OGH 10ObS161/20d

OGH10ObS161/20d26.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten Univ.‑Prof. Dr.

 Neumayr als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Dr. Grohmann sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Lotz und Mag. Klaus Oblasser (beide aus dem Kreis der Arbeitgeber) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei G*****, vertreten durch Klein, Wuntschek & Partner Rechtsanwälte GmbH in Graz, gegen die beklagte Partei Sozialversicherungsanstalt der Selbständigen, 1051 Wien, Wiedner Hauptstraße 84–86, wegen Alterspension, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 12. November 2020, GZ 6 Rs 27/20t‑17, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:010OBS00161.20D.0226.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Vorinstanzen verneinten den Anspruch des Klägers auf Zuerkennung einer abschlagsfreien Alterspension bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahrs. Das Anfallsalter betrage nach § 130 GSVG für männliche Versicherte 65 Jahre.

[2] Der Verfassungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 22. 9. 2020, G 182/2020-11 und G 184/2020‑11 die Behandlung des Antrags auf Aufhebung von Regelungen in § 130 Abs 1 GSVG und § 16 Abs 6 APG betreffend das unterschiedliche Regelpensionsalter für männliche und weibliche Versicherte abgelehnt. Nach Fortsetzung des Rechtsmittelverfahrens ist nur Thema, ob die gesetzlichen Bestimmungen über die unterschiedlichen Altersgrenzen, insbesondere die im Bundesverfassungsgesetz über unterschiedliche Altersgrenzen von männlichen und weiblichen Sozialversicherten (BVG Altersgrenzen, BGBl 1992/832) geregelte schrittweise Anhebung der Altersgrenze als sachlich nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung gegen das Unionsrecht verstößt.

[3] Zu 10 ObS 44/14i (DRdA 2015/52, 538 [Rebhan] = SSV‑NF 28/74 = SZ 2014/130 = ZAS 2015/35, 222 [Kapuy]; RIS‑Justiz RS0129869) sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass § 130 Abs 1 GSVG nicht gegen die in Art 20 Abs 1 und Art 23 Abs 1 Grundrechtecharta (GRC) verankerten Grundsätze der Gleichbehandlung und der Nichtdiskriminierung, die Österreich bei der Umsetzung der Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. 12. 1979 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit gemäß Art 51 Abs 1 GRC zu beachten habe, verstoße. Die Entscheidung betonte den weiten Ermessenspielraum, der den Mitgliedstaaten bei der Wahl der zur Verwirklichung ihrer sozial‑ und beschäftigungspolitischen Ziele geeigneten Maßnahmen offenstehe, und die in den Mitgliedstaaten unterschiedlichen Endzeitpunkte der laufenden Anpassungsprozesse.

[4] Diesen Standpunkt hat der Oberste Gerichtshof erst jüngst in der Entscheidung vom 13. 10. 2020 10 ObS 26/20a, im Zusammenhang mit einer Korridorpension mit ausführlicher Begründung aufrechterhalten. Er setzte sich dabei eingehend mit den in der Lehre wiederholt geäußerten Bedenken gegen die Unionsrechtskonformität der im BVG‑Altersgrenzen gewählten Übergangsfristen sowie der Forderung nach einer (auch hier in der außerordentlichen Revision angeregten) Einholung einer Vorabentscheidung auseinander. Der erkennende Senat sieht sich durch die Revisionsausführungen, nicht dazu veranlasst, die in der Entscheidung 10 ObS 26/20a dargelegten Grundsätze zu revidieren.

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