European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:0040OB00218.20T.0126.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Streitteile sind Medieninhaberinnen zweier konkurrierender Online-Informationsportale. Am 19. 4. 2020 veröffentlichte die Beklagte einen Artikel über ein Interview des Bundeskanzlers auf CNN und hielt dazu auch den CNN‑Beitrag als Video zum Abruf bereit. Vor dieser Veröffentlichung übermittelte der Pressesprecher des Bundeskanzlers dem Chefredakteur der Beklagten die Videosequenz per E‑Mail mit folgender Erklärung:
„Hier der Link zum Download des Interviews – Bitte diesen Link nicht einbetten, sondern das Video runterladen und auf dem eigenen Kanal bzw der eigenen Website wieder hochladen. Sollte dies nicht möglich sein, kann unser YouTube-Video gerne verwendet und eingebettet werden.“
[2] Die Klägerin begehrte, der Beklagten zu verbieten, für Dritte urheberrechtlich geschützte Bild- oder Bild-Tonsequenzen ohne Zustimmung des Urhebers/Leistungsschutzberechtigten vollständig oder in Ausschnitten zur Verfügung zu stellen; zudem begehrte sie die Urteilsveröffentlichung. Die Beklagte habe das in Rede stehende Video direkt aus dem Sendesignal von CNN erstellt. Die E-Mail des Pressesprechers des Bundeskanzlers erwecke nicht den Eindruck, dass dem Bundeskanzler Verwertungsrechte zukämen, sondern nur, dass dieser über einen Mitschnitt verfüge.
[3] Die Beklagte entgegnete, dass sie das Video aufgrund einer Rechteeinräumung abrufbar gehalten habe. Zumindest habe sie aufgrund der Veröffentlichungsbitte des Pressesprechers davon ausgehen dürfen, dass sie das Video veröffentlichen dürfe.
[4] Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Ein Eingriff in Ausschließlichkeitsrechte Dritter falle nicht unter die Fallgruppe des Rechtsbruchs nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG. Auch ein Verstoß gegen die beruflichen Sorgfaltspflichten eines Medienunternehmers nach § 1 Abs 4 Z 8 UWG liege nicht vor. Der Chefredakteur der Beklagten habe die E-Mail des Pressesprechers als Freigabe zur Veröffentlichung des Videos verstehen und davon ausgehen dürfen, dass eine Rechteeinräumung durch CNN bestanden habe.
[5] Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Vertrauen der Beklagten auf eine wirksame Rechteeinräumung könne einen Verstoß gegen die berufliche Sorgfalt im Sinn des § 1 Abs 4 Z 8 UWG ausschließen. Ein Vorbringen der Klägerin zu einem Branchen-Usus, demzufolge sich ein Medienunternehmer Verwertungsrechte immer vom Urheber verifizieren lassen müsse, fehle. Es sei daher nicht ersichtlich, warum die Beklagte nach Erhalt der E-Mail des Pressesprechers gehalten gewesen wäre, weitere Erkundigungen dahin einzuholen, ob der Interviewbeitrag auf der Website der Beklagten abrufbar gehalten werden dürfe.
Rechtliche Beurteilung
[6] Mit der dagegen erhobenen außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine erhebliche Rechtsfrage auf:
[7] 1.1 Die Klägerin stützt das Klagebegehren auf den Vorwurf unlauteren Verhaltens durch Verletzung der einem Medienunternehmer gebotenen beruflichen Sorgfalt im Zusammenhang mit Urheberrechten Dritter.
[8] Nach österreichischem Lauterkeitsrecht ist das Erfordernis der Einhaltung der beruflichen Sorgfalt nach § 1 Abs 4 Z 8 UWG auch dem mitbewerberschützenden Tatbestand des § 1 Abs 1 Z 1 UWG zugrunde zu legen (4 Ob 62/14t; 4 Ob 96/17x). Die beruflichen Sorgfaltspflichten nach § 1 Abs 4 Z 8 UWG (Art 2 lit h RL‑UGP) bestimmen sich nach den anständigen Marktgepflogenheiten im jeweiligen unternehmerischen Tätigkeitsbereich sowie nach dem Grundsatz von Treu und Glauben (4 Ob 62/14t). Es ist daher anhand der berechtigten Erwartungen eines durchschnittlichen Erklärungsempfängers zu prüfen, ob im Verhalten des Unternehmers ein Verstoß gegen den einschlägigen Branchen-Usus gelegen ist (EuGH C‑310/15, Deroo-Blanquart, Rn 34).
[9] Aus der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zu 4 Ob 96/17x, die eine Kurz-Bildberichterstattung zur Fußball-WM 2014 nach § 5 FERG betraf, kann im gegebenen Zusammenhang abgeleitet werden, dass bei Übernahme eines Bildsignals oder bei Veröffentlichung einer Videosequenz die Verletzung der beruflichen Sorgfalt zu verneinen ist, wenn sich der Beklagte zumindest dem Anschein nach mit guten Gründen auf die Zustimmung des Berechtigten stützen kann. Ein darüber hinausgehender Branchen-Usus dahin, dass sich ein Medienunternehmer vor Veröffentlichung einer Videosequenz von der Zustimmung des Berechtigten durch aktive Nachfrage beim Urheber vergewissern müsse, besteht nicht. Dafür bietet auch der Ehrenkodex für die österreichische Presse (vgl dazu 4 Ob 62/14t) keine Anhaltspunkte.
[10] 1.2 Die Konkretisierung der Anforderungen an die jeweilige berufliche Sorgfalt richtet sich typisch nach den Umständen des Einzelfalls und begründet im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage (4 Ob 84/15d).
[11] Im Anlassfall kommt es in dieser Hinsicht entscheidend auf die E-Mail-Erklärung des Pressesprechers des Bundeskanzlers an, die nach den Umständen des Einzelfalls auszulegen ist (RIS‑Justiz RS0053866; RS0042555). Die Schlussfolgerung der Vorinstanzen, dass diese E‑Mail aufgrund der konkreten Anweisungen zur Veröffentlichung der übermittelten Videosequenz als Freigabe verstanden werden konnte und die Beklagte daher auf eine entsprechende Rechteeinräumung vertrauen durfte, begründet keine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Fehlbeurteilung. Dieses Ergebnis wird dadurch bekräftigt, dass nach dem Inhalt der E‑Mail-Erklärung auch der Bundeskanzler selbst das Video über seinen YouTube‑Kanal verbreitet hat und die Beklagte auch darauf hätte zurückgreifen dürfen.
[12] 2.1 Weiter stützt sich die Klägerin auf eine Verletzung der beruflichen Sorgfaltspflichten durch die Beklagte aufgrund eines Verstoßes gegen die journalistische Sorgfalt im Sinn der §§ 6 Abs 2 Z 2 lit b und 29 Abs 1 MedienG.
[13] Das Gebot zur Einhaltung der journalistischen Sorgfalt erfordert im Allgemeinen, dass der Veröffentlichung auf Tatsachen gegründeter herabsetzender Äußerungen zumutbare und leicht durchführbare Recherchen vorangehen müssen (6 Ob 168/97t; vgl auch 6 Ob 291/00p) und dem von einer solchen Berichterstattung Betroffenen grundsätzlich Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muss; dies gilt vor allem dann, wenn die veröffentlichten Informationen von einem Dritten stammen (6 Ob 11/15h; vgl auch 6 Ob 51/01w).
[14] 2.2 Im Anlassfall führen diese Grundsätze zu keiner anderen Beurteilung, weil ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Journalist in der gegebenen Situation auf eine Rechteeinräumung vertrauen durfte und daher nicht mit der Verletzung von Urheberrechten oder Leistungsschutzrechten rechnen musste.
[15] 3. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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