OGH 5Ob117/22z

OGH5Ob117/22z14.7.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer und Mag. Painsi, die Hofrätin Dr. Weixelbraun‑Mohr und den Hofrat Dr. Steger als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragstellerin M*, gegen die Antragsgegnerin G*gesellschaft mbH, *, wegen „Feststellung des Eigentumsrechts nach WGG“ über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 20. April 2022, GZ 22 R 46/22a‑16, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0050OB00117.22Z.0714.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

[1] Die Rekurswerberin strebt die Übertragung des Eigentumsrechts an der von ihr bewohnten Wohnung im Haus der Antragsgegnerin mit der Begründung an, mit dem seit 1959 bezahlten Nutzungsentgelt sei „der Bauwert des mit öffentlichen Mitteln errichteten Wohnobjekts längst beglichen“.

[2] Das ursprünglich angerufene Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien erklärte sich für sachlich und örtlich unzuständig und überwies die Rechtssache an das Bezirksgericht Salzburg. Da die Antragstellerin dessen Verbesserungsauftrag in Bezug auf ihren Verfahrenshilfeantrag nicht nachgekommen war, wies dieses ihren Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe ab.

[3] Die Antragstellerin lehnte daraufhin das gesamte Bezirksgericht Salzburg und das Landesgericht Salzburg pauschal als befangen ab. Mehrfach war sie zuvor bereits belehrt worden, dass Pauschalablehnungsanträge unzulässig sind und nicht mehr zum Gegenstand einerformellen gerichtlichen Entscheidung gemacht werden müssen (22 Nc 5/20b; 22 Nc 18/20i; 22 Nc 24/20x je des Landesgerichts Salzburg).

[4] Das Bezirksgericht Salzburg wies sämtliche Anträge mit Beschluss vom 17. 1. 2022 (ON 7) zurück. Darauf reagierte die Antragstellerin mit einem neuerlichen Ablehnungsantrag sowie dem Antrag auf Überweisung der Rechtssache an den Verfassungsgerichtshof zur AZ E 2247/2021.

[5] Diesen Überweisungsantrag wies das Bezirksgericht Salzburg mit Beschluss vom 11. 2. 2022 (ON 9) als unzulässig zurück.

[6] Das Landesgericht Salzburg gab dem dagegen von der Antragstellerin erhobenen Rekurs nicht Folge, sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 10.000 EUR übersteige und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Die unzulässigen Pauschalablehnungsanträge erledigte es zu GZ 22 Nc 7/22z‑4 mittels Aktenvermerk. Die keine konkreten Entscheidungsorgane betreffenden und damit unzulässigen Ablehnungsanträge wurden iSd § 86a ZPO ohne inhaltliche Behandlung zu den Akten genommen.

[7] Am 4. 4. 2022 überreichte die Antragstellerin direkt beim Landesgericht Salzburg eine als „Beschwerde, Beschlussunfähigkeit, Gerichtsanhängigkeit und Überweisungsantrag“ bezeichnete Eingabe (ON 15). Soweit sie unter dem Titel „Beschwerde“ erkennbar den Antrag enthält, den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 15. 3. 2022 als „nichtig und unwirksam zu betrachten“ käme allenfalls eine – bisher unterbliebene – Behandlung als außerordentlicher Revisionsrekurs in Betracht.

[8] Das Landesgericht Salzburg als Rekursgericht wies allerdings den in der Eingabe enthaltenen Antrag, ihre Beschwerde unter Anschluss des Akts dem Verfassungsgerichtshof zu AZ E 2247/2021 zur Entscheidung vorzulegen, als unzulässig zurück und kündigte iSv § 86a Abs 2 ZPO an, weitere derartige unzulässige Überweisungsanträge in dieser Rechtssache nicht zu behandeln und ohne Beschlussfassung zu den Akten zu nehmen. Die Antragstellerin sei vom Erstgericht und in der Rekursentscheidung darauf hingewiesen worden, dass die Überweisung einer Rechtssache vom Bezirksgericht an den Verfassungsgerichtshof im Gesetz nicht vorgesehen sei. Auf den erneuten pauschalen und daher rechtsmissbräuchlich gestellten Ablehnungsantrag sei nicht mehr einzugehen.

[9] Gegen diesen, ihr am 28. 4. 2022 zugestellten Beschluss, brachte die Antragstellerin am 12. 5. 2022 beim Landesgericht Salzburg eine mit „Rekurs, Beschlussunfähigkeit, Gerichtsanhängigkeit und Überweisungsantrag“ bezeichnete Eingabe ein. Darin erhob sie unter anderem Rekurs wegen Nichtigkeit und unrichtiger rechtliche Beurteilung mit den Anträgen, das Oberlandesgericht Linz möge als Rekursgericht die Beschlüsse vom 15. 3. 2022 (ON 14) und vom 20. 4. 2022 (ON 16) ersatzlos aufheben und den Rekurs unter Anschluss des Akts des Landesgerichts Salzburg aufgrund von Beschlussunfähigkeit des Bezirksgerichts Salzburg, Landesgerichts Salzburg, Oberlandesgerichts Linz und des Obersten Gerichtshofs und Gerichtsanhängigkeit dem übergeordneten Verfassungsgerichtshof zu AZ E 2247/2021 zur Entscheidung vorlegen.

[10] Das Oberlandesgericht Linz stellte den ihm vorgelegten Akt dem Landesgericht Salzburg mit der Begründung zurück, dieses habe in einer wohnrechtlichen Außerstreitsache entschieden, der Rekurs sei dem Obersten Gerichtshof vorzulegen.

[11] Das Landesgericht Salzburg legte daraufhin den Akt (nur) zur Entscheidung über das als Rekurs zu wertende Rechtsmittel vom 12. 5. 2022 dem Obersten Gerichtshof vor.

Rechtliche Beurteilung

[12] 1.1. Der von der unvertretenen Antragstellerin erhobene Rekurs ist unabhängig vom Wert des Entscheidungsgegenstands und unabhängig vom Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung zulässig, weil das Rekursgericht den Zurückweisungsbeschluss vom 20. 4. 2022 in einer wohnrechtlichen Außerstreitsache funktional als Erstgericht fasste. In einem solchen Fall (wie etwa auch bei Zurückweisungsbeschlüssen des Rekursgerichts als „Durchlaufgericht“) ist das Rechtsmittelgericht als Gericht erster Instanz anzusehen und der „Vollrekurs“ zulässig (vgl 3 Ob 9/20z; 5 Ob 91/08f; vgl RIS‑Justiz RS0044005; Schramm in Gitschthaler/Höllwerth² § 67 AußStrG Rz 4; Klicka/Rechberger in Klicka/Rechberger AußStrG³ § 45 Rz 2).

[13] 1.2. Wenn der Oberste Gerichtshof – wie hier – als zweite Instanz entscheidet, besteht nur relative Vertretungspflicht, die Unterfertigung des von einer Partei persönlich erhobenen Rechtsmittels durch einen Rechtsanwalt ist daher entbehrlich (RS0122666; 3 Ob 9/20z).

[14] 2.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass eine sofortige Entscheidung über ein Rechtsmittel – auch wenn darin ein Ablehnungsantrag gestellt wird – dann zulässig ist, wenn keine konkreten Befangenheitsgründe ins Treffen geführt werden oder die Ablehnung offenkundig rechtsmissbräuchlich ist (5 Ob 124/19z mwN). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. 2.2. Die Antragstellerin lehnte das Bezirksgericht, das Landesgericht und die Staatsanwaltschaft Salzburg, das Oberlandesgericht Linz und den Obersten Gerichtshof pauschal ab und begründete dies – ohne nähere Konkretisierung – mit einer „anhängigen Befangenheit wegen Privatanklage zu 13 Os 45/20x“. Sie wurde (Aktenvermerk ON 4) bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass eine Ablehnung nur aus konkreten Gründen gegen die bestimmte Person eines Richters erfolgen kann, die Ablehnung eines ganzen Gerichts daher unzulässig ist, und dass im Rahmen unzulässiger Pauschalablehnungen offenbar rechtsmissbräuchlich ausgesprochene, substanzlose Verdächtigungen und Beschuldigungen, die wegen ihres mangelnden Tatsachengehalts nicht auf ihre abstrakte Berechtigung überprüft werden können und die ihren Grund offenbar in der Missbilligung vorangegangener Entscheidungen haben, unbeachtlich sind und der Entscheidung der nach der Zuständigkeitsordnung berufenen betroffenen Richter nicht hindernd entgegenstehen. Diese Belehrung der Antragstellerin entspricht der ständigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung (vgl RS0046011). Die im Rahmen des Rechtsmittels neuerlich wiederholten substanzlosen Ablehnungsanträge hindern – als offenkundig rechtsmissbräuchlich – die Sachentscheidung nicht.

[15] 3. Die Vorinstanzen verwiesen zutreffend darauf, dass es keine gesetzliche Grundlage für die von der Rekurswerberin begehrte „Überweisung an den übergeordneten Verfassungsgerichtshof“ gibt. Der Verfassungsgerichtshof wie auch die ordentlichen Gerichte können und dürfen nur innerhalb ihrer jeweiligen, vom Gesetz angeordneten, aber auch begrenzten Zuständigkeit entscheiden (RS0131400). Demgemäß kommt etwa auch die Überweisung eines Verfahrenshilfeantrags von den ordentlichen Gerichten an den Verfassungsgerichtshof mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht (vgl 1 Nc 2/19p). Aus welchen rechtlichen Gründen – sieht man von der rechtsmissbräuchlich erklärten Ablehnung sämtlicher befasster Gerichte ab – die angefochtene Entscheidung unrichtig sein sollte, führt die Rekurswerberin nicht aus. Auch den Beschlusspunkt 2 (betreffend § 86a Abs 2 ZPO) bekämpft sie nicht.

[16] 4. Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

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