OGH 6Nc36/21b

OGH6Nc36/21b18.3.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der beim Handelsgericht Wien zu AZ 11 Cg 10/18k anhängigen Rechtssache der klagenden Partei H* X*, vertreten durch Jeannee Rechtsanwalt GmbH in Wien, gegen die beklagten Parteien 1. G* Y*, 2. X* D*, beide vertreten durch Dr. Heinrich Fassl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kosten, über den Ablehnungsantrag der beklagten Parteien gegen sämtliche Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060NC00036.21B.0318.000

 

Spruch:

Die Ablehnung des „Oberlandesgerichts Wien“, in eventu sämtlicher Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien, wird zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die Streitteile waren Gesellschafter einer GmbH. Der Kläger begehrte die Abberufung der Erstbeklagten als Geschäftsführerin sowie die Bestellung eines Notgeschäftsführers. Nach Klagseinschränkung auf Kosten verurteilte das Erstgericht die Beklagten zum Kostenersatz.

[2] Dagegen erhoben die Beklagten Kostenrekurs. Zugleich lehnten sie den Erstrichter und das „Handelsgericht Wien“, in eventu sämtliche Richterinnen und Richter des Handelsgerichts Wien, als befangen ab. Weiters seien sämtliche Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien in Bezug auf die Entscheidung über diese Ablehnung befangen. Beim Handelsgericht Wien und beim Oberlandesgericht Wien werde systematisch und mit Duldung der Präsidentin und des (ehemaligen) Präsidenten gegen § 183 Geo verstoßen, was zur Folge habe, dass der abgelehnte Richter der erste Richter sei, der über den Ablehnungsantrag disponiere. Diese gesetzwidrige Vorgangsweise sei anscheinend unbedingt erforderlich, um einer „rechtsstaatsfeindlichen Verbindung“ die Kontrolle über die Justiz zu sichern.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die Ablehnung der Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien ist zurückzuweisen.

[4] 1. Die (vorsorgliche) Ablehnung einzelner, für die vorliegende Entscheidung nicht zuständiger Mitglieder des Obersten Gerichtshofs bedarf keiner Erledigung.

[5] 2. Eine Ablehnung kann nur aus persönlichen Gründen gegen die bestimmte Person eines Richters erfolgen; die pauschale Ablehnung eines ganzen Gerichts ist daher unzulässig (RS0046005; RS0045983). Die Ablehnung eines ganzen Gerichts ist nur durch die Ablehnung jedes einzelnen Richters unter Angabe detaillierter Ablehnungsgründe für jede einzelne Person möglich, weil immer nur ein Richter als Person, niemals aber das Gericht als Institution abgelehnt werden kann (RS0046005 [T22]; 1 Nc 14/21f; 6 Nc 2/21b [pauschale Ablehnung aller Richter eines Oberlandesgerichts]).

[6] 3. Nach ständiger, dem Beklagtenvertreter bekannter, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Entscheidung über eine mögliche Befangenheit nicht als Akt der Justizverwaltung, sondern als Akt der unabhängigen Rechtsprechung anzusehen. Dementsprechend wurde mit der Geo‑Novelle 1999, BGBl II 1999/69, § 511 Abs 2 Geo, demzufolge Ablehnungen in das Jv‑Register einzutragen waren, ersatzlos aufgehoben. § 183 Abs 1 und 3 sowie § 509 Abs 1 Z 3 Geo wurde im gegebenen Zusammenhang dadurch derogiert. Ablehnungen und Befangenheitsanzeigen in bürgerlichen Rechtssachen als Nc‑Sachen sind seither nur mehr in das Nc‑Register einzutragen (1 Nc 14/21f; RS0132677).

[7] 4. Bei der Behauptung, beim Oberlandesgericht Wien werde bei Ablehnungen systematisch gegen § 183 Geo verstoßen, woraus sich die Befangenheit der Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien ergebe, die über die Ablehnung sämtlicher Richterinnen und Richter des Handelsgerichts Wien entscheiden müssten, handelt es sich um eine Pauschalablehnung ohne zureichenden Grund (1 Nc 14/21f). Anhaltspunkte für eine persönliche Befangenheit der Richter dieses Gerichtshofs gegenüber den Beklagten werden nicht dargelegt; vielmehr wird behauptet, dass alle Ablehnungswerber gleich behandelt würden.

[8] 5. Damit bedarf es vor der (zurückweisenden) Entscheidung keiner Äußerung der abgelehnten Richter (RS0045983 [T14]); auch eine Anhörung der Gegenseite ist nicht erforderlich (stRsp, s bloß 1 Nc 3/19k).

[9] 6. Die Ablehnung der Richterinnen und Richter des Oberlandesgerichts Wien ist daher zurückzuweisen. Dadurch ist dieses Gericht nun in der Lage, über die (ebenfalls pauschale) Ablehnung der Richterinnen und Richter des Handelsgerichts Wien zu entscheiden.

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