OGH 2Ob150/19a

OGH2Ob150/19a29.6.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** S*****, vertreten durch Dr. Peter Kolb, Rechtsanwalt in Tulln, gegen die beklagte Partei Ing. M***** S*****, vertreten durch Dr. Brigitte Birnbaum und Dr. Rainer Toperczer, Rechtsanwälte in Wien, wegen (restlichen) 20.222,22 EUR sA, über den Rekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 17. Juli 2019, GZ 16 R 19/19k-65, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 17. Dezember 2018, GZ 58 Cg 146/15i-56, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0020OB00150.19A.0629.000

 

Spruch:

 

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und es wird in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass das Urteil des Erstgerichts einschließlich der Kostenentscheidung wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.613,46 EUR (darin enthalten 530,41 EUR USt und 1.431 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Der am ***** 2015 verstorbene J***** S***** (im Folgenden: Erblasser) hinterließ seine Frau und drei Söhne, darunter die Streitteile. Seine Ehefrau hatte er testamentarisch zur Alleinerbin bestimmt. Mit Schenkungsvertrag vom 22. 11. 2000 samt Nachtrag vom 9. 5. 2001 hatte er dem Beklagten einen Liegenschaftsanteil (Kleingartenparzelle) mit den darauf befindlichen Baulichkeiten (im Folgenden: Liegenschaft) unter Vorbehalt eines lebenslangen Wohnungsgebrauchsrechts für sich und seine Ehefrau geschenkt.

Der Verkehrswert der Liegenschaft betrug zum Zeitpunkt der Schenkung 58.000 EUR, zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers 182.000 EUR. Eine Wertsteigerung durch den (nach der Schenkung) errichteten Wintergarten trat nicht ein. Der Verkehrswert der Liegenschaft zum Todeszeitpunkt betrug unter Berücksichtigung der Wertminderung durch das Wohnungsgebrauchsrecht der Witwe 115.100 EUR.

Der Erblasser wurde vom 17. 12. 2012 bis zu seinem Tod in einem Pflegeheim betreut. Der Fonds Soziales Wien förderte die Pflege mit 107.493,74 EUR und meldete diesen Betrag als Forderung im Verlassenschaftsverfahren nach dem Erblasser an.

Die Verlassenschaft wies Aktiva von 396,20 EUR und als einziges Passivum die Forderung des Fonds Soziales Wien mit (gerundet) 107.493 EUR aus, woraus sich ein mit 107.096,80 EUR überschuldeter Reinnachlass errechnete. Der Beklagte zahlte dem Kläger auf dessen Pflichtteilsanspruch 5.500 EUR.

Über seinen Antrag vom 14. 8. 2015 wurden mit spätestens seit 10. 12. 2015 rechtskräftigem Beschluss des Verlassenschaftsgerichts vom 30. 10. 2015 dem Fonds Soziales Wien die Aktiva der überschuldeten Verlassenschaft auf teilweisen Abschlag seiner Forderung der stationären Pflege und Betreuung von 107.493,74 EUR an Zahlungs statt überlassen.

Der Akt ist beim Fonds Soziales Wien „enderledigt“.

Mit der vorliegenden (Schenkungs-)Pflichtteilsklage begehrt der Kläger nach Einschränkung und rechtskräftiger Teilabweisung des Klagebegehrens im ersten Rechtsgang zuletzt noch die Zahlung von 20.222,22 EUR sA. Soweit im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof noch von Bedeutung, brachte er vor, die vom Fonds Soziales Wien geltend gemachte Forderung sei nicht von der Berechnungsgrundlage des Schenkungspflichtteils abzuziehen. Dem Fonds Soziales Wien sei die Verfolgung seiner Ansprüche nicht mehr möglich. Der Beklagte wäre bereichert, könnte er die angemeldete Forderung dennoch in Abzug bringen. Bei der Berechnung des Schenkungspflichtteils sei zwar von der „fiktiven Annahme“ auszugehen, dass die Schenkung unterblieben und die Liegenschaft in die Verlassenschaft gefallen wäre. Damit werde aber dem Beklagten nicht das Recht eingeräumt, Leistungen in Abzug zu bringen, die weder er noch sonstige Erben erfüllt hätten.

Der Beklagte wendete ein, bei der Berechnung eines durch Schenkung erhöhten Pflichtteils sei die Überschuldung des Nachlasses vom Wert der Schenkung abzuziehen. Zum Todeszeitpunkt des Erblassers habe gegen ihn die Forderung des Fonds Soziales Wien bestanden.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren auch im zweiten Rechtsgang ab. Es traf die zusammengefasst wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen und führte rechtlich aus, der Pflichtteil des Klägers betrage ein Neuntel. Die Schenkung sei zwar dem Nachlass hinzuzurechnen, dieser sei jedoch überschuldet. Es könne daher nur jener Teil des Werts der geschenkten Sache als Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil des Klägers herangezogen werden, der auch unter Berücksichtigung der Überschuldung einen positiven Nachlasswert gebildet hätte. Der bei der Pflichtteilsermittlung anzurechnende Verkehrswert der Liegenschaft betrage unter Berücksichtigung des aufrechten Wohnungsgebrauchsrechts 115.100 EUR, sodass sich für die Bemessung des Schenkungspflichtteils des Klägers der Betrag von 8.003,20 EUR ergebe. Der dem Kläger daraus zustehende Pflichtteil von 889,24 EUR sei durch die vom Beklagten bereits geleistete Zahlung gedeckt.

Das Berufungsgericht hob das Urteil des Erstgerichts auf, verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück und ließ den Rekurs an den Obersten Gerichtshof zu.

Es führte aus, Zweck der §§ 785, 951 ABGB aF sei, den Pflichtteilsberechtigten so zu stellen, wie er stünde, wenn die Schenkung unterblieben wäre. Die geschenkte Sache wäre in diesem Fall im Nachlass vorhanden und erhöhte so die Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil. Bei Überschuldung könne nicht der gesamte Wert der geschenkten Sache als Bemessungsgrundlage für den Pflichtteil dienen, sondern nur jener Teil, der auch unter Berücksichtigung der Überschuldung einen positiven Nachlasswert gebildet hätte. Die Überschuldung sei daher vom Wert der Schenkung abzuziehen, was bei hoher Überschuldung dazu führen könne, dass trotz hinzuzurechnender Schenkungen – mangels positiver Bemessungsgrundlage – überhaupt kein Pflichtteilsanspruch bestehe. Die im Verlassenschaftsverfahren des Erblassers vom Fonds Soziales Wien geltend gemachte Forderung resultiere aus einer mehrjährigen stationären Betreuung des Erblassers in einer Pflegeeinrichtung der Stadt Wien. Der mit dem Sozialversicherungs-Zuordnungsgesetz (SV-ZG; BGBl I 2017/125) eingeführte, im Verfassungsrang stehende § 330a ASVG sehe ein generelles Verbot des Pflegeregresses vor und erkläre einen Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, ihren Angehörigen, Erben oder Geschenknehmern zur Abdeckung der Pflegekosten für unzulässig. Nach mittlerweile gesicherter Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs komme das Rückgriffsverbot auch dann zum Tragen, wenn die Ersatzforderung auf einer stationären Aufnahme beruhe, die – wie hier – zu Leistungen des Sozialhilfeträgers vor dem Inkrafttreten der Bestimmung (1. 1. 2018) geführt habe. Die in der Übergangsbestimmung des § 707a Abs 2 ASVG enthaltene Anordnung, dass laufende Verfahren einzustellen sind, ergänze § 330a ASVG und mache unmissverständlich klar, dass diese Bestimmung auch in anhängigen Verfahren anzuwenden sei. Die geänderte Rechtslage sei von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren wahrzunehmen. § 330a ASVG untersage nicht nur den Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, sondern auch den Zugriff auf deren Nachlass, weil anders der durch die Verfassungsbestimmung verfolgte Zweck, die Verwertung mühsam erworbener Vermögenswerte pflegebedürftiger Personen, wie etwa eines Eigenheims oder Sparguthabens, zu verbieten nicht erreicht würde. Das Regressverbot greife, wenn ein Verfahren darüber zwar vor dem 1. 1. 2018 eingeleitet, aber noch nicht rechtskräftig im Sinn einer Ersatzpflicht beendet sei. Die Anmeldung einer Forderung im Verlassenschaftsverfahren könne nicht zu einer rechtskraftfähigen Entscheidung über den Bestand der Forderung führen. Sei evident, dass aufgrund der aktuellen Rechtslage eine Forderung des Sozialhilfeträgers nicht geltend gemacht werden könne, komme eine Berücksichtigung der Forderung als Passivum nicht in Betracht. Für das vorliegende Verfahren ergebe sich daraus, dass die im Verlassenschaftsverfahren angemeldete Forderung des Fonds Soziales Wien für die Berechnung des Pflichtteils des Klägers keine Rolle spielen könne. Zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung sei die Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils und die Verfahrensergänzung zur Erörterung der aufgezeigten Rechtslage mit den Parteien geboten.

Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zu den Auswirkungen der neuen Bestimmungen zum Verbot des Pflegeregresses auf ein anhängiges Pflichtteilsverfahren noch keine Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richtet sich der Rekurs des Beklagten mit dem Antrag, das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Der Kläger beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Der Rekurs ist zulässig , weil das Berufungsgericht die Normen über das Verbot des Pflegeregresses zu Unrecht auf den vorliegenden Fall angewendet hat; er ist im Sinn der Wiederherstellung des erstgerichtlichen Urteils auch berechtigt .

Der Beklagte macht geltend, die betreffend das Verbot des Pflegeregresses geänderte Rechtslage spiele für den vorliegenden Sachverhalt keine Rolle, weil das Verlassenschaftsverfahren spätestens Anfang 2016 rechtskräftig beendet gewesen sei. Der Akt sei beim Fonds Soziales Wien „enderledigt“. Zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der § 330a und § 707a ASVG am 1. 1. 2018 habe es kein offenes Verfahren im Sinne dieser Neuregelungen gegeben. Hätte sich die Liegenschaft im Verlassenschaftsvermögen befunden, hätte die dem Grunde und der Höhe nach unstrittige Forderung des Fonds Soziales Wien nach der damaligen Rechtslage voll befriedigt werden müssen und können.

Rechtliche Beurteilung

Hierzu wurde erwogen:

1. Nach der mit BGBl I 2017/125 eingeführten Verfassungsbestimmung des § 330a ASVG ist ein Zugriff auf das Vermögen von in stationären Pflegeeinrichtungen aufgenommenen Personen, deren Angehörigen, Erben/Erbinnen und Geschenknehmer/inne/n im Rahmen der Sozialhilfe zur Abdeckung der Pflegekosten unzulässig. Nach der weiteren Verfassungsbestimmung des § 707a Abs 2 ASVG trat § 330a ASVG samt Überschrift in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I 2017/125 mit 1. Jänner 2018 in Kraft. Ab diesem Zeitpunkt dürfen Ersatzansprüche nicht mehr geltend gemacht werden, laufende Verfahren sind einzustellen.

2.  Das Berufungsgericht hat sowohl die Grundsätze der Schenkungsanrechnung nach der hier aufgrund des Todestages des Erblassers noch anzuwendenden Rechtslage vor dem ErbRÄG 2015 (BGBl I 2015/87; § 1503 Abs 7 Z 1 und 2 ABGB) als auch die gesetzlichen Voraussetzungen des mit BGBl I 2017/125 eingeführten Verbots des Pflegeregresses und die dazu bisher ergangene höchstgerichtliche Rechtsprechung zutreffend dargestellt.

3.  Folgerungen

3.1.  Nach den Materialien (Begründung des Abänderungsantrags im Nationalrat, AA-225. GP 3) soll mit § 330a

ASVG der Pflegeregress verboten werden. Durch die Übergangsregelung soll sichergestellt werden, dass ab dem Inkrafttreten sowohl laufende gerichtliche als auch verwaltungsbehördliche Verfahren eingestellt werden.

3.2.  In der oberstgerichtlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass das Verbot des Pflegeregresses nach § 330a ASVG auch vor dem 1. 1. 2018 verwirklichte Sachverhalte erfasst und dass die geänderte Rechtslage von Amts wegen auch noch im Rechtsmittelverfahren anzuwenden ist (RS0132059). Dies ist dahingehend zu präzisieren, dass mit den „verwirklichten Sachverhalten“ vor dem 1. 1. 2018 erbrachte Pflegeleistungen gemeint sind, aber für die Anwendbarkeit der zitierten Bestimmungen selbstverständlich Voraussetzung ist, dass am 1. 1. 2018 ein (gerichtliches oder verwaltungsbehördliches) Verfahren über den Kostenregress noch nicht rechtskräftig beendet war (1 Ob 62/18a, ErwGr 5.3, 5.4). Weiters ist gesichert, dass „laufende Verfahren“, die einzustellen sind, auch Exekutionsverfahren sind, mit denen ein rechtskräftiger und vollstreckbarer Pflegeregresstitel durchgesetzt werden soll (vgl RS0132418).

3.3.  Das Berufungsgericht ist offenbar der Ansicht, auch der vorliegende Schenkungspflichtteilsprozess sei ein „laufendes Verfahren“ iSd § 707a Abs 2 ASVG, was dazu führe, dass sich der nachträgliche Wegfall des Pflegekostenregressanspruchs hier auf den Schenkungspflichtteilsanspruch des Klägers auswirke.

Dem gegenüber ist festzuhalten, dass – wie ausgeführt – „laufende Verfahren“ iSd § 707a Abs 2 ASVG nur solche zur Geltendmachung oder Hereinbringung von Pflegekostenregressforderungen sind. Dazu gehört aber der vorliegende Schenkungspflichtteilsprozess nicht.

Davon ausgehend wurden im vorliegenden Fall im Sinn des soeben Gesagten weder ab dem 1. 1. 2018 Ersatzansprüche geltend gemacht, noch liegen „laufende Verfahren“ vor, die „eingestellt“ werden könnten:

3.3.1.  Die Ersatzansprüche wurden bereits 2015, also lange vor dem Inkrafttreten des Verbots des Pflegeregresses, geltend gemacht.

3.3.2.  Sowohl dem Gesetzeswortlaut als auch den zitierten Materialien ist eindeutig zu entnehmen, dass unter „laufenden Verfahren“ iSd § 707a Abs 2 ASVG gerichtliche oder verwaltungsbehördliche Verfahren zu verstehen sind. Das gerichtliche Verfahren, in dem hier der Fonds Soziales Wien seine Regressansprüche aus der Pflege des Erblassers geltend machte und (in sehr geringem Umfang auch) hereinbrachte, war das Verfahren zur Überlassung an Zahlungs statt gemäß § 154 AußStrG im Rahmen des Verlassenschaftsverfahrens nach dem Erblasser. Mit der Rechtskraft (spätestens seit 10. 12. 2015) des entsprechenden Beschlusses des Verlassenschaftsgerichts vom 30. 10. 2015 war dieses Verfahren beendet und deswegen am 1. 1. 2018 kein „laufendes Verfahren“ mehr. Darauf, wann allenfalls beim Fonds Soziales Wien der Akt „enderledigt“ wurde (was nicht festgestellt wurde), kommt es demnach nicht an, weil es sich bei dem beim Fonds Soziales Wien geführten Akt um kein gerichtliches oder verwaltungsbehördliches Verfahren handelt.

An dieser Beurteilung ändert auch weder, dass die bloße Anmeldung einer Forderung im Verlassenschaftsverfahren zu keinem Exekutionstitel und auch nicht zu einer

rechtskraftfähigen Entscheidung über den Bestand der Forderung führt (vgl 6 Ob 108/06k), noch dass nach Überlassung an Zahlungs statt nach § 154 AußStrG das Verlassenschaftsverfahren etwa nach Hervorkommen von weiterem Nachlassvermögen (§ 183 AußStrG) fortgesetzt werden könnte. Denn auch im zuletzt genannten Fall wäre das dem Fonds Soziales Wien rechtskräftig an Zahlungs statt überlassene Vermögen nicht mehr in das nachträgliche Verlassenschaftsverfahren einzubeziehen (RS0007672 zur Rechtslage vor dem AußStrG 2003; für die Rechtslage zum AußStrG 2003 ebenfalls befürwortend Winkler in Schneider/Verweijen , AußStrG § 154 Rz 19; Sailer in Gitschthaler/Höllwerth , AußStrG 2 § 154 Rz 13).

Es lag am 1. 1. 2018 oder danach somit kein „laufendes Verfahren“ iSd § 707a Abs 2 ASVG vor.

4 . Unabhängig davon hat das am 1. 1. 2018 eingetretene Erlöschen der Pflegeregressforderung gemäß BGBl I 2017/125 im anhängigen Prozess auf die Forderung des Klägers keinen Einfluss: Anders als bei der Berechnung des „Nachlasspflichtteils“, bei welcher der Noterbe an der Entwicklung des Nachlasses zwischen dem Erbfall und der wirklichen Zuteilung des Pflichtteils teilnimmt, sind bei der Ermittlung des „Schenkungspflichtteils“ Schenkungen mit deren Wert zur Zeit des Erbfalls ohne Bedachtnahme auf spätere Wertveränderungen zu berücksichtigen (RS0012922; zuletzt 2 Ob 129/16h). Vom Wert der Schenkung ist bei Berechnung des durch Schenkungen erhöhten Pflichtteils eine allenfalls zum Todeszeitpunkt bestandene Überschuldung des Nachlasses in Abzug zu bringen (RS0012960). Ein späterer Forderungsverzicht ist nicht zu berücksichtigen (1 Ob 525/92 SZ 65/39). Nichts Anderes kann hier für das nachträglich vom Gesetzgeber verfügte Erlöschen der Nachlassschuld gelten. Dies wirkt sich somit auf den Anspruch des Klägers nicht aus.

5.  Im Übrigen erforderte auch der vom Berufungsgericht dargestellte Zweck der Schenkungsanrechnung keine Berücksichtigung des Verbots des Pflegeregresses: Wäre die Schenkung der Liegenschaft unterblieben und diese somit in der Verlassenschaft vorhanden gewesen, so wäre die damals berechtigte Forderung des Fonds Soziales Wien im Verlassenschaftsverfahren ebenso in voller Höhe als Passivum und damit als pflichtteilsmindernd zu berücksichtigen gewesen.

6.  Soweit der Kläger in der Rekursbeantwortung vorbringt, nicht der Erblasser, sondern dessen Frau habe den Pflegevertrag unterschrieben (woraus der Kläger ableitet, nicht der Erblasser, sondern seine Frau sei Vertragspartner des Fonds Soziales Wien – und somit offenbar Schuldnerin der Pflegegebühren – geworden), handelt es sich um eine im Verfahren vor dem Obersten Gerichtshof unzulässige Neuerung. Es kann daher auf sich beruhen, ob die allfällige Unterschriftsleistung durch die Frau des Erblassers unter den Pflegevertrag nicht ohnehin in Vertretung des Erblassers erfolgte, sollten doch die Pflegeleistungen diesem zugute kommen.

7.  Ergebnis und Kosten:

Aus den angeführten Gründen ist die Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung für das Rechtsmittelverfahren gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO. Die Bemessungsgrundlage beträgt 20.222,22 EUR.

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