbestellerin ist nach den allgemein aus § 861 ABGB abzuleitenden rechtsgeschäftlichen Grundsätzen unmöglich.

[55] 6.2. Da für ein solches „Eigengeschäft“ der Klägerin schon nach Art 23.2.1 ARB 2001 kein Versicherungsschutz besteht, braucht auf den Risikoausschluss nach Art 7.1.11 ARB 2001, wonach unter anderem kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen, die im Zusammenhang mit der Errichtung oder baubehördlichen genehmigungspflichtigen Veränderung eines im Eigentum oder Besitz des Versicherungsnehmers befindlichen Grundstücks, Gebäudes oder Gebäudeteils (Wohnung) stehen, nicht eingegangen werden.

[56] 7. Gegenstand des Vertrags der Klägerin mit den Sechst‑ und Siebentklägern des Anlassprozesses ist nach den Feststellungen ein als „Kaufvertrag und Werkvertrag“ bezeichneter Vertrag, in dem sie diesen die Liegenschaft verkauft und sich zur Errichtung eines Reihenhauses verpflichtet. Vereinbarungsgemäß waren im Pauschalpreis einerseits das Grundstück und andererseits die Bauleitung und Baubetreuung sowie zahlreiche einzeln angeführte Bauleistungen enthalten.

[57] Voraussetzung für den Deckungsschutz nach Art 23.2.1 ARB 2001 sind Ansprüche aus Reparatur‑ und sonstigen Werkverträgen des Versicherungsnehmers über unbewegliche Sachen. Die Klägerin hat nachzuweisen, dass die geltend gemachten Ansprüche des Sechstklägers und der Siebentklägerin nicht aus einem Kaufvertrag, sondern aus einem Werkvertrag über unbewegliche Sachen auf deren Grund resultieren (vgl zum Beweis des Versicherungsfalls durch den Versicherungsnehmer: RS0043438; RS0080003).

[58] Die angeführten Feststellungen reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die von den Sechst‑ und Siebentklägern geltend gemachten Ansprüche, weil es sich um die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus einem Werkvertrag der Klägerin über die Errichtung eines Hauses auf der von den Käufern erworbenen Liegenschaft handelt, vom Versicherungsschutz umfasst sind (Art 23.2.1 ARB 2001) oder dies nicht der Fall ist. Dazu werden im fortgesetzten Verfahren nach Erörterung mit den Parteien aussagekräftige Feststellungen zu treffen sei.

[59] Sollte danach grundsätzlich Versicherungsschutz gegeben sein, ist zu beachten, dass die Rechtsschutzdeckung nur besteht, solange die Ansprüche des Sechstklägers und der Siebentklägerin die vereinbarte Obergrenze von 16.254 EUR (vgl Art 23.2.3.1 ARB 2001) nicht überschreiten.

[60] Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind daher im Spruchpunkt 2.b. aufzuheben und dem Erstgericht ist diesbezüglich die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufzutragen.

[61] 8.1. Um einen Werkvertrag über eine unbewegliche Sache (auf fremdem Grund) handelt es sich beim Vertrag der Klägerin mit dem Acht‑ und dem Neuntkläger. In diesem verpflichtete sich die Klägerin zur Errichtung eines Gebäudes auf der Liegenschaft der Acht‑ und Neuntkläger des Anlassprozesses. Das wird von der Revisionswerberin auch nicht bestritten.

[62] 8.2. Das vom Acht‑ und Neuntkläger angestrengte Verfahren gegen die Klägerin, das die Streitwertobergrenze nicht erreicht, ist daher vom Versicherungsschutz umfasst (vgl Art 23.2.1 ARB 2001). Die Beklagte hat dafür Deckungsschutz zu gewähren. Das Urteil des Berufungsgerichts ist daher insofern zu bestätigen (Spruchpunkt 2.c.).

[63] 9. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50 Abs 1, 52 Abs 1 und 4 ZPO.

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