European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00021.22D.0422.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
I. Die Revision wird in Ansehung der zweitbeklagten Partei zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der zweitbeklagten Partei die mit 1.304,80 EUR (darin 93,33 EUR an 7,7 % Schweizer USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
II. Im Übrigen – in Ansehung der erstbeklagten Partei – werden die Akten dem Erstgericht zurückgestellt.
Begründung:
[1] Die Erstbeklagte ist eine Aktiengesellschaft nach Schweizer Recht. Der Zweitbeklagte ist Mitglied ihres Verwaltungsrates und ihr Geschäftsführer. Zwischen Jänner 2012 und Juni 2014 schloss der Kläger mit der Erstbeklagten einen Rahmenvertrag und in Summe vier Kaufverträge über den Erwerb von Teak‑ und Balsaholzbäumen in Brasilien.
[2] Der Kläger begehrte von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von (zuletzt) 201.385,38 EUR sA Zug um Zug gegen Vorlage aller Baumurkunden und allfälliger Übertragung sämtlicher Rechte und Pflichten daraus. Unter anderem brachte er vor, die Beklagten hätten den Kläger vorsätzlich und arglistig über die Eigentumsverhältnisse an den Bäumen getäuscht, wobei ihnen von Anfang an bewusst gewesen sei, dass eine Eigentumsübertragung nicht möglich sein werde. Der Zweitbeklagte sei die treibende Kraft und der Entwickler des Geschäftsmodells gewesen, das von vornherein auf Täuschung und Schädigung der Kunden angelegt gewesen sei.
[3] Die Beklagten bestritten und beantragten Klageabweisung.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Insbesondere liege nach den Feststellungen keine Irreführung vor, sodass daran anknüpfende Ansprüche nach österreichischem Recht gegenüber dem Zweitbeklagten ausscheiden würden.
[5] Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers nicht Folge.
[6] Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zum höchstwahrscheinlich von einer Vielzahl von Anlegern gewählten Veranlagungsmodell noch nicht vorliege.
[7] I. Die von den Beklagten beantwortete Revision des Klägers ist in Ansehung des Zweitbeklagten entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[8] Der Kläger erhebt gegenüber der Erstbeklagten vertragliche, gegenüber dem Zweitbeklagten deliktische Ansprüche. Konkret behauptete er in erster Instanz einen Schadenersatzanspruch gegen den Zweitbeklagten, weil dieser den Kunden der Erstbeklagten gegenüber den falschen Anschein erweckt habe, sie würden ein unbedingtes dingliches Recht an den Bäumen allein durch Unterzeichnung des Vertrags und Ausstellung einer „Baumurkunde“ erwerben, obwohl ihm bewusst gewesen sei, dass eine Eigentumsübertragung nicht möglich sein werde.
[9] Nach den erstinstanzlichen Feststellungen gingen die Beklagten jedoch davon aus, dass nach dem von ihnen gewählten Geschäftsmodell das Eigentum an den Bäumen auf den Käufer übertragen werden konnte.
[10] Es begegnet daher keinen Bedenken, dass die Vorinstanzen eine bewusste Täuschung durch den Zweitbeklagten verneint haben, selbst wenn dem Kläger tatsächlich kein Eigentum an den Bäumen verschafft worden sein sollte. Entgegen den Ausführungen in der Revision kann bei dieser Sachlage nämlich nicht davon ausgegangen werden, dass dem Kläger die Stellung als Eigentümer wider besseres Wissen versprochen wurde. Auch die Behauptung, dem Kläger wäre eine Rendite zugesagt worden, ist von den Feststellungen nicht gedeckt. Andere Umstände, die allenfalls eine (außervertragliche) Haftung des Zweitbeklagten begründen könnten, hat der Kläger (bereits in erster Instanz) nicht bzw nicht substantiiert vorgetragen. Warum eine allfällige Nichtigkeit des Vertrags zu einer Haftung des Zweitbeklagten führen sollte, bleibt im Dunkeln. Prozessvorbringen wird nicht durch einen bloßen Verweis auf Urkunden ersetzt (RIS‑Justiz RS0037915 [T6]). Schon aus diesem Grund ist für den Kläger nichts aus der Bezugnahme auf Beilage ./9 in Verbindung mit der lapidaren Behauptung zu gewinnen, der Zweitbeklagte unterlaufe in verbotener Weise das relevante schweizerische aufsichtsrechtliche Regulatorium. Abgesehen davon handelt es sich dabei um eine erstmals in der Berufung vorgetragene und daher unbeachtliche Neuerung.
[11] Die in der Revision geltend gemachten Verfahrensmängel und näher angesprochenen Rechtsfragen berühren ebenso wie das vom Obersten Gerichtshof eingeholte Vorabentscheidungsersuchen ausschließlich Fragen im Zusammenhang mit dem Vertragsverhältnis zwischen dem Kläger und der Erstbeklagten.
[12] Insgesamt gelingt es dem Kläger daher nicht, in Ansehung des Zweitbeklagten eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen.
[13] Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Zweitbeklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision des Klägers in seiner Revisionsbeantwortung hingewiesen (RS0035979 [T16]). Dem obsiegenden Zweitbeklagten gebührt die Hälfte der Gesamtkosten einschließlich Streitgenossenzuschlag, weil anzunehmen ist, dass der gemeinsame Vertreter beider Beklagter nach Kopfteilen entlohnt wird (vgl Obermaier, Das Kostenhandbuch³ Rz 1.370 mwN). Der Beklagtenvertreter hat die Schweizer Umsatzsteuer verzeichnet und bescheinigt (vgl RS0114955). Der Zwischenstreit vor dem EuGH war nur für die gegen die Erstbeklagte geltend gemachten Ansprüche von Relevanz. Für die damit verbundenen Mehrkosten gebührt dem Zweitbeklagten daher iSd § 46 ZPO kein anteiliger Kostenersatz.
[14] II. 1. Zunächst wurde, wie der Beklagtenvertreter mit Schriftsatz vom 14. 2. 2022 bekannt gegeben hat, mit gerichtlichem Entscheid des Bezirksgerichts Zürich vom 27. 1. 2022 die Erstbeklagte aufgelöst und ihre Liquidation nach den Vorschriften über den Konkurs angeordnet. Mit Urteil vom 23. 3. 2022 hat nunmehr die Konkursrichterin des Bezirksgerichts Zürich mit Wirkung ab dem 24. 3. 2022 über die bereits aufgelöste Gesellschaft den Konkurs eröffnet (Meldungsnummer HR02‑1005440447 im Schweizerischen Handelsamtsblatt SHAB).
[15] Nach Schweizer Konkursrecht verliert mit Konkurseröffnung die Schuldnerin – konkret die konkursite Gesellschaft und deren Organe – das Verfügungsrecht über ihr Vermögen; dieses geht auf die Konkursverwaltung bzw Gläubigergesamtheit über (Strub/Jeanneret in Kindler/Nachmann/Bitzer, Handbuch Insolvenzrecht in Europa, CH Rz 215). Zivil‑ und Verwaltungsverfahren werden von Ausnahmen abgesehen mit der Konkurseröffnung eingestellt (Art 207 des Schweizer Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs [SchKG]; Strub/Jeanneret aaO Rz 237). Eine Gesellschaft tritt mit Konkurseröffnung in Liquidation, mit nach Abschluss erfolgender Löschung endet ihre rechtliche Existenz (Ehrke-Rabel/Kettisch, ZIK 2015, 16 [17] mwN).
[16] 2. Damit ist die Frage der Wirkung des im Sitzstaat der Erstbeklagten eröffneten Konkurses auf das hier in dritter Instanz gegen sie anhängige Verfahren zu klären:
[17] Gemäß § 221 Abs 1 IO gilt für Insolvenzverfahren, die Voraussetzungen für ihre Eröffnung und ihre Wirkungen – soweit in den §§ 222 bis 235 IO nichts anderes bestimmt ist – das Recht des Staates, in dem das Verfahren eröffnet wird (lex fori concursus). Nach dem Recht des Staates der Verfahrenseröffnung richtet sich insbesondere, wie sich die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens auf Rechtsverfolgungsmaßnahmen einzelner Gläubiger auswirkt; ausgenommen sind die Wirkungen auf anhängige Rechtsstreitigkeiten gemäß § 231 IO (§ 221 Abs 2 Z 6 IO). Für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf einen anhängigen Rechtsstreit über eine Sache oder ein Recht der Masse ist daher nach § 231 IO das Recht des Staates maßgebend, in dem der Rechtsstreit anhängig ist (lex fori processus). Die Bestimmung entspricht im Wesentlichen Art 18 EuInsVO. Es handelt sich dabei um eine kollisionsrechtliche Sonderanknüpfung für die Wirkungen des Insolvenzverfahrens auf anhängige massebezogene Rechtsstreitigkeiten (Trenker in KLS [2019] § 231 IO Rz 1 und 2). Unter Art 18 EuInsVO bzw § 231 IO fällt jedenfalls eine allfällige Unterbrechungswirkung und -dauer einschließlich der Regelung der Fortsetzung (RS0119846; Trenker in KLS [2019] Art 18 EuInsVO Rz 9).
[18] Voraussetzung für die Unterbrechung iSd § 7 IO ist, dass das Schweizer Konkursverfahren in Österreich anzuerkennen ist. Für die Anerkennung ausländischer Insolvenzverfahren ist kein besonderes Verfahren vorgesehen; sie erfolgt ipso iure und ist daher in jedem Verfahren als Vorfrage zu beurteilen (VwGH 2013/15/0062; Oberhammer in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 240 KO Rz 4).
[19] Gemäß § 240 Abs 1 IO werden die Wirkungen eines in einem anderen Staat eröffneten Insolvenzverfahrens und die in einem solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen in Österreich anerkannt, wenn der Mittelpunkt der hauptsächlichen Interessen des Schuldners im anderen Staat liegt (Z 1) und das Insolvenzverfahren in den Grundzügen einem österreichischen vergleichbar ist, insbesondere österreichische Gläubiger wie Gläubiger aus dem Staat der Verfahrenseröffnung behandelt werden (Z 2).
[20] Das Konkursverfahren in der Schweiz ist in den Grundzügen einem österreichischen vergleichbar und werden insbesondere österreichische Gläubiger wie Gläubiger aus der Schweiz behandelt (VwGH 2013/15/0062; vgl Oberhammer in Konecny/Schubert, Insolvenzgesetze § 240 Rz 13), sodass das Schweizer Konkursverfahren im vorliegenden Fall in Österreich anzuerkennen ist.
[21] Daraus folgt wiederum, dass in Ansehung der Erstbeklagten eine Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 7 Abs 1 IO eingetreten ist und die Akten dem Erstgericht zurückzustellen sind (vgl RS0037039; RS0036752).
[22] Die Unterbrechungswirkung erstreckt sich nach § 7 Abs 1 IO auf Streitgenossen des Schuldners nur dann, wenn sie mit dem Schuldner eine einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO bilden (8 Ob 103/98z). Da die Parteien hier zwar eine materielle Streitgenossenschaft nach § 11 Z 1 ZPO, aber keine einheitliche Streitpartei nach § 14 ZPO bilden, konnte das Verfahren gegen den Zweitbeklagten ungeachtet des über die Erstbeklagte eröffneten Schweizer Konkurses erledigt werden.
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