OGH 1Nc2/19p

OGH1Nc2/19p23.1.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter über die Anträge der Dipl.‑Ing. D***** G*****, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0010NC00002.19P.0123.000

 

Spruch:

Die Anträge

1. auf Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen und

2. auf Delegation an den Verfassungsgerichtshof werden zurückgewiesen.

 

Begründung:

Die Antragstellerin beabsichtigt erkennbar die Inanspruchnahme des Bundes aus dem Titel der Staatshaftung, weil einerseits der Gesetzgeber bei der Umsetzung von Unionsrecht säumig sei („legislatives Unrecht“) und andererseits zahlreiche Gerichtsentscheidungen, auch des Obersten Gerichtshofs, unionsrechtswidrig seien. Mit ihrer direkt an die Präsidentin des Obersten Gerichtshofs gerichteten Eingabe vom 19. 12. 2018 begehrt sie die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Verfolgung der von ihr behaupteten Entschädigungsansprüche (in Höhe von 2 Mio EUR) ausdrücklich durch den Obersten Gerichtshof und beantragt zugleich die Delegation der Sache an den Verfassungsgerichtshof.

Rechtliche Beurteilung

Dem Obersten Gerichtshof kommt nach der österreichischen Rechtsordnung keine Kompetenz zur Beurteilung eines Anspruchs zu, der – wie von der Antragstellerin behauptet – aus einer Säumnis des Gesetzgebers bei der Umsetzung von Unionsrecht („legislatives Unrecht“) oder aus einer Unionsrechtswidrigkeit von höchstgerichtlichen Entscheidungen abgeleitet wird (dazu näher 1 Ob 215/16y). Damit fehlt es auch an einer funktionellen Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zur Beurteilung der Voraussetzungen für die Bewilligung der Verfahrenshilfe zur Erhebung einer darauf gestützten Staatshaftungsklage. Ob die Behauptungen der Antragstellerin allenfalls eine Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs nach Art 137 B‑VG begründen könnten (zu den Voraussetzungen vgl nur VfGH A 7/07), ist schon deshalb nicht zu untersuchen, weil eine Überweisung des Verfahrenshilfeantrags an den Verfassungsgerichtshof mangels entsprechender Überweisungsnormen nicht in Betracht kommt (idS schon 1 Nc 76/11h).

Soweit nach dem Inhalt der Eingabe allenfalls auch auf ein Ersatzbegehren nach den österreichischen Vorschriften über das Amtshaftungsrecht geschlossen werden könnte, wäre zwar die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit gegeben. Der Oberste Gerichtshof wird aber grundsätzlich nur als Rechtsmittelgericht tätig (Art 92 Abs 1 B‑VG; § 9 Abs 1 AHG) und ist daher nicht dazu berufen, außerhalb des Instanzenzugs über Anträge als Eingangsgericht zu entscheiden.

Damit ist der Antrag der Einschreiterin zur Gänze mangels Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs zurückzuweisen, ohne dass im Einzelnen nach den von der Antragstellerin in ihrem Verfahrenshilfegesuch inhaltlich allenfalls angesprochenen Anspruchsgrundlagen differenziert werden müsste. Eine (teilweise) Überweisung des Verfahrenshilfeantrags in Analogie zu § 44 Abs 1 JN kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sich nach dem Antragsvorbringen ein in erster Instanz ausschließlich (dazu § 9 Abs 1 AHG) zuständiges Landesgericht nicht bestimmen lässt. Die Einleitung eines Verbesserungsverfahrens (dazu Mayr in Rechberger , ZPO 4 § 44 JN Rz 2 mwN) erübrigt sich, weil die Antragstellerin in ihrem Verfahrenshilfeantrag ausdrücklich erklärt, dass die Bestimmung des § 9 Abs 1 AHG auf die von ihr verfolgten Ansprüche keine Anwendung finden soll; Landesgerichte seien „jedenfalls ungeeignet“.

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