European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0050OB00178.20T.0504.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die den Antrag stellenden Rechtsanwälte nutzen Kanzleiräumlichkeiten in einem im Eigentum des Erstantragsgegners stehenden Gebäudekomplex. Die Nutzung basiert auf mehreren Bestandverträgen, die nicht von den Antragstellern, sondern von den Gründern und früheren Partnern der Kanzleigemeinschaft in den Jahren 1955, 1966/67, 1969, 1971, 1982 und 1988 abgeschlossen wurden.
[2] Gegenstand des Verfahrens ist der Antrag auf Feststellung des Verteilungsschlüssels nach § 17 MRG (§ 37 Abs 1 Z 9 MRG), der Höhe der zulässigen monatlichen Pauschalrate nach § 21 Abs 3 MRG und der Überschreitung der zulässigen Pauschalrate durch die Vorschreibungen des Antragsgegners (§ 37 Abs 1 Z 12 MRG).
[3] Das Erstgericht wies den Antrag mangels Antragslegitimation der Antragsteller zurück. Die Mietverträge seien mangels der nach innerkirchlichemRecht erforderlichen Zustimmung durch den Provinzial nicht rechtswirksam.
[4] Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Antragsteller nicht Folge, bewertete dessen Entscheidungsgegenstand als 10.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu.
Rechtliche Beurteilung
[5] Der außerordentliche Revisionsrekurs der Antragsteller zeigt keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.
[6] 1.1. Gemäß § 867 ABGB sind die Voraussetzungen für die Gültigkeit eines Vertrags mit einer unter der besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinde oder ihren einzelnen Gliedern und Stellvertretern aus der Verfassung derselben und den politischen Gesetzen zu entnehmen.Zu den in § 867 ABGB genannten, unter der besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinden sind nach einhelliger Lehre und Rechtsprechung auch die kirchlichen juristischen Personen zu zählen (2 Ob 129/12b mwN, 2 Ob 8/14m; RIS‑Justiz RS0014720).
[7] 1.2. Auch Art XIII § 2 des Konkordats 1933 verweist für die Gebarung mit kirchlichem Vermögen auf die Bestimmungen des innerkirchlichen, kanonischen Rechts, sodass auch insofern die Frage der staatlichen Gültigkeit eines Rechtsgeschäfts über kirchliches Vermögen materiell-rechtlich nach der innerkirchlichen Rechtslage zu beurteilen ist. Die Gültigkeit eines Vertrags ist daher nach kanonischem Recht zu beurteilen (2 Ob 129/12b mwN, 2 Ob 8/14m; RS0038784 [T5, T6]). Nach Art XIII § 2 zweiter Satz Konkordat 1933 findet die Gebarung mit dem kirchlichen Vermögen unter Aufsicht und Kontrolle der zuständigen Kirchenbehörden oder Ordensoberen statt. Ohne deren Zustimmung kann solches Vermögen weder veräußert noch belastet werden.
[8] 1.3. Ist die Genehmigung eines Rechtsgeschäfts durch einen Kirchenoberen vorgesehen, beschränkt ein derartiges Genehmigungserfordernis die Handlungsfähigkeit und Verfügungsgewalt der kirchlichen Organe über Kirchenvermögen. Die Beschränkung der Handlungsfähigkeit des betreffenden kirchlichen Organs wirkt so wie die Beschränkung der Handlungsfähigkeit des Bürgermeisters als Organ der Gemeinde gegen jeden Dritten (8 Ob 20/11s, 2 Ob 129/12b, 2 Ob 8/14m; RS0014717 [T13, T14, T15]). Das von einem (vertretungsbefugten) kirchlichen Organ ohne die im kanonischen Recht vorgesehene Genehmigung einer übergeordneten Stelle abgeschlossene Geschäft ist daher ungültig und kann rechtsgeschäftliche Wirkung nicht hervorbringen (2 Ob 129/12b mwN, 2 Ob 8/14m; RS0014720 [T2]). Ein ohne die nach diesem Recht erforderliche Zustimmung zustande gekommener Vertrag ist nichtig (vgl RS0038784 [T1], RS0111822).
[9] 1.4. Nach kanonischem Recht tritt die Nichtigkeit ohne Rücksicht auf den eventuellen guten Glauben des Geschäftspartners ein, der auf die Gültigkeit des Geschäfts vertraut hat. Auch wenn staatliche Behörden kirchliches Recht anzuwenden haben, kommen allerdings dennoch allgemeine im staatlichen Recht beruhende Grundsätze zur Anwendung. Dies auch dann, wenn das innerkirchliche Recht in Bezug auf die Rechtsfolgen dieser Sachverhalte zu einem anderen Ergebnis kommen sollte (2 Ob 129/12b, 2 Ob 8/14m; RS0038563 [T2]). Daher kommt ein Schutz des Vertrauens auf einen äußeren Tatbestand dann in Betracht, wenn ein Rechtsgeschäft vom kirchlichen Vertretungsorgan ohne die erforderliche Genehmigung der übergeordneten Stelle abgeschlossen wurde, aber die übergeordnete Stelle selbst ein Verhalten für die Zurechnung des äußeren Tatbestands gesetzt hat. Sofern also dem zuständigen Organ ein auf die Vertretungsvollmacht des Handelnden deutender äußerer Tatbestand zurechenbar ist, käme ein Rechtsgeschäft nach den Grundsätzen der Anscheinsvollmacht rechtswirksam zustande (2 Ob 129/12b, 2 Ob 8/14m; RS0038563 [T3, T4]). Hingegen kommt weder eine nachträgliche Genehmigung des nichtigen Rechtsgeschäfts noch ein Schutz des Vertrauens auf einen äußeren Tatbestand in Betracht, wenn die übergeordnete Stelle selbst kein Verhalten für die Zurechnung des äußeren Tatbestands gesetzt hat (8 Ob 20/11s mwN). Das Verhalten des Scheinvertreters ist nach allgemeinen vertretungsrechtlichen Grundsätzen für die Beurteilung der Frage, ob eine Anscheinsvollmacht vorliegt, unerheblich (2 Ob 8/14m).
[10] 1.5. Diese Rechtsprechungsgrundsätze wendet der ObersteGerichtshof auch auf die Vertretung von Orden an (Nachweise bei G. Nowotny, Die Vertretung von kirchlichen katholischen juristischen Personen, insbesondere von Ordensgemeinschaften und Kongregationen, im staatlichen österreichischen Recht, in FS Danzl [2017] 724).
[11] 2.1. Das kirchliche Vertragsrecht ist in Buch V Titel III CIC 1983 sowie jenen Dekreten der Bischofskonferenz geregelt, die in Erfüllung der ihr in Can 1297 CIC zugewiesenen Aufgaben Normen aufstellen. In Österreich wurden von der Bischofskonferenz solche Ausführungsbestimmungen über die Vermietung und Verpachtung von Kirchenvermögen erlassen, die unter anderem vorsehen, dass Bestandverträge schriftlich abzuschließen sind und der schriftlichen Genehmigung durch den Ordinarius bedürfen (2 Ob 129/12b). Schon zum auch hier anwendbaren CIC 1917 hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass als Folge des weiten Alienationsbegriffs des Kirchenrechts auch der Abschluss eines (den mietengesetzlichen Bestimmungen unterliegenden) Bestandvertrags unter jene (belastenden) Verträge fällt, deren Gültigkeit nach Kirchenrecht an die Zustimmung des Kirchenoberen gebunden ist (4 Ob 46/99i, 8 Ob 20/11s, 2 Ob 129/12b; RS0054319 [T1]); durch das CIC 1983 und das Dekret der österreichischen Bischofskonferenz über Bestandverträge ist daher nur insoweit eine Änderung der Rechtslage eingetreten, als diese Zustimmung nunmehr schriftlich zu erfolgen hat (4 Ob 46/99i, 8 Ob 20/11s).
[12] 2.2. Die Antragsteller bestreiten nicht, dass der wirksame Abschluss der von ihnen in Anspruch genommenen Mietverträge nach den innerkirchlichen Regeln der (freilich nicht notwendig schriftlichen) Zustimmung des jeweiligen Provinzials bedurft hätte. In ihrem Revisionsrekurs stehen sie vielmehr nach wie vor auf dem Standpunkt, dass die noch vor Inkrafttreten des CIC 1983 abgeschlossenen Verträge zufolge des nach den Übergangsbestimmungen anzuwendenden [richtig] Can 124 § 2 CIC 1983 kirchenrechtlich unbedenklich seien. Nach der genannten Bestimmung wird „eine hinsichtlich ihrer äußeren Elemente vorschriftsmäßig vorgenommene Rechtshandlung als gültig vermutet“. Schon das Rekursgericht zeigte zutreffend auf, dass sich für die Antragsteller aus dieser Bestimmung – losgelöst von der Frage ihrer Anwendbarkeit auf die (mit einer Ausnahme) während des zeitlichen Geltungsbereichs des CIC 1917 abgeschlossenen Verträge – nichts gewinnen lässt. Diese Auslegungsregel ergänztCan 124 § 1 CIC 1983, wonach zur Gültigkeit einer Rechtshandlung erforderlich ist, dass sie von einer dazu befähigten Person vorgenommen wurde und bei der Handlung gegeben ist, was diese selbst wesentlich ausmacht und was an Rechtsförmlichkeiten und Erfordernissen vom Recht zur Gültigkeit der Handlung verlangt ist. Das nicht weiter begründete Verständnis der Antragsteller, im Hinblick auf Can 124 § 2 CIC 1983 stehe das Fehlen der Zustimmung des Provinzials der Rechtswirksamkeit der Verträge nicht entgegen, findet weder im Wortlaut der Norm noch in deren Systematik oder Zweck eine Stütze. Wenn eine Norm eine klare Regelung trifft (oder eine Regelung klar nicht trifft), sodass im Auslegungsweg ein anderes Ergebnis als das des Rekursgerichts nicht ernstlich in Betracht kommt, liegt auch dann keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG vor, wenn zu einer konkreten Fallgestaltung ausdrückliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt (RS0042656, RS0102181).
[13] 2.3. Die Antragsteller berufen sich auch auf die Rechtsprechung zum Schutz des Vertrauens auf den äußeren Tatbestand. Der bei jedem der Vertragsabschlüsse gegebene „äußere Tatbestand“ habe den Rechtsvorgängern der Antragsteller nur die Annahme erlaubt, der Prior habe bei Unterfertigung der Verträge seine Vertretungsmacht nicht überschritten, weil die ordensintern erforderlichen Zustimmungen vorgelegen seien. Dieser „äußere Tatbestand“ liege nicht nur darin, dass die Verträge neben der Unterschrift des Priors auch das Siegel der Antragsgegnerin aufweisen, der Prior habe die Verträge auch mit dem Hinweis auf die ordensintern erfolgten Zustimmungen (Konventkapitel und Provinzial) zurückgestellt.Mit dieser Behauptung weichen die Antragsteller allerdings vom festgestellten Sachverhalt ab, sodass ihre Rechtsrügeinsoweit nicht gesetzmäßig ausgeführt ist (vgl RS0043312, RS0043603). Vor allem aber übersehen die Antragsteller, dass ein Schutz des Vertrauens auf einen äußeren Tatbestand nur dann in Betracht kommt, wenn das zuständige Organ selbst ein Verhalten für die Zurechnung des äußeren Tatbestands gesetzt hat. Dass der jeweilige Provinzial hier als das zuständige Organ eine Lage geschaffen hat, die den Anschein erweckt, der Vertragsabschluss durch den Prior sei durch seine Zustimmung gedeckt, haben die Antragsteller nicht behauptet und ist den Feststellungen des Erstgerichts auch nicht zu entnehmen.
[14] 2.4. An der Voraussetzung eines dem jeweiligen Provinzial zurechenbaren Verhaltens scheitert jedenfalls auch die von den Antragstellern behauptete nachträgliche Genehmigung derVerträge. Eine konkludente nachträgliche Genehmigung iSd § 1016 erster Fall ABGB erfordert, dass der vollmachtslos Vertretene ein Verhalten setzt, aufgrund dessen entweder der Vertreter oder der Dritte nach den Umständen des Falles darauf vertrauen durfte und auch darauf vertraut hat, der Vertretene wolle ihm gegenüber zum Ausdruck bringen, dass er mit dem abgeschlossenen Geschäft einverstanden ist. Es durfte für den Vertreter oder den Dritten kein vernünftiger Grund daran zu zweifeln übrig sein, dass der unwirksam Vertretene ihm gegenüber einen solchen Willen äußern wollte (RS0014374). Auch die Vorteilszuwendung iSd § 1016 zweiter Fall ABGB setzt voraus, dass das an sich zuständige Organ im Wissen um das vollmachtslos geschlossene Geschäft die daraus resultierenden Vorteile in Anspruch nimmt (RS0125514). Nach dem festgestellten Sachverhalt war das hier nicht der Fall. Eine Auseinandersetzung mit der Frage der Anwendbarkeit des § 1016 zweiter Fall ABGB auf kirchliche juristische Personen im Allgemeinen und dem im zeitlichen Anwendungsbereich des CIC 1983 und der Ausführungsbestimmungen der Bischofskonferenz für Bestandverträge geltenden Gebot der Schriftlichkeit im Besonderen erübrigt sich daher.
[15] 3.1. Die Antragsteller zeigen in ihrem Revisionsrekurs auch sonst keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 AußStrG auf. Der Revisionsgrund der Aktenwidrigkeit des Rekursverfahrens wurde geprüft, er liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG). Die Ausführungen der Antragsteller dazu sind ebenso wie jene zum behaupteten Verstoß gegen einen Beweisgrundsatz inhaltlich der – unzulässige (RS0043371, RS0042903) – Versuch, die Beweiswürdigung der Vorinstanzen zu bekämpfen.
[16] 3.2. Damit war der Revisionsrekurs zurückzuweisen.
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