OGH 5Ob124/19z

OGH5Ob124/19z24.9.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Jensik als Vorsitzenden sowie die Hofrätin Dr. Grohmann und die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Painsi und Dr. Steger als weitere Richter in der Ablehnungssache des Antragstellers J*****, vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, betreffend die Ablehnung der Richterinnen des Oberlandesgerichts Wien Senatspräsidentin Dr. A*****, Dr. M***** und Mag. R*****, über den Rekurs des Ablehnungswerbers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 24. Juni 2019, GZ 16 Nc 10/19w‑9, mit dem der Ablehnungsantrag gegen diese im Rekursverfahren betreffend die Ablehnungssache AZ 47 Nc 6/18s des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien tätigen Senatsmitglieder zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0050OB00124.19Z.0924.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Rekurswerber hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

 

Begründung:

Im Verfahren 13 Cg 123/15a des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien macht der Antragsteller als Kläger Schadenersatzansprüche gegen eine Pfarre und eine Diözese wegen langjährigen an ihm begangenen sexuellen Missbrauchs durch einen Priester geltend. Die zuständige Richterin des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien wies das Klagebegehren mit Urteil vom 16. 1. 2017 ab.

Der Ablehnungswerber erhob dagegen Berufung und lehnte gleichzeitig die Erstrichterin als befangen ab. Der Senat 33 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien wies den Ablehnungsantrag mit Beschluss vom 11. 4. 2017 zurück (33 Nc 4/17t).

Dagegen erhob der Ablehnungswerber Rekurs und verband dies mit einer Ablehnung sämtlicher an der Beschlussfassung beteiligten Senatsmitglieder. Auch dieser Ablehnungsantrag wurde vom Senat 42 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien unter dem Vorsitz von Dr. R***** mit Beschluss vom 13. 12. 2017 zurückgewiesen (42 Nc 6/17b).

Wiederum erhob der Ablehnungswerber dagegen Rekurs und lehnte Dr. J***** als befangen ab. Aufgrund Selbstanzeige der zur Entscheidung zuständigen Mitglieder der Senate 33, 44 und 45 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien entschied als nach der Geschäftsverteilung zuständige Senat 46 unter Dr. S***** als Vorsitzenden mit Mag. S***** und Mag. S***** als weiteren Senatsmitgliedern über den Ablehnungsantrag und wies diesen mit der Begründung zurück, aus der vom abgelehnten Vorsitzenden geäußerten Rechtsansicht könne nicht auf seine Befangenheit geschlossen werden. Die Paraphen der in der Beschlussfassung beteiligten Personen seien keine Falsifikate und die vom Ablehnungswerber in den Raum gestellte aktive Unterstützung einer Verbindung, die es darauf anlege, durch Beeinflussung der Zuständigkeiten im Ablehnungs‑ und Amtshaftungsverfahren die Rechtsprechung der Republik Österreich zu beeinflussen, sei eine haltlose Unterstellung.

Auch gegen diesen Beschluss erhob der Ablehnungswerber Rekurs, dem der zuständige Senat 13 des Oberlandesgerichts Wien unter dem Vorsitz der Senatspräsidentin Dr. B***** und mit den Richterinnen Dr. J***** und Mag. W***** als Senatsmitglieder nicht Folge gab (13 R 180/18p). Weder habe ein ausgeschlossener oder befangener Richter entschieden noch ein nicht ordnungsgemäß zusammengesetzter Senat, auch die behauptete Nichtigkeit, weil kein ordnungsgemäßer Beschluss im Sinn des § 477 Abs 1 Z 2 ZPO vorliege, sei nicht zu erkennen. Der Beschluss sei ausreichend begründet und das Verfahren nicht mangelhaft gewesen. Der Senat 13 sprach auch aus, dass der Revisionsrekurs jedenfalls unzulässig sei.

Nach Zustellung dieses Beschlusses lehnte der Antragsteller die beteiligten Senatsmitglieder des Senats 13 am 27. 3. 2019 als befangen ab, es liege eine Missachtung der Rechtslage vor, die so eindeutig sei, dass sie ohne Eingriff in die dem Rechtsmittelgericht vorbehaltene Überprüfungskompetenz festgestellt und praktisch nur durch unsachliche Beweggründe der abgelehnten Richterin erklärt werden könne. Die Mitglieder des Senats 13 hätten absichtlich eine nichtige Entscheidung unter Verstoß gegen Art 83 Abs 2 B-VG herbeigeführt, das Gesetz denkunmöglich zur Förderung rechtsstaatsaverser Interessen ausgelegt und die Bestimmung des § 22 Abs 2 JN missachtet (16 Nc 10/19w). Außerdem erhob der Antragsteller gegen den Beschluss des Rekursgerichts zu 13 R 180/18p einen außerordentlichen Revisionsrekurs, der zu 9 Ob 36/19p als absolut unzulässig zurückgewiesen wurde.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies der Senat 16 des Oberlandesgerichts Wien den am 27. 3. 2019 eingebrachten Schriftsatz (Ablehnungsantrag) zurück, sprach aus, dass der Antragsteller die Kosten seiner Eingabe selbst zu tragen habe und weitere Schriftsätze, die aus verworrenen, unklaren, sinn‑ oder zwecklosen Ausführungen bestehen, in Hinkunft ohne Beschlussfassung und ohne inhaltliche Behandlung – mit einem entsprechenden Aktenvermerk – zu den Akten genommen werden.

Bringe eine Partei nach jeder ungünstigen Entscheidung einen Ablehnungsantrag ein, seien die Schriftsätze, wenn sie – wie im hier zu beurteilenden Fall – nur substanzlose Beschuldigungen und Pauschalablehnungen enthalten, als wiederholende Eingaben im Sinn des § 86a Abs 2 ZPO zu behandeln und als rechtsmissbräuchlich einzustufen. Aus diesem Grund sei der Ablehnungsantrag mit dem Hinweis auf die künftige Vorgangsweise nach dieser Gesetzesstelle zurückzuweisen. Eine auf Befangenheitsgründe gestützte Ablehnung könne im Übrigen nach rechtskräftiger Beendigung des gerichtlichen Verfahrens mangels eines rechtlich geschützten Interesses ohnedies nicht mehr wahrgenommen werden.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs des Antragstellers mit dem Antrag auf Abänderung dahin, dass seinem Ablehnungsantrag vom 27. 3. 2019 betreffend die Mitglieder des Senats 13 des Oberlandesgerichts Wien stattgegeben werde, hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag. Mit dem Rekurs verband der Antragsteller einen Ablehnungsantrag gegen insgesamt 24 Mitglieder des Obersten Gerichtshofs, darunter auch den Senatspräsidenten und drei Mitglieder des nach der Geschäftsverteilung zur Entscheidung berufenen Senats 5, den er mit dem Anschein verfassungsgefährdender Verhältnisse innerhalb mancher Teile der Gerichtsbarkeit, der in Fristsetzungsverfahren vertretenen Rechtsauffassung zu § 183 Geo und der „Unterdrückung eines Ablehnungsantrags“ begründet.

Rechtliche Beurteilung

Der Ablehnungsantrag bedarf keiner spruchgemäßen Erledigung, der Rekurs ist nicht berechtigt.

1.1. Der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach klargestellt, dass eine sofortige Entscheidung über ein Rechtsmittel – auch wenn darin ein Ablehnungsantrag gestellt wird – dann zulässig ist, wenn keine konkreten Befangenheitsgründe ins Treffen geführt werden oder die Ablehnung offenkundig rechtsmissbräuchlich ist (1 Ob 6/11f; 6 Ob 64/11x; 7 Ob 80/11g [alle mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung]; 6 Ob 253/11s). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

1.2. Dass seit der Geo‑Novelle 1999 BGBl II 1999/69 Ablehnungsanträge und Befangenheitsanzeigen in bürgerlichen Rechtssachen als Nc‑Sachen ausschließlich in dieses Register einzutragen sind, sprach der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach aus (6 Fsc 1/19b mwN). Soweit der Antragsteller Ablehnungsgründe konkretisiert hat, stützt er sich in Bezug auf die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs im Wesentlichen darauf, dass diese als Spruchkörper verschiedener Senate in einer anderen (eigenen oder auch fremden) Rechtssache unrichtig entschieden hätten. Derartige Ablehnungsanträge sind aber gemäß § 24 JN unzulässig, ohne dass es einer vorherigen inhaltlichen Äußerung der abgelehnten Richter zu solchen Ablehnungsgründen bedürfte, weil sich eine solche nur mit Erläuterungen zur gefällten Vorentscheidung befassen könnte. Dies ist aufgrund der Endgültigkeit der Urteile und Beschlüsse des Obersten Gerichtshofs aber grundsätzlich ausgeschlossen (RIS‑Justiz RS0111658; zuletzt 8 Nc 39/15z). Der Antragsteller bringt regelmäßig aufgrund ihm nicht genehmer Entscheidungen verschiedenster Richter bzw Senate mit im wesentlich gleichlautender Argumentation unbegründete Ablehnungsanträge ein, sodass auch von Rechtsmissbrauch auszugehen ist. Demgemäß kann der Oberste Gerichtshof trotz Ablehnung von vier der Mitglieder des Senats 5 über den Rekurs inhaltlich entscheiden.

2.1. Gemäß § 86a Abs 2 ZPO ist ein Schriftsatz, der aus verworrenen, unklaren, sinn‑ oder zwecklosen Ausführungen besteht und das Begehren nicht erkennen lässt oder sich in der Wiederholung bereits erledigter Streitpunkte oder schon vorgebrachter Behauptungen erschöpft, ohne Verbesserungsversuch zurückzuweisen. Gegen die Zurückweisung eines Schriftsatzes nach § 86a Abs 2 ZPO ist ein Rechtsmittel zulässig (6 Ob 163/14k; Konecny/Schneider in Fasching/Konecny ³ III/2 § 86a ZPO Rz 86).

2.2. Für die im Rekurs monierte Nichtigkeit wegen Verstoßes gegen die Geschäftsverteilung fehlt jeder Anhaltspunkt. Der Antragsteller stützt sich auf § 183 Abs 1 und § 509 Abs 1 Z 3 Geo, wonach Eingaben, womit ein Richter […] abgelehnt wird, von der Einlaufstelle dem Gerichtsvorsteher vorzulegen sind bzw wonach Geschäftsstücke, die dem Gerichtsvorsteher […] vorgelegt werden, in das Justizverwaltungsregister einzutragen sind. Weitere Voraussetzung für eine derartige Eintragung ist aber der Umstand, dass die Geschäftsstücke „zu einer Verfügung des Gerichtsvorstehers Anlass geben müssen“, was im Hinblick auf jene Rechtsprechung nicht der Fall ist, nach der die Entscheidung über eine mögliche Befangenheit nicht Akt der Justizverwaltung, sondern ein solcher der unabhängigen Rechtsprechung ist. Dementsprechend hat auch bei Gerichtshöfen nach § 182 Abs 2, § 19 Z 10 Geo dessen Präsident die Entscheidung des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Senats einzuholen. Auf diese Rechtslage wurde der Antragsteller in der in diesem Ablehnungsverfahren ergangenen Entscheidung 6 Fsc 1/19b bereits hingewiesen. Für die bloßen Mutmaßungen des Antragstellers über die Zuständigkeit eines anders zusammengesetzten Ablehnungssenats fehlt jede Grundlage. Auch die behauptete, aus der Nichteinhaltung des Verfahrens nach § 183 Geo abgeleitete Mangelhaftigkeit des Verfahrens liegt daher nicht vor.

2.3. Nach dem gesetzlichen Konzept ist die auf der Urschrift anzubringende Unterschrift zwar notwendiger Bestandteil des Urteils, selbst das (völlige) Fehlen der Unterschrift des zuständigen Organs für sich allein lässt aber nicht in jedem Fall eine abschließende Beurteilung darüber zu, ob eine diesem zurechenbare Entscheidung oder eine keine Rechtswirkung entfaltende Nichtentscheidung vorliegt. Maßgeblich ist die eindeutige Dokumentation des Entscheidungswillens des Richters. Lässt sich aus dem Akt dieser Entscheidungswille unmissverständlich erschließen, bildet die Unterschrift auf der Urschrift einen im Weg der Verbesserung nachtragbaren Formalakt, der keinen Einfluss auf die Wirksamkeit des Urteils hat (8 Ob 99/16s). Hier liegt die Paraphierung des Vorsitzenden ebenso vor wie die Unterschrift der beteiligten Senatsmitglieder, sodass jedenfalls von einem wirksamen Beschluss auszugehen ist. Auch daraus lässt sich die behauptete Nichtigkeit nicht ableiten.

2.4. In der Rechtsrüge beschränkt sich der Antragsteller auf die Behauptung, der Beschluss enthalte keine Sachverhaltsfeststellungen, sodass sich daraus nicht ersehen lasse, inwiefern sich das Antragsvorbringen in früherem Vorbringen bzw erledigten Streitpunkten erschöpft hätte. Aus dem eingangs wiedergegebenen Verfahrensverlauf ergibt sich aber ebenso wie aus der Begründung des angefochtenen Beschlusses, dass hier auf die abweisende Erstentscheidung in der Sache selbst eine „Ablehnungskaskade“ folgte, wobei sich die Ablehnungsanträge im Wesentlichen immer wieder auf dieselben unbegründeten Pauschalvorwürfe und Gesetzesverstöße (Verstoß gegen § 383 Geo; bestrittene Echtheit der Unterschriften; Verstoß gegen die Geschäftsverteilung) stützten. Der Tatbestand des § 86a Abs 2 ZPO ist hier nach der zutreffenden Auffassung des Oberlandesgerichts Wien daher verwirklicht, ohne dass es näherer Feststellungen zu dem dem Ablehnungswerber selbst ja bekannten Inhalt seiner Anträge bedurfte.

3. Damit war dem Rekurs nicht Folge zu geben.

4. Gemäß §§ 40, 50 ZPO hat der Ablehnungswerber die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen.

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