European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E132292
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache selbst wird zu Recht erkannt, dass das Urteil einschließlich des bereits in Rechtskraft erwachsenen Teils insgesamt zu lauten hat:
„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 18.299,99 EUR samt 4 % Zinsen aus 2.068,93 EUR seit 3. 8. 2018 und 4 % Zinsen aus 16.231,06 EUR seit 24. 10. 2018 binnen 14 Tagen zu bezahlen, dies hinsichtlich des Teilbetrags von 771,84 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 10. 2018 bei sonstiger Exekution nur in die Liegenschaft EZ *, 278/546 Anteile, mit welchen Wohnungseigentum an Top 2 verbunden ist.
Das Mehrbegehren auf Zahlung des Teilbetrags von 771,84 EUR samt 4 % Zinsen seit 24. 10. 2018 bei Exekution in das gesamte Vermögen und dasZahlungsmehrbegehren von 26.700,01 EUR samt 4 % Zinsen seit 3. 8. 2018 sowie das Zinsenmehrbegehren werden abgewiesen.“
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 6.929,54 EUR (darin 961,59 EUR USt und 1.160,02 EUR Barauslagen) bestimmten Prozesskosten aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
[1] Die Streitteile sind die einzigen Kinder ihres am 14. 1. 2018 verstorbenen Vaters (Erblasser). Ihre Mutter verstarb bereits im Jahr 1982. Neben den Streitteilen hinterließ der Erblasser seine (zweite) Ehefrau (Witwe).
[2] Mit Einantwortungsbeschluss des Verlassenschaftsgerichts vom 3. 8. 2018 wurde dem bedingt erbantrittserklärten Beklagten aufgrund des Testaments des Erblassers vom 8. 2. 1999 die Verlassenschaft zur Gänze eingeantwortet. Der reine Nachlass betrug 2.068,93 EUR. Die Klägerin wurde im Testament ihres Vaters nicht bedacht und erhielt auch zu Lebzeiten keine Schenkungen von ihm.
[3] Mit notariellem Schenkungsvertrag vom 2. 8. 2011 hatte der Erblasser dem Beklagten 278/546 Anteile der Liegenschaft EZ *, mit welchen Wohnungseigentum an Top 2 verbunden waren, geschenkt. Die übrigen Anteile dieser Liegenschaft, verbunden mit dem Wohnungseigentum an der zweiten Wohneinheit, standen bereits im Eigentum des Beklagten. Punkt XI. des Schenkungsvertrags lautet wie folgt:
„XI. Fruchtgenussrecht:
Über Vorbehalt der Geschenkgeberseite räumt die Geschenknehmerseite hiemit den Ehegatten [Erblasser und Witwe] das unentgeltliche, lebenslängliche und grundbücherlich sicherzustellende Fruchtgenussrecht am Schenkungs-objekt ein. […] Die Einräumung dieses Rechtes wird von den Fruchtgenuss-berechtigten hiemit angenommen. […]“
[4] Vereinbart wurde auch ein Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten des Erblassers und der Witwe sowie die grundbücherliche Einverleibung sowohl des Fruchtgenussrechts als auch des Belastungs- und Veräußerungsverbots.
[5] Nach dem Grundbuchstand wurden das Eigentumsrecht des Beklagten sowie die genannten Belastungen aufgrund eines am 6. 9. 2011 eingelangten Antrags am 8. 9. 2011 im Grundbuch eingetragen.
[6] Der Verkehrswert der geschenkten Anteile an der Liegenschaft betrug zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses 167.400 EUR, der Wert des Fruchtgenussrechts für die Witwe 84.680 EUR. Durch Hochrechnen mit einem von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex auf den Todeszeitpunkt des Erblassers ergibt sich ein Verkehrswert der Liegenschaftsanteile von 185.500 EUR. Der Wert des Fruchtgenussrechts für die Witwe betrug zu diesem Zeitpunkt 82.400 EUR.
[7] Im vorliegenden Pflichtteilsprozess begehrte die Klägerin die Zahlung von 45.000 EUR samt 4 % Zinsen ab Rechtskraft des Einantwortungsbeschlusses, sohin ab dem 3. 8. 2018. Siebrachte – soweit für das Revisionsverfahren relevant – vor, aufgrund der vom Erblasser dem Beklagten geschenkten Liegenschaftsanteile, mit welchen Wohnungseigentum verbunden sei, begehre die Klägerin die Auszahlung ihres „Schenkungspflichtteilsanspruchs“ in Höhe von einem Sechstel des Verkehrswerts der übergabsgegenständlichen Liegenschaftsanteile zum Zeitpunkt und im Zustand der Übergabe im Jahr 2011. Aus der Höhe des reinen Nachlasses von 2.068,93 EUR errechne sich ein weiterer Pflichtteilsanspruch von 344,82 EUR. Der Beklagte als Erbe müsse sich den Wert des der Witwe eingeräumten Wohnungsfruchtgenussrechts von 82.400 EUR anrechnen lassen. Der Klägerin stehe daher ein Betrag von 185.500 EUR als Grundlage für die Berechnung des Pflichtteils hinsichtlich des Liegenschaftsvermögens zur Verfügung.
[8] Der Beklagtewendete ein, der von der Klägerin unterstellte Wert der Liegenschaftsanteile sei zu hoch gegriffen. Das Fruchtgenussrecht der Witwe bestehe unabhängig vom Tod des Erblassers fort und mindere – wie auch schon seit dem Jahr 2011 – den Wert der übertragenen Liegenschaftsanteile. Dieser Betrag sei jedenfalls bei der Berechnung des Verkehrswerts wertmindernd zu berücksichtigen.
[9] Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 17.528,15 EUR samt 4 % Zinsen seit 15. 1. 2019 statt und wies das darüber hinausgehende Zahlungsbegehren von 27.471,85 EUR samt Zinsen und das weitere Zinsenmehrbegehren ab. Es führte rechtlich aus, auf Verlangen eines Pflichtteilsberechtigten seien Schenkungen an Personen, die dem Kreis der Pflichtteilsberechtigten angehören, der Verlassenschaft hinzuzurechnen und auf den Pflichtteil der beschenkten Person anzurechnen. Die geschenkte Sache sei auf den Zeitpunkt zu bewerten, in dem die Schenkung wirklich gemacht worden sei. Dieser Wert sei sodann auf den Todeszeitpunkt nach einem von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex anzupassen. Mit Blick auf diesen Wert der Liegenschaft zum Todeszeitpunkt in Höhe von 185.500 EUR abzüglich des Werts des Fruchtgenussrechts der Witwe in Höhe von 82.400 EUR und zuzüglich des reinen Nachlasses in Höhe von 2.068,93 EUR ergebe sich unter Berücksichtigung einer Pflichtteilsquote von einem Sechstel der Anspruch der Klägerin gegen den Beklagten mit 17.528,15 EUR. Im Hinblick auf § 765 Abs 2 ABGB seien Zinsen beginnend ab dem Ablauf eines Jahres nach dem Todeszeitpunkt des Erblassers zuzusprechen. Selbst wenn man davon ausginge, dass die unentgeltliche Einräumung des Fruchtgenussrechts an die Witwe im Schenkungsvertrag als Schenkung an diese zu berücksichtigen bzw hinzuzurechnen wäre, würde der Beklagte über den Betrag von 17.528,15 EUR hinaus nicht haften, weil die Verlassenschaft zur Deckung des darüber hinausgehenden Pflichtteils nicht ausreichen würde. Wenn die Klägerin davon ausgehe, die Witwe sei ebenfalls Geschenknehmerin, so müsse sie von ihr die Zahlung des Fehlbetrags verlangen.
[10] Das nur von der Klägerinhinsichtlich des klagsabweisenden Teils dieses Urteils angerufene Berufungsgericht hob das Urteil in diesem Umfang auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Es ließ den Rekurs gegen seinen Aufhebungsbeschluss zu.
[11] Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, nach § 788 ABGB idF des ErbRÄG 2015 sei die Schenkung für jenen Zeitpunkt zu bewerten, zu dem sie wirklich gemacht, also das Vermögensopfer erbracht worden sei. Ein dem Erblasser vorbehaltenes dingliches Fruchtgenussrecht hindere die Annahme eines Vermögensopfers im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, sodass die Schenkung erst im Todeszeitpunkt wirklich gemacht worden sei. Die dem Beklagten geschenkten Liegenschaftsanteile seien daher auf diesen Zeitpunkt zu bewerten. Dabei hätten werterhöhendeInvestitionen des Beklagten auf die geschenkten Liegenschaftsanteile unberücksichtigt zu bleiben. Der Wert der unbelasteten Liegenschaftsanteile, das sei jener Wert, um den das Vermögen des Erblassers durch den Schenkungsvertrag vom 2. 8. 2011 verringert worden sei, sei dem Wert des reinen Nachlasses hinzuzurechnen und auf dieser Bemessungsgrundlage der Pflichtteilsanspruch der Klägerin (bzw die Pflichtteilsansprüche generell) zu berechnen (§ 787 Abs 1 ABGB).
[12] Das der Witwe vom Erblasser verschaffte Fruchtgenussrecht an den dem Beklagten geschenkten Liegenschaftsanteilen habe unberücksichtigt zu bleiben. In der hier vorliegenden Konstellation mit dem Vermögensopfer erst im Zeitpunkt des Todes des Erblassers sei das Fruchtgenussrecht wie ein Vermächtnis iSd § 535 ABGB zu behandeln und damit nicht von der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Höhe des Pflichtteils der Klägerin abzuziehen (§ 779 Abs 2 ABGB). Dieses Fruchtgenussrecht habe die Witwe im Wesentlichen anstelle des ihr sonst subsidiär zustehenden gesetzlichen Vorausvermächtnisses nach § 745 Abs 1 ABGB erhalten. Es verschaffe ihr nur eine bessere Rechtsposition. Auch das gesetzliche Vorausvermächtnis sei für die Ermittlung der Pflichtteile nicht vom Rohnachlass abzuziehen, sei also Bestandteil des reinen Nachlasses. Außer im Fall der Schenkung auf den Todesfall iSd § 603 ABGB sei ein in Form eines Vermächtnisses Beschenkter nur der Kürzung nach § 764 Abs 2 ABGB ausgesetzt, nicht aber einer Inanspruchnahme nach § 789 Abs 1 ABGB.
[13] Daraus folge, dass der Beklagte als Erbe und Geschenknehmer verpflichtet sei, der Klägerin den auf der dargestellten Bemessungsgrundlage noch zu ermittelnden Pflichtteil zu leisten. Der Pflichtteilsberechtigte erwerbe den Anspruch nach § 765 Abs 1 ABGB mit dem Tod des Verstorbenen, er werde daher zu diesem Zeitpunkt fällig. Bis zur Erfüllung des Geldpflichtteils stünden dem Pflichtteilsberechtigten nach § 778 Abs 2 ABGB die gesetzlichen Zinsen zu. Der Geldanspruch werde daher auch schon ab dem Tod verzinst. Auch der Anspruch nach § 789 Abs 1 ABGB entstehe mit dem Erbfall; Verzugszinsen gebührten aber (mangels Verweises auf § 778 Abs 2 ABGB) nach allgemeinen Grundsätzen erst ab der Einmahnung.
[14] Außerdem hafte der Beschenkte nach § 789 Abs 3 ABGB nur mit der geschenkten Sache. Das Klagebegehren sei daher auf Zahlung des Fehlbetrags bei sonstiger Exekution in die geschenkte Sache zu richten.
[15] Das Erstgericht werde den Wert der geschenkten Liegenschaftsanteile zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers zu ermitteln und über den (restlichen) Pflichtteilsanspruch der Klägerin samt Anhang neuerlich zu entscheiden haben.
[16] Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zu den erörterten Fragen und Bestimmungen in der Fassung des ErbRÄG 2015 noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.
[17] Gegen diesen Beschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, das Urteil des Erstgerichts wiederherzustellen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
In ihrer Rekursbeantwortung beantragt die Klägerin, dem Rekurs nicht Folge zu geben.
[18] Der Rekurs ist zulässig, weil die Frage, ob ein vorbehaltenes Fruchtgenussrecht auch nach der Rechtslage nach dem ErbRÄG 2015 verhindert, dass die Schenkung einer Liegenschaft iSd § 788 ABGB wirklich gemacht wurde, vom Obersten Gerichtshof bisher noch nicht entschieden wurde und weil das Berufungsgericht betreffend die Berücksichtigung des Fruchtgenussrechts der Witwe bei der Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen von der mittlerweile vorliegenden Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abgewichen ist. Er ist auch teilweise berechtigt.
[19] Der Beklagte macht geltend, in den Materialien zum ErbRÄG 2015 werde klargestellt, dass der Vorbehalt eines bloßen Nutzungsrechts durch den Geschenkgeber das Vermögensopfer nicht ausschließe. Das gelte daher auch für ein vom Erblasser für sich selbst vorbehaltenes Fruchtgenussrecht. Für den Geschenknehmer bestünde auch kein relevanter Unterschied, ob sich der Geschenkgeber ein Wohnrecht oder ein Fruchtgenussrecht vorbehalte.
[20] Der Wert des Fruchtgenussrechts der Witwe bilde unabhängig vom Bewertungszeitpunkt eine Wertminderung der geschenkten Liegenschaftsanteile. Es sei nicht dem Vorausvermächtnis gleichzusetzen, weil es nicht auf einer letztwilligen Anordnung des Erblassers, sondern auf einer vertraglichen Einigung fuße. Das gesetzliche Vorausvermächtnis habe subsidiären Charakter und stehe dann nicht zu, wenn der überlebende Ehegatte die Ehewohnung schon bisher aus eigenem Recht bewohne. Das sei hier aufgrund des Fruchtgenussrechts der Witwe der Fall. Gegenstand des Vorausvermächtnisses könnten überdies nur vererbliche Rechte sein. Wäre der Witwe nicht bereits vertraglich ein Fruchtgenussrecht zugesichert worden, hätte sie aufgrund der Rechtsposition des Erblassers als (bloßer) Fruchtgenussberechtigter, dessen Nutzungsrecht an der Ehewohnung mit dem Tod weggefallen sei, kein Wohnrecht aus dem Vorausvermächtnis ableiten können. Soweit das zugunsten der Witwe zurückbehaltene Fruchtgenussrecht nicht wertmindernd, sondern als Schenkung an diese zu beurteilen sein sollte, hafte der Beklagte als Geschenknehmer nicht für eine daraus resultierende Verkürzung der Klägerin.
Rechtliche Beurteilung
[21] Hiezu wurde erwogen:
[22] 1. Das vom Erblasser für sich selbst vorbehaltene Fruchtgenussrecht hindert nicht die Erbringung des Vermögensopfers an den Beklagten:
[23] 1.1 Nach gefestigter Rechtsprechung zur Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 war § 785 Abs 3 Satz 2 ABGB aF bei Schenkung einer Liegenschaft nicht anwendbar, wenn die Schenkung unter Widerrufsvorbehalt erfolgte oder sich der Geschenkgeber alle Nutzungen der geschenkten Sache in Form eines dinglichen Fruchtgenussrechts zurückbehielt. In einem solchen Fall trat das (für den Fristbeginn maßgebende) „Vermögensopfer“ erst mit dem Tod oder einem wirksamen Verzicht des Geschenkgebers auf diese Rechte ein. Unerheblich waren demgegenüber die Vereinbarung eines Belastungs- und Veräußerungsverbots und die tatsächliche Ausübung oder Nichtausübung eines Widerrufs- oder Nutzungsrechts (RS0130273).
[24] Aus den folgenden Gründen ist jedoch für die durch das ErbRÄG 2015 geschaffene Rechtslage an dieser Rechtsprechung nicht festzuhalten.
[25] 1.2 Gemäß § 788 ABGB in der hier anzuwendenden Fassung des ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87) ist die geschenkte Sache auf den Zeitpunkt zu bewerten, in dem die Schenkung wirklich gemacht wurde. Dieser Wert ist sodann auf den Todeszeitpunkt nach einem von der Statistik Austria verlautbarten Verbraucherpreisindex anzupassen.
[26] Eine ausdrückliche Regelung, wann eine Schenkung „wirklich gemacht“ wurde, findet sich weder in dieser Bestimmung noch in § 755 Abs 1, § 782 Abs 1 oder § 792 ABGB nF.
[27] 1.3 In den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 34) wird zu § 782 ABGB ausgeführt:
„Vorbehaltlich anderer zwischen dem Verstorbenen und dem Geschenknehmer abgeschlossener Vereinbarungen sind wie bisher Schenkungen an nicht pflichtteils-berechtigte Personen, die der Verstorbene früher als zwei Jahre vor seinem Tod wirklich gemacht hat, nicht hinzu- und anzurechnen. Dabei soll es für den Beginn des Fristenlaufs in Anlehnung an die 'Vermögens-opfertheorie' (Welser, Reform des Erbrechts 153 f.) darauf ankommen, wann die Schenkung wirklich gemacht wurde, also der Verstorbene das Vermögensopfer in Bezug auf die Zuwendung endgültig erbracht hat. Dies ist etwa der Fall, wenn der Schenkungsvertrag ohne Widerrufsvor-behalt oder Möglichkeit des Rückerwerbs des Zuwendenden in Bezug auf die zugewendete Sache erfüllt worden ist (vgl. auch Umlauft, Anrechnung 211 f.). Insbesondere ein Rückschenkungsangebot des Geschenk-nehmers, der Widerruf der Privatstiftung, wenn der Stifter Letztbegünstigter ist, sowie andere Stifterrechte, die zum Rückerwerb verwendet werden können, führen dazu, dass das Vermögensopfer noch nicht erbracht wurde. Durch ein bloßes Nutzungsrecht wird das Vermögensopfer aber regelmäßig nicht ausgeschlossen.“
[28] Mit der Novelle fand somit die Vermögensopfertheorie Eingang in das Gesetz. Dies wird deutlich in den Bestimmungen, in denen jeweils auf Schenkungen Bezug genommen wird, die „wirklich gemacht“ wurden (§ 755 Abs 1, § 782 Abs 1, §§ 788, 792 ABGB nF).
[29] Nach den zitierten Materialien wird das Vermögensopfer nur ausgeschlossen, wenn der Geschenkgeber in der Lage ist, die geschenkte Sache wieder zurück zu erwerben. Der Vorbehalt eines „bloßen“ Nutzungsrechts soll das Vermögensopfer hingegen nicht ausschließen. Eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Rechtsprechung zur bisherigen Rechtslage, die auf die Zurückbehaltung (nur) eines Fruchtgenussrechts abstellte, fehlt. Allerdings hat sich die unter Punkt 1.1 erörterte Rechtsprechungslinie auch erst nach der Formulierung der Materialien zum ErbRÄG 2015 verfestigt (vgl RS0130273), sodass daraus wenig zu gewinnen ist. Aus dem Textzusammenhang ist aber jedenfalls zu schließen, dass mit dem Wort „bloßen“ lediglich der Gegensatz zu den davor genannten Rückerwerbsmöglichkeiten hervorgehoben werden sollte und damit jegliches Nutzungsrecht gemeint ist, somit auch ein Fruchtgenussrecht (vgl Umlauft, Die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen im Erb- und Pflichtteilsrecht² 65 FN 199).
[30] Noch im Ministerialentwurf zum ErbRÄG 2015 wurde überdies zum dort vorgeschlagenen § 781 Abs 3 ABGB ausgeführt (100/ME 25. GP 31):
„Dabei soll es für den Beginn des Fristenlaufs in Anlehnung an die 'Vermögensopfertheorie' (Welser, Reform des Erbrechts 153 f.) darauf ankommen, wann der Erblasser das Vermögensopfer in Bezug auf die Zuwendung endgültig erbracht hat, der Schenkungsvertrag also ohne Widerrufsvorbehalt oder Nutzungsrecht des Zuwendenden in Bezug auf die zugewendete Sache erfüllt worden ist (Umlauft, Anrechnung 211 f.).“
[31] Auch zu § 792 ABGB führte der Ministerialentwurf aus (100/ME 25. GP 35):
„Dabei soll es für den Beginn des Fristenlaufs in Anlehnung an die 'Vermögensopfertheorie' (Welser, Reform des Erbrechts 153 f.) darauf ankommen, wann der Erblasser das Vermögensopfer in Bezug auf die Zuwendung endgültig erbracht hat, der Schenkungsvertrag vorbehaltlos (also etwa ohne Widerrufsvorbehalt oder Nutzungsrecht des Zuwendenden in Bezug auf die zugewendete Sache) erfüllt worden ist (Umlauft, Anrechnung 211 f.).“
[32] Nach dem Ministerialentwurf sollte somit auch die Zurückbehaltung eines (nicht näher spezifizierten) Nutzungsrechts das Vermögensopfer verhindern.
[33] Diese Einschränkung wurde in den ErläutRV zum ErbRÄG sowohl zu § 782 (siehe oben) als auch zu § 792 ABGB fallengelassen. Zu letzterer Bestimmung findet sich gar kein Hinweis auf ein Nutzungsrecht mehr (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 37):
„Dabei soll es für den Beginn des Fristenlaufs in Anlehnung an die 'Vermögensopfertheorie' (Welser, Reform des Erbrechts 153 f.) darauf ankommen, wann der Verstorbene die Schenkung 'wirklich gemacht' hat, der Schenkungsvertrag also vorbehaltlos (also etwa ohne Widerrufsvorbehalt des Zuwendenden in Bezug auf die zugewendete Sache) erfüllt worden ist (Umlauft, Anrechnung 211 f.).“
[34] Auch daraus ergibt sich, dass die Zurückbehaltung eines Nutzungsrechts (gleich welcher Art) nicht als entscheidend für das Vermögensopfer angesehen wurde. Nach den Materialien zum ErbRÄG 2015 soll vielmehr auch der Vorbehalt eines Fruchtgenussrechts das Vermögensopfer des Geschenkgebers im Regelfall nicht ausschließen (Umlauft, Die Hinzu- und Anrechnung von Schenkungen im Erb- und Pflichtteilsrecht² 64 f).
[35] 1.4 Damit steht auch die Bestimmung des § 762 ABGB im Einklang, nach der im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage (Welser, Erbrechts-Kommentar § 762 Rz 1) Bedingungen oder Belastungen, die der Verwertung einer Zuwendung oder Schenkung iSd §§ 780 und 781 ABGB entgegenstehen, die Eignung zur Pflichtteilsdeckung nicht hindern, aber den dafür anzusetzenden Wert mindern. Als solche Bedingungen und Belastungen nennen die Materialien (ErläutRV 688 BlgNR 25. GP 25) „Auflagen, Befristungen, Vermächtnisse, Belastungs- und Veräußerungsverbote und Anordnungen der Testamentsvollstreckung oder einer Nacherbschaft“.
[36] Diese Bestimmung erfasst ausdrücklich auch sämtliche Schenkungen, die gemäß § 781 ABGB der Hinzu- und Anrechnung unterliegen. Wenn selbst der Verwertung entgegenstehende Bedingungen oder Belastungen das zugewendete Vermögen für die Pflichtteilsdeckung nicht wertlos machen, sondern nur als wertmindernd zu berücksichtigen sind, muss dies umso mehr für eine geschenkte Sache gelten, die mit einer Verwertung grundsätzlich nicht entgegenstehenden Bedingungen oder Belastungen (wie einem Fruchtgenussrecht) behaftet ist (idS bereits Mondel, iFamZ 2017/28, 55 [56; Entscheidungsanmerkung zu 2 Ob 220/15i]).
[37] 1.5 Dies führt zu folgendem Zwischenergebnis:
[38] Nach der seit dem ErbRÄG 2015 geltenden Rechtslage verhindert ein vom Erblasser bei einer Schenkung unter Lebenden an der geschenkten Sache vorbehaltenes Fruchtgenussrecht nicht (mehr), dass er die Schenkung „wirklich gemacht“ und somit das Vermögensopfer erbracht hat.
[39] 1.6 Nach den Materialien zum ErbRÄG 2015 (Punkt 1.3) soll die Schenkung in jenem Zeitpunkt „wirklich gemacht“ worden sein, in dem der Geschenkgeber das Vermögensopfer in Bezug auf die Zuwendung „endgültig erbracht“ hat, etwa, wenn ein Schenkungsvertrag (ohne Widerrufsvorbehalt oder Möglichkeit des Rückerwerbs des Zuwendenden) „erfüllt“ worden ist. Daraus ergibt sich, dass nicht der Abschluss eines der Zuwendung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts maßgeblich sein soll, sondern dessen tatsächliche Erfüllung im Sinne eines endgültigen und unwiderruflichen Übergangs der Rechtszuständigkeit (vgl Kepplinger, Die „Vermögensopfertheorie“ im Lichte des ErbRÄG 2015, ZFS 2017, 3 [10: „Verlust der Sachsubstanz“]).
[40] Für Schenkungsverträge über Sachen ist daher grundsätzlich der Eigentumsübergang der geschenkten Sache entscheidend (Umlauft, Hinzu- und Anrechnung² 70). Um systemwidrige Ergebnisse bei der Bewertung zu vermeiden, ist das Vermögensopfer jedoch spätestens mit dem Tod des Geschenkgebers als erbracht anzusehen, da bei der Hinzu- und Anrechnung insoweit der Todeszeitpunkt im Vordergrund steht (§§ 755, 788 ABGB); das betrifft insbesondere die Schenkung auf den Todesfall (Umlauft, Hinzu- und Anrechnung² 70 ff).
[41] 1.7 Im vorliegenden Fall schenkte der Erblasser dem Beklagten Liegenschaftsanteile. Maßgeblicher Zeitpunkt für den Eigentumserwerb und damit der „wirklich gemachten“ Schenkung ist demnach – spätere Bewilligung und Vollzug vorausgesetzt – jener des Einlangens des Grundbuchsgesuchs (RS0011256).
[42] 1.8 Zwar hat das Erstgericht lediglich den Wert der geschenkten Liegenschaftsanteile zum Zeitpunkt des Abschlusses des Schenkungsvertrags festgestellt. Zwischen diesem und dem Einlangen des – in der Folge auch bewilligten und vollzogenen – Einverleibungsgesuchs liegt jedoch lediglich ein Zeitraum von rund einem Monat, sodass eine ins Gewicht fallende Änderung des Schätzwerts nicht zu erwarten und eine diesbezügliche Ergänzung der Tatsachengrundlagen nicht erforderlich ist.
[43] 1.9 Das bedeutet zunächst, dass bei der Ermittlung des Pflichtteilsanspruchs der Klägerin gemäß § 788 ABGB von einem auf den Todeszeitpunkt angepassten Wert der Liegenschaftsanteile von 185.500 EUR auszugehen ist.
[44] 2. Berücksichtigung des Werts der vorbehaltenen Fruchtgenussrechte:
[45] 2.1 Der Wert des vom Erblasser für sich selbst vorbehaltenen Fruchtgenussrechts ist nicht zu berücksichtigen:
[46] Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung ist auch nach dem ErbRÄG 2015 der Wert einer vom Erblasser bei der Übergabe einer Liegenschaft vorbehaltenen lebenslangen Personaldienstbarkeit, wiewohl diese Belastung auf den Zeitpunkt des Empfangs bezogen den Liegenschaftswert erheblich verminderte, bei der Schenkungshinzurechnung und der Schenkungsanrechnung für die Bemessung des Pflichtteils außer Ansatz zu lassen, weil bereits im Übergabszeitpunkt mit völliger Sicherheit feststand, dass in dem für die Beurteilung der Pflichtteilswidrigkeit maßgebenden Zeitpunkt des Erbanfalls die Belastung weggefallen sein werde (RS0133183).
[47] Zutreffend haben daher die Vorinstanzen den Wert des vom Erblasser für sich selbst vorbehaltenen Fruchtgenussrechts bei der Bewertung der dem Beklagten geschenkten Liegenschaftsanteile nicht berücksichtigt. Das wird vom Rekurswerber ohnehin nicht bezweifelt.
[48] 2.2 Der Wert des vom Erblasser für die Witwe vorbehaltenen Fruchtgenussrechts ist mit dem Wert im Todeszeitpunkt zu berücksichtigen:
[49] 2.2.1 Der Senat hat sich mit dieser Frage jüngst in der Entscheidung 2 Ob 124/20d (= RS0133516) ausführlich auseinandergesetzt. Strittig war dort, ob und mit welchem Wert ein bei der Schenkung je eines Hälfteanteils einer Liegenschaft durch Ehepartner vom jeweiligen Geschenkgeber für den jeweils anderen Ehepartner zurückbehaltenes lebenslängliches und unentgeltliches Wohnungsgebrauchs-recht bei der Bewertung des Anteils zu berücksichtigen ist. Der Senat hat ausgesprochen, dass Nutzungsrechte Dritter an einer geschenkten Liegenschaft bei der Hinzurechnung des Liegenschaftswerts zum Nachlass nur insoweit zu berücksichtigen sind, als sie beim Tod des Erblassers noch bestehen. Sind sie zu oder mit diesem Zeitpunkt erloschen, so haben sie keinen Einfluss auf die Bemessung des Pflichtteils. Bestehen sie noch, ist der aufgrund der wahrscheinlichen Restnutzungsdauer ermittelte Wert von der Bemessungsgrundlage abzuziehen.
[50] Das wurde damit begründet, dass auch bei solchen Rechten auf den Zweck der Hinzurechnung abzustellen ist. Der sie fordernde Pflichtteilsberechtigte ist grundsätzlich so zu stellen, als wäre die geschenkte Liegenschaft noch im Nachlass vorhanden; nur für die Problematik der Wertentwicklung zwischen Schenkung und Tod ist das Stichtagsprinzip des § 788 ABGB anzuwenden. Wäre aber die Liegenschaft noch im Nachlass, so wäre sie zwar weiterhin mit dem dinglichen Recht des Dritten belastet. Dieses Recht wäre daher zweifellos bei der Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil zu berücksichtigen. Es minderte den Wert der Liegenschaft aber nur im Ausmaß der wahrscheinlichen (dh nach Sterbetafeln zu bestimmenden) Restnutzungsdauer.
[51] 2.2.2 Die Bestimmung des § 788 ABGB betrifft lediglich die Bewertung der geschenkten Sache und sollte das Problem von Wertveränderungen der Sache zwischen der Schenkung und dem Tod des Erblassers lösen. Danach ist der Wert im Zeitpunkt der („wirklich gemachten“) Schenkung maßgebend, der allerdings nach dem VPI auf den Todeszeitpunkt „anzupassen“ (also in der Regel aufzuwerten) ist. Dadurch sollen die Dritten zugewendeten Werte möglichst gleichmäßig an die Verhältnisse im Todeszeitpunkt herangeführt werden. Es ging dem Gesetzgeber daher auch bei der Neuregelung nur um die Vorgangsweise bei der Ermittlung jenes (fiktiven) Werts der geschenkten Sache, der der Hinzu- und Anrechnung zugrunde zu legen ist. Das „Stichtagprinzip“ des § 788 ABGB stellt dabei klar, dass Wertveränderungen nach der Schenkung unabhängig von ihrer Ursache (also Zufall, Handlungen oder Unterlassungen des Beschenkten oder konkrete Preisentwicklung) grundsätzlich unerheblich sind; statt dessen hat (zum „Heranführen“ der Werte an den Todeszeitpunkt) eine Aufwertung nach der allgemeinen Preisentwicklung (VPI) zu erfolgen (2 Ob 124/20d).
[52] 2.2.3 Wann das Vermögensopfer erbracht wurde, ist daher im gegebenen Zusammenhang nur für die Wertermittlung entscheidend, nicht hingegen für die Frage, ob Nutzungsrechte dabei wertmindernd zu berücksichtigen sind oder nicht (2 Ob 124/20d).
[53] 2.2.4 Im Todeszeitpunkt des Erblassers bestand das Fruchtgenussrecht der überlebenden Witwe noch. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist dessen Wert im Todeszeitpunkt (Punkt 2.2.1) daher vom fiktiven Wert der geschenkten Liegenschaftsanteile abzuziehen. Der für die Hinzu- und Anrechnung heranzuziehende Wert der geschenkten Liegenschaftsanteile beträgt somit im vorliegenden Fall 103.100 EUR.
[54] 3. Das vom Erblasser für die Witwe vorbehaltene Fruchtgenussrecht ist eine Zuwendung an diese iSd § 781 ABGB:
[55] 3.1 Zunächst ist festzuhalten, dass (auch) das vom Erblasser für die Witwe vorbehaltene Fruchtgenussrecht keine Gegenleistung des Beklagten ist, die er aus seinem Vermögen für den Erhalt der Liegenschaftsanteile zu erbringen hatte (7 Ob 162/05g; vgl RS0012978).
[56] 3.2 Das vom Erblasser für die Witwe vorbehaltene Fruchtgenussrecht kommt nach den Feststellungen mangels Gegenleistung der Witwe zumindest nach dem wirtschaftlichen Gehalt einem unentgeltlichen Rechtsgeschäft unter Lebenden gleich und bedeutet daher eine hinzuzurechnende Zuwendung des Erblassers an die Witwe.
[57] Der Beurteilung als Vermächtnis steht schon entgegen, dass der Witwe das Fruchtgenussrecht durch Rechtsgeschäft unter Lebenden zugewendet wurde.
[58] 3.3 Die pflichtteilsberechtigte Klägerin hat erkennbar (auch) die Hinzu- und Anrechnung des der Witwe zugewendeten Fruchtgenussrechts mit dem festgestellten Wert zum Todeszeitpunkt von 82.400 EUR verlangt. Daher ist auch diese Zuwendung zu berücksichtigen.
[59] 4. Aus diesen Erwägungen ergibt sich für den Pflichtteilsanspruch der Klägerin Folgendes:
[60] 4.1 Hinzurechnung und Anrechnung beider Schenkungen:
[61] Die bei der Hinzu- und Anrechnung anzuwendende Rechenmethode ist in § 787 ABGB klar geregelt. Danach ist die Schenkung der Verlassenschaft rechnerisch hinzuzuschlagen. Von der dadurch vergrößerten Verlassenschaft sind die Pflichtteile zu ermitteln. Auch zur Ermittlung des Fehlbetrags nach § 789 ABGB ist für die Hinzurechnung von Schenkungen diese Rechenmethode heranzuziehen (2 Ob 120/20s; 2 Ob 166/20f).
[62] Rechnet man dem reinen Nachlass von 2.068,93 EUR die Werte der dem Beklagten geschenkten Liegenschaftsanteile von 103.100 EUR und des Fruchtgenussrechts der Witwe von 82.400 EUR hinzu, ergibt sich eine Bemessungsgrundlage von 187.568,93 EUR. Der erhöhte Pflichtteilsanspruch der drei Pflichtteilsberechtigten beträgt davon jeweils 1/6, somit je 31.261,49 EUR.
[63] Davon haben sich der Beklagte und die Witwe den Wert ihrer Geschenke abziehen zu lassen. Sie haben daher keine Pflichtteilsansprüche mehr.
[64] 4.2 Der erhöhte Pflichtteilsanspruch der Klägerin ist zunächst vom Beklagten als Erbe bis zum Wert des Nachlasses zu erfüllen (§ 764 Abs 1 ABGB). Daraus ergibt sich ein Anspruch der Klägerin von 2.068,93 EUR.
[65] 4.3 Für den Fehlbetrag von 29.192,56 haftet der Beklagte als Geschenknehmer anteilig:
[66] Der wertmäßige Anteil des Geschenks des Beklagten an den hinzuzurechnenden Geschenken beträgt 55,6 %. Mit diesem Anteil haftet er gemäß § 789 Abs 1 und 2 ABGB für den nicht im Nachlass gedeckten Fehlbetrag, sohin mit 16.231,06 EUR.
[67] 4.4 Für diesen Anteil haftet der Beklagte gemäß § 789 Abs 3 ABGB aber nur mit der zugewendeten Sache, hier also den Liegenschaftsanteilen. Das Klagebegehren hat daher insoweit auf Zahlung des Ausfalls am Pflichtteil bei Exekution in die geschenkte Sache zu lauten (vgl 2 Ob 124/20d; 2 Ob 129/16h; RS0012943; RS0079874). In der Beschränkung des Exekutionsgegenstands liegt eine– nach § 405 ZPO zulässige – Zuerkennung eines Minus (RS0019068). Der Umstand, dass auf der geschenkten Liegenschaft weiter ein Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Witwe besteht, hat keine andere Beurteilung zur Folge, weil das eingeräumte Veräußerungs- und Belastungsverbot den Befriedigungswert schmälert (6 Ob 232/09z mwN).
[68] Aufgrund der Teilrechtskraft des erstinstanzlichen Urteils wirkt sich diese Exekutionsbeschränkung aber nur auf den in dritter Instanz vorzunehmenden Mehrzuspruch von 771,84 EUR sA aus.
[69] 4.5 Insgesamt besteht daher der Anspruch der Klägerin mit 18.299,99 EUR zu Recht.
[70] 5. Zinsen:
[71] Der Oberste Gerichtshof hat aus Anlass eines Rekurses gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO eine allseitige Überprüfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts vorzunehmen (RS0043903). Der Prüfungsumfang ist nur insoweit nicht unbegrenzt, als in sich geschlossene selbständige Rechtsfragen der Nachprüfung nicht unterliegen, wenn sie nicht Gegenstand der Anfechtung sind (vgl 5 Ob 148/13w; RS0043903 [T6]; RS0043338 [T18]).
[72] Der Rekurs des Beklagten enthält zur selbständigen Rechtsfrage des Beginns des Zinsenlaufs (vgl 2 Ob 204/20v) keine inhaltlichen Ausführungen. Die diesbezügliche Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist damit nicht mehr zu überprüfen und sie ist der Entscheidung zugrunde zu legen. Für den gegen den Beklagten als Erbe bestehenden Pflichtteilsanspruch von 2.068,93 EUR sind der Klägerin somit die begehrten Zinsen zuzusprechen. Nach dem insoweit nicht substanziiert bestrittenen Klagsvorbringen ist eine Einmahnung vor Klagseinbringung nicht erfolgt, sodass für den gegen den Beklagten als Geschenknehmer bestehenden Anspruch Zinsen ab dem der Klagszustellung folgenden Tag zuzusprechen sind.
[73] 6. Ergebnis:
[74] Der Rekurs des Beklagten ist aus den angeführten Gründen teilweise berechtigt. Der Oberste Gerichtshof kann im Umfang der Aufhebung durch das Berufungsgericht selbst in der Sache erkennen. Im Rekursverfahren gegen einen Aufhebungsbeschluss nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO gilt das Verbot der reformatio in peius nicht (RS0043858; RS0043939). Der Klägerin sind daher weitere 771,84 EUR zuzusprechen. Das Mehrbegehren sowie das Zinsenmehrbegehren ist abzuweisen.
[75] 7. Kosten:
[76] Aufgrund der Abänderung der erstinstanzlichen Entscheidung ist auch die Kostenentscheidung neu zu treffen, die sich auf § 43 Abs 1 ZPO gründet. Aufgrund dessen ist der vom Beklagten erhobene Kostenrekurs gegenstandslos und Kosten hiefür sind nicht zuzuerkennen (2 Ob 223/15f; 2 Ob 164/11y). Die Klägerin hat zu rund 41 % obsiegt und daher dem Beklagten 18 % seiner Vertretungskosten zu ersetzen. Eine Anwendung des § 43 Abs 2 ZPO (Ausmittlung durch Sachverständige) kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin auch aufgrund rechtlicher Erwägungen unterlegen ist und überdies auch nach Vorliegen des Gutachtens zum Wert der Liegenschaft keine Einschränkung des Klagebegehrens erfolgte.
[77] Die Kostenentscheidung des Rechtsmittelverfahrens beruht auf § 43 Abs 2 erster Fall iVm § 50 Abs 1 ZPO. Der Beklagte ist lediglich geringfügig unterlegen, sodass ihm die Klägerin die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu ersetzen hat.
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