OGH 7Ob18/20b

OGH7Ob18/20b27.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätinnen und Hofräte Hon.‑Prof. Dr. Höllwerth, Dr. Solé, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** K*****, vertreten durch Dr. Norbert Nowak, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 12.414,98 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 18. Oktober 2018, GZ 5 R 121/18b‑17, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 24. Mai 2018, GZ 261 Cg 13/18i‑13, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00018.20B.0527.000

 

Spruch:

I. Das Revisionsverfahren wird fortgesetzt.

II. Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben und die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

 

Begründung:

Die Parteien schlossen am 30. 8. 2002 einen indexgebundenen Lebensversicherungsvertrag ab, in dem die Zahlung einer Einmalprämie in der Höhe von 50.000 EUR und eine 10‑jährige Laufzeit vorgesehen war.

Die Klägerin erhielt bei Vertragsabschluss keine Belehrung über das Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG (in der damals geltenden Fassung [aF]).

Versicherungsbeginn war der 1. 11. 2002. Die Laufzeit des Lebensversicherungsvertrags endete mit 31. 10. 2012. Mit Vertragsende wurden sämtliche vertraglich vereinbarten Leistungen von beiden Seiten vollständig erbracht. Die Klägerin erhielt von der Beklagten eine Zahlung von 57.520,41 EUR.

Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 14. 10. 2017 ihren Rücktritt vom Versicherungsvertrag.

Die Klägerin macht wegen der unterbliebenen Belehrung nach § 165a VersVG (aF) den Rücktritt vom Lebensversicherungsvertrag geltend und begehrt infolge Rückabwicklung des Vertrags ex tunc die Bezahlung von 12.414,98 EUR sA. Dieser Betrag ergebe sich aus der Differenz zwischen Prämiensumme und Rückabwicklungswert sowie den kapitalisierten Zinsen abzüglich Risikokosten. Für die aus der Rückabwicklung resultierenden Zinsenansprüche gelte die 30-jährige Verjährungsfrist. Die Versicherungssteuer sei nicht in Abzug zu bringen. Die genaue Berechnung des – nicht aufgeschlüsselten – Klagsbetrags beruhe auf einem von der Klägerin eingeholten – im Prozess allerdings bislang nicht vorgelegten – Sachverständigengutachten.

Die Beklagte beantragt die Abweisung des Klagebegehrens und erwidert – soweit im Revisionsverfahren noch wesentlich –, dass nach vollständiger Vertragsabwicklung kein Rücktrittsrecht mehr zustehe und selbst gegebenenfalls wäre ein solches analog § 1487 ABGB innerhalb von drei Jahren ab Vertragsabschluss verjährt. Der Klägerin stünde selbst im Fall eines wirksamen Rücktritts lediglich ein Anspruch auf den Rückkaufswert des Vertrags zu. Bereicherungszinsen würden innerhalb von drei Jahren ab Zahlung der Prämie verjähren.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren mit der wesentlichen Begründung ab, dass nach vollständiger Vertragserfüllung kein Bedarf nach einem Schutz des Versicherungsnehmers durch das Rücktrittsrecht mehr bestehe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung, teilte die Rechtsansicht des Erstgerichts und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Ob ein Rücktritt von einem Lebensversicherungsvertrag bei nicht (ordnungsgemäß/fehlerhaft) erfolgter Belehrung über das Rücktrittsrecht gemäß § 165a VersVG (aF) auch nach Beendigung des Vertrags durch Ablauf der vereinbarten Laufzeit mit vollständiger Vertragserfüllung durch „lückenlosen“ Leistungsaustausch beider Parteien noch möglich sei, sei eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagestattgebung. Hilfsweise stellt die Klägerin auch einen Aufhebungsantrag.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision der Klägerin nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig; sie ist in ihrem Aufhebungsantrag auch berechtigt.

I.1.  Der Senat hat aus Anlass der Revision mit Beschluss vom 27. 2. 2019, AZ 7 Ob 32/19k, das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) über das Vorabentscheidungsersuchen vom 12. 7. 2018 des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien (GZ 13 C 738/17z‑12 [13 C 8/18y, 13 C 21/18k und 13 C 2/18s]), Rechtssache C‑479/18, UNIQA Österreich Versicherungen ua , unterbrochen.

2. Der EuGH hat mit Urteil vom 19. 12. 2019 in den verbundenen Rechtssachen C‑355/18 bis C‑357/18 und C‑479/18, Rust‑Hackner (ua), über das zuvor bezeichnete Vorabentscheidungsersuchen entschieden. Das Revisionsverfahren ist daher fortzusetzen.

II.A. Zum nationalen (österreichischen) Recht bei Abschluss des Versicherungsvertrags:

1. Der bei Vertragsabschluss geltende § 165a VersVG (idF BGBl I 1997/6) lautete soweit hier relevant:

„(1) Der Versicherungsnehmer ist berechtigt, binnen zweier Wochen nach dem Zustandekommen des Vertrags von diesem zurückzutreten. […]

(2) Hat der Versicherer der Verpflichtung zur Bekanntgabe seiner Anschrift (§ 9a Abs. 1 Z 1 VAG) nicht entsprochen, so beginnt die Frist zum Rücktritt nach Abs. 1 nicht zu laufen, bevor dem Versicherungsnehmer diese Anschrift bekannt wird.

[...]“

2. Der bei Vertragsabschluss geltende § 9a Abs 1 VAG (idF BGBl 1996/447) lautete soweit hier relevant:

„(1) Der Versicherungsnehmer ist bei Abschluss eines Versicherungsvertrages über ein im Inland belegenes Risiko vor Abgabe seiner Vertragserklärung schriftlich zu informieren über

[...]

6. die Umstände, unter denen der Versicherungsnehmer den Abschluss des Versicherungsvertrags widerrufen oder von diesem zurücktreten kann.

[...]“

B. Zur fehlenden Rechtsbelehrung und deren Rechtsfolgen:

1.  Die Klägerin hat von der Beklagten keine Informationen über ihr Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG (aF) erhalten. Der Senat hat – ausgehend von den Entscheidungen des EuGH 19. 12. 2013, C‑209/12, Endress , und 10. 4. 2008, C‑412/06, Hamilton – bereits ausgesprochen, dass aufgrund einer fehlenden oder fehlerhaften Belehrung über die Dauer des Rücktrittsrechts bei richtlinienkonformer Auslegung des § 165a Abs 2 VersVG dem Versicherungsnehmer ein unbefristetes Rücktrittsrecht zusteht (7 Ob 107/15h = RS0130376).

2. Im österreichischen Recht (VersVG) waren bis zum Zeitpunkt des von der Klägerin am 14. 10. 2017 gegenüber der Beklagten erklärten Vertragsrücktritts die Rechtswirkungen für den Fall, dass dem Versicherungsnehmer keine oder fehlerhafte Informationen über das Rücktrittsrecht mitgeteilt wurden, nicht geregelt. Einem der Klägerin infolge fehlerhafter Information gegebenenfalls noch zustehenden Rücktrittsrecht steht daher der Umstand, dass der Versicherungsvertrag regulär ausgelaufen und die Beklagte der Klägerin auch schon den Auszahlungswert gezahlt hat, grundsätzlich nicht entgegen (7 Ob 4/20v).

3.  Daraus folgt, dass die Rücktrittsfrist zum Zeitpunkt des mit Schreiben vom 14. 10. 2017 erklärten Rücktritts noch nicht abgelaufen war und der Rücktritt daher wirksam erfolgte.

4.  § 1435 ABGB räumt einen Rückforderungsanspruch ein, wenn der zunächst vorhandene rechtliche Grund einer Leistung – wie etwa nach einem Vertragsrücktritt – wegfällt. Der Wegfall des Vertrags beseitigt bei beiden Parteien den Rechtsgrund für das Behalten der empfangenen Leistungen (7 Ob 15/20m mwN). Die Klägerin hat aufgrund der – infolge wirksamen Rücktritts – vorzunehmenden bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten Prämien. Die von der Beklagten gewünschte Beschränkung der Rückabwicklung auf den bloßen Rückkaufswert nach § 176 VersVG widerspricht dem Unionsrecht (7 Ob 15/20m).

5.  Die Klägerin hat daher aufgrund der – infolge des wirksamen Rücktritts – vorzunehmenden bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung Anspruch auf Rückzahlung der geleisteten (hier offenbar:) Einmalprämie.

C. Zur Verzinsung zurückzuzahlender Prämien:

1.1.  Kondiktionsansprüche, die aus der (Teil-)Nichtigkeit eines Rechtsgeschäfts oder einer Vertragsbestimmung resultieren, verjähren in 30 Jahren beginnend vom Tag der Zahlung (RS0127654). Dagegen verjähren alle Arten von Zinsen aus einer zu erstattenden Geldsumme ohne Rücksicht auf den Rechtsgrund der Zahlungspflicht, darunter auch Zinsen aus einer ohne Rechtsgrund geleisteten und daher zurückzuerstattenden Geldsumme („Vergütungszinsen“) gemäß § 1480 ABGB in drei Jahren (RS0031939, RS0033829; RS0032078; RS0038587).

1.2.  Unkenntnis des Anspruchs hindert den Beginn der Verjährung im Allgemeinen nicht. Wer etwa einen wegen Irrtums (auch eines Rechtsirrtums) ohne Rechtsgrund geleisteten Geldbetrag zurückfordert, ist zwar bis zur Aufdeckung dieses Willensmangels gar nicht in der Lage, Zinsen vom rechtsgrundlos gegebenen Kapital zu fordern; das hindert aber nicht den Lauf der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 1480 ABGB, ist doch der Beginn der Verjährungsfrist grundsätzlich – von Ausnahmebestimmungen wie etwa § 1489 ABGB abgesehen – an die objektive Möglichkeit der Rechtsausübung geknüpft. Die Möglichkeit zu klagen ist im objektiven Sinn zu verstehen; subjektive, in der Person des Berechtigten liegende Hindernisse, wie ein Irrtum des Berechtigten oder überhaupt Unkenntnis des Anspruchs, haben in der Regel auf den Beginn der Verjährungsfrist keinen Einfluss (RS0034337; RS0034445 [T1]; RS0034248). Mehr als drei Jahre vor dem Tag der Klagseinbringung rückständige Vergütungszinsen sind daher verjährt (4 Ob 584/87).

1.3.  Diese Rechtsprechung hat der erkennende Fachsenat jüngst in den Entscheidungen 7 Ob 10/20a und 7 Ob 11/20y auch für den Fall der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung nach einem (Spät‑)Rücktritt des Versicherungsnehmers von einem Lebensversicherungsvertrag ausdrücklich aufrechterhalten.

1.4.  Soweit die Klägerin ihre Forderung nach Anwendung der 30‑jährigen Verjährungsfrist auf den gebotenen Gleichlauf der Verjährungsfristen für die Rückforderung irrtümlich geleisteter Versicherungsprämien und die dafür gebührenden Vergütungszinsen auf die Entscheidung 7 Ob 191/03v stützt, ist diese überholt. Der Fachsenat hat nämlich in der Entscheidung 7 Ob 137/18z ausgesprochen, dass Bereicherungsansprüche wegen der Leistung von Versicherungsprämien ohne vertragliche Grundlage der analogen Anwendung des § 1480 ABGB und damit der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen.

2.1.  Ausgehend von der Entscheidung des EuGH 19. 12. 2019, C‑355/18 bis C‑357/18 und C‑479/18, Rust‑Hackner (ua), hat der Senat in seinen Entscheidungen 7 Ob 10/20a und 7 Ob 11/20y weiters ausgesprochen: Im Grundsatz steht das Unionsrecht einer Verjährung des Anspruchs auf die Vergütungszinsen binnen drei Jahren nicht entgegen, wenn dies die Wirksamkeit des dem Versicherungsnehmer unionsrechtlich zuerkannten Rücktrittsrechts selbst nicht beeinträchtigt. Der EuGH hob deutlich hervor, dass das Rücktrittsrecht nicht dazu dient, dass der Versicherungsnehmer eine höhere Rendite erhalten oder gar auf die Differenz zwischen der effektiven Rendite des Vertrags und dem Satz der Vergütungszinsen spekulieren kann. Allerdings wurde auch darauf hingewiesen, dass im Einzelfall zu prüfen ist, ob eine solche Verjährung des Anspruchs auf Vergütungszinsen geeignet ist, die Wirksamkeit des dem Versicherungsnehmer unionsrechtlich zuerkannten Rücktrittsrechts selbst zu beeinträchtigen, zumal Versicherungsverträge rechtlich komplexe Finanzprodukte sind, die je nach anbietenden Versicherer große Unterschiede aufweisen und über einen potentiell sehr langen Zeitraum erhebliche finanzielle Verpflichtungen mit sich bringen können. Wenn unter diesen Umständen die Tatsache, dass die für mehr als drei Jahre fälligen Zinsen verjährt sind, dazu führen sollte, dass der Versicherungsnehmer sein Rücktrittsrecht nicht ausübt, obwohl der Vertrag seinen Bedürfnissen nicht entspricht, wäre eine solche Verjährung geeignet, das Rücktrittsrecht zu beeinträchtigen, insbesondere wenn der Versicherungsnehmer nicht richtig über die Bedingungen für die Ausübung dieses Rechts informiert wurde. Bei der Beurteilung der Bedürfnisse des Versicherungsnehmers ist jedoch auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen. Vorteile, die der Versicherungsnehmer aus einem verspäteten Rücktritt ziehen könnte, bleiben außer Betracht. Ein solcher Rücktritt würde nämlich nicht dazu dienen, die Wahlfreiheit des Versicherungsnehmers zu schützen, sondern dazu, ihm eine höhere Rendite zu ermöglichen oder gar auf die Differenz zwischen der effektiven Rendite des Vertrags und dem Satz der Vergütungszinsen zu spekulieren.

2.2.  Die Ausführungen des EuGH in seiner Entscheidung 19. 12. 2019, C‑355/18 bis C‑357/18 und C‑479/18, Rust‑Hackner (ua), zeigen allerdings, dass bei der – im Zusammenhang mit der Verjährung von Vergütungszinsen relevanten – Beurteilung der Bedürfnisse des Versicherungsnehmers ausschließlich auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen ist. Hingegen bezieht sich der EuGH ganz klar auf den Zeitpunkt des Rücktritts, wenn er davon ausgeht, dass dessen Ausübung dem Versicherungsnehmer nicht ermöglichen soll, ihm eine höhere Rendite zu verschaffen oder gar die Differenz zwischen der effektiven Rendite des Vertrags und dem Satz der Vergütungszinsen zu lukrieren. Vorteile, die der Versicherungsnehmer aus einem verspäteten Rücktritt ziehen könnte, bleiben außer Betracht. Ein deshalb erklärter Rücktritt würde nämlich nicht dazu dienen, die Wahlfreiheit des Versicherungsnehmers zu schützen, sondern eben dazu, auf eine Rendite durch die gesetzlichen Vergütungszinsen zu spekulieren.

Auf die teils gegenteiligen, bereits in 7 Ob 10/20a und 7 Ob 11/20y dargestellten Lehrmeinungen zur Frage der Verjährung der Vergütungszinsen ist im Licht der nunmehr vorliegenden Entscheidung des EuGH vom 19. 12. 2019, C‑355/18 bis C‑357/18 und C‑479/18, Rust‑Hackner (ua), nicht neuerlich einzugehen.

2.3.  Die zuvor unter Punkt 2.1. und 2.2. dargestellten Aspekte waren bislang nicht Gegenstand des Verfahrens und wurden nicht mit den Parteien erörtert. Es ist daher den Parteien Gelegenheit zu geben, Vorbringen zu erstatten und im Weiteren zu klären und festzustellen, ob der Vertrag – im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses – den Bedürfnissen der Klägerin entsprochen hat, sowie ob und inwiefern sie durch die Verjährung binnen drei Jahren daran gehindert worden ist, ihr Rücktrittsrecht geltend zu machen. Nur wenn der Vertrag im konkreten Einzelfall nicht den Bedürfnissen der Klägerin entsprochen hat und sie durch die Verjährung der Vergütungszinsen am Rücktritt gehindert worden sein sollte, wird die 3 ‑ jährige Verjährungsfrist nicht anzuwenden sein. Dabei wird etwa zu berücksichtigen sein, ob der Versicherungsvertrag gegebenenfalls ohnehin dem damit angestrebten Zweck einer vereinbarten Kreditbesicherung gedient hat, worauf die aktenkundige Abtretung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag an ein Kreditinstitut hindeutet.

3.1.  Die – vorbehaltlich der vorigen Ausführungen – grundsätzlich anzuwendende 3 ‑ jährige Verjährungsfrist beginnt im Zeitpunkt der objektiven Möglichkeit der Rechtsausübung, das ist mit der Zahlung der Prämie. Mehr als drei Jahre rückständige Verzugszinsen berechnet von dem Tag der Klagseinbringung sind daher verjährt. Werden fällige Zinsen eingeklagt, können mangels gesonderter Vereinbarung Zinseszinsen nicht vor dem Tag der Klagsbehändigung gefordert werden (§ 1000 Abs 2 ABGB; RS0083307). Der den Spätrücktritt geltend machende Versicherungsnehmer wird daher in der Regel sein Klagebegehren aufzuschlüsseln haben. Es wird aufzugliedern sein, welche Beträge aus welchen Prämien, welche Beträge aus Zinsen sowie aus welchen (nicht verjährten) Zinsen welche Zinseszinsen begehrt werden und welcher Betrag dann unter Berücksichtigung der vom Versicherer zu welchen Zeitpunkten bereits geleisteter Zahlung verbleibt. Aus einem vom Versicherer bereits geleisteten Betrag gebühren nach dem Zeitpunkt des Erhalts keinesfalls Vergütungszinsen.

3.2. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin ihr Begehren bislang nicht aufgeschlüsselt, sondern auf ein nicht vorgelegtes Gutachten verwiesen. Nach der Aktenlage ergibt sich allerdings, dass die Klägerin eine Einmalprämie von 50.000 EUR geleistet und von der Beklagten offenbar mehr als drei Jahre vor Klagserhebung 57.520,41 EUR erhalten hat, sodass ihr – vorbehaltlich der in Punkt 2.1. bis 2.2. erörterten Ausnahme – keine Vergütungszinsen zustehen.

4.  Sollte die Klägerin auch die Rückzahlung der Versicherungssteuer begehren, wird dazu auf die Ausführungen im Vorabentscheidungsersuchen des Senats zu AZ 7 Ob 211/18g verwiesen; in diesem Umfang wird die Unterbrechung des Verfahrens zu erwägen sein.

D. Ergebnis:

1. Die Klägerin hat von der Beklagten keine Belehrung über ihr Rücktrittsrecht nach § 165a VersVG (aF) erhalten, weshalb ihr der Spätrücktritt ungeachtet des bereits zur Gänze erfüllten Vertrags zusteht.

2.  Sollte die Klägerin mehr als drei Jahre vor Klageerhebung von der Beklagten eine die geleistete Einmalprämie übersteigende Zahlung erhalten haben, gebühren der Klägerin grundsätzlich keine Vergütungszinsen. Ausnahmsweise steht die dreijährige Verjährungsfrist einem Begehren der Klägerin nach Vergütungszinsen dann nicht entgegen, wenn der Vertrag im konkreten Einzelfall – bezogen auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses – nicht den Bedürfnissen der Klägerin entsprochen haben und sie durch die Verjährung am Rücktritt gehindert worden sein sollte. Dies wird im fortgesetzten Verfahren zu klären sein.

3.  In dem Umfang, in dem im Klagebegehren die Versicherungssteuer enthalten sein sollte, wird im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen zu AZ 7 Ob 211/18g die Unterbrechung des Verfahrens zu erwägen sein.

4. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 Satz 2 ZPO.

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