European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00113.22V.0622.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit 308,34 EUR(darin 51,39 EUR Umsatzsteuer) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Die Beklagten lehnten im Hauptverfahren nach Fällung des Urteils den Erstrichter, alle Richterinnen und Richter des Handelsgerichts Wien in Ansehung der Entscheidung über die Ablehnung des Erstrichters sowie „das Oberlandesgericht Wien“ (in Ansehung der Entscheidung über die Ablehnung der Richterinnen und Richter des Handelsgerichts Wien) und zuletzt bestimmte Mitglieder des Obersten Gerichtshofs „vorsorglich“ in Ansehung der Entscheidung über die zuletzt genannte Ablehnung ab.
[2] Der Oberste Gerichtshof wies mit Beschluss vom 18. März 2022 zu 6 Nc 36/21b die Ablehnung des Oberlandesgerichts Wien, in eventu sämtlicher Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien, zurück und hielt in seiner Entscheidung fest, dass eine vorsorgliche Ablehnung einzelner, für die vorliegende Entscheidung gar nicht zuständiger Mitglieder des Obersten Gerichtshofs keiner Erledigung bedürfe.
[3] Das Oberlandesgericht Wien wies mit dem angefochtenen Beschluss vom 25. April 2022 (auch) die Ablehnung des „Handelsgerichts Wien“, in eventu sämtlicher Richterinnen und Richter des Handelsgerichts Wien (in Ansehung der Entscheidung über die Ablehnung des Erstrichters), zurück.
[4] Der dagegen aus den Rekursgründen der Nichtigkeit, Mangelhaftigkeit des Verfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobene Rekurs der Ablehnungswerber ist zulässig (§ 24 Abs 2 JN), aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[5] 1. Das Ablehnungsverfahren soll den Parteien nicht die Möglichkeit bieten, sich eines ihnen nicht genehmen Richters zu entledigen (RS0111290). Kaskadenartig erfolgende Ablehnungen – hier schon in einem einzigen (der negativen Prozessentscheidung folgenden) Schriftsatz – , die im Wesentlichen auf bloß (auch im Weiteren) wiederholte Pauschalvorwürfe gegründet werden, zu denen die ständige Rechtsprechung negiert wird, erfolgen durch den Rechtsvertreter ganz offenkundig rechtsmissbräuchlich (vgl RS0042028 [T7, T24]). Den Ablehnungswerbern sind die Kenntnisse ihres Rechtsvertreters zu Gesetzeslage und Judikatur insoweit zuzurechnen.
[6] 2. Das Verfahren über die Ablehnung des „Handelsgerichts Wien“, in eventu sämtlicher Richterinnen und Richter des Handelsgerichts Wien (in Ansehung der Entscheidung über die Ablehnung des Erstrichters), war weder unterbrochen worden noch bestand eine – von den Rechtsmittelwerbern bloß behauptete – „gesetzliche Verfahrensunterbrechung“ (siehe schon 1 Ob 183/14i [ErwGr 1.2.]). Mit Nichtigkeit behaftet könnte der angefochtene Beschluss (und das diesem vorangegangene Verfahren) im Hinblick auf § 477 Abs 1 Z 1 ZPO nur dann sein, wenn an der gefällten Entscheidung ein Richter teilgenommen hätte, der kraft des Gesetzes von der Ausübung des Richteramts in dieser Rechtssache ausgeschlossen gewesen oder dessen Ablehnung vom Gericht als berechtigt erkannt worden wäre. Ersteres ist nicht behauptet worden (oder ersichtlich). Es hat aber auch kein erfolgreich abgelehnter Richter an der Entscheidung teilgenommen (siehe dazu die zuvor genannte, den Ablehnungswerbern mittlerweile zugestellte Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 6 Nc 36/21b, gegen die ein Rechtsmittel nicht zulässig ist). Damit liegt die behauptete Nichtigkeit nicht vor.
[7] 3. Aus dem bloß vermeintlichen Verstoß gegen § 183 Geo lassen sich nach ständiger – dem Rechtsvertreter der Ablehnungswerber längst bekannter – Rechtsprechung weder Nichtigkeit noch Verfahrensmangel ableiten (s nur 8 Ob 51/21i; 1 Ob 180/21h; 3 Ob 176/21k uva; zuletzt 5 Ob 76/22w und 3 Ob 60/22b; RS0132677). Bei der Behauptung, bei den Gerichtshöfen werde bei Ablehnungen systematisch gegen § 183 Geo verstoßen, woraus sich die Befangenheit der jeweiligen Richterinnen und Richter der Gerichtshöfe ergebe (hier in der Ablehnungskaskade betroffen: die Richterinnen und Richter des Handelsgerichts Wien) handelt es sich um eine Pauschalablehnung ohne zureichenden Grund (so schon OGH 6 Nc 36/21b; vgl auch 1 Nc 14/21f). Anhaltspunkte für eine persönliche Befangenheit der Richterinnen und Richter dieses Gerichtshofs gegenüber den Ablehnungswerbern wurden nicht dargelegt. Im Gegenteil wird im Rekurs hervorgehoben, dass alle Ablehnungswerber – systematisch und in sämtlichen Verfahren – gleich behandelt würden.
[8] 4. Die Beurteilung des Rekursgerichts, es habe angesichts dieser pauschalen Vorwürfe weder einer Äußerung der abgelehnten Richter bedurft (siehe dazu auch RS0045983 [T14]) noch sei eine Anhörung der Gegenseite erforderlich gewesen (RS0126587 [T2]), wird vom erkennenden Senat geteilt.
[9] Ausführungen zu einem späteren „Anfallszeitpunkt“ der (mit dem angefochtenen Beschluss zurückgewiesenen) Ablehnung „des Handelsgerichts Wien“ beim Oberlandesgericht Wien (und eine daran anknüpfende behauptetermaßen andere Zusammensetzung des für die Entscheidung darüber zuständigen Senats beim Oberlandesgericht) scheitern überdies schon daran, dass diese Ablehnung beim Oberlandesgericht Wien bereits längst angefallen war, bevor die Ablehnung im Hinblick auf die nächste Stufe der Kaskade (Ablehnung sämtlicher Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien sowie der vorsorglichen Ablehnung bestimmter Mitglieder des Obersten Gerichtshofs) dem Obersten Gerichtshof vorgelegt wurde.
[10] 5. Der behauptete systematische Verstoß gegen „ausnahmslos und unbedingt geltende“, „verfassungsgesetzlich abgesicherte“ Rechtsvorschriften liegt nicht vor. Warum bei der hier gegebenen Sachlage (sofortige Eintragung in das Nc‑Register des nach der Geschäftsverteilung zur Entscheidung berufenen Senats des jeweiligen Gerichtshofs) der Anschein bestehen sollte, dass die „gesamte Rechtsprechung der Republik Österreich nicht als unparteiisch aufgefasst werden“ könne oder eine „willkürliche und verfassungswidrige Behandlung“ jener Parteien, welche Ablehnungsgründe geltend machten, (hier durch den erkennenden Senat des Oberlandesgerichts Wien) vorliegen sollte, erschließt sich nicht.
[11] 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 Abs 1, § 50 Abs 1 ZPO. Das Ablehnungsverfahren bildet einen Zwischenstreit, über dessen Kosten nach den Regeln des Ausgangsverfahrens unabhängig von dessen Ausgang zu entscheiden ist (RS0126588). Die Rechtsmittelbeantwortung ist allerdings richtigerweise nur auf der sich aus § 12 Abs 4 lit b RATG ergebenden Bemessungsgrundlage von 1.000 EUR zu honorieren.
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