OGH 4Ob46/99i

OGH4Ob46/99i13.4.1999

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kodek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Graf, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr. Griß und Dr. Schenk sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Vogel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Römisch-katholische Pfarrpfründe St. N*****, vertreten durch Dr. Norbert Scherbaum und andere Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei T***** Handelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Gerolf Haßlinger und Dr. Brigitte Haßlinger, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wegen Räumung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 4. November 1998, GZ 3 R 274/98f-18, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Deutschlandsberg vom 25. Mai 1998, GZ 3 C 559/98t-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 3.655,68 S (darin 609,28 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist Eigentümerin des Pfarrhofes T*****, den sie der Pfarre T***** unentgeltlich zur Nutzung überlassen hat. Die Beklagte benützt zwei Räume im Obergeschoß dieses Gebäudes zu Lagerzwecken.

Die Klägerin begehrt die Räumung der von der Beklagten benützten Lagerräume mit dem Vorbringen, die Nutzung erfolge titellos.

Die Beklagte beantragt Klageabweisung und wendet ein, sie habe mit der Klägerin einen Mietvertrag auf unbestimmte Zeit, beginnend ab 1. 11. 1990, abgeschlossen; seit damals zahle sie monatlich 900 S Mietzins auf ein Konto der Pfarre T*****.

Die Klägerin bestreitet die Gültigkeit des Mietvertrages, auf den sich die Beklagte berufe, dieser sei nicht vom Pfarrer als Vertreter der Klägerin unterfertigt. Für die Gültigkeit von Bestandverträgen sei darüber hinaus nach (auch für den staatlichen Bereich verbindlichem) Kirchenrecht die schriftliche Zustimmung des Ortsordinarius notwendig; eine solche liege nicht vor. Der Bischof habe erstmals im November 1997 Kenntnis vom Mietvertrag erlangt, weshalb er ihm zuvor auch nicht konkludent zugestimmt habe. Ein Mietvertrag sei aber auch nicht infolge regelmäßiger Annahme des Mietzinses stillschweigend zustandegekommen, weil die Mietzinse nicht der Klägerin, sondern der Pfarre zugeflossen seien.

Dem hält die Beklagte entgegen, daß der zuständige Ordinarius bereits seit 1995 Kenntnis vom Mietvertrag habe. Seit 1990 schienen in der (der Finanzkammer des Ordinariats jährlich zur Genehmigung vorgelegten) Jahresrechnung der Pfarre T***** die von der Beklagten gezahlten Mietzinse als Einnahmen auf; in der Billigung dieser Einnahmen durch die Finanzkammer liege eine stillschweigende Genehmigung des Mietvertrages.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Es stellte fest, daß der Mietvertrag vom Pfarrgemeinderat besprochen und vom Geschäftsführer der Beklagten sowie einem dazu bevollmächtigten Vertreter des Pfarrgemeinderates (nicht jedoch vom Pfarrer) im Herbst 1990 unterfertigt worden sei. Das Rechtsgeschäft sei dem Ordinarius nicht angezeigt worden. In der Kirchenrechnung der Pfarre scheine der Mietzins als Einnahme auf. Die Kirchenrechnung werde jährlich der Finanzkammer beim Ordinariat vorgelegt, die jedoch die Rechtsgrundlage für den Mietzins nicht prüfe. Für Vermietungen sei die Rechtsabteilung beim Ordinariat zuständig; deren Leiter habe erstmals im Herbst 1997 vom Mietvertrag mit der Beklagten erfahren.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, daß mangels Genehmigung durch die Rechtsabteilung des Ordinariats der Mietvertrag mit der Beklagten nicht rechtsgültig zustandegekommen sei, weil die Klägerin bis Oktober 1997 keine Kenntnis vom Mietvertrag gehabt und sodann unverzüglich das Bestehen eines solchen bestritten habe; auch die stillschweigende Begründung eines Mietverhältnisses durch Annahme des Mietzinses komme mangels (nach innerkirchlichen Vorschriften erforderlicher) Genehmigung des Vertrages durch eine kirchliche Behörde nicht in Betracht. Die Beklagte benütze daher die Räumlichkeiten titellos.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes zwar 52.000 S, nicht aber 260.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es hielt aus rechtlichen Gründen die von der Beklagten beantragte und vom Erstgericht abgelehnte Beweisaufnahme durch Vernehmung des zuständigen Generalvikars sowie Beischaffung eines Ordinariatsaktes zum Beweis des Zeitpunktes der Kenntnis des Ordinariats vom Mietvertrag für entbehrlich. Auch ein Mietvertrag falle unter den Begriff "Belastungs- und Veräußerungsgeschäft" des Kirchenrechts und bedürfe für seine Gültigkeit der (schriftlichen) Zustimmung des Ordinarius; an einer solchen fehle es hier. Eine konkludente Zustimmung dürfe wegen der im Gesetz begründeten Schriftform nicht leichthin angenommen werden und liege unter den gegebenen Umständen nicht allein deshalb vor, weil Kirchenrechnungen genehmigt worden seien, die die Mietzinseinnahmen enthalten hätten.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage fehlt, ob dann, wenn nach kanonischem Recht die Gültigkeit eines Mietvertrages an die schriftliche Zustimmung eines Kirchenoberen gebunden ist, diese Zustimmung allenfalls auch konkludent erfolgen kann; das Rechtsmittel ist aber nicht berechtigt.

Die Beklagte bekämpft die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, die Nichtaufnahme der von der Beklagten beantragten Beweise zum Thema, wann die Kirchenoberen erstmals Kenntnis vom Mietvertrag erlangt hätten, begründe keinen Mangel des erstgerichtlichen Verfahrens. Habe nämlich der Ordinarius über längere Zeit vor Klageeinbringung bereits Kenntnis vom Mietvertrag gehabt, und sei der Mietzins dennoch unwidersprochen angenommen worden, liege darin eine konkludente Genehmigung des Vertrages. Der erkennende Senat hat dazu erwogen:

Zu den in § 867 ABGB genannten, unter der besonderen Vorsorge der öffentlichen Verwaltung stehenden Gemeinden sind nach einhelliger Lehre und stRsp auch die kirchlichen juristischen Personen zu zählen (Schnizer, Schuldrechtliche Verträge der katholischen Kirche in Österreich 168f; Gampl, Veräußerung und Belastung von Kirchenvermögen in rechtsdogmatischer Sicht, JBl 1985, 704ff mwN in FN 14 und 15; SZ 47/59; SZ 48/71; SZ 53/85). Was zur Gültigkeit eines mit ihnen geschlossenen Vertrages erforderlich ist, ist daher auch dem kanonischen Recht zu entnehmen. Das von einem kirchlichen Organ ohne die im kanonischen Recht vorgesehene Genehmigung abgeschlossene Geschäft ist ungültig (nichtig) und kann rechtsgeschäftliche Wirkungen nicht hervorbringen (SZ 47/59; SZ 48/71; SZ 53/85).

Das kirchliche Vertragsrecht ist in Buch V Titel III CIC (can. 1290 - 1298) sowie in jenen Dekreten der Bischofskonferenz geregelt, die (in Erfüllung der ihr in can. 1297 CIC zugewiesenen Aufgaben) Normen über die Vermietung und Verpachtung von Kirchenvermögen aufstellen (Puza in Listl/Müller/Schmitz, Handbuch des katholischen Kirchenrechts 911; Schwendenwein, Das neue Kirchenrecht 440). In Österreich wurden von der Bischofskonferenz solche Ausführungsbestimmungen erlassen, die unter anderem vorsehen, daß Bestandverträge schriftlich abzuschließen sind und der schriftlichen Genehmigung durch den Ordinarius bedürfen (Amtsblatt der Österreichischen Bischofskonferenz vom 25. 1. 1984 Nr. 7: Dekret über Bestandverträge gem can. 1297 CIC, abgedruckt in Pree,

Die wichtigsten Neuerungen im katholischen Kirchenrecht unter besonderer Berücksichtigung des österreichischen staatlichen Rechts, JBl 1987, 20ff, 94). Der Oberste Gerichtshof hat im übrigen schon zum CIC 1917 ausgesprochen, daß es als Folge des weiten Alienationsbegriffes des Kirchenrechts keinem Zweifel unterliegt, daß auch der Abschluß eines (den mietengesetzlichen Bestimmungen unterliegenden) Bestandvertrages unter jene (belastenden) Verträge fällt, deren Gültigkeit nach Kirchenrecht an die Zustimmung des Kirchenoberen gebunden ist (SZ 59/62 = JBl 1987, 312 [Primetshofer] = EvBl 1987/74 = MietSlg 38.105/16); durch die Erlassung des CIC 1984 und des zitierten Dekrets der österreichischen Bischofskonferenz ist demnach nur insoweit eine Änderung in der Rechtslage eingetreten, als diese Zustimmung nunmehr schriftlich zu erfolgen hat.

Das Erfordernis der (in Österreich schriftlichen) Zustimmung zu Bestandverträgen durch den Ordinarius beschränkt die Verfügungsgewalt kirchlicher Organe über Kirchenvermögen und hat - ebenso wie die kanonischen Veräußerungsbestimmungen - in erster Linie Schutzfunktion. Gegenstand des Schutzes ist das Kirchenvermögen im Hinblick auf seine besondere Zweckbindung (Puza aaO). Für den innerstaatlichen Bereich gilt, daß ein Rechtsgeschäft, bei dem die gesetzlich vorgeschriebene Form nicht eingehalten worden ist, nichtig ist; dies wird allgemein damit begründet, daß der Zweck der Formvorschrift nur auf diese Weise erreicht werden kann (Koziol/Welser I10 151f; Rummel in Rummel, ABGB**2 Rz 14 zu § 886 mwN). Für kirchenrechtliche Formvorschriften gilt nichts anderes: Die fehlende schriftliche Zustimmung des Ordinarius zum Bestandvertrag bewirkt dessen Nichtigkeit (vgl. can. 124 CIC).

Für den Standpunkt der Beklagten ist auch aus der zu einem ähnlichen (innerstaatlichen) Sachverhalt ergangenen Entscheidung SZ 55/168 nichts zu gewinnen: Der erkennende Senat hat dort eine - nicht gerade glücklich formulierte - Bestimmung des Hochschülerschaftsgesetzes 1973, die die Gültigkeit eines mit Ausgaben verbundenen Rechtsgeschäftes an die Unterzeichnung durch den Finanzreferenten der Hochschülerschaft gemeinsam mit dem Vorsitzenden oder einem seiner Stellvertreter geknüpft hat, dahin ausgelegt, daß der mit dieser Norm beabsichtigte Kontrolleffekt auch dann erreicht werde, wenn eine bloß konkludente Zustimmung vorliege. Dieser Entscheidung lag der tragende Gedanke zugrunde, daß die Formulierung der auszulegenden Bestimmung nach ihrem Wortlaut nur auf schriftlich abgeschlossene Rechtsgeschäfte abstelle, obwohl keine Norm desselben Gesetzes mündliche Rechtsgeschäfte (bei denen eine Unterzeichnung schon begrifflich nicht in Frage komme) verbiete. Entscheidend anders ist der hier zu beurteilende Sachverhalt gelagert, besteht doch im kirchlichen Vertragsrecht eine eindeutige Norm, wonach jeder (nur schriftlich abzuschließende) Bestandvertrag zu seiner Gültigkeit der schriftlichen Zustimmung des Ordinarius bedürfe; die Möglichkeit einer nur mündlichen oder gar konkludenten Zustimmung ist damit aber jedenfalls ausgeschlossen.

Die Vorinstanzen haben deshalb die Räumungsklage im Ergebnis zu Recht abgewiesen; einer weiteren Auseinandersetzung mit der vom Berufungsgericht breit ausgeführten Frage des Vorliegens einer konkludenten Zustimmung des Bischofs der Diözese Graz-Seckau zum Bestandvertrag bedarf es ebensowenig wie der von der Revisionswerberin gewünschten Ergänzung des Beweisverfahrens zum selben Thema. Letztlich bewirkte auch eine von der Beklagten behauptete Verletzung von (vorvertraglichen) Aufklärungspflichten durch die Klägerin - selbst bei Bejahung einer solchen Verletzung - (nur) schadenersatzrechtliche Konsequenzen (Reischauer in Rummel, ABGB**2 Rz 16 vor §§ 918ff mwN und Rz 14 zu § 1293 mwN), nicht aber die Gültigkeit des ohne Zustimmung des Kirchenoberen abgeschlossenen Vertrages. Der Revision konnte deshalb auch unter diesem Aspekt kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41 Abs 1, 50 Abs 1 ZPO.

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