European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0020OB00025.22Y.0316.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Zweit‑ bis Achtzehntantragsteller sind schuldig, dem Erstantragsteller die mit 4.363,27 EUR bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung (darin enthalten 727,21 EUR USt) zu jeweils 1/17-tel binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der 2020 verstorbene Erblasser unterfertigte am 22. 6. 2017 ein aus zwei Blättern bestehendes, maschinengeschriebenes Testament, in dem er den Erstantragsteller zu seinem Alleinerben einsetzte. Die erste, doppelseitig bedruckte Seite enthält – jeweils unterhalb zentriert gesetzter Überschriften im Fettdruck – Regelungen über die Einsetzung des Erben, mehrere Vermächtnisse, eine Auflage und den Widerruf früherer letztwilliger Anordnungen sowie Angaben zu Ausfertigungen des Testaments und dessen Registrierung im Zentralen Testamentsregister. Das bloß einseitig bedruckte zweite Blatt beginnt mit folgender Bestimmung:
[2] Danach folgen die Angabe von Ort und Datum, die handschriftliche Nuncupatio des Erblassers und dessen Unterschrift sowie die Unterschriften der drei Testamentszeugen samt handschriftlichem Zeugenzusatz.
[3] Die beiden Blätter sind mit drei Heftklammern „seitlich verbunden“.
[4] Der Erstantragsteller gab aufgrund des Testaments vom 22. 6. 2017 eine bedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab. Im Erbrechtsstreit brachte er vor, dass die Verbindung der zwei Blätter des Testaments durch drei Heftklammern die für die Annahme von dessen Gültigkeit erforderliche äußere Urkundeneinheit herstelle. Die mehrfache Klammerung verbinde die zwei Blätter zu einem Bogen.
[5] Die Zweit- bis Achtzehntantragsteller – jeweils Cousins und Cousinen des Erblassers unterschiedlichen Grades – gaben unter Vorbehalt der Quote bedingte Erbantrittserklärungen aufgrund des Gesetzes ab. Im Erbrechtsstreit brachten sie vor, dass die Urkunde lediglich mit drei Heftklammern verbunden sei, die ohne deren Zerstörung oder Beschädigung gelöst werden könnten. Es fehle dem Testament sowohl an innerer als auch äußerer Urkundeneinheit.
[6] Das Rekursgericht stellte das Erbrecht des Erstantragstellers fest und wies die Erbantrittserklärungen der weiteren Antragsteller ab. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Zwar verneine der Oberste Gerichtshof das Vorliegen äußerer Urkundeneinheit im Fall, dass zwei lose Blätter mit einer einzigen Heftklammer verbunden seien, das Klammern an sich werde in den Entscheidungen aber nicht grundsätzlich als ungeeignet abgelehnt. Da letztlich auch die vom Obersten Gerichtshof als jedenfalls geeignet angesehenen Verbindungsarten des Bindens, Klebens oder Nähens keine absolute Fälschungssicherheit gewähren könnten, unterscheide sich die Verwendung dreier Heftklammern – die im Ergebnis einer Heftbindung nahe komme – nicht substanziell vom Binden, Kleben oder Nähen.
[7] Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil die Frage der Formgültigkeit fremdhändiger Testamente bei Verwendung mehrerer Heftklammern über den Einzelfall hinausreiche.
[8] Dagegen richtet sich der Revisionsrekurs der Zweit- bis Achtzehntantragsteller mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn einer Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts; hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag.
[9] Der Erstantragsteller beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben, stellt inhaltlich aber auch das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage in Abrede.
[10] Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 71 Abs 1 AußStrG) – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. Aufgrund des Errichtungszeitpunkts der zu beurteilenden letztwilligen Verfügung ist die Rechtslage nach dem ErbRÄG 2015 anzuwenden (§ 1503 Abs 7 Z 5 ABGB).
[12] 2. Nach der gefestigten Rechtsprechung des erkennenden Fachsenats setzt die Bejahung der Formgültigkeit eines aus mehreren Blättern bestehenden fremdhändigen Testaments das Vorliegen entweder einer äußeren oder inneren Urkundeneinheit voraus. Ein äußerer Zusammenhang ist (nur) dann zu bejahen, wenn entweder vor der Leistung der Unterschriften von Erblasser und Zeugen oder während des Testiervorgangs (das heißt uno actu mit diesem – also in unmittelbarem Anschluss daran [2 Ob 4/21h Rz 17]) die äußere Urkundeneinheit hergestellt wurde, indem die einzelnen Bestandteile der Urkunde (die losen Blätter) so fest miteinander verbunden wurden, dass die Verbindung nur mit Zerstörung oder Beschädigung der Urkunde gelöst werden kann, wie zB beim Binden, Kleben oder Nähen der Urkundenteile (RS0132929 [insb T1]).
[13] Als unzureichend für das Vorliegen einer äußeren Urkundeneinheit hat der Senat die Verwendung einer Büroklammer (2 Ob 192/17z [noch zur – in Bezug auf die Frage der Beurteilung der Urkundeneinheit aber identen {2 Ob 188/20s; 2 Ob 143/19x} – Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015]) und die Verwahrung zweier loser Blätter in einem Kuvert (2 Ob 143/19x) angesehen.
[14] In den Entscheidungen 2 Ob 51/20v und 2 Ob 143/20y hat der Senat – jeweils im Rahmen von Zurückweisungsbeschlüssen – die Rechtsansicht der Vorinstanzen gebilligt, dass durch die Verwendung einer einzigen Heftklammer keine äußere Urkundeneinheit hergestellt werde. In der Entscheidung 2 Ob 77/20t ging der Senat (im Rahmen der inhaltlichen Erledigung eines ordentlichen Rechtsmittels) ebenfalls davon aus, dass es im Fall der Verwendung einer einzigen Heftklammer an der äußeren Urkundeneinheit fehle (Rz 21).
[15] 3. Auf Basis dieser Entscheidungen bestehen hinreichende Grundlagen für die Prüfung, ob den vom Obersten Gerichtshof an die äußere Urkundeneinheit gestellten Anforderungen im jeweiligen Einzelfall Genüge getan wurde. Das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage wäre in diesem Zusammenhang nur (mehr) im Fall einer groben Fehlbeurteilung durch das Rekursgericht anzunehmen. Eine solche liegt hier allerdings nicht vor:
[16] 4. Mit der Annahme, dass die vorliegende Verwendung dreier seitlich angebrachter Heftklammern im Hinblick auf die Festigkeit der damit erzielten Verbindung an ein Binden, Kleben oder Nähen der einzelnen Blätter heranreicht, überschreitet das Rekursgericht den ihm zukommenden Beurteilungsspielraum nicht. Es besteht auch kein Widerspruch zu den Entscheidungen 2 Ob 51/20v, 2 Ob 77/20t und 2 Ob 143/20y, weil dort jeweils nur eine Verbindung mit einer einzigen Heftklammer erfolgte und die Eignung von Heftklammern für die Herstellung der äußeren Urkundeneinheit nicht grundsätzlich in Abrede gestellt wurde. Das Rekursgericht hat sich auch nicht über eine Feststellung des Erstgerichts hinweggesetzt, sondern vielmehr dessen Ausführungen zur Lösbarkeit der gesetzten Heftklammern jedenfalls vertretbar als (dislozierte) rechtliche Beurteilung gewertet.
[17] 4. In Folge vertretbarer Bejahung der äußeren Urkundeneinheit durch das Rekursgericht bedarf es keiner näheren Prüfung der Frage, ob im vorliegenden Fall die innere Urkundeneinheit zu bejahen wäre (vgl 2 Ob 143/19x Punkt 6.).
[18] 5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 78 iVm § 185 AußStrG. Da der Erstantragsteller in seiner Revisionsrekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, diente sein Schriftsatz der zweckentsprechenden Rechtsverteidigung. Eine Solidarhaftung der Zweit- bis Achtzehntantragsteller für die Kosten kommt nicht in Betracht, weil jede Erbantrittserklärung ihr eigenes rechtliches und tatsächliches Schicksal haben kann (Obermaier in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG I² § 185 Rz 9/2). Schon mangels Angabe von Quoten (§ 159 Abs 2 AußStrG) hat es im vorliegenden Fall zu einer Aufteilung nach Köpfen zu kommen.
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