European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0070OB00095.21B.0707.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird teilweise Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden teilweise abgeändert, sodass die Entscheidung – unter Einschluss des bestätigten Ausspruchs – insgesamt lautet:
„1. Die beklagte Partei hat der klagenden Partei aufgrund und im Umfang des zwischen der klagenden und der beklagten Partei abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages zu Polizzennummer * für das gegen die * AG beim Landesgericht * anhängige Verfahren hinsichtlich des Fahrzeuges der klagenden Partei * mit der Fahrzeugidentifikationsnummer * insoweit Deckungsschutz zu gewähren, als seine Ansprüche nicht auf Verstöße gegen das Kartell- oder sonstige Wettbewerbsrecht gestützt werden.
2. Das Klagebegehren, die beklagte Partei habe der klagenden Partei aufgrund und im Umfang des zwischen der klagenden und der beklagten Partei abgeschlossenen Rechtsschutzversicherungsvertrages zu Polizzennummer * für das gegen die * AG beim Landesgericht * anhängige Verfahren hinsichtlich des Fahrzeuges der klagenden Partei * mit der Fahrzeugidentifikationsnummer * auch in Ansehung von auf Verstöße gegen das Kartell- oder sonstige Wettbewerbsrecht gestützten Ansprüchen Deckungsschutz zu gewähren, wird abgewiesen.
3. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.534,60 EUR (darin 579 EUR USt und 60,60 EUR Gerichtsgebühren) bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Entscheidungsgründe:
[1] Dem bis 1. 2. 2015 zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag lagen die Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2009, Fassung I/2009) der Beklagten zugrunde, die auszugsweise wie folgt lauten:
„…
Artikel 2
Was gilt als Versicherungsfall und wann gilt er als eingetreten?
…
3. In den übrigen Fällen – insbesondere auch für die Geltendmachung eines reinen Vermögensschadens (Artikel 17 Pkt 2.1, Artikel 18 Pkt 2.1, Artikel 19 Pkt 2.1.1) sowie für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen wegen reiner Vermögensschäden (Artikel 23 Pkt 2.1 und Artikel 24 Pkt 2.2.1) – gilt als Versicherungsfall der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften; der Versicherungsfall gilt in dem Zeitpunkt als eingetreten, in dem eine der genannten Personen begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen. Bei mehreren Verstößen ist der erste, adäquat ursächliche Verstoß maßgeblich, wobei Verstöße, die länger als ein Jahr vor Versicherungsbeginn zurückliegen, für die Feststellung des Versicherungsfalles außer Betracht bleiben. …
…
Artikel 3
Für welchen Zeitraum gilt die Versicherung?
(Zeitlicher Geltungsbereich)
1. Die Versicherung erstreckt sich grundsätzlich auf Versicherungsfälle, die während der Laufzeit des Versicherungsvertrages eintreten.
...
3. Wird der Deckungsanspruch vom Versicherungsnehmer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsvertrages für das betreffende Risiko geltend gemacht, besteht, unabhängig davon, wann der Versicherungsnehmer Kenntnis vom Eintritt eines Versicherungsfalles erlangt, kein Versicherungsschutz.
…
Artikel 6
Welche Leistungen erbringt der Versicherer?
…
7. Die Leistungspflicht des Versicherers ist begrenzt wie folgt:
…
7.6 Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz für die Geltendmachung oder die Abwehr von Ansprüchen, für die teils Versicherungsschutz besteht, teils nicht, trägt der Versicherer die Kosten anteilig im Verhältnis der Streitwerte (Bemessungsgrundlagen) zueinander.
…
Artikel 7
Was ist vom Versicherungsschutz ausgeschlossen?
1. Sofern nichts anderes vereinbart ist, besteht kein Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen
…
1. 6 aus dem Bereich des Kartell- oder sonstigen Wettbewerbsrechtes;
…
2. Vom Versicherungsschutz sind ferner ausgeschlossen
…
2.4 die Geltendmachung von Forderungen, die an den Versicherungsnehmer abgetreten wurden, und die Abwehr von Haftungen aus Verbindlichkeiten anderer Personen, die der Versicherungsnehmer übernommen hat, wenn die Abtretung oder Haftungsübernahme erfolgte, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, oder nachdem vom Versicherungsnehmer, Gegner oder einem Dritten eine den Versicherungsfall auslösende Rechtshandlung oder Willenserklärung vorgenommen wurde;
…
Artikel 8
Welche Pflichten hat der Versicherungsnehmer zur Sicherung seines Deckungsanspruches zu beachten? (Obliegenheiten)
1. Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet,
1.1 den Versicherer unverzüglich, vollständig und wahrheitsgemäß über die jeweilige Sachlage aufzuklären und ihm alle erforderlichen Unterlagen auf Verlangen vorzulegen;
…
1.4 alles zu vermeiden, was die Kosten unnötig erhöht oder die Kostenerstattung durch Dritte ganz oder teilweise verhindert; sowie alles zu unternehmen, was einen gänzlichen oder teilweisen Kostenersatz durch Dritte ermöglicht;
...
2. Verletzt der Versicherungsnehmer eine der vorstehend genannten Obliegenheiten, ist der Versicherer gemäß § 6 Versicherungsvertragsgesetz (VersVG) von der Verpflichtung zur Leistung frei.
…
Artikel 9
Wann und wie hat der Versicherer zum Deckungsanspruch des Versicherungsnehmers Stellung zu nehmen?
...
1. Der Versicherer hat binnen zwei Wochen nach Geltendmachung des Deckungsanspruches durch den Versicherungsnehmer und Erhalt der zur Prüfung dieses Anspruches notwendigen Unterlagen und Informationen dem Versicherungsnehmer gegenüber schriftlich den Versicherungsschutz grundsätzlich zu bestätigen oder begründet abzulehnen.
…
2. Davon unabhängig hat der Versicherer das Recht, jederzeit Erhebungen über den mutmaßlichen Erfolg der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung anzustellen. Kommt er nach Prüfung des Sachverhaltes unter Berücksichtigung der Rechts- und Beweislage zum Ergebnis,
2.1 dass hinreichende Aussicht besteht, in einem Verfahren im angestrebten Umfang zu obsiegen, hat er sich zur Übernahme aller Kosten nach Maßgabe des Artikel 6 (Versicherungsleistungen) bereit zu erklären;
2.2 dass diese Aussicht auf Erfolg nicht hinreichend, d. h. ein Unterliegen in einem Verfahren wahrscheinlicher ist als ein Obsiegen, ist er berechtigt, die Übernahme der an die Gegenseite zu zahlenden Kosten abzulehnen;
2.3 dass erfahrungsgemäß keine Aussicht auf Erfolg besteht, hat er das Recht, die Kostenübernahme zur Gänze abzulehnen.
…“
[2] Der Kläger erwarb am 10. 2. 2014 einen gebrauchten, am 20. 12. 2010 erstmals zugelassenen PKW. Mit Schreiben des Generalimporteurs vom 15. 10. 2015 wurde er darüber informiert, dass der in diesem Fahrzeug verbaute Dieselmotor vom sogenannten „Abgasmanipulationsskandal“ betroffen ist. Im März 2017 ließ der Kläger am Fahrzeug das ihm angebotene Software-Update durchführen.
[3] Der Kläger erlangte zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt im November 2019, jedenfalls vor dem 29. 11. 2019, aufgrund eines Internetartikels Kenntnis davon, dass es bei den vom „Abgasskandal“ betroffenen Fahrzeugen, somit auch bei seinem Fahrzeug, nach Durchführung des Software-Updates ein (relativ geringes) Temperaturfenster (Thermofenster) gibt, innerhalb dessen eine nach wie vor vorhandene (ursprünglich jedenfalls unzulässige) Abschaltvorrichtung aktiviert ist und daher den Schadstoffausstoß reduziert, nicht aber außerhalb dieses Thermofensters, sowie dass dies vom Oberlandesgericht Wien als Mangel eingestuft wurde. Zu diesem Zeitpunkt hatte er in einer anderen Angelegenheit bereits einen Termin mit dem Klagsvertreter für den 29. 11. 2019 vereinbart; bei diesem Termin sprach ihn der Kläger darauf an. Der Klagsvertreter forderte den Kläger daraufhin auf, ihm sämtliche Unterlagen zur Verfügung zu stellen, und suchte in der Folge am 18. 12. 2019 bei der Beklagten um Rechtsschutzdeckung an: Er forderte die Beklagte namens des Klägers auf, die Deckung für eine gegen den Fahrzeughersteller einzubringende Klage auf Zahlung von 17.298 EUR (Kaufpreis von 27.900 EUR abzüglich eines Benützungsentgelts) samt Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs zuzusagen. Die Beklagte lehnte, gestützt auf Art 3.3 ARB 2009, die Deckung ab.
[4] Am 2. 6. 2020 brachte der Kläger beim Erstgericht eine Klage gegen den Fahrzeughersteller ein, in der er Schadenersatzansprüche wegen der unzulässigen Abschaltvorrichtung geltend macht. Er stützt sein Begehren auf Schutzgesetzverletzungen, arglistige Täuschung, absichtliche sittenwidrige Schädigung, unlautere Geschäftspraktiken gemäß § 1 UWG (als Schutzgesetz ebenso wie „nach allgemeinen deliktischen Grundsätzen iVm §§ 1295 ff ABGB“) sowie culpa in contrahendo, und begehrt als Naturalrestitution die Zahlung des gesamten Kaufpreises von 27.900 EUR (ausdrücklich ohne Anrechnung eines Benützungsentgelts) Zug um Zug gegen Übergabe des Fahrzeugs – hilfsweise Wertminderung von 5.580 EUR – sowie die Feststellung der Haftung für künftige Schäden aus dem Abschluss des Kaufvertrags.
[5] Der Kläger begehrt die Feststellung, die Beklagte habe ihm für das gegen den Fahrzeughersteller angestrengte Verfahren Deckungsschutz zu gewähren. Er habe im März 2017 Kenntnis davon erlangt, dass sein Auto vom Dieselskandal betroffen sei. Das offensichtlich ebenfalls rechtswidrige Software‑Update sei vom Deutschen Kraftfahrbundesamt freigegeben gewesen, weshalb der Kläger redlicherweise von dessen Rechtskonformität habe ausgehen dürfen. Er habe ohne Verschulden erst nach Ablauf der Frist nach dem – überdies gegen § 864a ABGB verstoßenden – Art 3.3 ARB 2009 vom Versicherungsfall – der nach wie vor bestehenden Mangelhaftigkeit, der auch nach Update noch immer eingebauten Abschalteinrichtung („Thermofenster“) – Kenntnis erlangt, und zwar durch eine am 27. 11. 2019 veröffentlichte Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien, und dies dem Versicherer unverzüglich angezeigt. Er habe erst dadurch (relative) Rechtsklarheit erlangt, dass er durch den Hersteller bei Kauf seines Fahrzeugs listig in die Irre geführt und damit geschädigt worden sei, zumal er zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses darauf vertraut habe, ein manipulationsfreies Fahrzeug zu erwerben. Die gesetzliche Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige eines Versicherungsfalls (§ 33 Abs 1 VersVG) gelte für die Rechtsschutzversicherung nur eingeschränkt, weil der Versicherungsnehmer den Versicherer nicht nach jedem Versicherungsfall sondern nur dann zu unterrichten habe, wenn er aufgrund eines Versicherungsfalls Versicherungsschutz begehre. Eine allfällige Obliegenheitsverletzung des Klägers nach § 33 Abs 1 VersVG hätte Einfluss weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung des Umfangs einer der Beklagten obliegenden Leistung gehabt; die Beklagte verfüge auch nach allfällig verspäteter Schadensanzeige durch den Kläger über denselben Kenntnisstand für ihre Deckungsprüfung wie wenn sie bereits im März 2017 (dem Zeitpunkt, als der Kläger von der Generalimporteurin über das Software‑Update informiert worden sei) über den Versicherungsfall informiert worden wäre. Verschleierungsabsicht des Klägers sei nicht vorgelegen, zumal es aufgrund des klaren Sachverhalts nichts zu verschleiern gegeben habe. Der Kläger leite seinen Anspruch nicht vom Voreigentümer des Fahrzeugs ab, es handle sich dabei nicht um abgetretene Ansprüche, sondern sowohl der Kläger als auch der Voreigentümer hätten aufgrund der Irreführung durch den Hersteller eigene originäre, nicht vertragliche Ansprüche wegen sittenwidriger Schädigung, wobei der Schaden im Abschluss des Kaufvertrags gelegen sei. Es lägen nicht geringe Erfolgsaussichten vor.
[6] Die Beklagte hielt dem entgegen, dass die Schadensmeldung erst am 18. 12. 2019 und damit entgegen Art 3.3 ARB 2009 iVm § 33 Abs 1 VersVG verspätet erfolgt sei, obwohl dem Kläger bereits seit 2015 bekannt gewesen wäre, dass sein Fahrzeug vom sogenannten Dieselskandal betroffen und der Versicherungsvertrag bereits per 1. 2. 2015 beendet worden sei. Der Schadensfall sei bereits mit dem Erwerb des Fahrzeugs eingetreten. Der Kläger hätte nach seinem Vorbringen im Anlassverfahren das Fahrzeug in Kenntnis der „Schummelsoftware“ nicht erworben. Das Software‑Update ändere nichts am Schaden, weil der Kläger das Fahrzeug jedenfalls nicht erworben hätte. Insbesondere ein aus der Versichertengemeinschaft ausgeschiedenes Mitglied habe Schäden sofort zu melden. Dem Kläger seien auch nach eigenem Vorbringen die nunmehr behaupteten anspruchsbegründenden Umstände gegen den Hersteller schon viel früher als durch das – völlig irrelevante – OLG‑Urteil bekannt gewesen. Durch die verspätete Schadensmeldung hätten sich in der Abwicklung und Beurteilung des Schadensfalls Nachteile für die Beklagte ergeben, es hätten sich das Prozesskostenrisiko im Anlassverfahren und damit allenfalls auch die Versicherungsleistung vergrößert. Der Kläger habe die Schadensmeldungsobliegenheit vorsätzlich verletzt, nicht zuletzt, um seinen Anspruch gegenüber dem Hersteller in Bezug auf Nutzung und Zinsenbegehren zu erhöhen; die Unterlassung der Schadensmeldung sei jedenfalls grob fahrlässig, die Beklagte sei daher leistungsfrei. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass dem Kläger die Bezahlung eines Nutzungsentgelts auferlegt werde, das mit voranschreitender Kilometerleistung steige; damit seien auch das Klagsrisiko und damit verbunden das Kostenrisiko stetig gestiegen. Der Kläger verfolge abgetretene Ansprüche, die nach Art 7.2.4 ARB 2009 ausgeschlossen seien. Das Klagebegehren bestehe auch deshalb nicht zu Recht, weil sich der Versicherungsfall nicht während der Laufzeit des Rechtsschutzversicherungsvertrags ereignet habe. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung sei aussichtslos bzw sei ein Unterliegen des Klägers mit der beabsichtigten Rechtsverfolgung wahrscheinlicher als ein Obsiegen (Art 9.2.2 und 9.2.3 ARB 2009), insbesondere weil der Kläger die Rückgabe eines 2014 erworbenen Fahrzeugs Zug um Zug gegen Bezahlung des vollen Kaufpreises samt gesetzlicher Zinsen und ohne Abzug eines Benützungsentgelts begehre; auch nach Erhebung des Einwands der unterlassenen Nutzungsgeldanrechnung sei keine Klagseinschränkung im Verfahren gegen den Fahrzeughersteller erfolgt. Der Kläger stehe mit dem in der BRD ansässigen Hersteller in keinem Vertragsverhältnis. Er stütze seine behaupteten Ansprüche auch auf § 1 UWG; solche Ansprüche seien gemäß Art 7.1.6 ARB 2009 von der Deckung ausgeschlossen; im Falle einer allenfalls bestehenden Deckungspflicht bestünde gemäß Art 6.7.6 ARB 2009 nur teilweise Deckung.
[7] Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Versicherungsfall sei bereits mit dem Erwerb des Fahrzeugs im Jahr 2014, während aufrechten Versicherungsvertrags eingetreten. Bestimmungen über den Zeitraum der Nachdeckung in Bezug auf Versicherungsfälle, die während aufrechtem Versicherungsverhältnisses eingetreten seien (Art 3.3 ARB 2009), seien ungewöhnlich iSd § 864a ABGB, jedoch geltungserhaltend so auszulegen, dass der Versicherungsnehmer für den Fall, dass er erst nach Ablauf der Frist Kenntnis von einem Versicherungsfall erhalte, der noch während der Laufzeit des Vertrags eingetreten sei, diesen unverzüglich zu melden habe. Maßgeblich seien weder der Zeitpunkt der Kenntnis des Erwerbs einer ursprünglich mangelhaften Sache, zumal der Hersteller eine Behebung des Mangels in Aussicht gestellt habe. Erst aufgrund der Kenntnis, dass der Behebungsversuch fehlgeschlagen sei, habe der Kläger davon ausgehen müssen, dass tatsächlich ein Konflikt bestehe, der der Leistungen der Beklagten aus dem Versicherungsvertrag bedürfe. Angesichts der Kenntnis vom Scheitern der Mängelbehebung im November 2019 sei die Schadensmeldung am 18. 12. 2019 im Hinblick auf die erforderlichen (auch rechtlichen) Abklärungen rechtzeitig. Der Kläger habe daher keine Obliegenheitsverletzung zu verantworten. Der Kläger mache deliktische Ansprüche geltend, er habe aufgrund einer Täuschung des Herstellers ein mangelhaftes Fahrzeug erworben, das er sonst nicht erworben hätte. Es handle sich um originäre Ansprüche des Klägers, nicht um solche, die ihm sein Vorgänger als Eigentümer abgetreten habe. Der Kläger mache keine Ansprüche nach dem UWG geltend, was schon am mangelnden Wettbewerbsverhältnis zwischen ihm und dem Hersteller scheitern würde, sondern stütze sich auf den Titel Schadenersatz, den er wiederum auf eine Verletzung des UWG als Schutzgesetz stütze.
[8] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Zwar sei die Ausschlussfrist nach Art 3.3 ARB 2009 gröblich benachteiligend iSd § 864a ABGB und daher nichtig, jedoch habe der Oberste Gerichtshof zu § 33 Abs 1 VersVG ausgeführt, dass der Versicherungsnehmer nach Beendigung des Versicherungsvertrags alle Versicherungsfälle anzuzeigen habe, und nicht nur solche, die ihn zu kostenauslösenden Reaktionen veranlassen würden. Dies habe der Kläger unterlassen, womit der Beklagten der Beweis des objektiven Tatbestands einer Obliegenheitsverletzung gelungen sei. Daran treffe den Kläger nach dem Sachverhalt jedoch nur leichtes Verschulden; selbst bei Annahme zumindest grober Fahrlässigkeit wäre dem Kläger der strikte Kausalitätsgegenbeweis gelungen. Hinsichtlich der Erfolgsaussichten der beabsichtigten Klage sei kein strenger Maßstab anzulegen. Ob sich der Kläger ein Benützungsentgelt abziehen lassen müsse, sei insbesondere im Hinblick auf die behauptete arglistige Täuschung fraglich. Der Einwand nach Art 9.2.2 und 9.2.3 ARB 2009 sei daher nicht stichhältig. Der Deckungsausschluss nach Art 7.2.4 ARB 2009 komme nicht zum Tragen, weil der Ankauf des Fahrzeugs durch den Kläger der Versicherungsfall und nach diesem Zeitpunkt keine Abtretung von Ansprüchen erfolgt sei. Der Deckungsausschluss nach Art 7.1.6 ARB 2009 komme nicht zum Tragen, weil der Kläger nicht eigene rechtliche Interessen aus dem (nach den ARB ausgeschlossenen) Wettbewerbsrecht wahrnehmen wolle, „die ja den Mitbewerbern des Fahrzeugherstellers bzw Verbandsklägern vorbehalten sind“, sondern sich (auch) auf eine Schutzgesetzverletzung nach § 1311 ABGB insoweit berufe, als der Herstellerin unrichtiger- und irreführenderweise gegenüber den Käufern und auch dem Kläger zur Erzielung eines rechtswidrigen Wettbewerbsvorteils mit Umweltfreundlichkeit geworben habe.
[9] Mit ihrerRevision begehrt die Beklagte, die Entscheidungen dahin abzuändern, dass die Klage abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[10] Der Kläger beantragt in der ihm vom Obersten Gerichtshof freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
[11] Die Revision ist zur Wahrung der Rechtssicherheit zulässig; sie ist teilweise auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[12] Die Beklagte führt darin ins Treffen, der Kläger habe eine nach § 33 Abs 1 VersVG verspätete Schadensmeldung erstattet (dazu unten Pkt B), es lägen mangelnde Erfolgsaussichten iSd Art 9.2.2 und 9.2.3 ARB 2009 vor (Pkt C) und es kämen die Deckungsausschlüsse nach Art 7.2.4 ARB 2009 und Art 7.1.6 ARB 2009 (Pkt D) zum Tragen.
[13] A. Allgemeine Versicherungsbedingungen sind nach ständiger Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Vertragsauslegung (§§ 914 f ABGB) auszulegen, und zwar orientiert am Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers und stets unter Berücksichtigung des erkennbaren Zwecks einer Bestimmung (RS0050063 [T71], RS0112256 [T10], RS0017960). Die Klauseln sind, wenn sie nicht Gegenstand und Ergebnis von Vertragsverhandlungen waren, objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut auszulegen; dabei ist der einem objektiven Betrachter erkennbare Zweck einer Bestimmung zu berücksichtigen (RS0008901 [insbes T5, T7, T87]). Unklarheiten gehen zu Lasten der Partei, von der die Formulare stammen, das heißt im Regelfall zu Lasten des Versicherers (RS0050063 [T3]).
B. Zur Anzeigeobliegenheit nach § 33 Abs 1 VersVG:
[14] 1.1. Der Fachsenat hat bereits wiederholt zur Deckungspflicht in der Rechtsschutzversicherung für Klagen gegen Autohersteller wegen des Einbaus einer Abgasmanipulationssoftware in Dieselfahrzeugen Stellung genommen (7 Ob 32/18h = RS0114001 [T9]; 7 Ob 206/19y; 7 Ob 133/21s):
[15] Es handelt sich dabei um Deckung für die Geltendmachung reiner Vermögensschäden, bei denen nach Art 2.3 ARB (hier 2009) der tatsächliche oder behauptete Verstoß des Versicherungsnehmers, Gegners oder eines Dritten gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften als Versicherungsfall gilt. Nach dieser Bestimmung liegt der Versicherungsfall in der Rechtsschutzversicherung vor, wenn einer der Beteiligten begonnen hat oder begonnen haben soll, gegen Rechtspflichten oder Rechtsvorschriften zu verstoßen.
[16] Der Zeitpunkt, in dem die Produzentin begonnen hat, in ihre Motoren Abgaswerte verfälschende Software einzubauen, hat keine Auswirkungen auf die Rechtsposition des Autokäufers. Ein zeitlich lange vorangehender Gesetzes- oder Pflichtenverstoß, mag er auch die spätere Rechtsverfolgung des Versicherungsnehmers adäquat-kausal begründet haben, kann den Versicherungsfall erst auslösen und damit den Zeitpunkt des Verstoßes in Bezug auf den konkreten Versicherungsnehmer in der Rechtsschutzversicherung festlegen, wenn dieser erstmals davon betroffen, dh in seinen Rechten beeinträchtigt wird oder worden sein soll. Dies ist im Falle des serienmäßigen Einbaus eines nicht rechtskonformen Bauteils in eine Sache der Zeitpunkt des Kaufs der mangelhaften Sache durch den Versicherungsnehmer. Erst damit beginnt sich auch die vom Rechtsschutzversicherer in Bezug auf den Versicherungsnehmer konkret übernommene Gefahr zu verwirklichen.
[17] 1.2. Hier hat der Versicherungsnehmer am 10. 2. 2014 einen gebrauchten Diesel-PKW erworben und begehrt Deckung für gegen den Fahrzeughersteller geltend zu machende Ansprüche; die Versicherung endete am 1. 2. 2015. Der Ankauf des Fahrzeugs fand damit während des versicherten Zeitraums statt; der Versicherungsfall iSd Art 2 ARB 2009 trat damit während des Deckungszeitraums ein.
[18] Nach den Feststellungen erfuhr der Kläger erst am 15. 10. 2015, somit nach Vertragsbeendigung (1. 2. 2015), dass der in diesem Fahrzeug verbaute Dieselmotor vom sogenannten „Abgasmanipulationsskandal“ betroffen ist, und im November 2019, jedenfalls vor dem 29. 11. 2019, von der Funktionsweise des Software-Updates mit dem „Thermofenster“. Eine Versicherungsmeldung erstattete er am 18. 12. 2019.
[19] 2.1. Soweit sich die Beklagte bei ihrer Deckungsablehnung auf den Ausschluss nach Art 3.3 ARB 2009 berief, ist dies nach ständiger Rechtsprechung des Senats wegen Nichtigkeit der Bestimmung nicht berechtigt, zumal der Versicherungsnehmer Verbraucher ist und eine geltungserhaltende Reduktion der Klausel nicht in Frage kommt (RS0128735).
[20] Die Revisionswerberin stellt dies auch nicht mehr in Frage, führte aber – so wie bereits in erster Instanz – § 33 Abs 1 VersVG ins Treffen, wonach der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalls, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt hat, unverzüglich dem Versicherer anzuzeigen hat.
[21] 2.2. Auch hierzu hat der Senat bereits wiederholt Stellung genommen (vgl zum Folgenden 7 Ob 206/19y; 7 Ob 213/20d):
[22] 2.2.1. Obliegenheiten nach dem Versicherungsfall dienen dem Zweck, den Versicherer vor vermeidbaren Belastungen und ungerechtfertigten Ansprüchen zu schützen. Die Drohung mit dem Anspruchsverlust soll den Versicherungsnehmer motivieren, die Verhaltensregeln ordnungsgemäß zu erfüllen; ihr kommt eine generalpräventive Funktion zu (RS0116978). Den Versicherer trifft die Beweislast für das Vorliegen des objektiven Tatbestands einer Obliegenheitsverletzung. Im Fall eines solchen Nachweises ist es dann Sache des Versicherungsnehmers, zu behaupten und zu beweisen, dass er die ihm angelastete Obliegenheitsverletzung weder vorsätzlich noch grob fahrlässig begangen hat (RS0081313). Eine leichte Fahrlässigkeit bleibt demnach ohne Sanktion (RS0043728 [insb T4], RS0081313 [T21]). Gelingt dem Versicherungsnehmer der Beweis der leichten Fahrlässigkeit nicht, so steht ihm nach § 6 Abs 3 VersVG auch bei „schlicht“ vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Obliegenheitsverletzung der Kausalitätsgegenbeweis offen, dass die Obliegenheitsverletzung weder auf die Feststellung des Versicherungsfalls noch auf die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers einen Einfluss gehabt hat (vgl RS0116979), was der Versicherungsnehmer zu behaupten und strikt zu beweisen hat (RS0081313, RS0043728, RS0079993). Nur der Versicherungsnehmer, der eine Obliegenheit mit dem Vorsatz verletzt, die Beweislage nach dem Versicherungsfall zu Lasten des Versicherers zu manipulieren (sogenannter „dolus coloratus“), verwirkt den Anspruch, und es ist der Kausalitätsgegenbeweis ausgeschlossen (RS0081253, RS0109766).
[23] 2.2.2. Die in § 33 Abs 1 VersVG normierte, mit Art 8.1.1 (iVm Art 8.2) ARB auch vertraglich umgesetzte Obliegenheit zur unverzüglichen Anzeige eines Versicherungsfalls gilt für die Rechtsschutzversicherung jedenfalls während aufrechten Versicherungsvertrags nur eingeschränkt, weil der Versicherungsnehmer den Versicherer nicht nach jedem Versicherungsfall, sondern nur dann zu unterrichten hat, wenn er aufgrund eines Versicherungsfalls Versicherungsschutz „begehrt“. Dies beruht auf der Überlegung, dass der Versicherer kein Interesse daran haben kann, von jedem möglichen Schadenereignis oder Verstoß gegen vertragliche oder gesetzliche Rechtspflichten zu erfahren, ohne dass feststeht, dass dies zu einer kostenauslösenden Reaktion führen kann. Erst wenn sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen, das heißt, wenn sich die rechtliche Auseinandersetzung so weit konkretisiert hat, dass der Versicherungsnehmer mit der Aufwendung von Rechtskosten rechnen muss und deshalb seinen Rechtsschutzversicherer in Anspruch nehmen will, entsteht für ihn die Obliegenheit, den Versicherer unverzüglich zu informieren und kostenauslösende Maßnahmen mit ihm abzustimmen. Dessen Unterrichtung hat spätestens in einem Stadium zu erfolgen, das dem Versicherer noch die Prüfung seiner Eintrittspflicht und die Abstimmung von Maßnahmen erlaubt. Insbesondere ist der Versicherer – abgesehen von eiligen Fällen – so zeitig zu unterrichten, dass er noch ausreichend Zeit hat, die Erfolgsaussichten der Prozessführung abzuklären (vgl 7 Ob 140/16p mwN).
[24] 2.2.3. Wenn der Vertrag bereits seit Jahren abgelaufen ist, ist dies aber anders zu beurteilen. Der Versicherer hat den Vertrag bereits mit Ablauf der zwar dem Versicherungsnehmer gegenüber nichtigen, aber im Vertrag vorgesehenen Ausschlussfrist abgerechnet. Der Anfall weiterer Versicherungsfälle ist die Ausnahme. Auch dem durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmer ist einsichtig, dass der Versicherer in diesem Fall ein erhöhtes (uneingeschränktes) Interesse an einer iSd § 33 VersVG iVm Art 8.1.1 ARB unverzüglichen Anzeige aller Versicherungsfälle hat, muss der Versicherer doch trotz Beendigung des Vertrags sein zu übernehmendes Risiko umgehend beurteilen und einschätzen können und für die Deckung (gesondert) vorsorgen. Der Versicherungsnehmer ist daher in diesem Fall gehalten, alle Versicherungsfälle dem Versicherer unverzüglich zur Kenntnis zu bringen und nicht mit der Anspruchsverfolgung zu zögern oder zuzuwarten, bis sich je nach seinem Engagement in der Rechtsverfolgung konkret kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen. Es steht nicht im Belieben des Versicherungsnehmers, durch die Inanspruchnahme der Rechtsschutzversicherung die Informationsobliegenheit zeitlich hinauszuschieben und sie dadurch zeitlich außer Kraft zu setzen (7 Ob 206/19y mwN).
[25] Erfährt der Versicherungsnehmer daher unverschuldet erst nach Ablauf des Vertrags und darüber hinaus nach Ablauf einer allfälligen im Vertrag vorgesehenen Ausschlussfrist von einem Versicherungsfall, gilt die Anzeigepflicht nach § 33 Abs 1 VersVG iVm Art 8.1.1 ARB uneingeschränkt. Der Versicherungsnehmer hat dann alle Versicherungsfälle, von denen er erfährt, dem Versicherer unverzüglich zur Kenntnis zu bringen und nicht mit der Anspruchsverfolgung zu zögern oder zuzuwarten, bis sich kostenauslösende Maßnahmen abzeichnen (vgl 7 Ob 206/19y, 7 Ob 31/20i, 7 Ob 213/20d).
[26] 3.1. Im vorliegenden Fall trat der Versicherungsfall während aufrechten Versicherungsvertrags ein. Dass ein Versicherungsfall vorlag, blieb dem Kläger vorerst verborgen, sodass für ihn schon mangels irgendeiner in Frage stehenden kostenauslösenden Maßnahme kein inhaltlicher Anlass bestand, an die Beklagte heranzutreten. Eine Verletzung des § 33 Abs 1 VersVG iVm Art 8.1.1 ARB liegt insoweit nicht vor.
[27] 3.2. Am 15. 10. 2015, somit zeitlich während der im Vertrag (Art 3.3 ARB 2009) vorgesehenen Ausschlussfrist von zwei Jahren, wurde nach den Feststellungen der Kläger vom Hersteller bzw dem in dessen Auftrag einschreitenden Importeur einerseits über die Abschaltvorrichtung und andererseits darüber informiert, dass durch Einspielung eines Software‑Updates eine Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs behoben würde.
[28] Wie oben (Pkt B.2.1) bereits dargelegt ist Art 3.3 ARB 2009 zwar als nichtig zu beurteilen, weil sonst der Anspruch erlöschen würde, auch wenn unverzüglich nach Kenntnis vom Versicherungsfall eine Schadensanzeige erstattet worden wäre. Der Versicherer hat sich aber (wäre die Klausel nicht aus anderen Gründen unwirksam) während der in der Bestimmung genannten Ausschlussfrist als deckungspflichtig erachtet und wird daher sein insofern übernommenes Risiko eingeschätzt haben. Demgegenüber wäre der Verbraucher gegenüber der Rechtslage bei Geltung des Art 3.3 ARB 2009 schlechter gestellt, wenn ihn sofort mit Beendigung des Vertrags die Verpflichtung träfe, den Versicherer umgehend über alle auch – wie hier insbesondere angesichts der Reparaturbekundungen der möglichen Gegner – nicht absehbar kostenauslösende Umstände zu informieren; der Verbraucher wäre dadurch Konsequenzen ausgesetzt, die derart sind, dass er durch die zu seinen Gunsten angenommene Nichtigkeit von Art 3.3 ARB 2009 gleichsam bestraft würde. Daraus erhellt, dass der Kläger vor Ablauf der Ausschlussfrist – insofern so wie während aufrechten Vertrags – nicht verpflichtet war, seinen Rechtsschutz-Versicherer zu befassen, weil nicht feststand, dass kostenauslösende Maßnahmen zu setzen wären; auch insofern liegt daher keine Verletzung von § 33 Abs 1 VersVG iVm Art 8.1.1 ARB vor.
[29] 3.3. Konkret kostenauslösende Maßnahmen zeichneten sich nach dem festgestellten Sachverhalt erst im November 2019 – vor dem 29. 11. 2019 – ab, als der Kläger von der Untauglichkeit des Updates erfuhr. Es kann dahingestellt bleiben, ob die Deckungsanfrage vom 18. 12. 2019 als unverzüglich anzusehen (vgl dazu jüngst 7 Ob 25/22k) oder – wie das Berufungsgericht vertrat – der Beklagten der Beweis des Vorliegens des objektiven Tatbestands der Obliegenheitsverletzung nach § 33 Abs 1 VersVG iVm Art 8.1.1 ARB gelungen wäre. Jedenfalls ist dem Berufungsgericht dahin zuzustimmen, dass weder grob fahrlässiges noch (schlicht) vorsätzliches Verhalten oder gar dolus coloratus vorliegen, sondern dem Kläger im Hinblick auf die Einholung rechtlichen Rats zur Klärung möglicher Ansprüche nur leichte Fahrlässigkeit an der verspäteten Schadensmeldung anzulasten wäre und auch eine Obliegenheitsverletzung im hier vorliegenden Einzelfall daher sanktionslos bliebe.
[30] Es kommt damit nicht mehr darauf an, ob dem Kläger – wenn ihm grobe Fahrlässigkeit oder schlichter Vorsatz anzulasten gewesen wären – der Kausalitätsgegenbeweis gelungen wäre. Auf die diesbezügliche Hilfsbegründung des Berufungsgerichts und die sich weitgehend nur mit dieser beschäftigenden Ausführungen der Revision muss daher nicht eingegangen werden.
[31] 3.4. Die Beklagte ist daher zusammengefasst nicht wegen Verletzung der Obliegenheit nach § 33 Abs 1 VersVG iVm Art 8.1.1 ARB leistungsfrei.
C. Zur Frage der Erfolgsaussichten:
[32] 1. Nach ständiger Rechtsprechung ist in der Rechtsschutzversicherung bei Beurteilung der Erfolgsaussichten kein strenger Maßstab anzulegen (RS0081929). Im Deckungsprozess kommt eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung und des Ergebnisses des Haftpflichtprozesses bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten grundsätzlich nicht in Betracht (RS0081927). Bei der Erfolgsaussichtsprüfung nach den ARB können die zur Prozesskostenhilfe entwickelten Grundsätze übernommen werden. Die vorzunehmende Beurteilung, ob „keine oder nicht hinreichende Aussicht auf Erfolg“ besteht, hat sich am Begriff „nicht als offenbar aussichtslos“ des die Bewilligung der Verfahrenshilfe regelnden § 63 ZPO zu orientieren. „Offenbar aussichtslos“ ist eine Prozessführung, die schon ohne nähere Prüfung der Angriffs- oder Verteidigungsmittel als erfolglos erkannt werden kann (insbesondere bei Unschlüssigkeit, aber auch bei unbehebbarem Beweisnotstand, RS0116448, RS0117144). Der Grundsatz in der Rechtsschutzversicherung, dass im Deckungsprozess die Beweisaufnahme und die Feststellungen zu im Haftpflichtprozess relevanten Tatfragen zu unterbleiben haben und daher dem Versicherer eine vorweggenommene Beweiswürdigung verwehrt ist, gilt allgemein (vgl RS0124256). Eine Vorwegnahme des Ergebnisses des zu deckenden Prozesses im Deckungsprozess durch Klärung von dort gegenständlichen – bisher noch nicht gelösten – Rechtsfragen zur Beurteilung der Erfolgsaussichten kommt ebenso wenig in Betracht wie die Vorwegnahme der Klärung der Tatfragen (vgl 7 Ob 123/18s mwN).
[33] 2. Das Berufungsgericht führte ins Treffen, im Zusammenhang mit dem Abgasskandal liege noch keine gesicherte Rechtsprechung in Hauptfragen vor; insbesondere könne nicht von vornherein gesagt werden, dass im Hinblick auf ein abzuziehendes Nutzungsentgelt für die gefahrenen Kilometer ein (gänzliches) Unterliegen des Klägers wahrscheinlicher wäre als ein Obsiegen, zumal es nicht nur eine einzige zulässige Methode für die Berechnung eines angemessenen Benützungsentgelts gebe und es durchaus fraglich sei, ob im Rahmen des vom Kläger (unter anderem) wegen behaupteter arglistiger Täuschung geforderten Schadenersatzes gegenüber dem listig Irreführenden überhaupt ein Benützungsentgelt abzuziehen wäre.
[34] 3. Dem setzt die Revision keine stichhältigen Argumente entgegen, sodass hier ein Hinweis auf die vom erkennenden Senat als zutreffend erachteten Darlegungen des Berufungsgerichts (§ 510 Abs 3 ZPO) mit der Ergänzung genügt, dass nach der – oben dargelegten – Rechtsprechung auch strittige Rechtsfragen nicht im Deckungsprozess zu klären sind.
D. Zu den revisionsgegenständlichen Deckungsausschlüssen:
[35] I. Die allgemeine Umschreibung des versicherten Risikos erfolgt durch die primäre Risikobegrenzung. Durch sie wird in grundsätzlicher Weise festgelegt, welche Interessen gegen welche Gefahren und für welchen Bedarf versichert sind. Auf der zweiten Ebene (sekundäre Risikobegrenzung) kann durch einen Risikoausschluss ein Stück des von der primären Risikobegrenzung erfassten Deckungsumfangs ausgenommen und für nicht versichert erklärt werden. Der Zweck liegt darin, dass ein für den Versicherer nicht überschaubares und kalkulierbares Teilrisiko ausgenommen und eine sichere Kalkulation der Prämie ermöglicht werden soll. Mit dem Risikoausschluss begrenzt der Versicherer von vornherein den Versicherungsschutz, ein bestimmter Gefahrenumstand wird von Anfang an von der versicherten Gefahr ausgenommen (RS0080166 [T10]; RS0080068).
[36] Als Ausnahmetatbestände, die die vom Versicherer übernommene Gefahr einschränken oder ausschließen, dürfen Ausschlüsse nicht weiter ausgelegt werden, als es ihr Sinn unter Betrachtung ihres wirtschaftlichen Zwecks und der gewählten Ausdrucksweise sowie des Regelungszusammenhangs erfordert. Den Beweis für das Vorliegen eines Risikoausschlusses als Ausnahmetatbestand hat der Versicherer zu führen (RS0107031).
II. Zu Art 7.2.4 ARB 2009:
[37] 1. Der Senat hat kürzlich in 7 Ob 133/21s zu wortgleichen ARB (dort 2014) der Beklagten und vergleichbarer Sachverhaltskonstellation bereits darauf hingewiesen, dass der Ausschluss nach Art 7.2.4 nach seinem klaren Wortlaut auf eine Abtretung an (oder eine Haftungsübernahme durch) den Versicherungsnehmer abstellt, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist oder – hier nicht relevant – nachdem vom Versicherungsnehmer, Gegner oder einem Dritten eine den Versicherungsfall auslösende Rechtshandlung oder Willenserklärung vorgenommen wurde.
[38] 2. Mit ihrem Hinweis, dass der Kläger ihm abgetretene Ansprüche iSd Art 7.2.4 ARB 2009 geltend mache, übersieht die Beklagte auch hier, dass diese Bestimmung als wesentlichen Beurteilungszeitpunkt nicht auf ein früheres oder erstmaliges Entstehen von Ansprüchen aufgrund eines früheren Pflichtenverstoßes gegenüber einem früheren Erwerber, sondern unmissverständlich auf den Eintritt des Versicherungsfalls abstellt, womit sich die vom Rechtsschutzversicherer in Bezug auf den Versicherungsnehmer konkret übernommene Gefahr verwirklicht. Dies ist hier aber – wie oben (Pkt A.1) bereits dargelegt – der Erwerb des Fahrzeugs durch den Kläger. Die für den Deckungsausschluss erforderliche zeitliche Voraussetzung einer Abtretung nach Eintritt des Versicherungsfalls (bzw der diesen auslösenden Rechtshandlung oder Willenserklärung), hier somit nach Erwerb des Fahrzeugs, ist daher nicht erfüllt (und wird von der Beklagten auch gar nicht behauptet).
[39] 3. Die von der Revision ins Treffen geführte Entscheidung 1 Ob 269/06z betraf keinen Versicherungsvertrag; für die Frage der Erfüllung des Deckungsausschlusses nach Art 7.2.4 ARB 2009 ist daraus nichts abzuleiten.
[40] 4. Die Verneinung des Ausschlusses nach Art 7.2.4 ARB 2009 durch die Vorinstanzen ist daher zu Recht erfolgt.
III. Zu Art 7.1.6 ARB 2009:
[41] 1.1. Art 7.1.6 ARB 2009 schließt die Wahrnehmung rechtlicher Interessen aus dem Bereich des Kartell- oder sonstigen Wettbewerbsrechts vom Versicherungsschutz aus.
[42] 1.2. Nach der auch in der Rechtsprechung des OGH vertretenen Konvergenzthese sind Schutz des freien Wettbewerbs und Schutz des lauteren Wettbewerbs keine Gegensätze, sondern zwei Aufgabenbereiche einer in ihrem Sinnzusammenhang einheitlichen Gesamtordnung. Das Kartellrecht dient ähnlichen Regelungszwecken wie das Lauterkeitsrecht; der Schutz erfasst in beiden Fällen Mitbewerber, Verbraucher und andere Marktteilnehmer auf der Marktgegenseite sowie die Allgemeinheit („Schutzzwecktrias“ – vgl RS0077532 [T3, T7]; Heidinger/Handig/Wiebe/Frauenberger/Burgstaller in Wiebe/Kodek, UWG2 § 1 [2021] Rz 5). Die Tatbestände des Kartellrechts und des Lauterkeitsrechts schließen einander dabei nicht aus, sondern stehen gleichwertig nebeneinander und ergänzen einander trotz unterschiedlicher Regelungsansätze; beide Rechtsgebiete stehen in einem Funktionszusammenhang, weil sie beide auf dasselbe Phänomen „Wettbewerb“ bezogen sind, das sie unter den Aspekten der Sicherung wettbewerblicher Marktstrukturen („Ordnungsprinzip“) bzw der Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen („Lauterkeitsprinzip“) regeln. Marktmissbräuchliches und unlauteres Verhalten sind daher am selben Maßstab zu beurteilen, nämlich jenem des sachgerechten Leistungswettbewerbs (4 Ob 49/21s Rz 30 ff mwN).
[43] 1.3. Dass der Begriff „sonstiges Wettbewerbsrecht“ in Art 7.1.6 ARB 2009 lauterkeitsrechtliche Ansprüche nach dem UWG einschließt, ist vor diesem Hintergrund evident und wird von den Parteien auch nicht in Frage gestellt.
[44] 2. Das Berufungsgericht meint, dass die Geltendmachung von sonstigen Ansprüchen aus dem Wettbewerbsrecht (hier iSv Lauterkeitsrecht) Mitbewerbern und Verbänden im Wege von Verbandsklagen vorbehalten ist. Dies ist unzutreffend:
[45] 2.1. Nach § 1 Abs 1 UWG kann, wer im geschäftlichen Verkehr unlautere Geschäftspraktiken oder sonstige unlautere Handlungen anwendet, auf Unterlassung und bei Verschulden auf Schadenersatz in Anspruch genommen werden. Nach § 16 UWG kann, wer aufgrund dieses Gesetzes berechtigt ist, einen Anspruch auf Schadenersatz zu stellen, auch den Ersatz des entgangenen Gewinns fordern (Abs 1); außerdem kann das Gericht einen angemessenen Geldbetrag als Vergütung für erlittene Kränkungen oder andere persönliche Nachteile zusprechen, wenn dies in den besonderen Umständen des Falls begründet ist (Abs 2).
[46] 2.2. Der für das UWG zuständige Fachsenat des Obersten Gerichtshofs hat bereits vor Jahrzehnten ausgesprochen, dass auch ein Verbraucher, der das Opfer unlauteren Wettbewerbs geworden ist, bereits de lege lata Schadenersatzansprüche nach dem UWG gegen den unlauteren Wettbewerber hat (4 Ob 53/98t = RS0109433).
[47] Dies hat der UWG-Fachsenat jüngst bekräftigt und – nach ausführlicher Darlegung von Rechtslage, Rechtsprechung und Schrifttum – weiter ausgeführt, dass nicht nur Kartellschadenersatz für alle Geschädigten in Unions- und nationalem Recht vorgesehen ist, sondern bereits kraft der allgemein gefassten Anordnungen in §§ 1, 16 UWG nach einem Lauterkeitsverstoß nicht nur ein geschädigter Mitbewerber, sondern auch ein dadurch geschädigter Verbraucher Schadenersatz begehren kann (vgl 4 Ob 49/21s Rz 33 ff, insb Rz 35 ff).
[48] Ein Verbraucher ist daher legitimiert, einen von ihm verfolgten vertragsunabhängigen Anspruch auf Ersatz eines Vermögensschadens, der ihm infolge einer unlauteren Geschäftspraktik eines Unternehmers (Irreführung) entstanden sein soll, gerichtlich geltend zu machen, wobei die Haftung des unlauter Handelnden für Personen im Betrieb seines Unternehmens nicht auf seine Repräsentanten beschränkt ist, sondern sich nach § 18 UWG richtet (4 Ob 49/21s Rz 43).
[49] 3.1. Vor diesem Hintergrund ist der Ausschluss nach Art 7.1.6 ARB 2009 für einen durchschnittlich verständigen Verbraucher nur dahin zu verstehen, dass die Beklagte für die Verfolgung von ihm nach Kartell- oder sonstigem Wettbewerbsrecht (einschließlich UWG) zustehenden Ansprüchen keine Deckung übernimmt.
[50] 3.2. Solche Ansprüche macht der Kläger im zu deckenden Verfahren aber geltend, stützt er doch dort seine Ansprüche unter anderem ausdrücklich auf unlautere Geschäftspraktiken gemäß § 1 UWG als Schutzgesetz ebenso wie nach allgemeinen deliktischen Grundsätzen iVm §§ 1295 ff ABGB.
[51] 3.3. Die Beklagte hat sich in erster Instanz konkret auf den Risikoausschluss nach Art 7.1.6 ARB 2009 berufen, ohne dass der Kläger dagegen substanziierte Einwendungen erhob.
[52] Soweit die Vorinstanzen daher die Beklagte verpflichteten, dem Kläger auch für die Verfolgung von Ansprüchen nach dem UWG Deckung zu gewähren, zeigt die Revision zutreffend auf, dass dies korrekturbedürftig ist.
E. Ergebnis; Kosten:
[53] 1. Der Revision ist daher teilweise Folge zu geben und dem Klagebegehren nur insoweit stattzugeben, als im zu deckenden Prozess keine kartell- oder sonstige wettbewerbsrechtlichen (insbes UWG‑)Ansprüche geltend gemacht werden; in Ansehung solcher Ansprüche war das Klagebegehren hingegen abzuweisen.
[54] 2. Die Kostenentscheidung gründet auf § 43 Abs 1 ZPO, für das Rechtsmittelverfahren iVm § 50 ZPO.
[55] Der Kläger ist mit seinem im Zusammenhang mit der Verletzung des UWG stehenden Klagebegehren und damit mit einem von fünf von ihm im zu deckenden Verfahren ins Treffen geführten Anspruchsgrundlagen unterlegen. Er ist daher hier als zu einem Fünftel unterlegen zu betrachten und hat demnach von den ihm von den Vorinstanzen zugesprochenen (netto 2.642,60 EUR und 1.268,60 EUR) bzw von den in seiner Revisionsbeantwortung verzeichneten (netto 913,80 EUR) Kosten jeweilsdrei Fünftelersetzt zu erhalten (insgesamt netto 2.895 EUR zuzüglich 579 EUR USt).
[56] Weiters hat die Beklagte dem Kläger von den von ihm getragenen Gerichtsgebühren erster Instanz (743 EUR) vier Fünftel (= 594,40 EUR) zu ersetzen. Umgekehrt hat der Kläger der Beklagten von den von dieser getragenen Gerichtsgebühren des Rechtsmittelverfahrens (1.143 EUR und 1.526 EUR) jeweils ein Fünftel (= 228,60 EUR und 305,20 EUR) zu ersetzen; diese Zusprüche können saldiert werden, sodass nur die Differenz von 60,60 EUR dem Kläger an Gerichtsgebühren zuzusprechen ist.
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