European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0010OB00229.21I.0323.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Ausgangspunkt des Verfahrens ist die aus Sicht des Klägers rechtswidrig und schuldhaft unterbliebene Berufung auf eine Professorenstelle an einer Universität unter Bevorzugung eines behauptetermaßen weniger geeigneten Kandidaten, an die weitere von ihm als „Mobbing“ beurteilte Maßnahmen und daran wiederum von ihm geführte Verfahren anschlossen.
[2] Die nun geltend gemachten Amtshaftungsansprüche stützt er vorrangig auf die Behauptung, es sei ihm aus der Abweisung seiner auf Mobbing bzw Verletzung der Fürsorgepflicht gegründeten Amtshaftungsansprüche durch das rechtswidrige und schuldhafte Verhalten der Amtshaftungsgerichte ein nach dem AHG ersatzfähiger Schaden im Umfang der Verfahrenskosten dieses Verfahrens und des im Anlassverfahren nicht zuerkannten Schmerzengeldes erwachsen. Darüber hinaus begründet er die Ersatzpflicht auch mit einer „unmittelbaren Haftung“ wegen „Organversagens im Rahmen der Aufsichtspflicht“ durch den zuständigen Bundesminister.
[3] Die Vorinstanzen wiesen die Amtshaftungsklage übereinstimmend ab. Sie beurteilten die Entscheidungen der Amtshaftungsgerichte im Anlassverfahren (im weiteren kurz: Anlassgerichte) als vertretbar und verneinten eine Haftung wegen Vernachlässigung der Aufsichtspflicht.
Rechtliche Beurteilung
[4] Dagegen richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers, in der keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufgezeigt wird:
1. Zur „unmittelbaren Haftung des Bundes wegen Vernachlässigung der Aufsicht“:
[5] Der Kläger begehrt den Ersatz des im Anlass‑(amtshaftungs‑)verfahren nicht zuerkannten Schmerzengeldes (unter Bezugnahme auf das Sachverständigengutachten erkennbar) für bis Juni 2015 erlittene Schmerzen. Vorwürfe der Vernachlässigung der Aufsicht durch den Minister, derentwegen er nun eine „unmittelbare Haftung des Bundes“ behauptet, bezogen sich nach seinem Vorbringen (Pkte 1.4.7. und 4.5.) auf einen Zeitraum nach Juni 2015. In diesem Zeitraum unterlassene Maßnahmen konnten die schon davor erlittenen Schmerzen aber nicht verursacht haben. Ebenso unklar bleibt auch, inwiefern Fehlverhalten im Rahmen der Aufsicht eine unmittelbare Haftung für Kosten eines verlorenen (Amtshaftungs-)Prozesses nach sich ziehen sollte.
2. Zur Amtshaftung aufgrund von behaupteten Fehlentscheidungen der Anlassgerichte:
[6] 2.1. Die Vertretbarkeit einer Rechtsauffassung ist aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen und begründet regelmäßig keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO (RIS‑Justiz RS0110837; vgl RS0049912 [T5, T11]; RS0049955 [T10]). Bei seinen Überlegungen scheint der Kläger weitgehend zu übersehen, dass es für die Zulässigkeit der Revision nicht darauf ankommt, ob die von den Anlassgerichten oder dem (nunmehrigen) Berufungsgericht als Amtshaftungsgericht vorgenommene Beurteilung richtig war, sondern nur darauf, ob die vom Berufungsgericht (als Amtshaftungsgericht) vorgenommene Beurteilung der Vertretbarkeit der Entscheidungen der Gerichte im Anlassverfahren nach den Maßstäben des § 502 Abs 1 ZPO korrekturbedürftig ist (vgl nur RS0110837 [T2]; RS0049955 [T10, T30]). Über weite Strecken seines Rechtsmittels beschäftigt sich der Kläger im Schwerpunkt aber bloß mit den im Anlassverfahren erhobenen Vorwürfen und damit, dass er auf die Professorenstelle zu berufen gewesen wäre.
[7] 2.2. Unterlassene Aufsichtsmaßnahmen machte der Kläger erkennbar auch in Bezug auf deren Fehlbeurteilung durch die Anlassgerichte zur Grundlage seiner nun verfolgten Ansprüche.
[8] Wiederum ist (wie schon zu Pkt 1.) auf sein Klagebegehren im Anlassverfahren zu verweisen.
[9] Dass und inwiefern die Unterlassung welcher vor Juni 2015 gebotenen konkreten Maßnahme seitens der Aufsichtsbehörde kausal für den vom Kläger im Anlassverfahren in Form des Schmerzengeldes geltend gemachten Schaden gewesen wäre, lässt sich schon seinem erstinstanzlichen Vorbringen nicht entnehmen. Auch in der Revision nimmt er auf keine konkrete vor Juni 2015 erhobene Beschwerde oder daraufhin konkret unterlassene Maßnahme, die kausal für bis Juni 2015 erlittene Schmerzen hätte sein können, Bezug, sondern bloß auf eine eindeutig nach Juni 2015 gelegene „ad-personam-Stellenausschreibung“, die eine (nicht näher umschriebene) „Handlungspflicht“ des Ministers ausgelöst haben soll.
[10] Neben Schmerzengeld begehrte er die Feststellung der Haftung des Bundes für alle zukünftigen Schäden, welche ihm aufgrund der im Zeitraum von 2010 bis zum 29. 7. 2016 vorgefallenen, fortlaufenden Verletzungen der Fürsorgepflicht durch den Rektor einer bestimmten Universität entstehen. Eine Feststellung der Haftung des Bundes für unterlassene Aufsichtsmaßnahmen (durch den Bundesminister) hat er damals aber nicht begehrt. Solche waren daher für sein auf Haftung des Bundes (nur) für Fehlverhalten des Rektors gerichtetes Feststellungsbegehren irrelevant.
[11] Eine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung der Amtshaftungsgerichte, die (auch) insoweit eine unvertretbare Fehlbeurteilung (mit der Konsequenz einer unrichtigen Belastung des Klägers mit den Prozesskosten) durch die Anlassgerichte verneinten, kann er daher nicht aufzeigen.
2.3. Zum Vorwurf einer unrichtigen „Zergliederungsjudikatur“ im Anlassverfahren:
[12] Dass der Bund (oder ein anderer Rechtsträger iSd AHG) im Rahmen der Amtshaftung entsprechend der gesetzlichen Anordnung in § 1 Abs 1 AHG (vgl für den Anlassfall auch ausdrücklich § 49 Abs 2 Satz 1 UG 2002) nur für den Schaden am Vermögen oder an der Person haftet, den die als seine Organe handelnden Personen in Vollziehung des Gesetzes durch ein rechtswidriges Verhalten schuldhaft zugefügt haben, und daraus entstandene Ansprüche vor den jeweils zuständigen Gerichten zu verfolgen sind, nicht aber für ein nicht in ausreichend engen innerem und äußerem Zusammenhang mit der hoheitlichen Tätigkeit stehendes Handeln derselben Personen, für das diese (allenfalls) persönlich (oder auch deren Geschäftsherr oder die vom Handelnden vertretene juristische Person) haften, entspricht nicht nur der Gesetzeslage, sondern auch bisheriger ständiger Rechtsprechung (vgl 1 Ob 18/06p; s zuletzt 1 Ob 27/20g und 1 Ob 33/20i zur Amtshaftung bei schadensstiftender hoheitlicher Tätigkeit des Rauchfangkehrers, dagegen aber zu dessen persönlicher Haftung bei Verletzung des privatrechtlichen Kehrvertrags: 1 Ob 108/04w; 1 Ob 224/10p und 3 Ob 110/18z; zur Amtshaftung nur für jenes Handeln eines Schulleiters einer Neuen Mittelschule, bei dem ein hinreichend enger Zusammenhang mit einer dem Bund zuzurechnenden hoheitlichen Tätigkeit gegeben ists 1 Ob 191/21a; zur Staatshaftung 1 Ob 215/16y; zur Notwendigkeit bei Doppelfunktion das konkrete Verhalten der Person auf den Zusammenhang mit der jeweiligen Funktion hin zu prüfen RS0104191 [bes T8] und 1 Ob 201/16i [keine Amtshaftung bei möglicher indirekter Einflussnahme eines Landeshauptmanns auf Bestellung oder Abberufung von Vorständen über den Weg der der Landesregierung zukommenden Befugnisse bei Bestellung oder Abberufung der Aufsichtsratsmitglieder]; kein ausreichender Zusammenhang bei vorsätzlicher Tötung unter Präsenzdienern: 1 Ob 123/20z).
[13] Zu der vom Berufungsgericht vertretenen Ansicht, die ausführlich begründete Beurteilung der Anlassgerichte, dem Besetzungsverfahren nach den §§ 98 f UG 2002 komme kein hoheitlicher Charakter zu, das Handeln des Rektors im Rahmen der Auswahlentscheidung im Berufungsverfahren sei Ausfluss seiner (nicht hoheitlichen) Tätigkeit innerhalb des Berufungsverfahrens gewesen, ein hinreichend enger Zusammenhang mit der Diensthoheit und (etwaigen dem hoheitlichen Dienstverhältnis zuzuordnenden) Fürsorgepflichten des Rektors habe für die konkrete Handlung gefehlt (vgl dazu RS0049897), sei zumindest vertretbar, kann der Kläger daher mit Ausführungen zu einem angeblich „erstmals in der österreichischen Judikatur“ eingeführten „Zergliederungsansatz“ der Berufungsgerichte im Anlass-und im nunmehrigen Amtshaftungsverfahren keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung aufzeigen.Daran können auch Ausführungen des Klägers zu den Schwierigkeiten bei der Abgrenzung zwischen privatwirtschaftlichem und hoheitlichen Handeln sowie zu den Zielen und Zwecken des Mobbingverbots in § 43a BDG und den Dienstpflichten des Vorgesetzten bzw des Dienststellenleiters nach § 45 BDG nichts ändern.
[14] 2.4. Auf die vom Kläger zum Vorgehen (oder zu Unterlassungen) des Rektors im Zusammenhang mit dem Berufungsverfahren als erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO angesehene Rechtsfrage, ob das Berufungsgericht dabei das Begriffsverständnis von „Mobbing“ zu eng aufgefasst bzwdas Vorliegen einer Fürsorgepflichtverletzung in korrekturbedürftiger Weise verkannt habe, indem es angeblich allein auf die (fehlende) „Zielrichtung des Verdrängens aus dem Arbeitsverhältnis“ abgestellt habe, nicht aber (auch) auf „Förderpflichten“ (bzw einen vom Revisionswerber behaupteten „Anspruch auf Förderung des Fortkommens“), muss nicht mehr eingegangen werden. War die Hauptbegründung der Entscheidung der Anlassgerichte (kein hinreichend enger innerer oder äußerer Zusammenhang mit hoheitlicher Tätigkeit beim beanstandeten Vorgehen des Rektors im Rahmen des Berufungsverfahrens) vertretbar, kommt der Lösung dieser Frage nur mehr theoretisch abstrakte Bedeutung zu (vgl RS0111271); sie bliebe ohne Auswirkung auf den konkreten Fall.
[15] 2.5. Auch die in der Revision behauptete gravierende Fehlbeurteilung zur (verneinten) Befangenheit des Anlassgerichts liegt nicht vor. Bei seinen Ausführungen zu einer „objektiven Befangenheit“ unter Berufung auf die Entscheidung des EGMR im Fall Tocono and Profesorii v. Moldova (26. 9. 2007; Application No 32263/03) übersieht der Kläger, dass sich der diesem Urteil zugrundeliegende Sachverhalt mit dem hier vorliegenden nicht vergleichen lässt. In jenem Fall hatte der betroffene Richter den Schulbehörden wegen des Schulverweises seines Sohnes mit Vergeltungsmaßnahmen gedroht, also vom Schulverweis gewusst (und durch die Drohung eine emotional negative Haltung zum Ausdruck gebracht), während hier nicht (einmal) erweislich war, dass das betreffende Mitglied des Berufungssenats vor der Fällung der Entscheidung von der im Jahr 2018 negativ verlaufenen Prüfung seiner Tochter beim Kläger Kenntnis hatte. Auch sonst ist dem Berufungsgericht im Zusammenhang mit den Befangenheitsvorwürfen keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen.
[16] 2.6. Beim Vorwurf der unterbliebenen Stellung eines (im Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO angeregten) Vorabentscheidungsersuchens durch das Anlassgericht lässt der Kläger (erneut) unbeachtet, dass es auch hier nicht um die Richtigkeit dieses Vorgehens geht, sondern nur darum, ob es auf einer vertretbaren Rechtsauffassung beruhte (vgl zur unterbliebenen Vorlage an den EuGH 1 Ob 90/07b). Die Beurteilung des Berufungsgerichts, das vom Kläger unter Verletzung des Neuerungsverbots erstmals in seinem Antrag nach § 508 Abs 1 ZPO erstattete Vorbringen zu seiner Staatsbürgerschaft habe keine Vorlagepflicht ausgelöst, greift der Kläger (der sich nur mit der Frage der Rechtzeitigkeit der erstmaligen Anregung selbst, nicht aber mit der Rechtzeitigkeit des von ihm seiner Anregung zugrunde gelegten Vorbringens befasst) argumentativ gar nicht an. Er behauptet(e) auch nicht, er habe im Anlassverfahren (bis zu diesem Antrag) bereits vorgebracht, dass er italienischer Staatsbürger und daher „Wanderarbeiter“ sei (oder dass dies festgestellt worden sei). Gerade mit der von ihm in der Revision zitierten Entscheidung des EuGH vom 6. 10. 2021 (C‑561/19 , Consorzio Italian Management, Catania Multiservizi Spa/Rete Ferroviaria Italiana SpA, ECLI:EU:C:2021:799) lässt sich eine klare Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts in dieser Frage nicht belegen. In diesem Urteil erläutert der EuGH, es dürfe darauf Rücksicht genommen werden, dass nach nationalen (die Grundsätze der Äquivalenz und der Effektivität wahrenden) Verfahrensvorschriften die Prüfung neuen Vorbringens verwehrt ist; dann sei – bei (infolge dessen) fehlender Entscheidungserheblichkeit dieses Vorbringens – eine Vorlage nicht als notwendig und für eine Entscheidung dieses Gerichts zweckdienlich anzusehen (Rn 63 ff). War die Entscheidung, von einer Vorlage abzusehen, schon deshalb nicht unvertretbar, kann sich allein aus der unterbliebenen Begründung dafür (schon mangels Kausalität für einen Schaden) kein Amtshaftungsanspruch ergeben. Im Übrigen führt der Kläger in seiner Revision nicht aus, zuwelchen für ihn günstigeren Konsequenzen ein Vorabentscheidungsersuchen letztlich geführt hätte.
[17] 3. Bei seiner nunmehrigen Anregung eines Vorabentscheidungsersuchens zu den Art 45 AEUV und Art 47 GRC sowie zur RL 89/391/EWG , zur „guten Verwaltung“ und zu „subjektiven Rechten von Beamten einer Institution der europäischen Union“ lässt sich nicht erkennen, warum die Beantwortung der dazu von ihm gestellten Fragen die hier für die Zulässigkeit der Revision allein relevante, ob in der Beurteilung des Berufungsgerichts über die Vertretbarkeit der Rechtsansicht der Anlassgerichte eine klare Fehlbeurteilung liegt, lösen könnte.
[18] 4. Einer weitergehenden Begründung bedarf es nicht.
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