OGH 6Ob28/22v

OGH6Ob28/22v18.5.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Dr. Nowotny als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Firmenbuchsache der im Firmenbuch des Handelsgerichts Wien zu FN * eingetragenen R* GmbH, * Wien, *, wegen Änderung des Firmenwortlauts, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Gesellschaft, vertreten durch Dr. Erik Kroker, LL.M., Dr. Simon Tonini und andere Rechtsanwälte in Innsbruck, gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 4. Jänner 2022, GZ 6 R 172/21i‑9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00028.22V.0518.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 15 Abs 1 FBG iVm § 73 Abs 3 AußStrG).

 

Begründung:

[1] Die Vorinstanzen wiesen den Antrag der Gesellschaft auf Eintragung der Änderung des Firmenwortlauts von „R* GmbH“ in „RegionalMedien Services GmbH“ mangels ausreichender Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft des neuen Firmenwortlauts ab.

Rechtliche Beurteilung

[2] Der dagegen gerichtete außerordentliche Revisionsrekurs der Gesellschaft zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[3] 1.1 Das sich mit der Kennzeichnungseignung zum Teil überschneidende (6 Ob 242/08v ErwGr 3.2) Kriterium der Unterscheidungskraftbedeutet, dass die Firma geeignet ist, bei Lesern und Hörern die Assoziation mit einem ganz bestimmten Unternehmen unter vielen anderen zu wecken. Die Unterscheidungskraft ist abstrakt zu beurteilen und beinhaltet ebenso die Individualisierungsfunktion der Firma (vgl RS0122544). Sie muss allgemein geeignet sein, ihren Inhaber (Unternehmensträger) von anderen Personen (Unternehmensträgern) zu unterscheiden. Unterscheidungskraft setzt demnach eine zur Unterscheidung des Unternehmens von anderen ausreichende Eigenart voraus. Diese ist gegeben, wenn die Bezeichnung vom Verkehr als individualisierender Herkunftshinweis auf das Unternehmen aufgefasst wird (6 Ob 128/21y ErwGr 2.1; 6 Ob 242/08v ErwGr 3.3).

[4] 1.2 Keine ausreichende Unterscheidungskraft iSd § 18 Abs 1 UGB besitzen Branchen- oder Gattungsbezeichnungen (vgl RS0122494) oder auch bloß geschäftliche Bezeichnungen, insbesondere rein beschreibende Angaben, die Art und Gegenstand des Unternehmens anzeigen, nicht aber ein bestimmtes Unternehmen kennzeichnen. Darüber hinaus spricht das Freihaltebedürfnis des Verkehrs dagegen, Branchen- oder Gattungsbezeichnungen genügen zu lassen (6 Ob 128/21y ErwGr 2.3; 6 Ob 242/08v ErwGr 3.3).

[5] 1.3 Ein Anspruch auf Eintragung einer Firma in einer besonderen Schreibweise besteht nicht (RS0122546). Es wurde bereits ausgesprochen, dass der dem Firmenschlagwort der Alleingesellschafterin entnommene Begriff „ManagementKompetenz“ alleine, ungeachtet der begehrten Schreibweise, mangels Individualisierungswirkung und aufgrund des bestehenden Freihaltebedürfnisses an den verwendeten Begriffen keinen zulässigen Firmenwortlaut darstellt (6 Ob 188/07a). Ebenso ist der Terminus „Services“ als Gattungsbezeichung ohne ausreichende Unterscheidungskraft anzusehen und der Firmenwortlaut „Sun Services“ weder ausreichend unterscheidungskräftig noch – aufgrund der allgemeinen Verständlichkeit der beiden Begriffe in der deutschen Sprache – als Fantasiefirma einzustufen (6 Ob 242/08v ErwGr 4.2).

[6] 1.4 Das Rekursgericht war der Ansicht, der einen Teil des Firmenwortlauts der Alleingesellschafterin wiedergebende Begriff „RegionalMedien“ stelle ungeachtet der gewählten Schreibweise eine Branchen- oder Gattungsbezeichung dar. Letzteres gelte auch für den Begriff „Services“. Auch der daraus zusammengesetzte Firmenwortlaut werde von den angesprochenen Verkehrskreisen nicht als Fantasiefirma gesehen und enthalte somit lediglich Gattungsbezeichungen, denen keine ausreichende Kennzeichnungseignung und Unterscheidungskraft zukomme; ihm stehe auch das Freihaltebedürfnis des Rechtsverkehrs entgegen. Diese Beurteilung findet Deckung in der erörterten Rechtsprechung.

[7] Die im Revisionsrekurs angeführten Judikate zur Eintragungsfähigkeit einer Marke im Sinn des Markenschutzgesetzessind im vorliegenden Fall nicht einschlägig.

[8] 2.1 Von der abstrakt zu beurteilenden Unterscheidungskraft nach § 18 Abs 1 UGB ist die konkrete Unterscheidbarkeit von anderen bereits am selben Ort oder in der selben Gemeinde eingetragenen Firmen im Sinne der Firmenausschließlichkeit des § 29 UGB zu trennen (6 Ob 128/21y ErwGr 2.2). Auf Letztere bezieht sich jene Rechtsprechung, wonach es bei der Beurteilung, ob eine deutliche Unterscheidbarkeit zweier Firmenbezeichnungen gegeben ist, neben Wortsinn und Wortklang auch auf das Wortbild (im Sinn einer bestimmten Buchstabenabfolge – unabhängig von der Groß‑ oder Kleinschreibung dieser Buchstaben oder der grafischen Gestaltung des Schriftbilds; vgl 6 Ob 218/07p ErwGr 5.2.) ankommt (RS0061846). Die im Revisionsrekurs behauptete Divergenz zu der oben zu § 18 UGB erörterten Judikatur (vgl RS0122546) ist daher nicht erkennbar.

[9] 2.2 Erst wenn die abstrakte Individualisierungsfunktion bejaht werden kann, stellt sich die Frage, ob eine Firma konkret mit einer gleichen oder ähnlichen Firma verwechselt werden und deshalb unzulässig sein könnte (RS0122544). Ob die Auffassung des Rekursgerichts, der begehrten Eintragung der geänderten Firma stehe mangels ausreichender Unterscheidbarkeit von einer bereits am selben Ort eingetragenen Firma auch § 29 UGB entgegen, korrekturbedürftig ist, kann daher dahinstehen.

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