OGH 12Os71/22s

OGH12Os71/22s18.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. August 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Solé als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Oshidari, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel‑Kwapinski und Dr. Brenner und den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Haslwanter LL.M. in Gegenwart der Schriftführerin Mag. Dr. Blecha in der Strafsache gegen * A* wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. März 2022, GZ 96 Hv 4/22v‑39, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0120OS00071.22S.0818.000

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

 

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Urteil wurde * A* des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

[2] Danach hat er am 22. November 2020 in W* * B* mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs und einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, indem er ihr zunächst auf beiden Händen Handschellen anlegte, ihren Oberkörper hinunter drückte sowie seinen Penis zu ihrem Gesicht führte und ihr diesen – trotz ihrer Hilferufe – in den Mund schob, sie in weiterer Folge zum Bett zog, ihre Beine auseinander drückte und dort mit seinem Penis vaginal penetrierte.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen aus Z 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.

[4] Entgegen der Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) ist die Ableitung der subjektiven Tatseite aus dem objektiven Geschehen unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit nicht zu beanstanden (vgl RIS-Justiz RS0116882).

[5] Soweit der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang (aus Z 5 zweiter Fall) eine Erörterung des Umstands vermisst, dass bei * B* zur Tatzeit eine Dissoziation mit anschließender Panikattacke bestand und daraus eine verminderte Glaubhaftigkeit der Genannten ableitet, bekämpft er bloß die Beweiswürdigung des Schöffengerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung. Denn die Tatrichter haben diese Umstände ohnedies berücksichtigt (US 3 f, 7).

[6] Mit den bloßen Einschätzungen der Zeugin B* dazu, ob dem Angeklagten das Fehlen ihrer Einwilligung in die geschlechtlichen Handlungen bewusst war, mussten sich die Tatrichter nicht befassen (vgl RIS‑Justiz RS0097540 [T2]).

[7] Der weiteren Beschwerde zuwider ist es für die Lösung der Schuldfrage nicht entscheidend, ob der (vorangegangene) Oralverkehr trotz der Hilferufe des Opfers vorgenommen und ob eine Handfessel vor der Vornahme des Geschlechtsverkehrs vom Angeklagten gelöst wurde.

[8] Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) legt nicht dar, weshalb das vom Erstgericht festgestellte, auf Vornahme des Oralverkehrs und des Beischlafs gerichtete Verhalten, nämlich das mehrfache „Drücken“ im Bereich des Oberkörpers, keine Gewaltanwendung im Sinn des § 201 Abs 1 StGB darstellen sollte (vgl RIS-Justiz RS0095776 [insb T4]). Im Übrigen vernachlässigt der Beschwerdeführer prozessordnungswidrig auch die weiters konstatierten Tathandlungen (vgl US 5: Auseinanderdrücken der Beine, Ziehen zum Bett).

[9] Aus welchem Grund es in Bezug auf die Gewaltanwendung Feststellungen zur (behaupteten) körperlichen Überlegenheit des Opfers bedurft hätte, macht das Rechtsmittel nicht klar.

[10] Die Behauptung, aus dem Unterbleiben von Hilferufen unmittelbar vor den Tathandlungen ergebe sich eine Einwilligung in die geschlechtlichen Handlungen, bleibt ohne methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz (vgl RIS‑Justiz RS0128393).

[11] Gleiches gilt für den – im Übrigen nicht am Urteilssachverhalt orientierten – Einwand, der erwähnte Tatbestandsausschluss sei auch aus dem Umstand ableitbar, dass der Angeklagte „jeder Forderung des Opfers“ (vgl aber US 4 f: Öffnen einer Handfessel aufgrund der Hilferufe, Abstandnahme vom Oralverkehr aufgrund der Gegenwehr und Ablehnung des Opfers) sofort Folge geleistet habe.

[12] Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

[13] Die Kostenentscheidung gründet auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte