OGH 1Ob34/21p

OGH1Ob34/21p23.3.2021

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.‑Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer‑Zeni‑Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj C*****, geboren am ***** 2014, *****, vertreten durch Dr. Christopher Kempf, Rechtsanwalt in Spittal an der Drau, wegen

Unterhalts, über die Revisionsrekurse der Minderjährigen sowie des Vaters H*****, vertreten durch Dr. Gernot Gasser und Dr. Sonja Schneeberger, Rechtsanwälte in Lienz, gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt als Rekursgericht vom 16. Dezember 2020, GZ 3 R 166/20a‑64, mit dem der mit Beschluss vom 21. Oktober 2020, GZ 3 Pu 172/14s‑56, berichtigte Beschluss des Bezirksgerichts Spittal an der Drau vom 16. Oktober 2020, GZ 3 Pu 172/14s‑55, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0010OB00034.21P.0323.000

 

Spruch:

Beide Revisionsrekurse werden zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Das unterhaltsberechtigte Kind lebt seit Auflösung der Lebensgemeinschaft der Eltern mit seiner Mutter in einem in deren Eigentum stehenden Haus, für dessen Um- und Ausbau die Eltern während der Lebensgemeinschaft gemeinsam einen Kredit aufgenommen haben, der vom Vater (auch nach seinem Auszug) allein zurückbezahlt wird. Die Mutter wurde rechtskräftig zum Ersatz der Kreditraten verpflichtet. Auf ihrer Liegenschaft mit dem Haus ist zugunsten ihres Vaters (des Großvaters des Kindes) ein Belastungs- und Veräußerungsverbot im Grundbuch einverleibt.

[2] Im zweiten Rechtsgang ist in dritter Instanz nur mehr strittig, inwieweit die Kreditzahlungen des (geld-)unterhaltspflichtigen Vaters seine Unterhaltsbemessungsgrundlage mindern.

[3] Das Erstgericht ging davon aus, dass die Kreditzahlungen in voller Höhe als Abzugsposten zu berücksichtigen seien, weil dadurch die Wohnversorgung des Kindes gesichert werde.

[4] Das Rekursgericht vertrat demgegenüber den Standpunkt, dass bei einer Abwägung der Interessen des unterhaltspflichtigen Vaters mit jenen des unterhaltsberechtigten Kindes nur ein Abzug der Hälfte der monatlichen Kreditraten von der Unterhaltsbemessungsgrundlage gerechtfertigt sei, weil durch seine Kreditzahlungen nicht nur die Wohnversorgung des Kindes, sondern auch jene der Mutter erhalten werde. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, „inwieweit der unterhaltspflichtige Vater durch die Vorfinanzierung der letztlich von der Mutter zu tragenden Kreditraten auch eine Wohnversorgung des Kindes sichert und deshalb die Kreditraten (teilweise) von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abgezogen werden können“, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ersichtlich sei.

Rechtliche Beurteilung

[5] Beide Revisionsrekurse sind entgegen diesem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig, weil sie jeweils keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 2 AußStrG aufzeigen.

[6] I. Zum Revisionsrekurs des Kindes:

[7] 1. Kreditverbindlichkeiten bzw Rückzahlungsraten vermindern nicht schlechthin die Unterhaltsbemessungsgrundlage (vgl RS0047508 [insb T4 und T8 zu „Wohnungskrediten“; RS0047491 [T13]), sie können aber ausnahmsweise als Abzugsposten in Betracht kommen (RS0047491 [T1, T9]), etwa wenn sie der Bestreitung existenznotwendiger Aufwendungen oder unabwendbarer außergewöhnlicher Belastungen dienen (RS0047491 [T21]; RS0047508 [T3, T19]). Für die bei der Beurteilung ihrer Abzugsfähigkeit vorzunehmende Interessenabwägung sind der Zeitpunkt und die Art der Entstehung der Verbindlichkeit, der Zweck, für den sie eingegangen wurde, das Einverständnis des (Ehe-)Partners zur Schuldenaufnahme, die Dringlichkeit der Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen und des Unterhaltsberechtigten sowie das Interesse an einer Schuldentilgung, um die Verbindlichkeit nicht weiter anwachsen zu lassen, maßgeblich (RS0079451 [T5]). Auch etwaige Vorteile des Unterhaltsberechtigten sind in diese – nach billigem Ermessen vorzunehmende (vgl RS0047491 [T14]; RS0079451) – Abwägung einzubeziehen (1 Ob 134/09a; 1 Ob 93/19m). Ob Kreditschulden die Unterhaltsbemessungsgrundlage vermindern, hängt jeweils von den Umständen des Einzelfalls ab (RS0079451 [T9]) und begründet daher in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG (vgl RS0007202 [T8]).

[8] 2. Im vorliegenden Fall fällt besonders ins Gewicht, dass es die vom Vater – als Mitschuldner aus dem Kreditvertrag – geleisteten Kreditzahlungen dem Kind ermöglichen, weiter in dem von der Mutter (als Eigentümerin) „zur Verfügung gestellten“ Haus wohnen zu bleiben, weil sonst dessen Zwangsversteigerung durch die kreditgebende Bank drohen würde (vgl bereits die im ersten Rechtsgang ergangene Entscheidung zu 1 Ob 93/19m). Hinzu kommt, dass sich auch bei einem Fortbestand des gemeinsamen Familienlebens – in einer Situation wie der vorliegenden – typischerweise nicht nur die Eltern, sondern auch das unterhaltsberechtigte Kind in ihrem Lebensstandard einschränken hätten müssen, um eine Rückführung des ursprünglich im Interesse der gesamten Familie aufgenommenen Kredits zu ermöglichen (vgl 8 Ob 147/18b).

[9] 3. Die Revisionsrekurswerberin hält der vom Rekursgericht vorgenommenen Interessenabwägung keine überzeugenden Argumente entgegen. Ihre Behauptung, der Kredit sei nur teilweise für den Um- und Ausbau des zunächst von beiden Eltern mit dem Kind bewohnten Haus der Mutter verwendet worden, geht nicht vom festgestellten Sachverhalt aus, sie würde auch an der finanziellen Belastung des Vaters durch die seinerzeit wegen der Bedürfnisse der Familie begründeten Verbindlichkeiten nichts ändern. Auch das Argument, der Vater könne jederzeit Exekution gegen sie führen und seine Regressforderung einbringlich machen, wobei ihm neben der exekutiven Verwertung der Liegenschaft der Mutter auch „andere Exekutionsarten“ zur Verfügung stünden, beruht nicht auf dem vom Rekursgericht zugrunde gelegten Sachverhalt, wonach der Vater seinen Anspruch gegen die Mutter aufgrund ihrer schlechten finanziellen (Einkommens-)Lage – sowie wegen des auf ihrer Liegenschaft zugunsten des Großvaters des Kindes eingetragenen Veräußerungs- und Belastungsverbots – (derzeit) nicht erfolgreich durchsetzen kann.

[10] 4. Die Rechtsmittelwerberin vermengt auch die hier zu beurteilende Frage, ob und in welcher Höhe die Kreditzahlungen des Vaters seine Unterhaltsbemessungsgrundlage mindern, mit der – vom erkennenden Senat schon im ersten Rechtsgang (zu 1 Ob 93/19m) verneinten – Frage, ob diese (bzw der fiktive Mietwert der dadurch erhaltenen Wohnmöglichkeit des Kindes) als Naturalunterhalt anzurechnen seien.

[11] 5. Soweit sich das Kind zur Begründung seines Standpunkts, die Kreditzahlungen des Vaters würden deshalb keinen Abzug von der Unterhaltsbemessungsgrundlage rechtfertigen, weil ihm seine Wohnmöglichkeit im Haus der Mutter von dieser zur Verfügung gestellt werde, auf die im ersten Rechtsgang ergangene Entscheidung des erkennenden Senats bezieht, ist ihm zu entgegnen, dass die Frage einer solchen Abzugsfähigkeit darin nicht abschließend beantwortet wurde. Einen Widerspruch der angefochtenen (Rekurs-)Entscheidung zur genannten (Vor-)Entscheidung des erkennenden Senats zeigt die Rechtsmittelwerberin nicht auf.

[12] 67. Ihre Behauptung, der Kredit habe keinem „existenznotwendigen Bedarf“ gedient, weil das Haus der Mutter auch vor seinem Um- und Ausbau bewohnbar gewesen sei, ist einerseits eine unzulässige Neuerung und andererseits rechtlich irrelevant, weil die Tilgung des von den Eltern gemeinsam aufgenommenen Kredits dem Kind – angesichts des zugunsten der kreditgebenden Bank bestehenden, dem Veräußerungs- und Belastungsverbot im Rang vorgehenden Pfandrechts – die Wohnmöglichkeit erhält. Warum es daran etwas ändern sollte, dass dem Vater ein (wirtschaftlich nicht werthaltiger) Regressanspruch gegen die Mutter zusteht, legt die Revisionsrekurswerberin nicht nachvollziehbar dar. Ihrem Argument, ein (auch bloß teilweiser) Abzug der Kreditzahlungen des Vaters von seiner Unterhaltsbemessungsgrundlage habe deshalb zu unterbleiben, weil er sonst „doppelt bevorzugt“ würde, ist zu entgegnen, dass (auch wegen des zugunsten des Großvaters des Kindes eingetragenen Belastungs- und Veräußerungsverbots) jegliche Anhaltspunkte dafür, dass der Vater seinen Regressanspruch in absehbarer Zeit exekutiv durchsetzen könnte, fehlen. Ob die Mutter in den vom Vater geführten Zivilprozessen zum Ersatz der Kreditzahlungen verpflichtet werden hätte dürfen, ist im vorliegenden Unterhaltsverfahren nicht zu prüfen.

[13] 7. Zusammengefasst vermag das Kind nicht darzulegen, dass das Rekursgericht dadurch, dass es die Hälfte der vom Vater regelmäßig geleisteten Kreditzahlungen von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzog, seinen Entscheidungsspielraum überschritten hätte. Mangels Aufzeigens einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG ist sein Rechtsmittel daher zurückzuweisen.

[14] II. Zum Revisionsrekurs des Vaters:

[15] 1. Was der Revisionsrekurswerber mit seinem Hinweis auf einen von ihm am 2. 11. 2020 in erster Instanz eingebrachten Antrag auf Unterhaltsherabsetzung anstrebt, ist nicht nachvollziehbar. Dieser Antrag ist jedenfalls nicht Gegenstand des Revisionsrekursverfahrens.

[16] 2. Mit der konkreten rechtlichen Beurteilung des Rekursgerichts setzt sich der Vater in seinem Rechtsmittel nicht auseinander. Er geht insbesondere nicht auf dessen zentrale Begründung ein, wonach die von ihm geleisteten Kreditzahlungen deshalb nur zur Hälfte von der Unterhaltsbemessungsgrundlage abzuziehen seien, weil dadurch nicht nur die Wohnmöglichkeit des Kindes, sondern auch jene der Mutter erhalten bleibt. Soweit seine Ausführungen darauf abzielen, dass die Kreditzahlungen überhaupt (mit irgendeinem Betrag) bei der Unterhaltsbemessung zu berücksichtigen seien, ist nicht ersichtlich, inwieweit er damit der angefochtenen Entscheidung entgegentritt. Warum aus Gründen der Billigkeit jedenfalls ein höherer als der vom Rekursgericht vorgenommene Abzug gerechtfertigt sein sollte, legt der Vater nicht dar.

[17] 3. Damit zeigt auch sein Rechtsmittel keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf, sodass es ohne weitere Begründung (§ 71 Abs 3

AußStrG) zurückzuweisen ist.

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