OGH 2Ob212/19v

OGH2Ob212/19v26.5.2020

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Veith als Vorsitzenden und den Hofrat Dr. Musger, die Hofrätin Dr. Solé sowie die Hofräte Dr. Nowotny und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei DI C* S*, vertreten durch Dr. Schilchegger Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Anif, gegen die beklagte Partei N* S*, vertreten durch Dr. Lorenz Wolff, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen Abtretung/Herausgabe einer Erbschaft (Streitwert 120.074,06 EUR), Rechnungslegung (Streitwert 40.000 EUR) und Herausgabe (Streitwert 40.000 EUR), hier wegen Streitanmerkung gemäß § 61 GBG, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 29. Oktober 2019, GZ 1 R 146/19z‑6, womit infolge Rekurses der klagenden Partei der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 15. Oktober 2019, GZ 3 Cg 19/19d‑3, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:E128588

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss, der im Übrigen unverändert bleibt, wird in seinen Punkten b) und c) dahin abgeändert, dass der Antrag auf grundbücherliche Anmerkung der Klage ob der Liegenschaften EZ 81 KG * B‑LNR 3 (1/1‑Anteil) und EZ 184 KG * B‑LNR 3 (1/1-Anteil) abgewiesen wird.

Die Verständigung der Grundbuchsgerichte von dieser Entscheidung obliegt dem Erstgericht.

 

Begründung:

Mit der vorliegenden Klage stellte der Kläger folgendes Begehren:

„1. Die Beklagte ist schuldig, dem Kläger die ihrem Vater […] rechtskräftig eingeantwortete Verlassenschaft nach dem am […] 1997 verstorbenen [Onkel der Streitteile und Bruder deren Vaters] in den von ihr erhaltenen Teilen/Quoten, wie folgt abzutreten/herauszugeben:

1.1. als mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts […] vom 25. 6. 2009 zu GZ […] zu einem Drittel rechtskräftig eingeantwortete Erbin nach [dem Vater], verstorben am […] 2008, […] im Ausmaß von einem Drittel sowie hinsichtlich nachstehender Liegenschaftsanteile:

1/3-Anteil an EZ 70109 KG *[…];

1/6-Anteil an EZ 20 KG *[…];

3/16-Anteile an EZ 81 KG *[…] und

3/16-Anteile an EZ 184 KG *[…], je als Geschenknehmerin lt Übergabsvertrag vom 12. 3. 2008;

1.2. als mit Einantwortungsbeschluss des Bezirksgerichts […] vom 14. 12. 2016 zu GZ […] zu sieben Zehntel rechtskräftig eingeantwortete Erbin nach [der Mutter der Streitteile], verstorben am […] 2015, [...] im Ausmaß von sieben Dreißigstel sowie hinsichtlich des 1/6-Anteils an der Liegenschaft EZ 70109 KG *[…].“

Weiters erhob er in der Form einer Stufenklage ein Manifestationsbegehren (2.) verbunden mit einem noch unbestimmten Herausgabe- und Zahlungsbegehren (3.).

Der Kläger brachte vor, sein Onkel habe ihn im Jahr 1991 auf einer Postkarte zu seinem Alleinerben eingesetzt. Sein Vater und seine Schwester, die Beklagte, hätten das Testament jahrelang unterschlagen, sodass die Verlassenschaft nach dem Onkel im Jahr 1998 dessen Bruder, dem Vater der Streitteile, eingeantwortet worden sei. Auf diesem Weg habe dieser die Liegenschaft EZ 70109 der KG *, jeweils 3/16‑Anteile an den Liegenschaften EZ 81 und EZ 184 je der KG * und 1/2‑Anteil an der Liegenschaft EZ 20 KG * erhalten. Der Vater habe sodann im Jahr 2008, kurz vor seinem Tod, die Liegenschaften EZ 81 und EZ 184 KG * mittels Übergabsvertrags an die Beklagte übertragen. Die EZ 70109 KG * und die EZ 20 KG * seien nach dem Tod des Vaters jeweils zu einem Drittel dem Kläger, der Beklagten und deren Mutter eingeantwortet worden. Nach dem Tod der Mutter im Jahr 2015 habe diese die Beklagte zu sieben Zehnteln und den Kläger zu drei Zehnteln zu ihren Erben eingesetzt, wobei aufgrund testamentarischer Vorgaben jeweils 1/6‑Anteil an der EZ 70109 KG * dem Kläger und der Beklagten zugeordnet worden seien. Die Anteile der Mutter an der EZ 20 KG * habe der Kläger erhalten. Die Beklagte halte nunmehr a) 1/3- und 1/6-Anteile an der EZ 70109 KG *, b) das Alleineigentum an der EZ 81 und der EZ 184 KG *, wobei jeweils 3/16‑Anteile ursprünglich aus der Verlassenschaft nach dem Onkel stammten, sowie c) 1/3-Anteil an der EZ 20 KG *, wobei 1/6-Anteil ebenfalls aus der Verlassenschaft nach dem Onkel stammte. Aufgrund des Testaments aus dem Jahr 1991 verfüge der Kläger über das bessere Erbrecht als sein Vater und die Beklagte.

Zugleich beantragte der Kläger die grundbücherliche Anmerkung der Klage im Eigentumsblatt nachstehender Liegenschaften hinsichtlich der Anteile der Beklagten:

- EZ 70109 KG * B‑LNR 5 (1/3) und B‑LNR 7 (1/6)

- EZ 81 KG * B-LNR 3 (1/1)

- EZ 184 KG * B-LNR 3 (1/1)

- EZ 20 KG * B-LNR 4 (1/3).

Das Erstgericht wies den Antrag auf Bewilligung der Streitanmerkung ab und begründete dies damit, dass der Kläger zwar die Herausgabe von Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteilen als Bestandteile einer seiner Ansicht nach ihm als wahren Erben zustehenden Verlassenschaft begehre. Ob der vom Antrag umfassten Liegenschaftsanteile seien aber nie dingliche Rechte des Klägers einverleibt gewesen, weshalb der Kläger nicht in einem bücherlichen Recht verletzt und der Antrag auf Klagsanmerkung abzuweisen sei.

Das Rekursgericht bewilligte antragsgemäß die Anmerkung der Klage „ob der nachgenannten, jeweils der Beklagten […] gehörenden Liegenschaften bzw. Liegenschaftsanteile“. Es bewertete den Entscheidungsgegenstand mit 30.000 EUR übersteigend und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs nicht zu. Das Rekursgericht führte aus, dass nach nunmehr ständiger Rechtsprechung bei Erbschaftsklagen eine Streitanmerkung zulässig sei.

Lediglich gegen die Bewilligung der Klagsanmerkung hinsichtlich der Liegenschaften EZ 81 und EZ 184 je KG *, jeweils B‑LNR 3 (1/1-Anteil), und der EZ 70109 KG * B‑LNR 7 (1/6-Anteil) richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Antrag auf grundbücherliche Anmerkung der Klage hinsichtlich dieser Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteile abgewiesen werde.

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist zur Klarstellung der Rechtslage zulässig. Er ist auch teilweise berechtigt .

Die Revisionsrekurswerberin macht geltend, eine Streitanmerkung sei bei einer Erbschaftsklage zwar grundsätzlich zulässig. Sie könne sich jedoch nur auf jene Liegenschaften oder Liegenschaftsanteile beziehen, deren Herausgabe mit Erbschaftsklage geltend gemacht werden könne. Die Liegenschaften EZ 81 und EZ 184 je KG *, habe die Beklagte durch den Übergabsvertrag mit ihrem Vater zu dessen Lebzeiten erhalten. Den 1/6-Anteil an der Liegenschaft EZ 70109 KG * habe sie als Vermächtnisnehmerin nach ihrer Mutter erworben. Insoweit handle es sich daher bei der gegenständlichen Klage nicht um eine Erbschaftsklage, weil die Beklagte das Eigentumsrecht an den genannten Liegenschaften bzw Liegenschaftsanteilen nicht durch Einantwortung oder Erbschaftskauf erworben habe. Daher sei auch die Klagsanmerkung unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen:

1. Über die Bewilligung einer Streitanmerkung ist allein aufgrund des Klagevorbringens und des Urteilsantrags ohne weitere Bescheinigung des behaupteten Anspruchs zu entscheiden (10 Ob 20/18s; 2 Ob 231/15g; RS0074232). Es hat jedoch eine Prüfung der Klage auf ihre Schlüssigkeit hin zu erfolgen, also ob im Fall des Zutreffens des Klagsvorbringens eine stattgebende Entscheidung ergehen könnte; diese ist Voraussetzung für die Streitanmerkung (RS0074232 [T2]).

2. Inhalt der Erbschaftsklage:

2.1 Mit der Erbschaftsklage macht der Kläger in der Regel gegenüber dem durch die Einantwortung ausgewiesenen vermeintlichen Erben ein Erbrecht geltend, das in der Einantwortung nicht nach Maßgabe des Erbanspruchs, wie er ihn erhebt, berücksichtigt worden ist. Er strebt die Rechtsstellung als Universalsukzessor des Erblassers anstelle oder neben dem eingeantworteten Scheinerben an und begehrt daher aufgrund seiner ausschließlichen Berechtigung die Abtretung der ganzen Verlassenschaft oder des seiner Berechtigung entsprechenden Teils. Mit Rechtskraft des stattgebenden Urteils erlangt der Kläger die Stellung eines eingeantworteten Erben und wird (rückwirkend) Universalsukzessor des Erblassers (10 Ob 8/08m; Welser in Rummel/Lukas, ABGB4 §§ 823, 824 Rz 12).

2.2 Bei der Erbschaftsklage sind passiv legitimiert jene Personen, die den Nachlass aufgrund der Einantwortung erworben haben, also die Erben und Erbschaftskäufer; ferner ihre Universalsukzessoren, vor allem ihre Erben; nicht aber Personen, die keine Erbeneigenschaft in Anspruch nehmen; daher nicht Vermächtnisnehmer oder wer aufgrund eines Übereinkommens mit dem Erben, beispielsweise durch Veräußerung, etwas aus dem Nachlass erworben hat. Der Inhaber solcher Nachlasswerte ist mit der Singularklage zu belangen (RS0123337).

2.3 Eine solche Singularklage liegt vor, wenn der bereits eingeantwortete Erbe vom Erblasser abgeleitete Einzelrechte durchsetzen möchte (3 Ob 219/05k; 3 Ob 570/85; RS0013131). Voraussetzung für eine solche Singularklage ist daher, dass der Kläger bereits die Stellung eines eingeantworteten Erben als Universalsukzessor des Erblassers erlangt hat (vgl 6 Ob 661/84; Ferrari‑Hoffmann-Wellenhof, Die Erbschaftsklage [1991] 202 ff).

3. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies Folgendes:

3.1 Hinsichtlich des 1/6‑Anteils an der EZ 70109 KG * liegt eine Erbschaftsklage vor:

3.1.1 Will der Erblasser einem besonders bezeichneten Erben einzelne Vermögensgegenstände des Nachlasses zuwenden, so muss er eine vorweggenommene Nachlassteilung in der letztwilligen Verfügung vornehmen. Dies kann durch eine Teilungsanordnung oder durch ein Vorausvermächtnis (§ 648 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015) geschehen. Durch ein echtes Vorausvermächtnis (Prälegat) wird eine Sache einem Mit‑ oder Alleinerben ohne Anrechnung auf den Erbteil vermacht. Das Prälegat belastet also ohne besondere Anordnung des Erblassers alle Erben (einschließlich des Prälegatars) verhältnismäßig und begünstigt insoweit den Prälegatar gegenüber den anderen Miterben. Es hat zur Folge, dass dem derart bedachten Erben mehr zukommt, als es seiner Erbquote entspricht. Der Begünstigte gilt als Vermächtnisnehmer. Demgegenüber erhält der Miterbe aufgrund eines unechten Prälegats (Hineinvermächtnisses) nicht mehr, als seiner Erbquote entspricht. Es ist deshalb nicht als echtes Legat zu behandeln, sondern als Teilungsanordnung, wodurch der bedachte Miterbe die ihm zugedachte Sache nicht als Legatar, sondern als Erbe erwirbt (dazu ausführlich 2 Ob 41/11k mwN).

3.1.2 Nach dem für die Bewilligung der Streitanmerkung maßgeblichen Klagsvorbringen (Punkt 1.) hat die Beklagte den 1/6‑Anteil an der EZ 70109 KG *, der ursprünglich im Eigentum des Onkels stand, aus dem Nachlass der Mutter der Streitteile erhalten, weil in Entsprechung der „testamentarischen Vorgaben“ der verstorbenen Mutter eine entsprechende „Zuordnung“ der Liegenschaften erfolgte. Dieses Vorbringen spricht nach seinem Wortlaut gegen die Anordnung eines Vorausvermächtnisses, sodass von einer bloßen Teilungsanordnung auszugehen ist.

3.1.3 Nach den Klagebehauptungen hat die Beklagte somit den genannten Liegenschaftsanteil als Erbin (und nicht als Vermächtnisnehmerin) nach ihrer Mutter erworben, die ihrerseits (Drittel-)Erbin nach dem als Scheinerben bezeichneten Vater der Streitteile war. Der Kläger könnte demnach die Herausgabe des Liegenschaftsanteils mit der Erbschaftsklage fordern; insoweit ist die Klage auch schlüssig.

3.1.4 Wie bereits das Rekursgericht zutreffend dargelegt hat, ist nach ständiger Rechtsprechung die Streitanmerkung gemäß § 61 GBG bei Erbschaftsklagen zulässig (RS0013135), was von der Revisionsrekurswerberin ohnehin nicht bezweifelt wird.

3.2 Hinsichtlich der 3/16-Anteile an den EZ 81 und EZ 184 je KG * liegt keine Erbschaftsklage vor:

3.2.1 Nach dem Klagsvorbringen hat die Beklagte die erwähnten Liegenschaften einschließlich der jeweils 3/16‑Anteile aus dem Nachlass des Onkels von dessen Scheinerben durch Rechtsgeschäft unter Lebenden und nicht im Erbweg erworben. Das Herausgabebegehren ist daher insoweit nicht als Erbschaftsklage zu qualifizieren.

3.2.2 Das Eigentum an einzelnen Erbschaftsstücken wird vom eingeantworteten Erben mit der Eigentumsklage verfolgt (§ 823 Satz 2 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015). Dieser klagt den Inhaber der Sache aufgrund des durch Einantwortung auf ihn übergegangenen Rechts, etwa auf Herausgabe der Sache. Die Berechtigung, vom Erblasser abgeleitete Einzelrechte durchzusetzen, erlangt der Kläger im vorliegenden Fall aber erst mit Rechtskraft eines stattgebenden Urteils über die Erbschaftsklage (Punkt 2.1). Ein solcher Anspruch könnte daher – unter den Voraussetzungen der Unredlichkeit der Beklagten (§ 824 letzter Satz ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015) – nur bestehen, wenn der Kläger im vorliegenden Erbschaftsstreit bereits rechtskräftig obsiegt hätte. Das trifft hier aber im Zeitpunkt der Klageerhebung nach dem eigenen Vorbringen des Klägers nicht zu. Eine selbständige Beurteilung dieser Vorfrage kommt wegen der Abhängigkeit des Anspruchs vom Vorliegen einer rechtskräftigen Entscheidung im Erbschaftsprozess nicht in Betracht (vgl 3 Ob 320/02h; Höllwerth in Fasching/Konecny³ § 190 Rz 72).

3.2.3 Damit ist das Klagebegehren insoweit unschlüssig, weshalb eine Streitanmerkung zu unterbleiben hat (Punkt 1.).

4. Dem außerordentlichen Revisionsrekurs ist daher teilweise Folge zu geben und der Antrag auf Anmerkung der Klage hinsichtlich der Liegenschaften EZ 81 und EZ 184 je KG * abzuweisen.

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