European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:009OBA00028.21I.0429.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist wesentliches Merkmal des Betriebsbegriffs im Sinne des § 34 Abs 1 ArbVG die organisatorische Einheit, innerhalb der eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft mit technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse fortgesetzt verfolgt. In der „organisatorischen Einheit“ muss die Einheit des Betriebsinhabers, des Betriebszwecks und der Organisation zum Ausdruck kommen. Dieser Einheit muss also ein gewisses Mindestmaß an Selbständigkeit, insbesondere in technischer Hinsicht, eingeräumt sein, und auch dem Ergebnis des Arbeitsvorgangs dieser Einheit muss eine wenn auch beschränkte Abgeschlossenheit oder Unabhängigkeit von anderen Betriebsvorgängen eigen sein (9 ObA 51/14m Pkt 2 f mwN = DRdA 2015/30 [ Firlei ]; RS0051107; RS0051119 ua). Wichtig ist vor allem, dass ein in sich geschlossenes Arbeitsverfahren vorliegt, das Arbeitsergebnis für sich allein bestehen kann und nicht nur ein Hilfs- oder Ergänzungsbetrieb anderer Teile eines Unternehmens vorliegen. Mehrere Arbeitsstätten zusammen können dann als Betrieb angesehen werden, wenn der Betriebsinhaber in diesen Arbeitsstätten einen einheitlichen Zweck verfolgt (RS0051091 [T1]).
[2] Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt nicht auf, weshalb die höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Betriebsbegriff des § 34 Abs 1 ArbVG –wie von ihr behauptet – uneinheitlich sein sollte. Das Resumee der Klägerin lässt die Verschiedenheit der vom Obersten Gerichtshof beurteilten Sachverhalte unberücksichtigt. Aus den von der Klägerin ins Treffen geführten oberstgerichtlichen Entscheidungen (4 Ob 51/85, 8 ObA 10/12x, 9 ObA 147/07v) ergibt sich nichts Gegenteiliges.
[3] Die Frage, ob ein Betrieb iSd § 34 Abs 1 ArbVG vorliegt, kann nur anhand einer Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls beantwortet werden. Sie begründet daher in der Regel keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO. Die hier angefochtene Entscheidung, in der das Vorliegen eines Betriebs verneint wurde, bewegt sich im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung zum Betriebsbegriff.
[4] Die Beklagte ist eine österreichische Tochtergesellschaft eines weltweit tätigen Konzerns. Bei der Geschäftsanschrift der Beklagten handelt es sich lediglich um die Adresse der für die Beklagte tätigen Steuerberatungskanzlei. Die Beklagte beschäftigte 2019/2020 neben der im Marketing tätig gewesenen Klägerin drei Vertriebsmitarbeiter sowie formell (weil es in deren Heimatländern keine Konzerngesellschaften gibt) einen (bis November 2019 zwei) Arbeitnehmer, die aber in der Slowakei bzw in Ungarn sozialversichert und steuerpflichtig waren. Alle Mitarbeiter der Beklagten arbeiteten von zu Hause aus. Eine Koordinierung bzw Zusammenarbeit im Hinblick auf die Arbeitsverrichtung bzw Personalplanung zwischen den für die einzelnen österreichischen Mitarbeiter der Beklagten zuständigen Teamleitern existierte nicht.
[5] Soweit die außerordentliche Revision nun darauf abstellt, dass die Beklagte in den einzelnen Arbeitsstätten (den jeweiligen Arbeitsorten der Arbeitnehmer) einen einheitlichen Zweck verfolge und dies eine Einheit des Betriebs begründe, legt sie nicht dar, woraus sich dieser einheitliche Zweck ergeben sollte. Die bloße Tätigkeit mehrerer Arbeitnehmer für ein Unternehmen begründet noch keine organisatorisch‑technische Einheit. Die hier in unterschiedlichen Bereichen (Vertrieb und Marketing) tätigen Arbeitnehmer der Beklagten verfolgten keinen einheitlichen Betriebszweck (vgl 9 ObA 51/14m).
[6] Mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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