OGH 6Ob127/20z

OGH6Ob127/20z18.2.2021

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden und die Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.‑Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. L*, vertreten durch Dr. Johannes Kirschner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei Ö* Aktiengesellschaft, *, vertreten durch Wolf Theiss Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 10. April 2020, GZ 2 R 35/20k‑19, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 27. Dezember 2019, GZ 2 Cg 72/19v‑15, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E131051

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Der Kläger ist schuldig, der Beklagten die mit 488,46 EUR (darin 45,74 EUR Umsatzsteuer und 214 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

[1] Die Beklagte ist der landesweit führende Logistik- und Postdienstleister, zu dessen Hauptgeschäftsbereichen die Beförderung von Briefen, Werbesendungen, Printmedien und Paketen zählt. Darüber hinaus verfügt die Beklagte über eine Gewerbeberechtigung als „Adressverlag und Direktmarketingunternehmen“ iSd § 151 GewO, ist also berechtigt, „personenbezogene Daten aus öffentlich zugänglichen Informationen, durch Befragung der betroffenen Personen, aus Kunden- und Interessenten-dateisystemen Dritter oder als Marketingdateisystemen anderer Adressverlage und Direktmarketingunternehmen zu ermitteln“. Adressverlage und Direktmarketingunternehmen dürfen erhobene Marketinginformationen und Marketingklassifikationen aufgrund von Marketinganalyse-verfahren auch namentlich bestimmten Personen zuschreiben und diese Marketinggruppen für Marketingzwecke verwenden und unter bestimmten Voraussetzungen an Dritte übermitteln.

[2] Über Aufforderung des Klägers, eines Rechtsanwalts, vom 14. 1. 2019 erteilte ihm die Beklagte mit Schreiben vom 14. 2. 2019 Auskunft über die in Bezug auf seine Person verarbeiteten, personenbezogenen Daten. Demnach seien über den Kläger folgende Daten gespeichert: Telefonnummer, Akademiker, Bioaffin, Nachtschwärmer, Heimwerker, Investmentaffin, Lebensphase (Shop), Distanzhandelaffin, Paketfrequenz, Paketrecency; Anzahl der Pakete pro Jahr; Anzahl der Wochen/Jahr, in der man Pakete bekommt; Versandhandelskäufer; Anzahl der Pakete im Zeitraum vor 6 bis 12 Monaten. Die in diesem Auskunftsschreiben angeführten Marketingdaten über den Kläger waren von der Beklagten auf der Rechtsgrundlage der Gewerbeberechtigung der Beklagten erhoben worden. Die genannten Affinitäten stell(t)en lediglich die Zuordnung einer bestimmten Person aufgrund der Zuschreibung bestimmter Marketing-Klassifikationen im Wege eines Marketing-Analyseverfahrens zu einer Marketinggruppe dar. Der eigentliche Aussagegehalt etwa des Attributs „Investmentaffin“ war daher nicht, dass damit über eine bestimmte Person Daten über deren Finanzgebarung erhoben und bewertet würden, sondern lediglich, dass diese Person aufgrund bestimmter soziodemographischer Umstände (Alter, Wohnort, Bildungsgrad udgl) einer Marketinggruppe zugeordnet wurde, hinsichtlich der das Vorliegen des Attributs (investmentaffin) mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit angenommen worden sei. Das bedeutet(e), dass das Attribut im konkreten schwach oder sogar gar nicht ausgeprägt, die betroffene Person sogar investmentaverse gewesen sein könnte und dennoch die Zuordnung zur Marketinggruppe als solcher statisch richtig vorgenommen wurde. Im Auskunftsschreiben teilte die Beklagte dem Kläger auch mit, dass seine Daten nicht zu Marketingzwecken an Dritte weitergegeben worden seien; in der Anlage zum Schreiben wurde allerdings eine Weitergabe der Nachsendedaten des Klägers an die N* GmbH ausgewiesen. Es steht nicht fest, dass darüber hinaus personenbezogene Daten des Klägers an Dritte übermittelt bzw weitergegeben worden wären.

[3] Angaben zu gespeicherten E-Mail-Adressen des Klägers enthielt das Auskunftsschreiben nicht, wobei allerdings in diesem Zusammenhang nicht feststeht, dass die E-Mail-Adresse l*@gmail.com des Klägers aus anderer Quelle als dem von ihm selbst angelegten Postaccount bei der Beklagten stammt, zu dem sich der Kläger am 1. 12. 2017 unter Angabe dieser E-Mail-Adresse angemeldet hatte, und dass die Verarbeitung der E-Mail-Adresse nicht deshalb erforderlich wäre, um von Seiten der Beklagten mit dem Kläger zu kommunizieren. Dass dem Kläger ein Recht auf Löschung der (privaten) E-Mail-Adresse zusteht, wurde ihm im Auskunftsschreiben vom 14. 2. 2019 unter Hinweis auf die Datenschutzerklärung und unter Anführung mehrerer Kommunikationswege mitgeteilt. Der Kläger hatte und hat jederzeit die Möglichkeit, seinen Account bei der Beklagten selbst zu löschen, indem er sich dort einloggte und im Bereich „Einstellungen“ den Button „Registrierung löschen“ bestätigt. Damit wäre auch die E-Mail-Adresse gelöscht worden. Von der Beklagten war die Löschung außergerichtlich nicht begehrt worden.

[4] Das Berufungsgericht stellte – in teilweiser Abänderung der Entscheidung des Erstgerichts, das das gesamte auf Feststellung, Datenlöschung und Auskunftserteilung gerichtete Klagebegehren abgewiesen hatte – gegenüber der Beklagten fest, dass diese dem Kläger bei allfälligen Auskunftsverlangen über Daten zur Bioaffinität, Nachtschwärmereigenschaft, Heimwerkereigenschaft, Akademikereigenschaft, Lebensphase, Investment- und Distanzhandelsaffinität und Kinderlosigkeit des Klägers Auskunft im Sinn des Datenschutzgesetzes zu erteilen habe (Art 15 Abs 1 lit a bis g DSGVO). Darüber hinaus sprach das Berufungsgericht aus, dass die ordentliche Revision zulässig ist; es fehle Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Zulässigkeit der unternehmerischen Verarbeitung und Verwertung personenbezogener Daten nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

[5] In der Sache selbst – soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Belang ist – bejahte das Berufungsgericht ausdrücklich, wenn auch nur in den Entscheidungsgründen, die Zulässigkeit des Rechtswegs, begehre der Kläger doch keinen Schadenersatz, sondern stütze er sich auf die Verletzung seines Persönlichkeitsrechts auf Datenschutz wegen der Verneinung von Auskunftsrechten und auf Beseitigungsansprüche. Die von der Beklagten gemäß § 151 GewO erhobenen Daten seien personenbezogen, beschränke sich doch Art 4 Z 1 DSGVO nicht etwa auf sensible oder private Informationen, sondern erfasse alle Arten von Informationen sowohl objektiver als auch subjektiver Natur in Form von Stellungnahmen oder Beurteilungen unter der Voraussetzung, dass es sich um Informationen über die in Rede stehende Person handelt. Daraus folge, dass nach § 1 Abs 3 Z 1 DSG iVm Art 15 DSGVO bei künftigen (weiteren) Anfragen des Klägers ein Recht auf Auskunft über allfällige nach § 151 Abs 6 GewO erhobene und gespeicherte Daten besteht, womit das (modifizierte) Feststellungsbegehren zu Recht bestehe; nach § 228 ZPO sei das (Nicht‑)Bestehen eines Rechts(‑verhältnisses) feststellungsfähig.

Rechtliche Beurteilung

[6] Die Revision der Beklagten ist zulässig; sie ist auch berechtigt.

[7] 1. Die Beklagte bestreitet auch im Revisionsverfahren die Zulässigkeit des Rechtswegs und vertritt den Standpunkt, für „reine“ Auskunftsbegehren sei von Art 79 DSGVO kein gerichtlicher Rechtsbehelf vorgesehen. Sie übersieht dabei zwar, dass einer meritorischen Erledigung eines solchen Einwands durch den Obersten Gerichtshof eine bindende Entscheidung iSd § 42 Abs 3 JN selbst dann entgegensteht, wenn das Berufungsgericht – wie auch hier – (nur) in den Gründen seiner Entscheidung das Vorliegen eines Prozesshindernisses ausdrücklich verneinte; Prozesshindernisse können in höherer Instanz nicht mehr wahrgenommen werden, wenn eine sie betreffende bindende Entscheidung des Berufungsgerichts entgegensteht (RS0043800; zur Bejahung der Zulässigkeit des Rechtswegs 10 ObS 267/00p; 1 Ob 88/12s ecolex 2012/346 [Wilhelm]), und zwar unabhängig davon, ob die Nichtigkeit in einer Berufung geltend gemacht oder vom Berufungsgericht von Amts wegen in Erwägung gezogen worden war (8 Ob 54/03d).

[8] Zur Klarstellung der Rechtslage hat der erkennende Senat aber erwogen:

[9] 1.1. Nach der Rechtslage vor Inkrafttreten der DSGVO war in Österreich der Auskunftsanspruch gemäß § 32 DSG 2000 stets vor der Datenschutzbehörde durchzusetzen, weshalb nunmehr auch strittig ist, ob das Recht auf Auskunft von Art 79 Abs 1 DSGVO umfasst ist (vgl die Nachweise bei Leupold/Schrems in Knyrim, DatKomm Art 79 DSGVO Rz 13 FN 29).

[10] Nach dem Zweck der Bestimmung soll die Ausübung des Auskunftsrechts aber gerade klären, ob eine Datenverarbeitung erfolgt(e), weshalb im Hinblick auf die angestrebte Effektuierung der Rechtsdurchsetzung nicht anzunehmen ist, dass der europäische VO‑Geber den Rechtsschutz betroffener Personen derart schwächen wollte, dass das Recht auf Auskunft nicht von Art 79 Abs 1 DSGVO erfasst sein sollte (Leupold/Schrems aaO; ähnlich Bergt in Kühling/Buchner, DS‑GVO Art 79 Rz 6). Auch nach Jahnel (Zum Zusammenspiel zwischen dem verwaltungsrechtlichen Weg und dem Zivilrechtsweg und die Schnittstellen zum Verfassungsrecht und zum Europarecht, in Nunner‑Krautgasser/Garber/Klauser, Rechtsdurchsetzung im Datenschutz nach der DSGVO und dem DSG 2018, 67 [71]) kann eine betroffene Person unmittelbar aufgrund von Art 79 DSGVO bei Verstößen gegen Rechte, die ihr nach der DSGVO zustehen, insbesondere auch Ansprüche auf Auskunft, bei den Zivilgerichten geltend machen.

[11] Der Wortlaut des Art 79 Abs 1 DSGVO spricht allgemein von den „aufgrund dieser Verordnung zustehenden Rechten“. Von Lewinski (in Eßer/Kramker/von Lewinski, DSGVO‑BDSG6 Art 79 DSGVO Rz 2) führt deshalb dazu aus, diese Bestimmung sei etwa auf die Durchsetzung eines Unterlassungsanspruchs gerichtet, erstrecke sich aber auch auf weitere (Hilfs‑)Ansprüche wie die Durchsetzung von (Leistungs‑)Ansprüchen etwa auf Auskunft.

[12] Zweifel werden hingegen zwar von Martini (in Paal/Pauly, DSGVO‑BDSG² Art 79 DSGVO Rz 22a) geäußert, der an anderer Stelle (Rz 12) aber ebenso auf das duale Rechtsschutzsystem vor Gericht und Aufsichtsbehörde hinweist. Kreße (in Sydow, DSGVO² Art 79) nennt zwar in Rz 7 zunächst auch das Auskunftsrecht, differenziert in Rz 16 f dann aber dahin, ob Auskunft darüber, ob überhaupt Daten verarbeitet werden (Art 15 Abs 1 Halbsatz 1 DSGVO), oder ob Auskunft zu bestimmten verarbeiteten Daten begehrt wird (Art 15 Abs 1 Halbsatz 2 DSGVO).

1.2.  Der erkennende Fachsenat hat sich bereits in den Entscheidungen 6 Ob 131/18k (ecolex 2019/151 [Zemann] = iFamZ 2019/78 [Deixler‑Hübner] = jusIT 2019/29 [Thiele; Jahnel, 123] = RZ 2019/11 [Spenling] = MR 2019, 190 [Walter]) und 6 Ob 91/19d (VbR 2019/87 [Schmidl, VbR 2020, 160] = jusIT 2019/55 [Jahnel/Thiele]) mit dem System der Zweigleisigkeit des Rechtsschutzes nach der DSGVO eingehend befasst und dieses im Grundsatz bejaht. Wenn aber nach der Entscheidung 6 Ob 131/18k die Zweigleisigkeit jedenfalls für den Löschungsanspruch gilt, wäre es kaum zu begründen, warum dies beim Auskunftsanspruch anders sein sollte, zumal es sich auch dabei um ein Recht mit privatrechtlichem Charakter handelt (vgl Leupold/Schrems in Knyrim, DatKomm Art 79 DSGVO Rz 2). Auch Bergt (in Kühling/Buchner, DS‑GVO Art 79 Rz 13) meint, die Geltendmachung von Auskunfts-, Informations-, Unterlassungs- oder Schadenersatzansprüchen gegen Verantwortliche oder Auftraggeber sei vor Gericht parallel zur Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde zulässig.

[13] 1.3. Jüngst hat der Senat im Übrigen die Zulässigkeit einer Klage auf Zurverfügungstellung einer Kopie nach Art 15 Abs 3 DSGVO bejaht (6 Ob 138/20t).

[14] 1.4. Damit ist aber das Berufungsgericht zutreffend von der Zulässigkeit des Rechtswegs für die Geltendmachung von datenschutzrechtlichen Auskunftsansprüchen ausgegangen.

[15] 2. Art 4 Nr 1 DSGVO definiert „personenbezogene Daten“ als alle Informationen, die sich auf eine identifizierte oder identifizierbare natürliche Person beziehen. Der Begriff ist weit zu verstehen (Hödl in Knyrim, DatKomm Art 4 DSGVO Rz 9; Eßer in Eßer/Kramer/von Lewinski, DSGVO‑BDSG6 Art 4 DSGVO Rz 7).

[16] 2.1. Deshalb weisen auch innere Zustände wie Meinungen, Motive, Wünsche, Überzeugungen und Werturteile sowie statistische Wahrscheinlichkeitsaussagen, die nicht bloße Prognose- oder Planungswerte darstellen, sondern subjektive und/oder objektive Einschätzungen zu einer identifizierten oder identifizierbaren Person liefern, einen Personenbezug auf (Hödl aaO; Klar/Kühling in Kühling/Buchner, DS‑GVO Art 4 Nr 1 Rz 10; ebenso persönliche Überzeugungen, Vorlieben, Verhaltensweisen oder Einstellungen nennend Ernst in Paal/Pauly, DSGVO‑BDSG² Art 4 DSGVO Rz 14). Damit umfasst der Begriff der „Information“ nicht nur Aussagen zu überprüfbaren Eigenschaften oder sachlichen Verhältnissen der betroffenen Person, sondern auch Einschätzungen und Urteile über sie, wie etwa „X ist ein zuverlässiger Mitarbeiter“ (Klabunde in Ehmann/Selmayer, DS‑GVO² Art 4 Rz 9; vgl auch Gola in Gola, DSGVO² Art 4 Rz 13). In diesem Sinne sind Daten mit Bezug zu einer Person auch dann personenbezogen, wenn sie unzutreffend sind (Reimer in Sydow, DSGVO² Art 4 Rz 41); der Wahrheitsgehalt ist für die Betrachtung unerheblich (Klabunde aaO). Wahrscheinlichkeitsangaben haben Personenbezug, gleich ob sie sich auf Sachverhalte in der Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft beziehen (Ernst aaO).

[17] Aggregierte oder statistische Daten sind hingegen dann nicht personenbezogen, wenn sie keine Rückschlüsse mehr auf eine einzelne Person zulassen, was im Einzelfall anhand der gewählten Gruppengröße, des Aggregationsniveaus oder der in der Statistik ausgewiesenen Merkmale zu beurteilen ist (Eßer in Eßer/Kramer/von Lewinski, DSGVO‑BDSG6 Art 4 DSGVO Rz 31; Klar/Kühling in Kühling/Buchner, DSGVO‑BDSG³ Art 4 Nr 1 DSGVO Rz 15). Es kommt daher darauf an, ob eine Sammelangabe über eine Personengruppe gemacht oder ob eine Einzelperson als Mitglied einer Personengruppe gekennzeichnet wird, so etwa bei der Klassifizierung von zu Werbezwecken gespeicherten Daten, wenn Bewohner einer Straße aufgrund der Bevölkerungsstruktur einer bestimmten Käufergruppe oder Kaufkraftklasse zugeordnet werden (Gola in Gola, DSGVO² Art 4 Rz 8); anderes würde hingegen etwa bei der Aussage gelten, dass der Krankenstand der Mitarbeiter des Unternehmens A um X % zugenommen hat, wenn das Unternehmen eine Vielzahl von Mitarbeitern beschäftigt (Klar/Kühling aaO).

[18] Knyrim (Zur Zulässigkeit des Adresshandels der Ö* AG, ecolex 2019, 715), dem sich das Erstgericht angeschlossen hatte, vertritt die Auffassung, dass die von der Post ermittelten Wahrscheinlichkeitsangaben keine Aussagen über spezifische Personen, sondern vielmehr anonyme, abstrakte Durchschnittswerte von Marketinggruppen darstellten, die einer Person lediglich „zugeschrieben“ würden. Es mangle daher schon am Kriterium der Information über eine bestimmte Person, weshalb „fraglich“ sei, ob die gegenständlichen Wahrscheinlichkeitsangaben als personenbezogene Daten einzustufen seien und daher unter die DSGVO fielen. Dem vermag sich der erkennende Senat nicht anzuschließen:

[19] 2.2. Im Sinn des unter 2.1. wiedergegebenen Meinungsstands unterliegen die hier zu beurteilenden Informationen dem Regime der DSGVO, sind sie doch dem Kläger direkt zugeordnet und enthalten Aussagen etwa über seine Vorlieben und Einstellungen; ob die Einschätzungen tatsächlich zutreffend sind, ist dabei hingegen unerheblich. Auch dass die Daten (lediglich) über statistische Wahrscheinlichkeiten errechnet sind, ändert nichts am Vorliegen personenbezogener Daten. Die „Affinitäten“ enthalten eine Wahrscheinlichkeitsaussage über bestimmte Interessen und Vorlieben des Klägers. Dem steht auch nicht die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) entgegen (Rs C‑141/12 und C‑372/12 [ECLI:EU:C:2014:2081]), auf die sich die Beklagte in ihrer Revision beruft, ist doch dort ausdrücklich festgehalten, dass es sich bei den in der Analyse über den Aufenthaltstitel verwendeten Daten sehr wohl um personenbezogene Daten handelt.

[20] Zum selben Ergebnis gelangte im Übrigen erst jüngst das Bundesverwaltungsgericht (W 258 2217446‑1) im Verfahren über einen die Beklagte betreffenden Bescheid der Datenschutzbehörde, der ebenfalls die „besondere[n] Kategorien personenbezogener Daten im Rahmen der Ausübung des Gewerbes 'Adressverlage und Direktmarketingunternehmen' mangels Einwilligung der betroffenen Personen“ zum Gegenstand hatte. Das Bundesverwaltungsgericht hielt dabei fest (ErwGr 3.2.3), dass die Verknüpfung der Parteiaffinität mit einer einzelnen Person das Inhaltselement einer personenbezogenen Information erfüllte; so enthalte, auch wenn die tatsächliche politische Meinung des Betroffenen nicht bekannt ist, die Parteiaffinität eine unmittelbare Aussage über die konkrete Person, nämlich mit welcher Wahrscheinlichkeit sie sich für Werbung von einer bestimmten politischen Partei interessiert; diese Aussage sei, auch wenn sie auf Grund der Ermittlungsmethode einer statistischen Schwankungsbreite unterliegt, nicht völlig zufällig, sondern leite sich aus Korrelationen ab, die aus Meinungsumfragen und Wahlergebnissen gewonnen worden seien; es handle sich um eine statistisch fundierte Einschätzung der Person in Bezug auf ihr Interesse an Werbung für eine bestimmte politische Partei.

[21] 2.3. Nach § 151 Abs 1 GewO, auf den sich die Beklagte beruft, sind auf die Verwendung von personenbezogenen Daten für Marketingzwecke Dritter durch die zur Ausübung des Gewerbes der Adressverlage und Direktmarketingunternehmen berechtigten Gewerbetreibenden die Bestimmungen der DSGVO und des DSG anzuwenden, soweit im Folgenden nicht Besonderes angeordnet ist. Nach § 151 Abs 6 GewO dürfen Gewerbetreibende nach Abs 1 für Marketingzwecke erhobene Marketinginformationen und ‑klassifikationen, die namentlich bestimmten Personen aufgrund von Marketinganalyseverfahren zugeschrieben werden, nur für Marketingzwecke verwenden und sie insbesondere an Dritte nur dann übermitteln, wenn diese unbedenklich erklären, dass sie diese Analyseergebnisse ausschließlich für Marketingzwecke verwenden werden. § 151 Abs 8 und 9 GewO enthält Bestimmungen über den Löschungsanspruch und die sog „Robinson‑Liste“.

[22] 2.3.1. Der Inhalt des § 151 Abs 6 GewO besteht darin, dass die Verwendung von Marketinginformationen und -klassifikationen (die infolge statistischer Auswertungen ermittelt wurden und keinen Anspruch auf Richtigkeit für sich haben), welche namentlich bestimmten Personen aufgrund von Marketinganalyseverfahren zugeschrieben werden, an den ausschließlichen Zweck des Marketings gebunden wird. Dafür erhobene Daten dürfen weiters an Dritte nur dann übermittelt werden, wenn diese unbedenklich erklären, dass sie diese Analyseergebnisse ausschließlich in der Absicht verwenden, sie für Marketing einzusetzen; dies kann nur vertraglich erfolgen (Riesz in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO § 151 Rz 28). Nach § 151 Abs 6 GewO dürfen Analyseergebnisse, um Missbrauch zu verhindern, somit nur in einem sehr engen rechtlichen Korsett verwendet werden, nämlich nur von einem dafür im Gewerberegister registrierten Adressverlag und Direktmarketingunternehmen berechnet und nur gegen Abgabe einer Unbedenklichkeitserklärung weitergegeben werden, dass diese ausschließlich für Marketingzwecke verwendet werden (Knyrim, ecolex 2019, 715).

[23] 2.3.2. § 151 Abs 6 GewO ermächtigt Adressverlage und Direktmarketingunternehmen somit, die durch sie erhobenen bzw ermittelten Daten an Dritte zu übermitteln, um diese Daten wirtschaftlich sinnvoll nutzen zu können. Die Bestimmung bezieht sich aber nicht auf von Dritten an Gewerbetreibende gemäß Abs 1 übermittelte Daten, weil diese nicht von Adressverlagen und Direktmarketingunternehmen – wie Abs 6 verlangt – für Marketingzwecke „erhoben“ wurden; folglich ist eine Umgehung von Datenübermittlungen unter Zwischenschaltung eines Adressverlags und Direktmarketingunternehmens ohne Zustimmung des Betroffenen nicht möglich (Riesz in Ennöckl/Raschauer/Wessely, GewO § 151 Rz 29; näher Mayer‑Schönberger, Warum Ermitteln nicht Erheben ist: Datenschutz und Direktmarketing, ecolex 2004, 417).

[24] 2.3.3. Davon ausgehend ist die Auffassung, dass es sich bei den hier zu beurteilenden Daten um Marketinginformationen und -klassifikationen iSd § 151 Abs 6 GewO handelt, nicht zu beanstanden. § 151 Abs 6 GewO regelt jedoch nur die Verwendung dieser Daten, ändert aber nichts daran, dass es sich dabei um von der DSGVO erfasste personenbezogene Daten handelt (vgl Gruber/Paliege‑Barfuß, GewO7 § 151 Anm 3 dritter Absatz). Die – auf Knyrim, ecolex 2019, 715 – zurückgehende Auffassung der Beklagten, die in § 151 Abs 6 GewO genannten Marketinginformationen und ‑klassifikationen seien keine personenbezogenen Daten iSd Art 4 Nr 1 DSGVO, kann – auch vor dem Hintergrund des oben dargestellten Meinungsstands zu Art 4 Nr 1 DSGVO – nicht geteilt werden, zumal es dem nationalen Gesetzgeber nicht zusteht, den Anwendungsbereich der DSGVO derart einzuschränken. In diesem Sinne führte auch das Bundesverwaltungsgericht (W 258 2217446‑1 [ErwGr 3.2.4.3]) aus, die Argumentation der Beklagten übersehe, dass der Begriff „personenbezogene Daten“ in Art 4 Abs 1 Z 1 DSGVO, also einer europarechtlichen Norm, die unmittelbar in den Mitgliedstaaten anwendbar ist, definiert werde; mangels einer entsprechenden Öffnungsklausel sei der Begriff europarechtlich autonom auszulegen, zu seiner Definition bzw Interpretation könne nicht auf Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, hier § 151 GewO, zurückgegriffen werden.

[25] 3. Letztlich kann daraus für den Standpunkt des Klägers aber nichts gewonnen werden. Die Revision macht nämlich geltend, die Beklagte habe sowohl Auskunftsbegehren als auch Löschungsbegehren erfüllt. Zumal ein aufrechter Widerspruch des Klägers gegen die weitere Verarbeitung der Daten vorliegt, dürfe sie keine weiteren Daten verarbeiten, sodass es dem Kläger an einem rechtlichen Interesse für die begehrte und vom Berufungsgericht ausgesprochene Feststellung mangle.

[26] 3.1. Tatsächlich hat sich das Berufungsgericht mit dem nach § 228 ZPO bei Feststellungsklagen erforderlichen rechtlichen Interesse des Klägers nicht näher befasst. Dieses Erfordernis hat aber seinen Grund darin, dass die Entscheidung präventiv (vorbeugend) und lediglich deklarativ (also weder die Rechtslage unmittelbar verändernd noch zwangsweise durchsetzbar) ist und Feststellungsurteile eine sinnvolle Vorbeugungswirkung nur dann entfalten können, wenn ein aktueller Anlass zu einer solchen vorbeugenden Klärung besteht (Frauenberger‑Pfeiler in Fasching/Konecny³ III/1 § 228 ZPO Rz 75). Der Mangel des rechtlichen Interesses an der Feststellung ist auch im Rechtsmittelverfahren und von Amts wegen wahrzunehmen (RS0039123).

[27] 3.2. Das zum Gegenstand einer Feststellungsklage gemachte Rechtsverhältnis muss eine unmittelbare rechtliche Wirkung auf die Rechtsstellung des Klägers ausüben, es muss also geeignet sein, die Beeinträchtigung der Rechtssphäre durch den Gegner zu beenden und einen künftigen weiteren Rechtsstreit zu vermeiden; dieser vorbeugenden Wirkung können Feststellungsklage und Feststellungsurteil nur dann gerecht werden, wenn ein aktueller Anlass zu einer solchen vorbeugenden Klärung überhaupt gegeben ist (RS0039071). Die Feststellung von bloßen „Rechtslagen“ reicht dafür nicht aus (RS0037422 [T8]). Auch die bloße Möglichkeit, dass es in der Zukunft einmal zu einem Streit über das Rechtsverhältnis kommen könnte, schafft noch kein aktuelles Feststellungsinteresse (so etwa nicht der Wunsch, sofort Gewissheit über eine erst in Zukunft unter bestimmten Umständen zu erfüllende Verbindlichkeit zu erlangen [Frauenberger‑Pfeiler in Fasching/Konecny³ III/1 § 228 ZPO Rz 87]). Die Feststellungsklage bedarf vielmehr eines konkreten, aktuellen Anlasses, der zur Hintanhaltung einer nicht bloß vermeintlichen, sondern tatsächlichen und ernstlichen Gefährdung der Rechtslage des Klägers eine ehebaldige gerichtliche Entscheidung notwendig macht (RS0039215). Ein rechtliches Interesse an der alsbaldigen Feststellung kann dabei regelmäßig nur bejaht werden, wenn eine Verschlechterung der rechtlichen Position des Klägers bei einer Verweisung auf ein erst später mögliches gerichtliches Vorgehen zu befürchten wäre (RS0039215 [T8]).

[28] Ein Interesse an der Feststellungsklage ist zu bejahen, wenn das Feststellungsbegehren geeignet ist, über die Rechtsbeziehungen der Parteien ein für allemal Klarheit zu schaffen und einen künftigen Leistungsanspruch abzuschneiden (RS0038908). Diese Voraussetzungen sind etwa dann gegeben, wenn ein Vertragspartner einen vom anderen behaupteten, noch nicht fälligen Anspruch beziehungsweise das Rechtsverhältnis außerprozessual bestreitet, weil ein den bestrittenen Anspruch feststellendes Urteil den Schuldner regelmäßig zur Leistung bei Fälligkeit bewegen und damit eine Leistungsklage erübrigen wird (RS0038908 [T14]). Grundsätzlich verdrängt aber die Möglichkeit der Leistungsklage bei gleichem Rechtsschutzeffekt die Feststellungsklage (RS0038849; RS0038817). Auch einem Begehren auf Feststellung der Haftung für aus einer Rechtsverletzung resultierende Schäden ist der Boden entzogen, wenn feststeht, dass weitere Schäden aus dem schädigenden Ereignis nicht eintreten können (RS0039071 [T6]). Bei einem Dauerschuldverhältnis ist das rechtliche Interesse an der alsbaldigen Feststellung seines Bestehens hingegen zu bejahen, weil mit der Leistungsklage nur einzelne daraus entspringende Ansprüche geltend gemacht werden können (RS0038809).

[29] Ob ungeachtet einer vom Beklagten im Lauf des Prozesses zugunsten des Klägers abgegebenen Erklärung der Fortbestand eines rechtlichen Interesses des letzteren an einer alsbaldigen Feststellung des begehrten Inhalts bejaht werden kann, lässt sich nur nach den besonderen Umständen des einzelnen Falls beurteilen (RS0039224). Hat der Beklagte die tatsächliche Rechtslage bereits in der Klagebeantwortung klargestellt und der Kläger die zunächst unrichtige Berühmung durch den Beklagten mitveranlasst, liegt in der Auffassung, das Feststellungsinteresse sei bereits vor Schluss der mündlichen Verhandlung weggefallen, keine Fehlbeurteilung (6 Ob 37/13d).

[30] 3.3. Nach den Feststellungen der Vorinstanzen hat die Beklagte das Auskunftsbegehren des Klägers erfüllt; darüber hinaus hat das Berufungsgericht – vom Kläger im Revisionsverfahren unwidersprochen – ausgeführt, die Beklagte sei auch dem Löschungsbegehren nachgekommen. Und schließlich hat die Beklagte bereits im Verfahren erster Instanz erklärt, das Klagebegehren als Widerspruch gegen die Datenverarbeitung aufzufassen und keine weiteren Daten zu verarbeiten.

[31] Bei dieser Sachlage ist tatsächlich nicht erkennbar, worin das rechtliche Interesse an der vom Berufungsgericht letztlich so formulierten Feststellung liegen soll: Das vom Kläger gestellte Auskunftsbegehren wurde erfüllt, weitere Auskunftsbegehren sind aufgrund des Widerspruchs derzeit nicht zu erwarten. Wenn die Revisionsbeantwortung des Klägers auf ein „mehrfach rechtswidriges Verhalten“ der Beklagten verweist, so findet dies im festgestellten Sachverhalt keine Deckung.

[32] 4. Damit war aber im Ergebnis das abweisliche Ersturteil wieder herzustellen.

[33] Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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